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Im Elfenbeinturm

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21.12.2015
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Im Elfenbeinturm

Iris freut sich auf ihr Zuhause im Türmchen. Dabei hat sie doch gerade den ersten Urlaub mit ihrer neuen Liebe hinter sich und der ist keineswegs ein Misserfolg gewesen. Obwohl ...
Sie haben eine lange Rückfahrt aus der Camargue vor sich. Es wird Abend werden, bis sie ankommen. Zum Glück hat es bisher keinen Stau gegeben. Am Neujahrstag befahren nur wenige Lastwagen die Autobahn, viele Leute müssen ja erst mal ausschlafen. Udo ist ein kontrollierter Fahrer, rasante Überholmanöver sind nicht sein Ding. Wenn er unvermittelt bremsen muss, streckt er den rechten Arm vor ihren Oberkörper, obgleich das Auto mit Sicherheitsgurt und Airbag natürlich maximalen Schutz bietet.
„Ist einfach ein Reflex“, erklärt er, als sie beim ersten Mal zusammenzuckt. Er schaut nur eine halbe Sekunde in ihre Richtung. „Hanna hat immer ein wenig gequiekt, die wollte am liebsten hinten sitzen.“
Hanna ist Udos jüngere Tochter. Wahrscheinlich hat ihr Vertrauen in den Papa einen Knacks bekommen, seitdem die Scheidung der Eltern beschlossene Sache ist. Udo hat viele Fotos von den Seinen auf dem Handy. Bei keinem Thema tut er sich so schwer wie bei den Kindern.
Seit zwei Stunden haben sie so gut wie nichts miteinander geredet. Iris gehört nicht zu den Beifahrerinnen, die unentwegt mit dem Zeigefinger herumfuchteln, um auf Sehenswürdigkeiten hinzuweisen. Ratschläge erteilt sie schon gleich gar nicht. Männer sind da empfindlich. Udo legt sich gerne mit dem Navi an. Das bringt sie zum Lachen, aber da versteht er keinen Spaß. Sie merkt es daran, wie er die Lippen zusammenpresst. Für mindestens eine Viertelstunde bleibt er dann sehr einsilbig.

Iris nutzt die eintönige Autobahnstrecke das Rhonetal hinauf, um weiter an ihrer Urlaubsbilanz zu basteln. Wie soll es mit ihnen weitergehen? Noch haben sie beide daran zu knabbern, dass die Wunden und Schrammen aus ihren Ehen ordentlich schmerzen. Udo ist gerade erst ausgezogen und haust jetzt in einem Ein-Zimmer-Apartment . Es sieht bei ihm ganz nach einem Rosenkrieg aus, Vermögensfragen verknotet mit dem Sorgerecht. Iris hat selbst schlimme Erinnerungen an ihre Trennung, aber Geld spielte dabei keine Rolle.
Kuschelsex ist angesagt, vorsichtiges Ausloten der Eigenheiten, Bedürfnisse und Wünsche. Wie kommen sie mit dem Zusammenwohnen, dem hundsgewöhnlichen Alltag zurecht, mit den berüchtigten offenen Zahnpastatuben? Zur Probe haben sie daher auch ein abgelegenes Ferienhäuschen und nicht ein Hotel gebucht. Ihnen war nach einem Silvester ohne 'Dinner for one' und Kanonenschläge zumute. Stattdessen holten sie sich einige Leckereien aus der Spezialitätenecke des Supermarché und einen trockenen Roten aus Bourdic. Mit einem Glas Prosecco traten sie eine Viertelstunde vor Mitternacht unter den klaren Sternenhimmel. Es war ganz still, nur ein Hund bellte in der Ferne. Udo legte zuerst das Jackett und dann den Arm um Iris' Schultern.
„Lass uns nichts überstürzen. Erst muss die Scheidung durch sein. Dann seh ich klarer.“
„Wann ist das Trennungsjahr vorbei, Juni, Juli?“
„Im Herbst hoffentlich. Wenn sie keine Schwierigkeiten macht.“
„Schwierigkeiten?“
„Na ja, du weißt schon, ein Jahr Trennung von Tisch und Bett. In der gemeinsamen Wohnung ist es verdammt schwierig. Hat nicht geklappt."
„Bist du optimistisch?“
„Nein.“
Ein kleiner Sternschnuppenschwarm zog vorbei. Gelegenheit für geheime Wünsche. Ob Udo sich das gleiche wünschte wie sie? Noch vor halb eins gingen sie zu Bett. Gepackt hatten sie schon am Nachmittag.

„Du bist so still“, sagt Udo und legt seine Rechte auf ihr Knie, „sollen wir eine Pause machen? Ich könnte einen Espresso vertragen.“ Er hat schöne Hände, schmale Finger und sehr gepflegte Nägel. Trotzdem kann er gut zupacken, manchmal ... Iris mag sie sehr.
„Warum nicht, wir schaffen es sowieso nicht, bevor es dunkel wird. Wann musst du tanken?“
„Wieso fragst du?“
„Na ja, ich dachte nur ...“ Iris verstummt. Udo fährt immer bis zum letzten Tropfen Benzin, genau wie ihr Ex. Auf der Hinfahrt, als sie die Autobahn verlassen hatten und durch abgelegene Dörfer der Auvergne fuhren, fanden sie erst auf den letzten Drücker eine offene Tankstelle. Iris wusste nicht, ob Udo eine sportliche Wette im Sinn hatte. Vielleicht wollte er bloß an den Tankstellen nicht mit Karte zahlen. Hier hätte sie früher mit ihrem Ex einen handfesten Krach angefangen. Der liebte solche Spielchen, lebte immer im Risikomodus. Wahrscheinlich war sie für ihn entweder zu zickig oder zu vernünftig gewesen. Kein Wunder, dass er Abenteuer anderswo suchte. Zwölf Jahre hat sie die ertragen.

Draußen dämmert es. Einzelne Schneeflocken bleiben an der Frontscheibe kleben und rutschen langsam nach unten. Die Landschaft wechselt allmählich von grau und braun zu weiß. Udo stellt die Autoheizung auf zweiundzwanzig Grad.
„Bei der nächsten Raststätte fahren wir raus, ich muss sowieso den Reifendruck nachprüfen. Kommt mir zu niedrig vor.“
Natürlich, Udo ist ja Ingenieur, da darf sie sich hundertprozentig auf seine Umsicht verlassen.
„Sollen wir nicht auch gleich noch eine Kleinigkeit essen? Und dann in einem Rutsch durchfahren?“
„Ganz wie Sie wünschen, Madame. Ich hoffe nur, dass wir kein Glatteis kriegen. Such mal SWR 3, da kommt bestimmt gleich der Wetterbericht."
„Soll ich dich ablösen?“
Iris ist froh, dass Udo den Kopf schüttelt. Sie war nie eine gute Fahrerin. Seit ihrer Scheidung hat sie kein eigenes Auto mehr.
„Hier brauche ich keins“, hat sie den Skeptikern unter die Nase gerieben, „wozu gibt es die Straßenbahn? Ich hab die Haltestelle direkt vor meiner Haustüre. Und für das Geld kann ich oft Taxi fahren. Außerdem sind es ja nur ein paar Schritte in die Innenstadt.“
Das stimmt. Es ist einer der Vorteile ihrer Wohnung mit dem grandiosen Rundblick von der Dachterrasse aus über die Stadt bis hin zu dunklen Höhen des Schwarzwaldes. Klar, die fünf steilen Treppen sind nicht jedermanns Sache. Als sie sich vor einem Jahr einen Bänderriss zugezogen hat, musste sie vier Wochen in ihrem Elfenbeinturm ausharren. Einen Aufzug gibt es in dem denkmalgeschützten Haus nicht, dafür aber ein Türmchenzimmer mit bis zum Boden reichenden Jugendstilfenstern, von denen aus sie das Leben unten auf der Straße beobachtete. Gut, dass sie sich in dieser Zeit auf ihr Netzwerk von Freunden und Kollegen verlassen konnte.
„Es ist alles nur eine Frage der Organisation. Okay, manchmal wird mir die Zeitung unten aus dem Briefkasten geklaut. Ich werd wohl auf ein Digitalabo umstellen. Und Flaschen schleppen ist zugegeben nicht so prickelnd. Aber oben ist es super, so luftig nach allen Himmelsrichtungen und vor allem so sicher. Die Glaskuppel kann von innen verriegelt werden. Und wenn's brennt, bin ich schnell im Freien.“
Dieses Credo verkündete sie trotzig bei jeder Gelegenheit.

