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Im Ich
Langsam schob er seine Hand unter ihr Hemd, streichelte über ihren Bauch hoch zur Brust, während er ihren Hals küsste.
„Du bist so wunderschön“, flüsterte er zwischendurch. „Deine Haut …“ Seine Zunge berührte ihren Hals. „… dein Geruch …“ Er sog die Luft ein. „… deine Haare …“ Mit der Linken strich er ihr über den Kopf. „… dein Gesicht …“ langsam näherten seine Lippen sich den ihren. Vorsichtig küsste er sie, als ob sie zerbrechen könnte …
Plötzlich zog er ihr ruckartig das Shirt hoch, um ihre Brust mit beiden Händen zu ergreifen. Er spürte ihre Wärme. Wieder und wieder stöhnte er ihren Namen. Er riss den BH weg und legte nun endlich auch sein Hemd ab.
Danach wandte er sich wieder ihrem Gesicht zu. Er fuhr erneut durch ihr zerzaustes Haar und streichelte ihre Wangen. „Ich wusste, du willst es auch“, stöhnte er, als er in sie eindrang.
Der Gong ertönte zur ersten Stunde. Theo kam aufgeregt angerannt. „Hast du gestern noch gelernt, Pas?“ Pascal drehte sich zu ihm um. „Ist doch nur Mathe.“
„Du bist gut… wir schreiben Abitur …“
„… und haben seit einem halben Jahr nichts anderes gemacht als Prüfungen geübt“ fiel er ihm ins Wort. „Also beruhig dich mal.“ Theo verschwand, um jemand anderen auf die Nerven zu gehen. Das war Pascal eh lieber. So konnte er sich besser auf Julia konzentrieren. Er hatte bei der Platzvergabe das Glück gehabt, hinter ihr zu sitzen. Gerade kam sie in die große Turnhalle, in der die Prüfungen stattfanden. Sofort stach Pascals Blick auf sie. Er konnte seine Augen einfach nicht abwenden von ihrem langen braunen Haar, ihrer zierlichen Gestalt …
„Morgen Julia, wie geht’s?“ fragte er, leiser als er vorhatte. Anscheinend hatte sie ihn nicht gehört denn sie antwortete nicht. Sie ging nur zielstrebig auf Günter, ihren Freund zu. Wie jeden Morgen beobachtete Pascal wie er seine Liebe küsste. Leichter Ärger stieg in ihm auf – wie jeden Tag.
Doch Theo lenkte ihn ab, indem er plötzlich hinter ihm stand und aufgeregt haspelte: „Schau mal Pas, der hat ne andere Formelsammlung, wie ich … Die ist viel dicker und da steht mehr drin …“
„Die ist verboten. Wird er abgeben müssen“, erwiderte Pascal ohne die Augen von Julia abzuwenden. Theo schien nicht zu merken, was ihn fast in den Wahnsinn trieb. Warum sagt sie nicht wenigstens mal hallo? Bin ich ihr so unsympathisch?
„Weißt du, wo man mich heute schon wieder hingelost hat?“, nervte Theo weiter.
Hoffentlich ganz weit weg von mir … Pascal drehte sich um. „Ne, wohin?“
Theo zeigte auf die letzte Reihe. „Ich sitz da ganz in der Ecke.“
Na Gott sei Dank. „Du meinst direkt neben dem Lehrer? Na dann viel Spaß beim Spicken.“ Pascal lachte Theo gekünstelt hinterher, als er zu seinem Platz ging. Warum hab ich das Gefühl, der wird gleich wieder kommen?, fragte er sich, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder wichtigeren Dingen zu.
Ein letztes Mal stieß er zu, dann spürte er wie die Spermien herausschossen. Er legte sich erschöpft mit einem „Oh … ja“ auf sie, rutschte dann aber auf den Boden. Wie lange hatte er auf diesen Moment warten müssen? Für eine Minute vergaß er, wo er war. Er schloss seine Augen und genoss das Gefühl. Dann spürte er, wie die Kälte wieder zurück kroch und ihm viel ein, dass er die Spuren verwischen musste. Schnell erhob er sich vom Boden, streifte sich einige Blätter aus dem Haar und begann sich anzuziehen.
Als er fertig war, überlegte er, ob er sie verstecken sollte … Sie war so schön … Dann aber entschloss er sich seinen Plan zu Ende zu führen. Er sammelte ihre Kleidung ein. Den BH hatte er in der Aufregung zerrissen aber den Pulli und die Hose konnte er ihr wieder anziehen.