Jetzt wohnt sie schon eineinhalb Jahre in ihrem Elfenbeinturm. Ungeladene neugierige Gäste kommen nicht mehr so oft, seit sie mit Udo zusammen ist.
Udo. Eine Freundin aus Kindertagen hat ihn einmal mitgeschleppt. Ein schlanker Mann mit eisblauen Augen und einer hohen Stirn, Anfang vierzig und gut einen Kopf größer als sie. Sein praktisches Talent als Bauingenieur bei der Stadt ließ ihn sofort kleinere Mängel erkennen. Lösungen hatte er auch gleich parat. Während ihrer unfreiwilligen Auszeit wegen des Bänderrisses fragte er mindestens jeden zweiten Tag an, ob er ihr was helfen könne. Er brachte zwei Rauchmelder an und schüttelte den Kopf, als er die einfache Wohnungstür mit den dünnen Glasscheiben inspizierte.
„Die hält nicht viel aus. Meinst du nicht, da wäre wenigstens ein Sichtschutz sinnvoll?“
So viel Fürsorge rührte sie und taute die äußere Eisschicht um ihre Gefühle an. Einmal, so um den ersten Mai herum, stand er nach einem ausführlichen Sonntagsfrühstück vom Tisch auf, spähte aus dem Türmchen auf die gegenüberliegende St. Georgs-Kirche, wo es gerade zwölf Uhr schlug, und murmelte, er habe hier jetzt wohl ein paar Würzelchen geschlagen. Iris hätte gerne gefragt, was er damit meine. Aber so viel Mut hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Die letzten fünfzig Kilometer, bereits auf deutschem Boden, kommen sie fast nur im Schritttempo voran. Ein Schneesturm fegt von der Seite her über die Fahrbahn. Iris ist froh, nicht selbst am Steuer zu sitzen. Bei ihrer Nachtblindheit kann sie kaum die Rücklichter erkennen. Sie sehnt sich nach einer heißen Dusche, um die Verspannungen in den Schultern loszuwerden.
„Hör mal, Iris, macht es dir was aus, wenn ich nur das Gepäck hochtrage und dann verschwinde? Ich muss unbedingt noch ein paar Telefonate führen, in Ruhe, du weißt ja … Ich hab's den Mädchen versprochen, und es ist schon nach acht.“
„Ja, klar, kein Thema.“ Iris will sich jetzt nicht mit Udos Familie beschäftigen. „Ich bin sowieso ziemlich müde. Ist ja kein Vergnügen mit dem Schnee. Du bist bestimmt k.o. Fahr du nur gleich weiter, den Koffer kriege ich auch allein nach oben.“
„Nicht so schlimm, nur die Augen tun mir weh. Aber Hanna ...“
„Ich hab schon verstanden, Udo. Children first. Wir haben ja noch ein paar Tage. Außerdem muss ich endlich die Abiaufsätze korrigieren. Übernächste Woche ist Termin.“
„Mir graut auch schon vor meinem Schreibtisch. Da liegt ein Stapel Baupläne für den Rathausumbau.“
„Du Armer! Klingt nach Stress.“
„Kann schon sein, aber mit dir möcht ich auch nicht tauschen.“
Iris lacht. Sie kennt seine Vorbehalte gegenüber dem Lehrerberuf. Er hat keine guten Erfahrungen mit Pädagogen. Zu viel Gedöns um Unwichtiges, findet er. Zu den Elternabenden hat er immer seine Ex geschickt. Die redet gerne und viel. Iris wundert sich manchmal, dass ihr Beruf den großen Schweiger nicht abgeschreckt hat.
Schließlich parken sie auf dem Parkplatz gegenüber ihrer Wohnung. Udo stellt den Motor ab und fängt an, Gepäck auszuladen. Iris blickt zu ihrem Ecktürmchen hoch. Ein wohliges Gefühl erfasst sie. Meine Burg, mein Refugium, was für ein Glücksfall in den Turbulenzen der beiden letzten Jahre. Sie hat sehr viel Energie und einiges an Geld in die Einrichtung gesteckt. Tu was für dich, du darfst dich nicht noch selbst bestrafen. Nur eine Nacht nach der Besichtigung brauchte sie und der Kauf war für sie beschlossene Sache. Der Makler kam aus dem Staunen gar nicht heraus.

Sie packt entschlossen Koffer und Reisetasche, pflanzt einen flüchtigen Kuss irgendwo in Udos Gesicht und ist schon auf der anderen Straßenseite. Vor dem altertümlichen Hauseingang mit den ausgetretenen Steinstufen dreht sie sich um und winkt. Udo steht wie angewurzelt da, den Autoschlüssel in der Hand.
„Wir telefonieren. Morgen. Und danke für alles“, ruft sie fröhlich hinüber. Dann holt sie den zwanzig Zentimeter langen Bartschlüssel aus ihrer Umhängetasche. Endlich zuhause.

Als erstes fallen ihr oben die schwarzen Flecken auf der weiß lackierten Eingangstür auf. Dann sieht sie die Holzsplitter auf dem Boden. Das Schloss ist herausgebrochen, die Tür nur angelehnt. Im großen Wohnraum, der das halbe Dachgeschoss umfasst, erwartet sie ein Chaos. Aufgerissene Schubladen, Bücher auf dem Boden, Papiere, überall Glasscherben. An den Wänden, um die Lichtschalter herum, auf dem hellen Berberteppich sind ebenfalls schwarze Flecken. Unter der Tischlampe auf dem großen Esstisch, den sie an einem Ende als Schreibtisch benutzt, findet sie eine Nachricht, dass sie sich beim zuständigen Revier melden solle. Es liegt nur ein paar Straßen weiter.
Iris handelt wie in Trance. Sie geht ein Stockwerk tiefer und klingelt bei der WG. Ein verschlafenes Erstsemester klärt sie auf. Ja, bei ihr ist eingebrochen worden. Wegen des anstehenden Partylärms habe er sie vorwarnen wollen, da war es schon passiert. Er habe sofort die Polizei verständigt und die sei mit der Spurensicherung angerückt. Sie hätten etwas von einer Kinderbande gesagt, es gäbe gerade eine Serie davon im Viertel. Nein, mehr wisse er nicht. Mit einem schrägen Blick von unten fügt er hinzu:
„Es ist wohl nicht sehr passend, wenn ich Ihnen ein gutes Neues Jahr wünsche?“
Das ist das Signal für ihr Herz, wie verrückt zu rasen. Iris kennt das schon: Wenn sie unter Stress zu flach geatmet hat, fängt der zweite Reizleiter an, ihr Herz auf Hochtouren zu bringen. Sie muss dann umhergehen oder sich hinlegen und abwarten. Oft dauert der Anfall eine halbe Stunde. Iris stolpert zurück in ihre Wohnung, wischt die Bücher und Papiere vom Sofa und streckt sich aus. Sie fühlt nur das Pochen. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei. Vorsichtig probiert sie aus, ob sie sich schon bücken kann, um die verstreuten Abiaufsätze aufzuheben. Zum Sortieren hat sie keine Kraft. Auf der polizeilichen Nachricht steht, sie solle alles überprüfen und auflisten, welche Gegenstände fehlen. Der Verlust wird, so glaubt sie, nicht allzu groß sein. Iris hat hübsche Möbel, aber keine kostbaren Antiquitäten oder Bilder. Der Schmuck, hauptsächlich Ketten und Ringe, deren Wert in der Erinnerung liegt, ist natürlich weg, auch die geerbte Münzsammlung und die paar Schweizer Franken vom letzten Ausflug nach Basel. Der Laptop steckt noch im Koffer, den hatte sie in Frankreich dabei. In der Vitrine sind die Scheiben zu Bruch gegangen. Mehr kann sie auf die Schnelle nicht herausfinden. Sie füllt sich einen Becher mit kaltem Leitungswasser, um ihren Magen zu beruhigen.
Soll sie Udo anrufen? Zögernd wählt sie seine Handynummer. Mailbox. Sie bittet lediglich um einen Rückruf, ohne einen Grund anzugeben. Momentan kann er ohnehin nicht helfen. Dann traut sie sich ins Schlafzimmer. Schrank und Bett sind Gott sei Dank unberührt. In ihren Schock mischt sich ein Hauch Erleichterung. Sie verzichtet auf Zähneputzen und Nachtcreme, dreht den Schlüssel im Schlafzimmer zweimal um. Erschöpft fällt sie in den Tiefschlaf, so dass sie nicht hört, wie das Telefon klingelt.

Am Morgen liest sie Udos SMS.
„Sorry, Iris, ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Martina ist im Krankenhaus, sie hat eine Alkoholvergiftung. Da werde ich wohl in der nächsten Zeit gebraucht. Ich melde mich wieder, sobald es geht. Udo“
Sobald es geht ... Sicherheit ist nur ein relativer Begriff.

 

Hallo hell


Du merkst es, wieselmaus, dein Text stößt eine Menge Gedanken in mir an. Was kann man sich als Verfasser mehr wünschen? und ja, das gebe ich dir auch gerne weiter: Die Geschichte wirkt nach.

Vielen Dank für diese Einschätzung. Das ist schon ein sehr hohes Lob. Und ich bin überrascht, dass meine Protagonisten so unterschiedliche Einschätzungen auslösen. Dabei wird gar nie behauptet, sie seien unrealistisch und/oder übertrieben dargestellt. Ich hab wohl den Nerv von vielen getroffen, auch mit der Thematik: Was ist "Sicherheit".

Besonderen Dank auch für deine akribische Sicht auf Formulierungen, besonders im letzten Teil. Wenn ich ehrlich bin, habe ich zuerst die Augenbrauen hochgzogen, ich, die ich doch behaupte , jeden Satz dreimal umzudrehen. :hmm: Aber es stimmt schon, da sind ein paar ärgerliche Doppler drin und Ungereimtheiten, die nicht sein müssen.

Wie du siehst, habe ich die meisten deiner Vorschlage direkt oder modifiziert übernommen.

Es sind jetzt viele Fotos von den Seinen auf dem Handy, ein weiterer Hinweis darauf, dass Udo noch voll im Familienkladderadatsch steckt.

Den Rosenkrieg habe ich für beide präzisiert::sealed:. Mir kam es darauf an zu zeigen, dass beide unterschiedliche Erfahrungen haben, wobei es bei Iris eben nicht ums Geld ging, bei Udo aber schon. Deshalb auch der (absurde) Versuch, das Trennungsjahr in der Familienwohnung durchzustehen. Dazu passt auch mMn, dass Iris bei der Tankstellensuche an die 'Maschen' ihres Ex denken muss und Udos 'Maschen' noch nicht im Fokus hat.

Iris ist bei ihrem Vorschlag zu der Fahrpause extrem vorsichtig, daher die auffällige Redundanz in ihrer Rede. Bloß nicht zu bestimmend auftreten ...

Dagegen sind sie ihre 'Ansprachen' an die Freunde und Kollegen beinahe Tiraden, trotzige Selbstbehauptungsvesuche, vielleicht auch gegen eigene Zweifel.

Die 'Würzelchen' des armen Udos bringen dich auf die Palme. Klingen ja schon ein bisschen merkwürdig. Aber was, wenn Iris bloß was falsch verstanden hätte, weil sie es sich gewünscht hat??

Schließlich der zwanzig Zentimeter lange Bartschlüssel Kann ich verstehen, dass du da den Kopf schüttelst. Aber du, der du den Lorettoberg und den Hildaturm kennst, weißt auch, wie die Häuser in der Wiehre sein können: ohne Sicherheitsschlösser, Gegensprechanlagen und Fahrstühle, oft von WGs bewohnt. Und da bleiben die Eingangstüren manchmal offenstehen, besonders an einem Tag, wo im Haus gefeiert wird. Man müsste ja sonst für jeden neuen Gast extra nach unten rasen... Leichte Übung für eine Kinderbande.