Der Direktor betrat die Halle und bestieg das Rednerpult. Och nee jetzt labert der schon wieder … Dabei wusste er schon gestern nicht, was er sagen solle … Pascal war gelangweilt. Der einzige Grund, warum er Mathe liebte, war die Tatsache, dass er 2 Reihen hinter Julia saß. Aber der Unterricht langweilte ihn.
„Ein mathematisches Genie“ hatte es einst geheißen bei einem Elternabend. Pascal tat sich in mathematischen Fächern nie schwer. Deshalb rechnete er auch fest mit 15 Punkten.
„Liebe Schüler und Schülerinnen. Nun ist der 3. Prüfungstag angebrochen; die Mathematik Abiturprüfung steht bevor …
Wie kann man Scheiße nur so hoch stapeln?, ragte sich Pascal, während er gelangweilt in seiner Formelsammlung blätterte …
Es stellte sich heraus, dass der Direktor tatsächlich erstaunlich lange reden konnte, ohne etwas zu sagen. Doch irgendwann war auch diese Einleitung zu Ende und die Lehrkräfte verteilten die Bögen. „Die Arbeitszeit beträgt 180 Minuten. Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg“, schloss der Direktor.
Pascal las die erste Aufgabe. Wie billig …, dachte er nur und begann zu arbeiten.
Er packte ihre Beine und zog sie die Böschung entlang. In diesem Augenblick empfand er gar nichts für sie. Als er ein paar Zentimeter weiter war, erkannte er im Halbdunklen die Blutlache. Er hatte sie schon bemerkt, als er das Hemd wieder angezogen hatte. Aber eine so deutliche Blutspur zu hinterlassen war vielleicht doch keine so gute Idee ... Er griff nach der Frau und hob sie zart auf seine Arme. Dann trug er sie die paar Meter hinunter zum Fluss. Langsam watete er ins Wasser. Ein letztes Mal wollte er ihr in die Augen blicken. Ein letztes Mal ihren Namen flüstern. Plötzlich bereute er, was er getan hatte. Jetzt gibt es kein zurück, dachte er. Sein Blick wanderte an ihrem Körper vorbei und traf ihre Augen. Was habe ich getan? Plötzlich wurde ihm eiskalt. Ein Windhauch strich durch sein Haar. Dann sah er ein letztes Mal in das Grün ihrer Augen. Sie starrten ins Leere. Er beugte sich zu ihr, um sie noch mal zu küssen, als sie ihn plötzlich anblickte. Sie ist nicht tot! , schoss es ihm durch den Kopf. Vor Schreck ließ er sie fallen. Ganz konfus taumelte er zurück, während er sah wie sie wegtrieb. Die Augen … Ihre Augen … Sie ist nicht tot! Als er das Trockene erreichte, rannte er panisch so schnell er konnte davon.
Er las gerade die Stochastik Aufgabe als Julia ihn anzischte. „He Pas, was hast du bei 1.3?“ Pascal war plötzlich hellwach. Bis jetzt hatte er gelangweilt die Prüfung heruntergearbeitet. Doch jetzt, da Julia etwas wollte, wurde er nervös. Normalerweise hielt er nichts vom Spicken – er hatte es auch nie zuvor getan – aber jetzt wo Julia etwas von ihm wissen wollte musste er ihr natürlich helfen. „y= ½ x³+2x²-12“, flüsterte er zurück.
„Wie kommst du auf das 2x²?“ Pascal hatte bereits bei der Antwort Angst gehabt, erwischt zu werden, aber er spürte, ihr helfen zu müssen. „Du hast ja ½ x³ gegeben von f(x) …“ begann er, als er plötzlich hinter sich eine laute Stimme hörte. „Herr Hardwig was machen sie denn da?“
Pascal fuhr zusammen. Hinter ihm stand eine alte, verschrumpelte Lehrerin.
„Frau Astermeier, es ist nicht so …“, begann er doch sie unterbrach ihn. „Ich muss sie bitten aufzustehen Herr Hardwig. Frau Nora kommen sie bitte auch mit“
Alle Anwesenden schauten auf. Leises Getuschel war zu hören.
„Ruhe!“ schrie der Direktor, worauf das Raunen augenblicklich verstarb.