Bisschen was zum Grübeln

Jawoll, das hast du. Ich hoffe, du verzeihst mir meine lebhafte Verteidigungsrede. Ich hatte richtig Spaß dabei.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,


Schließlich der zwanzig Zentimeter lange Bartschlüssel Kann ich verstehen, dass du da den Kopf schüttelst. Aber du, der du den Lorettoberg und den Hildaturm kennst, weißt auch, wie die Häuser in der Wiehre sein können: ohne Sicherheitsschlösser, Gegensprechanlagen und Fahrstühle, oft von WGs bewohnt. Und da bleiben die Eingangstüren manchmal offenstehen, besonders an einem Tag, wo im Haus gefeiert wird.
Ja, nicht nur, weil ich selbst dort gewohnt habe, ich war auf vielen dieser Partys, wie du sie erwähnst :).
Ich weiß schon, es gibt - neben den weitreichenden Mordernisierungsmaßnahmen in dem Bezirk - noch solche Altbauten, die einen Renovierungsstau erkennen lassen, obwohl die Wohngegend zu den teuersten in Freiburg gehört. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sich das mit dem Schlüssel dem Leser glaubhaft erschließt, vor allem, da ich an so was denken musste: https://www.welt.de/finanzen/article13888228/Antike-Schluessel-bringen-Tausende-Euro-ein.html :D.
Aber das ist eh nur Kleinvieh.

wieselmaus schrieb:
Bisschen was zum Grübeln
Jawoll, das hast du. Ich hoffe, du verzeihst mir meine lebhafte Verteidigungsrede. Ich hatte richtig Spaß dabei.
Es gibt doch gar nichts zu verzeihen, wieselmaus, im Gegenteil. Ich freue mich darüber, dich zum Grübeln gebracht zu haben :baddevil:. Und du wirst nicht nur Spaß gefunden haben, sondern bestimmt auch etwas mehr Klarheit darüber, warum es bestimmte Dinge zu verteidigen galt.

Freut mich, dass du mit meinem Komm was anfangen konntest.


Gruß


hell

 

Lieber Friedrichard,

vielen Dank für den Überblick über den Bedeutungswandel von "Elfenbeinturm".

Dass er nichts mit Elfen zu tun hat, obwohl das Wort so märchenhaft klingt, sondern mit dem Elefantenbein, hatte ich schon einmal irgendwo mitbekommen. Der Turm ist aber ganz bestimmt ein märchenhaftes Element (z.B. Rapunzel), und ich assoziiere mit dem Wort sowohl selbstgewählte Entrücktheit wie Gefangenschaft, aus der ein Mensch befreit werden will. Füge ich mir noch als weiteres Element Elfenbein dazu als Stoff, der in asiatischen Ländern als Aphrodisiakum geschätzt wird, so habe ich doch für meine Iris eine wunderbare (märchenhafte) Mixtur, mit deren Hilfe ihr Akt der Selbstbefreiung gelingen könnte.

Verzeih mir bitte diesen kindlichen Ausflug in die Welt der Wörter. So was spuckt mir halt im Kopf herum, wenn ich schreibe. Vielleicht sollte ich's mal mit Märchen versuchen.

Herzlichst
wieselmaus

Hallo rieger,

ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich verstanden habe, wie der Text angelegt ist.

Der Text braucht Aufmerksamkeit und ich bin froh, dass ich sie beim zweiten Mal aufbrachte. Hat sich gelohnt.

ganz ehrlich, ich finde es toll, dass die vordergründige Harmlosigkeit dich nicht abgehalten hat, noch einmal hinzuschauen. Nicht jeder spürt das Kerosin (José) zwischen den Zeilen sofort. Es ist ja wahr, was ist schon an einer langen Autofahrt dran, wo fast nur geschwiegen wird und die Prota hauptsächlich in Rückblenden versinkt. Und selbst, als sie den Einbruch in ihre private Sphäre erlebt, erfolgt kein emotionaler Ausbruch mit einem ordentlichen Bäng, wie man erwarten könnte.

Danke für deine Geduld.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

So was spuckt mir halt im Kopf herum, ...
Müssen wir uns jetzt Sorgen machen um Dich,

liebe wieselmaus?

Ein hoffentlich fürsorglicher

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe maria.meerhaba,

Ich weiß jetzt nicht, wie verlässlich meine Kritik sein wird und vielleicht solltest du sie nicht so ernst nehmen.

aber, aber, liebe Maria, selbstverständlich nehme ich deine Kritik ernst. Auch wenn ich nicht alles akzeptieren kann, was du über meine Protagonistin schreibst.

Ich finde es einfach nur unschön und passender für eine Figur, die noch im Kindesalter steckt.

Tut mir leid, aber der Klang deines Textes , der hat etwas Kindisches.

Das hat mich doch ziemlich verblüfft. Ich hätte mir vorstellen können, dass man die Prota zu abgeklärt findet, dass sie ihre Gefühle nicht herauslässt und statt dessen ins streng Sachliche flüchtet.

Kinder kenne ich so: Sie platzen mit allem heraus, schreien, werfen sich auf den Boden, weinen und schluchzen ohne Ende, manchmal auch, um Erwachsene zu provozieren. Später lernen sie sich beherrschen (nicht alle ;)

Deinetwegen bin ich besonders froh, dass ich die Einbruchsszene nicht gestrichen habe. Da ist wenigstens ein Moment, wo sich Emotionen lautstark und dramatisch hätten entfalten können. Denn du hast ja recht. So ein Einbruch in den privaten Bereich verunsichert viele Betroffene so stark, dass sie die Wohnung wechseln, besonders wenn sie verwüstet und besudelt wurde. Aber das ist hier Gott sei Dank nicht passiert. Das Schlafzimmer, der wichtigste Rückzugsort, ist unversehrt.
Also, mit dem großen Bäng kann ich diesmal nicht dienen. Meine Prota ist halt eine temperamentlose Mitteleuropäerin, die weiß, dass Udo ihr hier nicht beistehen kann, jedenfalls nicht auf der Stelle. Nur darfst du sie nicht als gefühlsarm sehen. Das Herzrasen ist auch eine heftige Reaktion.

Aber das macht gar nichts, liebe Maria, wenn wir auch mal unterschiedlicher Meinung sind. Ich stelle mir gerade vor, dass du und ich im Copywrite aufeinanderstießen. Das wäre total spannend. Ich würde dir dann meine Geschichte "Eheringe" empfehlen.:baddevil:

Sonst bist du ja nicht unzufrieden mit dem Text. Dafür danke ich dir. Und sei nicht so streng mit deinen.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Liebe Willi,

schön, dass du die Zeit gefunden hast, auch noch meine Geschichte zu lesen. Und schön, dass sie dich emotional erreicht hat.

... als würde sie wie Dornröschen in einem Elfenbeintürmchen liegen und das Leben an sich vorbeiziehen lassen ...

Ich sehe Iris eher wie Schneewittchen im Eissarg, aber durchaus aktiv, musste sie doch ein Haus verkaufen, eine neue Wohnung kaufen und einrichten und überhaupt das Single-Leben organisieren. Emotional könnte man allerdings von einem Kälteschlaf ausgehen. Und ob da der Udo gerade der richtige Prinz ist ...?

Also ich merke, dass meine Prota viele Facetten bei den Leserinnen und Lesern mobilisiert. Mir gefällt das, weil ich daraus den Schluss ziehen kann, ein gutes Stück Realität erwischt zu haben.

Danke für das wie eine gute Freundin. Wir verstehen uns;)

Und dir wünsche ich weiter frohes Schaffen bei deinen historischen Grabungen.

Liebe Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe wieselmaus,

ich habe die vielen Kommentare nur quergelesen. Bevor ich es vergesse, möchte ich Anne49 noch was sagen:

wieselmaus schrieb:
Wenn er plötzlich bremsen muss, streckt er seinen rechten Arm vor ihren Oberkörper, obgleich das Auto mit Sicherheitsgurt und Airbag natürlich maximalen Schutz bietet.
„Ist einfach ein Reflex“, erklärt er, als sie beim ersten Mal zusammenzuckt.
Anne49 schrieb:
Damit hat Udo sich bei mir schon als Vollpfosten qualifiziert. Meine Fresse.

Liebe Anne, ich weiß nicht, wie alt du bist. Ich bin noch in einer Zeit aufgewachsen, da ist man ohne Gurt im Auto herumgefahren. Jeder einigermaßen liebevolle, sorgsame Mann/Fahrer(in) hat dann beim Bremsen automatisch mit dem Arm nach rechts gelangt. Es hätte wohl auch nie was gebracht, wenn es wirklich gerummst hätte - aber als Fahrer hat man die Situation einfach immer noch einen Ticken schneller im Visier und möchte dem anderen helfen. Dass man dann so ein Verhalten vielleicht nicht mehr ablegen kann, kann ich gut nachempfinden. Mein Vater macht das immer noch so, das hat sich so eingebrannt.

Von Vollpfosten deswegen zu sprechen, kann ich nicht nachvollziehen, auch wenn der Protagonist vielleicht einer jüngeren Generation angehört. :hmm:
Ich finde, es gibt schlimmere Reflexe :D

So, nun zu dir, wieselmaus.

Ich habe die Geschichte mit Spannung gelesen, obwohl sie ja eigentlich gar nicht spannend war. Mich hat interessiert, was du die Protagonisten bis zum Ende miteinander machen läßt.
Was mir, wenn ich aus der Ferne an den Text schaue, irgendwie nicht so richtig rund erscheint, sind die Stellen, an denen du von der Wohnung erzählst.

Das ist halt ihre Wohnung, die doch einige Vorteile hat, genauso wie Nachteile. Ist das nicht bei 90% der Wohnungen so, dass es ein ABER gibt? Also ich meine jetzt ganz neutral gesehen, ich spreche nicht von der emotionalen Seite, wie die Protagonistin an der Wohnung hängt.

Mich hat dieser fette Satz total gestört bzw. ich bin nicht dahinter gekommen, wieso die Prota so reagieren muss:

Okay, manchmal wird mir die Zeitung unten aus dem Briefkasten geklaut. Ich werd wohl auf ein Digitalabo umstellen. Und Flaschen schleppen ist zugegeben nicht so prickelnd. Aber oben ist es super, so luftig nach allen Himmelsrichtungen und vor allem so sicher. Die Glaskuppel kann von innen verriegelt werden. Und wenn's brennt, bin ich schnell im Freien.“
Dieses Credo verkündete sie trotzig bei jeder Gelegenheit.

Das hört sich für mich an, als würde alle Welt total doof finden, wo sie wohnt. Mir als Leser erschließt sich aber nicht, wo außer den 5 Stockwerken der Nachteil an der Wohnung ist. Ist halt so im Altbau, das ist sicher nichts Außergewöhnliches.
Auch an anderen Stellen finde ich die Beschreibung der Wohnung etwas zu sehr herauskristallisiert, so dass bei mir irgendwann am Ende der Geschichte die Frage aufkam, wo dein Fokus denn tatsächlich war? Bei der tollen Wohnung und wie wichtig die für die Prota ist oder bei dem doch etwas bedrückten Neuanfang einer Beziehung, wo man als Leser denkt, dass sich die Zwei anstrahlen sollten, küssen sollten, albern sein dürfen ... und dann kommt das alles so streng und grau daher ... nee, dann braucht ma doch keinen neuen Partner, wenn das so trist ist. :shy:
Der Titel ist zweideutig, insofern sehr gut, aber richtet mein Fokus dadurch noch mehr auf die Wohnung.

Ich glaube fast, du willst der Wohnung mehr Bedeutung zusprechen, wie ich es dir als Leser abnehme. Letztendlich ist die Wohnung "schuld", dass sich Udo dann heimischer gefühlt hat, weil er ihr während des Bänderrisses geholfen hat. Es kommen weniger Leute in die Wohnung, seit sie mit Udo zusammen ist (aber er lebt doch gar nicht bei ihr?) Ihr wird die Zeitung geklaut, weil sie da oben wohnt (der Zusammenhang erschließt sich mir auch nicht, denn das könnte auch einem Mieter aus dem zweiten Stock passieren).

Das sind so komische Argumente, die in mir ein Schulterzucken auslösen. Wenn du sagen würdest, dass die Heizung dauernd ausfällt und deswegen im Winter selten Besuch kommt, kann ich mir das z.B. besser vorstellen.

Also nochmal in Kürze: Das ist sehr gut geschrieben, es geht nur um die Gewichtung der Thematik, die mich etwas zwiegespalten zurück läßt.

Ach ja, Martina ist für mich natürlich die Mutter, denn wer nennt die letzten 30 Jahre sein Kind Martina? Ich kenne keine unter 40.

Jetzt mal von oben bis unten:

Iris freut sich auf ihr Zuhause im Türmchen.
Nach dem Satz dachte ich, dass Iris ein Kind ist, was sich auf sein Spielhaus mit Türmchen freut. Ohne Witz. Ich fände es besser, wenn das etwas erklärender wäre. Also so ungefährt:

Iris freut sich auf ihre Altbauwohnung (mit dem geliebtem) Türmchen. Sie lebt ja nicht im Türmchen, das ist ja nur ein kleiner Teil der Wohnung. Wenn man das so liest, stelle ich mir eine Zwergenfrau vor.

„Hanna hat immer ein wenig gequiekt, die wollte am liebsten hinten sitzen.“

Und wieso sollte sie dann vorne sitzen? Die Logik verstehe ich nicht, zumal es sich um ein Kind handelt.

Udo hat viele Fotos von den Seinen auf dem Handy.
den Seinen würde ich sofort rausschmeißen, das ist doch antiquiert und mit Familie ersetzten.


Udo ist gerade erst ausgezogen und haust jetzt in einem Einzimmerapartment.
Ein-Zimmer-Apartment oder Einzimmer-Apartment , als ein Wort sieht das so komisch aus.

Es sieht bei ihm ganz nach einem Rosenkrieg aus, Vermögensfragen verknotet mit dem Sorgerecht. Iris hat selbst schlimme Erinnerungen an ihre Trennung, aber Geld spielte dabei keine Rolle.
Kuschelsex ist angesagt, vorsichtiges Ausloten der Eigenheiten, Bedürfnisse und Wünsche. Wie kommen sie mit dem Zusammenwohnen, dem hundsgewöhnlichen Alltag zurecht, mit den berüchtigten offenen Zahnpastatuben?
Dieser Absatz ist inhaltlich wichtig, aber den finde ich jetzt suboptimal an den Leser "verkauft". Das ist so ein Wischiwaschi zwischen einem allwissenden Erzähler, der mal was erklärt bis hin zu Gedanken von ihr (Zahnpastatube). Überhaupt scheint mir gar nicht wichtig, was für Probleme die haben, das weiß man ja sowieso von genügend Beispielen um einem rum. Es würde für mich reichen, dass beide noch einiges aus den alten Beziehungen zu knabbern haben. Es geht ja hier in der Geschichte nicht um Geld, so dass man das Thema Finanzen oder sonstiges detaillierter ansprechen müsste, sondern darum, dass man noch keine Kraft und keinen Kopf für eine neue Beziehung hat.

Zur Probe haben sie daher auch ein abgelegenes Ferienhäuschen und nicht ein Hotel gebucht.

Zur Probe hört sich für mich zu rational an. Das macht auch den Eindruck, als hätten die noch nie zusammen in einem Zimmer mehr als ein paar Stunden verbracht. Aber da Udo ja schon bei ihr im Mai gefrühstückt, ergo auch übernachtet hat, gibt es die Situation doch schon länger.

Udo legte zuerst das Jackett und dann den Arm um Iris' Schultern.

Die sind zu zweit in einer Ferienwohnung und der zieht ein Jackett an, wenn er rausgeht? Kein Pulli, Strickjacke oder Winterjacke? Na, der ist aber sehr konventionell drauf. Und sie zieht keine Jacke an, obwohl sie wissen, dass sie mindestens 15 Minuten draußen stehen werden? Bei vielleicht 5-10° Grad?

„Na ja, du weißt schon, ein Jahr Trennung von Tisch und Bett. In der gemeinsamen Wohnung ist es verdammt schwierig. Hat nicht geklappt."

Da hatte barnhelm was dazu gesagt, ich glaube, da stand mal was mit Wäsche da. Jetzt lese ich für mich eindeutig heraus, dass er mit seiner Ex noch Sex hatte und wunderte mich, dass Iris nicht darauf reagiert hat.

Noch vor halb eins gingen sie zu Bett. Gepackt hatten sie schon am Nachmittag.
Was will mir der Autor mit dem Satz: Gepackt hatten sie schon am Nachmittag sagen?

„Du bist so still“, sagt Udo und legt seine Rechte auf ihr Knie, „sollen wir eine Pause machen? Ich könnte einen Espresso vertragen.“

Das vertragen, wieselmaus, ist, glaub' ich, ein süddeutscher Ausdruck. Ich würde eher gebrauchen schreiben.
Wahrscheinlich war sie für ihn entweder zu zickig oder zu vernünftig gewesen. Kein Wunder, dass er Abenteuer anderswo suchte. Zwölf Jahre hat sie die ertragen.
Ach Gott, was für ein lausiges Leben. Das zeigt natürlich, dass Iris eine sehr schüchterne Person ohne viel Selbstwertgefühl sein muss.


„Hier brauche ich keins“, hat sie den Skeptikern unter die Nase gerieben, „wozu gibt es die Straßenbahn? Ich hab die Haltestelle direkt vor meiner Haustüre. Und für das Geld kann ich oft Taxi fahren. Außerdem sind es ja nur ein paar Schritte in die Innenstadt.“
Hier ist auch so eine negative Einstellung wie bei der Wohnung (mit trotzigem Credo) mit den Skeptikern und unter die Nase reiben. In der Stadt gibt es doch genug Menschen, die kein Auto haben. Wieso wird das jetzt hier so thematisiert? Finde ich unnötig und lässt Iris fast hysterisch oder überkandidelt wirken.
Aber oben ist es super, so luftig nach allen Himmelsrichtungen und vor allem so sicher. Die Glaskuppel kann von innen verriegelt werden. Und wenn's brennt, bin ich schnell im Freien.“

Ich verstehe den Satz nicht. Wieso muss man denn im 5.Stock was von innen verriegeln? Falls ein Fassadenkletterer einbrechen will? Und wo steht man dann im Freien?


„Die hält nicht viel aus. Meinst du nicht, da wäre wenigstens ein Sichtschutz sinnvoll?“
Nicht aushalten bezieht sich auf mechanisches Aufhebeln - was hat das mit einem Sichtschutz zu zu tun? Den Zusammenhang verstehe ich nicht.
, pflanzt einen flüchtigen Kuss irgendwo in Udos Gesicht
sehr schön
Als erstes fallen ihr oben die schwarzen Flecken auf der weiß lackierten Eingangstür auf. Dann sieht sie die Holzsplitter auf dem Boden. Das Schloss ist herausgebrochen, die Tür nur angelehnt.
Ich würde doch vermuten, dass der Hausmeister ein Behelfsschloss hingemacht hätte oder die Polizei ein Absperrband hingeklebt hätte - aber man lässt doch so eine Wohnung nicht offen?

Schrank und Bett sind Gott sei Dank unberührt.
Da bricht jemand ein und macht Chaos und schaut nicht im Kleiderschrank nach, der so gerne als Versteck für Wertgegenstände gebraucht wird? Hmm. Für mich leider unglaubwürdig. wieselmaus, du wolltest da einfach die Iris gleich in Ruhe ins Bett verfrachten ... und sie macht sich keine Gedanken, weil die Haustüre nur angelehnt ist, auch, wenn sie das Schlafzimmer zusperrt? Da ist sie aber schnell cool geworden.
Ich weiß ja von Leuten, bei denen eingebrochen worden ist, dass die immense Probleme hatten, die Wohnung wieder voll annehmen zu können. Dass die ängstliche Iris das alles so auf die leichte Schulter nehmen kann, verwundert mich. Aber so zeigst du sie uns eben.

Sobald es geht ... Iris hat jetzt kapiert, dass Sicherheit nur ein relativer Begriff ist.

Der letzte Satz gefällt mir nicht. Besonders das kapieren finde ich unpassend.
Iris stellt fest, dass ...

Aber allgemein hätte ich mir einen anderen Satz gewunschen.

Viel Kleinklein habe ich jetzt geschrieben, aber das sind auch Geschmackssachen. Jedenfalls hat mich die Geschichte interessiert, das ist doch die Hauptsache :).