Pascal und Julia folgten der Alten nach draußen. Als sie hinter sich die Tür geschlossen hatte, verlangte sie: „OK und jetzt sagen Sie mir was Sie da gemacht haben.“
Julia begann etwas zu stottern. Pascal sah sie an. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke, dann wich sie schuldbewusst aus. Was Pascal danach tat hätte er sich nicht zu tun zugetraut; nichtmal für Julia. „Ich sah, dass sie Probleme hat und habe ihr die Lösung eingeflüstert …“, begann er. Julia standen Tränen in den Augen als, sie sah was er tat. Das bestärkte Pascal noch in seiner Überzeugung. Trotz allem fühle er sich gerade wie ein Held … „Julia trifft keine Schuld, ich bitte Sie. Sie hat nichts getan …“
Die Alte beäugte die beiden kritisch. Sie sah Julia den Tränen nahe. Sie wollte Medizin studieren, das hatte sie früher oft erzählt. Und ihre Noten passten bis jetzt auch.
„Stimmt das, Frau Nora?“ Für einen Moment dachte Pascal sie würde ihn verteidigen. Dasselbe für ihn tun, doch dann wäre es für beide das aus. „Ich weiß gar nicht was Sie von mir wollen. Ich habe nichts getan …“
Ein paar Sekunden herrschte Stille …
„Gehen sie wieder hinein, Frau Nora“, meinte sie schließlich.
„Danke“, flüsterte Julia, als sie an Pascal vorbei zurück in die Halle ging. „… danke …“
„Und nun zu Ihnen, Herr Hardwig. Gehen Sie ins Sekretariat, melden Sie sich ab, dann können Sie nach Hause gehen… Es ist nicht erforderlich, dass sie Morgen noch zur Deutschprüfung erscheinen“, fügte sie mit Nachdruck hinzu, als Pascal etwas erwidern wollte. Dann ging auch sie wieder in die Turnhalle.
Er war nach Hause gerannt, hatte das Messer abgewaschen und seine Kleidung mit den Blut- und Spermaspuren entsorgt. Danach hatte er sich geduscht und bettfertig gemacht. Es war spät. Zum Glück hatte er niemanden auf dem Rückweg oder Zuhause angetroffen. Seine Mutter war bei einer Fortbildung in Frankfurt und sein Vater hatte Nachtschicht. Den ganzen Weg über dachte er, sein Herz würde gleich zerplatzen. Auch jetzt konnte er nicht ruhig atmen. Vergiss es. Jetzt ist es schon passiert. Du kannst nichts mehr ändern, sagte er zu sich selbst. Versuch zu schlafen … morgen ist ein neuer Tag. Doch ihn quälte das Gewissen. Was mache ich, wenn sie mich finden? Habe ich meine Spuren gut genug verwischt?
Er hatte mit einem Eimer Wasser über die Stelle geschüttet, den er im Voraus an der Stelle platziert hatte. Für mehr hatte seine Geduld nicht mehr gereicht. Dennoch blieb jetzt eine unbeschreibliche Angst. Ich habe einen Menschen getötet … Langsam wurde ihm bewusst, was er überhaupt getan hatte … Er zwang sich dazu sich in sein Bett zu legen. Schon wieder stand Schweiß auf seiner Stirn, obwohl er gerade geduscht hatte. Beruhig dich endlich, dachte er wieder und wieder, doch es dauerte Stunden, bis er einschlief.