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo wieselmaus,

im Grunde genommen mag ich die Geschichte. Die Unsicherheit der beiden, dieses Sich-Voreinander-Verstecken, Scheu-sein, trotz der Nähe, die sich beide wünschen, sonst würden sie kaum das neue Jahr miteinander feiern, das kommt klar rüber, das lässt mich der Text spüren und das gefällt mir richtig gut.

Was mich aber rauswirft, sind die Zaunpfahlwinkereien des Erzählers, der Grundkonstruktion. Damit ich auch ganz bestimmt kapiere, wie verletzt Iris ist, wie sehr sie sich einigelt, wohnt sie in einer Art Turm mit Glaskuppel, ist Lehrerin, wer hat so einen Beschützerhandrefelx beim Autofahren. Ich finde das zu viel. Na ja, ein weiterer Kritikpunkt wäre noch deine Erzählweise, gefüllt mit einer Menge „tell“, aber das ist eben dein Stil und teilweise auch Geschmackssache. Eine zärtliche Sex-Szene fehlt mir auch, würde dem Text gut bekommen.

Textstellen:


Wenn er unvermittelt bremsen muss, streckt er den rechten Arm vor ihren Oberkörper, obgleich das Auto mit Sicherheitsgurt und Airbag natürlich maximalen Schutz bietet.
das mit dem maximalen Schutz ließe sich streichen, glaube ich

Ein kleiner Sternschnuppenschwarm zog vorbei. Gelegenheit für geheime Wünsche.
schön :Pfeif:

Aber oben ist es super, so luftig nach allen Himmelsrichtungen und vor allem so sicher. Die Glaskuppel kann von innen verriegelt werden. Und wenn's brennt, bin ich schnell im Freien.“
klingt wie ne Sternwarte, aber tolle Vorstellung, so ein Turm :hmm:

Ungeladene neugierige Gäste kommen nicht mehr so oft, seit sie mit Udo zusammen ist.
wie oft ist der Udo bei ihr?

„Ich hab schon verstanden, Udo. Children first. Wir haben ja noch ein paar Tage. Außerdem muss ich endlich die Abiaufsätze korrigieren. Übernächste Woche ist Termin.“
children first, was für ein Ausdruck:lol:

Nur eine Nacht nach der Besichtigung brauchte sie und der Kauf war für sie gebongt.
gebongt passt nicht ganz zum restlichen Sprachklang.

Dann holt sie den zwanzig Zentimeter langen Bartschlüssel aus ihrer Umhängetasche. Endlich zuhause.
bisschen too much, dass die so nen alten Schlüssel hat.

Hoffe, du kannst was mit anfangen.
Lieben Gruß
Isegrims

 

Hallo wieselmaus und bernadette,

nur ganz kurz: In einer Geschichte, in der es Airbags und Fotos auf dem Handy gibt, mutet diese Geste Udos für mich seltsam an. Und es steht in den ersten Absätzen, so werde ich als Leserin mit ihm bekannt gemacht.

Meine persönliche Kindheitserinnerung:
Am Anfang waren die Sicherheitsgurte nicht flexibel und ihre Benutzung noch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Mein Papa hat immer dafür gesorgt, dass meine Mama und ich angeschnallt waren. Er als Fahrer hat sich nicht angeschnallt. Aber diese Geste mit dem Arm kenne ich von ihm nicht.

Liebe wieselmaus, du bist die Herrin deines Textes. Das ist natürlich nur mein persönlicher Senf, äh Eindruck.

Liebe Grüße
Anne

P.S. Bei meinen "Laborbedingungen" hatte ich erst Latte Macchiato und Liposomengesichtscreme drin, bis ich herausgefunden habe, das gab es 1990 noch nicht in Deutschland. Frau kanns auch übertreiben mit den "historischen" Details ... :Pfeif:

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe bernadette und liebe Anne49,

Danke für eure Ausführungen zur zeitlichen Verortung der Geschichte.

Ich sehe schon, beide habt ihr in gewisser Weise recht.
Die Geschichte spielt in den Neunzigern. Daher "altmodische" Namen wie Martina. Ja, es gab schon das Navi (ganz neu und vielleicht noch nicht sehr zuverlässig) und die Kreditkarte. Der "Vollpfosten" Udo ist einer, der zu overprotection neigt. Es ist eine Macke, die Iris halb rührt, halb nervt.

Liebe bernadette, die Wohnung ist für Iris der zentrale Rückzugsort in einer Zeit höchster emotionaler Verunsicherung. Hier fasst sie Fuß in ein eigenständiges Single-Leben. Nicht alle ihrer Freunde finden den Schritt aus dem eigenen Haus in eine Dachwohnung so ganz glücklich. Deshalb verteidigt sie diese Entscheidung bei jeder Gelegenheit.

Ihr wird die Zeitung geklautweil sie da oben wohnt.

Es ist verdammt lästig, die fünf Treppen morgens runterzugehen, nur um festzustellen, dass die Zeitung wieder einmal, von wem auch immer, geklaut ist.:D

Es kommen weniger Leute in die Wohnung, seit sie mit Udo zusammen ist.

Geschrieben habe ich: Ungeladene, neugierige Gäste kommen nicht mehr so oft ... Da es keine Gegensprechanlage gibt, kann nicht sofort geklärt werden, ob Gäste passend sind.

Jetzt zum zentralen Kritikpunkt.

Der Titel ist zweideutig, insofern richtet (sich) mein Fokus noch mehr auf die Wohnung.

Es geht nur um die Gewichtung der Thematik, die mich etwas zwiegespalten zurücklässt.

Ja, das ist total richtig. Es ist die Ambivalenz um das Thema Sicherheit, in emotionalen wie praktischen Facetten. Ich wollte keine Romanze schreiben, sondern den Schwebezustand in einer Lebenskrise meiner Prota beschreiben.

den Seinen würde ich rausschmeißen, das ist doch antiquiert ..]

Es schwingt aber doch auch die Konnotation mit: Es sind halt immer noch die Seinen, für die er sich verantwortlich fühlt.

Ein-Zimmer-Apartment

übernehm ich, danke!

Das ist so ein Wischiwaschi zwischen einem allwissenden Erzähler, der mal was erklärt bis hin zu Gedanken von ihr.

Ich hatte es als personale Erzählweise konzipiert. Der Autor verschwindet ganz hinter seiner Prota. Es wird ausschließlich aus ihrer Sicht erzählt. Sie sitzt im Auto und analysiert ihre Situation mit Udo.

Jetzt lese ich für mich eindeutig heraus, dass er mit seiner Frau noch Sex hatte ...

Da kannst du ja auch, aber eindeutig ist es nicht. Tisch und Bett und das Zerüttungsprinzip sind wichtige Kriterien bei der Bewertung des Trennungsjahrs durch den Scheidungsrichter. Es ist leichter, in der gemeinsamen Wohnung die Betten zu trennen als den Kühlschrank oder die Wäsche ... Wenn ein Partner die Scheidung hinauszögern will, kann er jede gemeinsame Mahlzeit und jede gemeinsame Wäscheladung (was ja nur vernünftig wäre) anführen als Beweis, dass die Ehe doch nicht zerrüttet ist :D

Ach Gott, was für ein lausiges Leben. Das zeigt natürlich, dass Iris eine sehr schüchterne Person ohne Selbstwertgefühl sein muss.

Findest du? Vielleicht gab es schöne, leidenschaftliche Zeiten mit Höhen und Tiefen. Vielleicht ist Iris eine Kämpferin, die nicht so schnell aufgibt. Und jetzt braucht sie halt eine Auszeit, um sich zu sortieren.

Die Einbruchsszene hat dich nicht überzeugt. Ich sag's mal so. Der Hausmeister war an Sylvester und am Neujahrstag nicht greifbar. Kinderbanden hinterlassen in der Regel kein Vandalismus-Chaos. Sie kommen und gehen blitzschnell, ergreifen nur das leicht Erreichbare. Iris hat mit ihrer Herzattacke reichlich zu tun. Die ist enorm anstrengend und lässt nur wenig emotionale Ausbrüche zu. Aber da hast du recht. Sie wird in der Folgezeit mit Problemen kämpfen müssen.

Der letzte Satz gefällt mir nicht. Besonders das Kapieren f finde ich unpassend.

An dem Satz hab ich schon ziemlich herumgebastelt. Vielleicht streich ich ihn noch ganz. Er ist aber nicht für den Leser geschrieben, sondern soll zeigen, dass Iris um eine Illusion ärmer ist, auf die harte Tour.

Liebe bernadette, ich danke dir sehr für deine ausführliche Kommentierung. Ich hoffe, du nimmst mir meine flammende Verteidigungsrede nicht übel. Die Geschichte hat dich interessiert. Das ist doch die Hauptsache.

Schön, dass du wieder präsent bist.

Herzlichst wieselmaus

 

Hallo Isegrims,

Die Unsicherheit der, beiden, dieses Sich-Voreinander-Verstecken, Scheu sein, trotz der Nähe, die sich beide wünschen ...

Da hast du perfekt getroffen, was ich beschreiben wollte. Die Eisschicht um Iris' Gefühle, der verschlossene Udo, der seine Gefühle allenfalls durch Gesten zeigt, nicht durch Worte ...
Iris ist eigentlich ein extrovertierter Mensch, aber durch die Scheidung verletzt. Zwölf Jahre sind ja keine Kleinigkeit. Udo ist in ihrer Situation ein Segen, gerade weil er so ein "Fürsorger" und kein "Draufgänger" ist;).

Eine zärtliche Sex-Szene fehlt mir auch, würde dem Text gut bekommen.

Kann schon sein. Ist nicht gerade meine Stärke. Oder um es deutlicher zu sagen: Ich kann es gar nicht. Da bin ich von der old school, wie sie Asterix im Kapitel "Liebesromane" beschreibt. Kannst du auch an allen meinen Texten beobachten.

Ich weiß nicht, ob man dadurch das Paar besser verstehen könnte. Du selbst bist ja eine Bestätigung, dass es auch ohne geht. Und da ich die Geschichte auch nicht verkaufen möchte, muss ich mich auch nicht um sex sells kümmern.

Zu den Textstellen. Danke dafür, dass du so akribisch vorgehst.

das mit dem maximalen Schutz ließe sich streichen, glaube ich

Ja natürlich, wenn man den ironischen Unterton nicht mitdenkt. Maximal ist nicht optimal, denkt Iris an dieser Stelle, aber Udo ist halt ein Meister für technisch machbare Sicherheit.

klingt wie Sternwarte ...

Bisschen too much, das sie so nen alten Schlüssel hat

Mein Fehler. die Glaskuppel deckt den Ausstieg zur Dachterrasse ab. Es ist ein gewölbter Deckel aus Plexiglas, den man wie bei einem Sarg aufklappen kann und natürlich von innen verschließen. Iris nennt ihn scherzhaft ihren Schneewittchensarg ...

Tja, ich hatte die Befürchtung, dass man mir das alles als Infodump auslegt, genau so die Sache mit dem Bartschlüssel. Dazu habe ich in der Antwort an hell ausführlich begründet, warum ich den für den Plot brauche.


Wie oft ist der Udo bei ihr?

Unregelmäßig, v.a. wenn ihm in der Ein-Zimmer-Wohnung die Decke auf den Kopf fällt. Aber nicht jede Nacht.

children first, was für ein Ausdruck

Ja, da ist Iris sarkastisch. Sie braucht Udos Entschuldigung nicht.

gebongt passt nicht ganz zum restlichen Sprachklang.

Hast recht. Such schon nach einer Weile nach dem Begriff, der gleichzeitig das Impulsive und Endgültige des Kaufes ausdrückt.

Isegrims, ich danke dir und freu mich auf das Copywrite. Ist ja schade, dass Ravioli von der Karte gestrichen ist.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

nach der Geschichte mit dem jüngeren Mann, der deine Erzählerin zum Schluss dann doch verschont hat (leider fällt mir der Titel grad nicht ein, ist schon älteren Datums), gefällt mir diese Geschichte hier von dir am Besten. Sie ist wunderbar ruhig erzählt, sehr dicht und anschaulich, ich sehe Iris und Udo bildlich vor mir.

Im Gegensatz zu den meisten Kommentatoren, hab ich die Beziehung zwischen den beiden als recht harmonisch empfunden. Leidenschaftslos, ja, das stimmt schon, mir würde da auf Dauer auch was fehlen, aber ich kann die zwei schon nachvollziehen, denn ich kenne diese Momente im Leben, wenn die Vernunft siegt und alles endlich mal ohne ewige Hochs und Tiefs und ohne ständiges Aufgewühltsein ablaufen soll, eben weil man von den ganzen Anstrengungen grad genug hat und sich trotzdem Nähe - ob scheinbar oder nicht - wünscht. Und so hatte ich beim Lesen auch nicht das Gefühl, dass Iris bewusst vor Nähe flieht, bzw. vernünftig an die Sache rangeht, sondern sich tatsächlich einredet, dass eine reife Beziehung eben so laufen sollte. Ähnlich steht es ja auch oft in diversen Beziehungsratgebern.
Dass die Leidenschaft dabei zu kurz kommt, hätte sie - je nach Bedarf - sicher irgendwann gemerkt, denn zu harmonisch ist auch langweilig. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass es sich die beiden mit ihrer Vernunftsbeziehung schon behaglich eingerichtet haben, wahrscheinlich sogar dachten, sie wären anderen Paaren um einiges voraus.

Auch wenn der Schluss mMn tatsächlich zu sehr darauf hinweist, dass es Sicherheit eben nicht gibt, finde ich die Wende gut gelungen. Anfangs dachte ich nämlich, der Clou wäre, dass Udo doch noch mit seiner Ex zusammen ist und zweigleisig fährt, deshalb die Distanz. Aber mit der Wende hätte ich nicht gerechnet. Ich hätte es allerdings noch schöner gefunden, wenn deutlicher geworden wäre, wer bei Iris eingebrochen hat. Es wurde gemunkelt, es wäre Udos Tochter gewesen, auch der Rosenkrieg spricht dafür, aber ganz sicher bin ich mir nicht.

Wie Iris mit dem Einbruch umgeht, finde ich jetzt auch nicht so verkehrt. Manche Menschen nutzen Schlaf zur scheinbaren Konfliktbewältigung. Ihr anfänglicher Herzanfall zeigt ja, dass sie ganz so cool doch nicht ist, und dass es gerade das Herz ist, das schmerzt, ist auch bezeichnend für Iris. Versucht sie doch alles, um Herzschmerz zu umgehen. Nur der zweite Reizleiter war mir etwas zu medizinisch formuliert. Ich finde, so einer genauen Beschreibung bedarf es nicht.

Ein Fehler ist mir noch untergekommen.

" ... Es gäbe gerade ein Serie ..." eine.

War schön zu lesen.

Liebe Grüße,

Chai

 
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Liebe Chai,

War schön zu lesen.

Ich glaube fast, du hast ein Faible für die Frauen in meinen Geschichten. "Eine mittlere Frau" ist ja so ähnlich gestrickt. Manche finden sie fad, nicht sexy genug, was immer man darunter verstehen mag. An Emotionen mangelt es ihnen keineswegs,ich versuche jedoch, sie möglichst nicht als Drama Queens zu zeigen. Andere können den großen Bäng viel besser.

Im Gegensatz zu den meisten Kommentatoren hab ich die Beziehung zwischen den beiden als recht harmonisch empfunden.

Zumindest bemühen sie sich darum, und das bedeutet für mich auch, dass sie auf stürmische, leidenschaftliche Begegnungen derzeit nicht erpicht sind. Sie gehören nunmal nicht zu den Menschen, die jedes Jahr eine neue Liebe ihres Lebens finden.

eine reife Beziehung ...

Die kann durchaus noch Schwung kriegen, wenn mal die Scherben der vorausgegangenen beseitigt sind.

Vielleicht sollte ich statt Geschichten Beziehungsratgeber schreiben.:lol:

Ich danke dir sehr, dass du Iris und Udo eine Chance gibst. Der Leser darf aber durchaus das Pärchen sortieren entweder nach

Gleich und gleich gesellt sich gern

oder

Gegensätze ziehen sich an

Für beide Erkenntnisse ließen sich mMn Belege finden.

Auf die Idee, dass Udos Tochter eingebrochen ist, wäre ich nie gekommen. Einbrüche von Kinderbanden, die vom Ausland gesteuert werden, gibt es an der Rheingrenze entlang schon seit vielen Jahren. Die Kinder sind in der Regel noch nicht strafmündig. Wenn sie geschnappt werden, muss man sie deshalb in den meisten Fällen wieder laufen lassen.

Danke für deine Sicht der Dinge und herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo Wieselmaus,

ich bin neugierig geworden auf diesen Text, weil ich gesehen habe, das bernadette hierzu ihr copywrite geschrieben hat.
In der Hoffnung, dass ich das bei allen texten schaffe, habe ich mir also zunächst das Original angeschaut.
Eigentlich ist diese Geschichte eher die Art, die ich selten lese. Der tag Alltag ist hier so prominent wie es eben geht. Ein klassischer Konflikt, eine Protagonisten hin- und hergerissen zwischen ja und nein. Nach außen gehen, oder sich zurückziehen ... Hm, ja. Also das ist schon gut geschrieben, ich bin in einem Rutsch durch und habe auch keine Detailanmerkungen. Aber mir ist das irgendwie zu einfach ... Also der Konflikt ... Ich weiß nicht. Das ist schon sehr plakativ mit dem Elfenbeinturm. Aber das ist es nicht, irgendwie geht es mir hier irgendwie nicht tief genug. Was treibt sie denn in ihren Turm? Was zieht sie zu Udo? Das ist mir irgendwie zu seicht, zu beliebig. Auf einer Ebene ist es womöglich zu real für mich. Kein großes Drama, alles plätschert so vor sich hin. Das obwohl am Anfang, das Zurückhalten im Auto, das milde Entsetzen über den Einbruch, das Ergeben ins Schicksal am Ende.
Ich wiederhole: Es ist gut geschrieben, aber mir fehlt der Reiz, der dieses Stück aus dem grauen Alltag reißt. Aber das liegt wahrscheinlich nicht an der Geschichte, sondern an mir, meiner Lesevorliebe, dass hier irgendetwas ausbricht, und sei es nur ein besonderes Merkmal an einem der Protagonisten. Der Einbruch, das ist im Prinzip eine solches Element, aber da wird nicht wirklich was ausgelöst durch. Wird eben hingenommen, wie die Iris alles irgendwie hinnimmt. So gesehen ist das konsequent eingeflochten, aber Spannung erzeugt es nicht. Der Schlusssatz passt dann zum ersten Satz mit dem Türmchen, ist mir zu dicke aufgetragen. Für meinen Geschmack müsste die Geschichte früher enden.
Wahrscheinlich ist das so ein Genre-Ding und ich bin schlicht nicht der richtige Leser hierfür. Aber da ich die Geschichte nun mal zu ende gelesen habe, wollt ich dir auch meine Gedanken da lassen. :D Vielleicht kannst du ja was mit anfangen, ansonsten einfach wegwischen.
Einen guten Start in die Woche wünsche ich dir

grüßlichst
weltenläufer

 

Liebe wieselmaus,

die Geschichte wollte ich lesen, seit Du sie eingestellt hast. Schön, dass mich das CW jetzt in die Pflicht nimmt, meine Vorhaben umzusetzen.

Ich habe die Geschichte gern gelesen. Ich bin ein Freund von diesen leisen, sachten Alltagsgeschichten, wo es unter der Oberfläche brodelt, leise und fein, Geschichten in denen Menschen vorkommen, die nicht sofort ausbrechen, die schlucken und mit sich hadern. Soll es ja auch geben in der realen Welt. Literarisch haben sie natürlich weniger Sprengstoff, sie richten weniger Unheil an. Dafür menscheln sie mehr für mich. Ich habe auch einen Hang zu dieser Spezies von Protagonisten.
Was ich aber denn noch denke, das dröselt alles so vor sich hin, ist eh schon alles sehr ruhig (was natürlich zum Thema passt) und dann wird das auch noch so gezogen und gedehnt und gestreckt, was ich sagen will, für mein Empfinden täte dem Text ein bisschen mehr Dichte gut. Wenn das "kleine, ruhige" Drama etwas mehr Gewicht bekäme, und sich nicht zwischen all den Banalitäten verstecken müsste. Kurz: Ich (und ich sage ganz bewusst: Ich) würde hier ordentlich mit dem Streichstift durchgehen. Einfach nur, um die Akzente zu stärken.