Als Pascal den Vorhof durchquerte nachdem er sich im Sekretariat abgemeldet hatte lief eine Träne über sein Gesicht. Aus der Traum. Er dachte an Julia. Eigentlich ist es ihre Schuld. Warum muss sie mich auch anflüstern? Warum konnte sie das Zeug nicht einfach lernen? Plötzlich fühlte Pascal sich ausgestoßen. Warum hab ich das überhaupt getan? Vielleicht hätte ich die alte Astermeier überreden können doch bleiben zu dürfen … Pascal ging schneller. Ich habe meine Zukunft geopfert wegen ihr … und was hat sie für mich gemacht? Ein danke und weg war sie. Er dachte nicht daran, was sie in der Situation sonst hätte machen können. Sie hat mich nie wirklich beachtet … was ich alles für sie getan habe in der Zeit. Pascal wurde wütend … seine Gedanken steigerten ihn in eine Aggression, die ihn schneller und schneller laufen ließ. Wieder und wieder spielte sich vor seinem geistigen Auge das heimliche Gespräch ab. „He Pas, was hast du bei 1.3? … was hast du bei 1.3 …bei 1.3“
Er drehte die Musik seines mp3 Players lauter. „Von Seuchenadern tropfen Gifte, tranken unsre neue Bibel, verdorrte Hände schufen Nerven, das Ich im Ich ist angezapft*“, hämmert es aus den Boxen. Pascal schrie den Text mit. Ihm war es egal, ob er gehört wurde „Gutes sei ein löblich Brot, von dem ich zehre bis zum Tod ...*“
Sie saß wartend auf der Bank. Irgendetwas Komisches lag in der Luft ... Er hatte ihr gesagt er wolle noch einmal mit ihr sprechen. Sie hatte zugestimmt, als Entschuldigung was sie ihm angetan hatte. Sie wollte noch einmal sagen, wie leid es ihr tat. Die Sonne war schon fast untergegangen. Sie sah auf die Uhr. 22:05, er kommt spät, dachte sie, während ein Frösteln über ihren Rücken lief. Wer hätte gedacht, dass es so kalt wird? „Och man, komm endlich“, stieß sie aus.
„Ich bin schon da, tut mir leid, dass ich mich verspätet habe … Ich habe noch etwas besorgen müssen …“ Erschrocken drehte sie sich um. „Pas, da bist du ja …“ Sie lächelte, doch das Lachen verstarb, als sie in seine Augen blickte. „Es tut mir so leid was, passiert ist, Pas“, sagte sie traurig. Ihre Augen blickten in den Wald.
„Du weißt, dass ich dich liebe. Und das ich alles für dich tun würde.“ Überrascht drehte sie sich zu ihm zurück. „Du liebst mich?“
„Aber natürlich. Das hast du nicht gewusst …“ sie schwieg.
„Du hast das alles nicht gewusst?“
Sie drehte sich weg.
„Julia!“
„Tut mir leid … nein …“ und dann nach einer Pause: „Hast du mir deshalb immer geholfen? Hast du deshalb gelogen?“
„Sicher. Denkst du, ich hätte das für Jeden getan?“ Pascal kam ihr näher. Doch als sie seine Hand auf ihrer Schulter spürte, wich sie ihm aus. „Julia!“
Sie schwieg. Wieder kam Pascal ihr näher. „Ich habe nur für dich gelogen …“
„Lass mich“, raunte sie mit Nachdruck, als er erneut ihre Schulter berührte.
Lass mich … Lass mich? Schoss es durch Pascals Kopf. Ich rette ihr Abi und alles, was sie mir zu sagen hat, ist: Lass mich? Wie in Trance griff er nach dem Messer …
Schweißgebadet schreckte Pascal auf. Er lag in seinem Bett, die Bettdecke von sich gestreift. Ein letzter Gedanke des Traumes schoss ihm durch den Kopf: wieder und wieder. Er spürte noch den Schmerz des Stiches in seinem Rücken. In seinem Traum war er Julia gewesen. Er hatte sich selbst gesehen. Er hatte die Hand gespürt … das Messer …
Pascal taumelte ins Bad und wusch sich den Schweiß vom Gesicht. Dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: Die Bank … Er hatte die Stelle gereinigt, an der er sie vergewaltigt hatte; die Spuren verwischt; das Messer und die Kleidung entsorgt … aber niedergestochen hatte er sie bereits auf der Bank … So schnell er konnte sprang er in seine Kleidung und rannte zum Fluss. Als er bei der Bank ankam, sah er im Schein der Laterne noch die Spuren. Blut am Boden und auf dem Holz, auf das sie gefallen war. Schnell holte er den Eimer, den er im Gebüsch hatte liegen lassen, füllte ihn voll Wasser und rannte zurück.
Gerade als er den Inhalt über die Bank schütten wollte, hörte er eine ihm vertraute Stimme. „Wie sehr kann man einen Menschen lieben, Pas? Wie sehr?“
Langsam drehte er sich um. Er wusste, es war vorbei. „Genug um nach ihrem Verlust das Wichtigste zu vergessen.“
„Ich werde dich vermissen, Pas“
„Du warst immer ein guter Freund. Der Beste …“
„Aber das geht darüber hinaus, Pas … es geht zu weit.“
„Ich weiß, Theo… ruf sie schon an …“
*Text aus: Das Ich: Im Ich