Inhaltlich wurde schon viel gesagt, so wie überhaupt schon viel gesagt wurde, aber ich mochte die Frau in ihrem Zimmer, was so perfekt ihr Wesen, ihr Leben beschreibt. Und ich mochte den beiden da gern zusehen, wie sie versuchen sich zu finden, sich zu arrangieren, aus Angst vor der Einsamkeit und daran schließlich auch scheitern. Jedenfalls sieht es für mich als Leser danach aus.

Sie haben eine lange Rückfahrt aus der Camargue vor sich. Es wird Abend werden, bis sie ankommen. Zum Glück hat es bisher keinen Stau gegeben. Am Neujahrstag befahren nur wenige Lastwagen die Autobahn, viele Leute müssen ja erst mal ausschlafen. Udo ist ein kontrollierter Fahrer, rasante Überholmanöver sind nicht sein Ding. Wenn er unvermittelt bremsen muss, streckt er den rechten Arm vor ihren Oberkörper, obgleich das Auto mit Sicherheitsgurt und Airbag natürlich maximalen Schutz bietet.
„Ist einfach ein Reflex“, erklärt er, als sie beim ersten Mal zusammenzuckt. Er schaut nur eine halbe Sekunde in ihre Richtung. „Hanna hat immer ein wenig gequiekt, die wollte am liebsten hinten sitzen.“
Hanna ist Udos jüngere Tochter. Wahrscheinlich hat ihr Vertrauen in den Papa einen Knacks bekommen, seitdem die Scheidung der Eltern beschlossene Sache ist. Udo hat viele Fotos von den Seinen auf dem Handy. Bei keinem Thema tut er sich so schwer wie bei den Kindern.
Seit zwei Stunden haben sie so gut wie nichts miteinander geredet. Iris gehört nicht zu den Beifahrerinnen, die unentwegt mit dem Zeigefinger herumfuchteln, um auf Sehenswürdigkeiten hinzuweisen. Ratschläge erteilt sie schon gleich gar nicht. Männer sind da empfindlich. Udo legt sich gerne mit dem Navi an. Das bringt sie zum Lachen, aber da versteht er keinen Spaß. Sie merkt es daran, wie er die Lippen zusammenpresst. Für mindestens eine Viertelstunde bleibt er dann sehr einsilbig.

Und um Dir an einem Beispiel zu zeigen, wie sehr ich den Rotstift lieben würde, nur dies würde bei mir übrigbleiben:

Sie haben eine lange Rückfahrt aus der Camargue vor sich. Es wird Abend werden, bis sie ankommen. Seit zwei Stunden haben sie so gut wie nichts miteinander geredet. Iris gehört nicht zu den Beifahrerinnen, die unentwegt mit dem Zeigefinger herumfuchteln, um auf Sehenswürdigkeiten hinzuweisen. Ratschläge erteilt sie schon gleich gar nicht. Udo legt sich gerne mit dem Navi an. Das bringt sie zum Lachen, aber da versteht er keinen Spaß.

Ich weiß, das ist brutal viel, aber in diesen Sätzen steckt für mich alles, um die beiden zu verstehen, um ein Bild von ihnen zu bekommen, die Situation zu erfassen. Das mit den Kindern, könnte man auch später einpflegen. Ist eh alles tell, was hier passiert, und tell macht eben nicht viel mit mir als Leser. Ich kann das glauben oder auch nicht, da hast Du als Autor/Erzähler keinen Einfluss drauf. Fühlen ist besser. Selbsterleben stärker. Und hier muss ich das Schweigen zwischen den beiden erleben, da sollte ich nicht rechts und links des Weges noch mit Infos vollgestopft werden. Nur das Schweigen - ach wie schön, und wie unangenehm zugleich.

„Warum nicht, wir schaffen es sowieso nicht, bevor es dunkel wird. Wann musst du tanken?“

Ja, diese ganze Tankgeschichte. Ist mir auch zu viel. Schöner wäre ein Blick von ihr auf die Füllstandsanzeige, roter Bereich, sie wird ängstlich, sieht sich am Straßenrand stehen und hoffen, es hält jemand an. Stundenlang im Schnee, mit kalten Füßen und abgefrorenen Fingern. Ihre Angst zeigen, nicht was ihr Ex da und so. Der hat hier eigentlich eh nix zu suchen.

„Bei der nächsten Raststätte fahren wir raus, ich muss sowieso den Reifendruck nachprüfen. Kommt mir zu niedrig vor.“

Und alles, was Du zuvor mühsam als tell in den Text eingewebt hast, steht hier im show ganz klar und viel besser. Udo ist übervorsichtig. Nur beim Tanken nicht, was eigentlich ein Widerspruch ist.


Am Morgen liest sie Udos SMS.
„Sorry, Iris, ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Martina ist im Krankenhaus, sie hat eine Alkoholvergiftung. Da werde ich wohl in der nächsten Zeit gebraucht. Ich melde mich wieder, sobald es geht. Udo“
Sobald es geht ... Sicherheit ist nur ein relativer Begriff.

Hier würde mich noch interessieren, wer Martina ist. Tochter oder Exfrau? Weil, wenn es die Ex ist, dann finde ich das viel dramatischer. Das man Kindern im Krankenhaus beisteht, das möchte wohl sein. Wenn die Ex sich aber was antut, weil er so bei ihr bleibt, eventuell sogar zurückkommt, dann steckt er schön fest im Schlamassel, dann wird er nie bei ihr sein, wenn sie ihn braucht, so lange die Familie ihn auch benötigt. Das war bei dem Bänderriss wohl nicht der Fall. Da hatte er halt Zeit für Iris ...

Liebe wieselmaus, ich mag die Idee hinter dem Text, ich mag das Thema, ich mag die beiden angeknacksten Persönchen im Schneesturm. Ich mag das Schweigen in der Geschichte! Nur hab ich das Gefühl, Du vertrödelst Dich ab und an am Wegerand und guckst Dir die Blümchen an. Und die sind zwar hübsch, aber es hält auch extrem auf, dieses immer wieder stehenbleiben.

Herzlichste Herbstgrüße,
Fliege

 
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Hallo weltenläufer,

das ist auch ein gutes Ding am Copywrite, dass man sich mit Texten beschäftigt, die man sonst nicht unbedingt auf der Liste hat. Und Zeit ist ja auch ein kostbares Gut. Da muss man schon auswählen.

Der tag Alltag ist hier so prominent wie es eben geht.

Da hast du recht, und genau das ist meine Intention beim Schreiben. Und du befindest dich in bester Gesellschaft mit Achillus, der eben auf einem anderen Faden (Maskerade) eine ähnliche Auffassung wie du vertritt.

Du findest meinen Text gut geschrieben. Das freut mich. Ja, es fehlt der Thrill und das Gefühl von Abenteuern, das sich einstellt, wenn man in unbekannte räumliche und zeitliche Regionen entführt wird. Es gehört allerdings zu meinen Grundüberzeugungen, dass die wahren Abenteuer vor der Haustüre liegen und Helden als auch Schurken in der Nachbarschaft wohnen.

Ich würde die verschiedenen Genres nicht gerne auseinanderdividieren, schon gar nicht gegeneinander ausspielen. Ich selbst lese ganz begeistert space operas, Krimis und historische Romane, kann ganze Tage mit dicken Wälzern zubringen. Und doch geht es in denen letztendlich auch (nur) um die existentiellen menschlichen Bedürfnisse. Ein Kleinkrieg ist eben auch ein Krieg.:lol: Finde das Bekannte im Unbekannten oder finde das Unbekannte im Bekannten. Beim Schreiben geht es mir, mit mehr oder weniger Erfolg, um den zweiten Aspekt.

Ich werde den Teufel tun, deine Gedanken einfach weg(zu)wischen. Schließlich geht es hier um eine wichtige Diskussion. Und deshalb mein ausdrückliches Danke für deinen Kommentar.

herzlichst
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Fliege,

erstmal ganz herzlichen Dank, dass du meiner Geschichte einen so langen Kommentar widmest. Es gibt da eine gemeinsame Wellenlänge, wie du sagst. Es gibt aber auch Unterschiede, und ich grüble darüber nach, woran es liegen könnte, dass ich mich mit deinem Kürzungsvorschlag nicht so recht anfreunden kann.

Ich glaube, es sind zwei verschiedene Dinge. Ich versuche mal, sie aufzudröseln.

Erzähltempo.

... und dann wird das auch noch so gezogen und gedehnt und gestreckt ... für mein Empfinden täte dem Text ein bisschen mehr Dichte gut.

Ich glaube, du, bzw. deine Protagonisten sind Großstadtkinder, gewohnt an Hektik und dem schnellen Erfassen von Situationen, dem Hüpfen von Event zu Event, dem Jagen nach immer gewaltigeren Gefühlsorgasmen. Dieses Zeitgefühl ist modern und zeigt sich an immer schnelleren (rabiaten) Schnitten in Film und Literatur, wobei auch das Lebensalter der Autoren eine Rolle spielt, ebenso das Stadt-Land-Gefälle.

Hier im Text kam es mir vor allem darauf an, die Zeit des Umbruchs für die beiden Protagonisten zu beleuchten. bernadette hat ja sehr treffend ihr Copywrite Die Zeit der Brüche genannt, Umbrüche sind auch Brüche, nur in einem langsameren Tempo, manchmal nimmt man sie erst aus größerer zeitlicher Distanz wahr.

show, don't tell

Was du hier wegstreichen möchtest, sind ganz wichtige Elemente der Charakterisierung. Iris zieht Bilanz. Sie benutzt eine langweilige, schweigsame Autofahrt zur Standortbestimmung, sieht scheinbar ähnliche Verhaltensweisen zwischen Udo und ihrem Ex, reflektiert die Unterschiede und zieht daraus Handlungskonsequenzen, was sie diesmal anders machen würde.

Ich glaube, dass diese Fahrt szenisch gestaltet ist, stelle mir eine filmische Umsetzung vor, allerdings keine, die Aktion braucht. Insofern ist sie auch nicht ganz modern, eher gegen den Mainstream, obwohl "Entschleunigung" schon auch ein Trend ist (Und wie ich glaube, sich noch verstärken wird). Wenn ich die "Infos" streiche, dann hast du nicht eine größere Dichte, sondern flachere Charaktere. Dann hast du eventuell wirklich nur ein frierendes Pärchen im Schnee, weißt aber nicht viel über Iris Innenschau.

Es ist merkwürdig, dass der Bewusstseinsstrom nicht als Innenschau von dir wahrgenommen wird. Muss man dazu immer die Ich-Erzählung bemühen?

Hier würde mich noch interessieren, wer Martina ist. Tochter oder Exfrau?

Hanna ist die jüngere Tochter, sie wird im Text namentlich erwähnt. Dann gibt es noch die ältere Tochter und die Ex. Ich habe mich immer gewundert, dass hier keiner nachgefragt hat.
Aber eigentlich ist es egal. Fest steht, dass Udo noch ein gewaltiges Stück Arbeit vor sich hat, bis er sich ohne Gewissensbisse von den Seinen lösen kann. Nicht umsonst hat er von allen noch Bildern auf seinem Handy. Du wirst den Satz kennen: Ich kann doch nicht einen wichtigen Teil meines Lebens löschen! ... Iris hat durchaus Verständnis dafür.

Nur habe ich das Gefühl, Du vertrödelst Dich ab und an am Wegesrand und guckst Dir die Blümchen an. Und die sind zwar hübsch, aber es hält auch extrem auf, dieses immer wieder stehenbleiben.

Nein, liebe Fliege, keine Blümchen. Es sind Brennesseln und Disteln und ab und zu eine Heckenrose.;)

Bist du jetzt böse?

Herzlichst aus der Provinz nach der Großgroßstadt Berlin

wieselmaus

 

Liebe wieselmaus,

Bist du jetzt böse?

Niemals! Ist es doch gerade der Austausch, der es spannend macht. Wäre ja schlimm, wären alle gleicher Meinung. Nein, nein, das kann niemand wollen.

... woran es liegen könnte, dass ich mich mit deinem Kürzungsvorschlag nicht so recht anfreunden kann.

Alles was ich in meinem Kommentar schreibe, ist subjektiv. Mein Empfinden. Dass sich das nicht mit deinem deckt, ist mehr als natürlich, es soll so sein und bleiben. Denkanstöße, mehr nicht. Gern auch dazu aufgeschrieben, um sie mit einem Fußtritt ins Aus zu befördern. Da habe ich gar keine Probleme mit.
Erzähltempo.
...
Ich glaube, du, bzw. deine Protagonisten sind Großstadtkinder, gewohnt an Hektik und dem schnellen Erfassen von Situationen, dem Hüpfen von Event zu Event, dem Jagen nach immer gewaltigeren Gefühlsorgasmen. Dieses Zeitgefühl ist modern und zeigt sich an immer schnelleren (rabiaten) Schnitten in Film und Literatur, wobei auch das Lebensalter der Autoren eine Rolle spielt, ebenso das Stadt-Land-Gefälle.

Da gehe ich zu 100% mit Dir mit. Also, so als gesellschaftliche These. Aber auch ich kann mich sehr gut auf langsame Texte einlassen. Zuza Bánk zum Beispiel. Ich liebe sie, und ihre Texte sind extrem langsam. Also muss es da doch einen Unterschied in der Darbietung der Texte geben.

show, don't tell

Was du hier wegstreichen möchtest, sind ganz wichtige Elemente der Charakterisierung.


Und hier sind wir uns gar nicht einig. Das ist nicht schlimm, auch das darf/soll so sein. Ich habe neulich eine interessante Diskussion in einem anderen Forum verfolgt, wo eine Autorin sich darüber beschwerte, dass die Leser in ihren Rezensionen die "Flachheit" ihrer Protagonisten bemängelten, obwohl sie doch ganz viel über sie erzählt hätte, eigentlich sogar viel mehr, als was wichtig wäre. Und dann ging sie eben los, die Diskussion, ob erzählen (also tell) vom Leser gleichwertig wahrgenommen wird wie show. Scheinbar nicht, sonst würden die Rezensionen ja nicht ständig auf ihren blassen Figuren herumreiten. Wobei ich den Vorwurf, also blasse Figuren jetzt deinem Text gar nicht anlasten würde. Die haben schon Farbe, zumindest Iris, Udo auch, aber weniger. Den habe ich eher pastell wahrgenommen, aber nicht blass.

Iris zieht Bilanz. Sie benutzt eine langweilige, schweigsame Autofahrt zur Standortbestimmung, sieht scheinbar ähnliche Verhaltensweisen zwischen Udo und ihrem Ex, reflektiert die Unterschiede und zieht daraus Handlungskonsequenzen, was sie diesmal anders machen würde.

So weit, so gut, so richtig. Die Frage ist nur, aus welchen Textstellen der Leser sich diese Infos zieht, und ich glaube, da gehen unsere Ansichten auseinander. Ich ziehe die selben Schlüsse, aber eben nicht aus den Textstellen, auf die ich auch verzichten könnte. Logisch. Aber ich will Dir gar nichts einreden oder aufquatschen, ich finde eher die Auseinandersetzung darüber spannend. Ist sowieso dein Text, Du bist der Chef!

... obwohl "Entschleunigung" schon auch ein Trend ist (Und wie ich glaube, sich noch verstärken wird).

Unterschreibe ich sofort.

Wenn ich die "Infos" streiche, dann hast du nicht eine größere Dichte, sondern flachere Charaktere. Dann hast du eventuell wirklich nur ein frierendes Pärchen im Schnee, weißt aber nicht viel über Iris Innenschau.

Wie gesagt, da gehe ich keinen Schritt mit. Sie kann sich ja auch all die Gedanken haben, während sie frierend im Schnee steht. Aber, in diesem Fall, hätte ihre Zurückhaltung Konsequenzen für sie. Beim nächsten Mal würde sie sehr wohl mehr dazu neigen, zu sagen, wir fahren jetzt tanken. Ich mein, sein Verhalten bleibt für Iris ja folgenlos. Im warmen Auto, alles geht gut, das frisst sich weniger im Hirn fest, als eine halbe Stunde zu bibbern.

Es ist merkwürdig, dass der Bewusstseinsstrom nicht als Innenschau von dir wahrgenommen wird. Muss man dazu immer die Ich-Erzählung bemühen?

Nein. Und klar habe ich das Bemühen einer Innenschau wahrgenommen. Aber es führt zu nichts. Sie denkt da halt bisschen rum, so what? Mach ich mehrmals jeden Tag. Aber mein Handeln wird durch Erfahrungen bestimmt. Ich verstehe schon gut, worauf du hinauswillst. Und ich habe auch nichts gegen Innenansichten. Gar nicht. Nur erfüllt der Text bei mir eben nicht das, was Du dir wünscht, was es tun soll. Das erfüllen ein paar wenige andere Zeilen, viel stärker und intensiver.

Aber eigentlich ist es egal. Fest steht, dass Udo noch ein gewaltiges Stück Arbeit vor sich hat, bis er sich ohne Gewissensbisse von den Seinen lösen kann. Nicht umsonst hat er von allen noch Bildern auf seinem Handy. Du wirst den Satz kennen: Ich kann doch nicht einen wichtigen Teil meines Lebens löschen! ...Iris hat durchaus Verständnis dafür.

Klar. So habe ich das auch alles verstanden. Aber da er sich von der Frau trennt und nicht von seinen Kindern, fände ich das Motiv, er kümmert sich um die Exfrau viel, viel stärker. Um Kinder kümmert man sich immer. Von denen lässt man sich auch nicht scheiden. Wer würde ihm daraus einen Vorwurf machen wollen?

Nein, liebe Fliege, keine Blümchen. Es sind Brennesseln und Disteln und ab und zu eine Heckenrose.;)

:) Sehr schön gesagt!

Jetzt hoffe ich, dass Du nicht böse bist, aber ich finde das sehr spannend, die Wahrnehmungen und Motive aus so verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. In jedem Fall bin ich aber beim Thema Entschleunigung bei Dir. Auch eine Frage der gestaltung am Ende. Und wie gesagt, ich bin nur ich und will auch gar nicht mehr sein, als die Göre (na gut, die alte Göre) aus der Großstadt.

Einen zauberhaften Tag wünsche ich Dir!
Liebe Grüße, Fliege

 

Lieber ThomasQu,

das ist schon ein schönes Kompliment, dass du vom Kaffee weggelockt wurdest. Und gut, dass mein äußerst angenehmer Schreibstil dich nicht einschlafen ließ;)

Du siehst das schon richtig: Martina ist die ältere Tochter, Hannah, die kleine, wird ja namentlich erwähnt.
Udo würde Iris gegenüber nie den Vornamen seiner Ex verwenden, sie ist immer nur die Ex oder die "Madam", mit sehr viel Groll in der Stimme. aber eigentlich ist es egal. Wenn die Mutter seiner Kinder als Notfall in die Klinik käme, müsste er ja auch nach seinen Mädchen schauen. Zu seinem Charakter gehört es halt einfach, dass er sich immer in der Verantwortung sieht, mit dieser Tendenz zur Übergriffigkeit.

Iris wiederum macht eine grundlegende Erfahrung: Es gibt keine absolute Sicherheit, auch nicht mit dem liebevollsten Partner an der Seite. Soll heißen, sie darf nicht klammern, sondern muss sich auf die eigenen Kräfte besinnen.
Ich selbst gebe dem Paar durchaus eine Chance, aber das dauert noch. Ex und hopp ist nicht bei Menschen wie Iris und Udo.

Zu deinen Kleinigkeiten noch:

Ich hab jetzt mal vorgesehen: Schließlich parken sie auf dem Kirchplatz gegenüber der Wohnung. Die Kirche mit den Glocken wurde ja schon erwähnt. Es war mir wichtig, Iris schnell über die Straße springen zu lassen zum Hauseingang.

Das Erstsemenster gefällt mir eigentlich gut, so als Hinweis, dass Iris sich eine Wohnung in einem Haus gekauft hat, in dem es nur eine Kneipe und Studenten-WGs gibt. Das legt die Vermutung nahe, dass der Elfenbeinturm nur eine Übergangslösung ist, also der Schluss der Geschichte in mehr als einer Hinsicht offen bleibt.

Danke für dein Interesse am Copywrite

Herzlichst
wieselmaus

 

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