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Immer Lächeln
Es war Sonntag als wir uns trafen.
Wie selbstverständlich hat sich plötzliche eine junge Frau neben mich gesetzt und um einen der Kekse gebeten, die neben meinem Gedichtbuch auf einer Wiese lagen. Das warst du.
Ich reichte dir einen. „Lies mir bitte vor!“, hast du gesagt. Nicht lange und ich hörte dich leise und gleichmäßig atmen.
Als es dunkel wurde, packte ich meine Sachen zusammen und beschloss dich mit nach Hause zu nehmen.
Während ich schlief, bist du an mein Bett geschlichen um mir zuzusehen, wie ich träume. Es war ein ziemlicher Schock, die Augen aufzumachen und deine Kulleraugen zu sehen.
Beim Frühstück erzähltest du mir mit vollem Mund etwas von deinem Leben, kleine Geschichten, nichts persönliches, völlig alltäglich.
Ob ich deinen Namen wissen wollte, fragtest du. Ich nickte, doch du sagtest, dass du mir das nicht sagen kannst. Weil ich dich mit erhobenen Augenbrauen ansah, sagtest du, dass ich dich Pierrot nennen kann, weil deine Mutter dich immer so genannt hatte und das der einzige Kosename war, den dir jemals jemand gegeben hatte, du warst immer nur Pierrot genannt worden. Ich sagte: „Ich heiße Adam.“ Doch du nanntest mich Krümelchen. Wegen meinen Keksen.
Nachdem ich abgespült hatte, musste ich zur Arbeit gehen, ich sagte dir, wo was zu essen ist, wo der Fernseher steht und dass etwas Geld in der Schublade meines Nachttischchens lag.
Als ich zurückkam hattest du gebadet, die ganze Wohnung roch nach Shampoo, und du warst immer noch da.
Als wärest du zu Hause saßest du auf meinem weißen Sofa mit der roten Decke, mein einziges Hawaii-Hemd an, deine Mütze neben dir und hast meine Kekse gegessen, während du dir eine Zeichentrickfilmserie ansahst.
Ich zog meinen Mantel aus und setzte mich neben dich. „Bestimmt hältst du mich für kindisch, eine erwachsene Frau,die noch so was schaut, aber weißt du, früher konnte ich das nicht, meine Mutter hatte es mir und meiner Zwillingsschwester immer verboten, weil wir nicht so werden sollten, wie die anderen Kinder, weil wir doch etwas Besonderes sind. Ich wollte nichts Besonderes mehr sein, ich wollte ganz normal sein, aber das konnten wir nie... wegen unserem Vater.
15 Jahre lang ertrug ich es, doch dann wollte ich weg, wenn es sein musste allein, denn meine Schwester liebte unsere Mutter und hätte sie nie allein lassen können. Also ging ich. Niemand wusste davon, auch Maggie nicht. Ich lebte auf der Straße, fand Freunde und Feinde und jetzt dich. Mein Krümelchen“, du lächeltest herzlich, „ du verlässt mich nicht, oder?“ Ich fand das war eine eigenartige Frage, und antwortete nicht. Du dachtest, dass wäre ein ja und freutest dich sehr.
Mit deinen blauen Augen starrtest du mich an und vorsichtig lehntest du dich an mich. Das war sehr unangenehm für mich, ich mochte keine Menschen und du warst ein Fremder.
Doch wenn dir jemand sympathisch war, hast du ihn angesprochen, egal ob Mann, Frau oder Kind. Selbst wenn es Ärger bedeutete, dein Willen war Gesetz.
Du hast mir erzählt, wie du dich zum ersten Mal verliebtest: Mitten auf der Straße begegnete dir plötzlich die Liebe deines Lebens. Das war was du dachtest. Deiner Natur entsprechend bist du ihm hinterhergelaufen, hast ihn an die Schulter getippt und ihn geküsst, als er sich umdrehte. Für dich war es wundervoll, auch wenn du von dem jungen Mann geschlagen wurdest und ihn nie wieder gesehen hast.
Du fragtest, was in meinem Leben so passiert ist, ob ich schon mal verliebt war, du fragtest mich ernsthaft nach meinen Hobbys. Ich hatte keine Lust auf ein Gespräch, du warst enttäuscht und hast dennoch gelächelt.
Immerzu hast du gelächelt was auch geschah, nur im Schlaf hattest du ein ernstes Gesicht. Traurig warst du nie.
Ich ließ dich auf dem Sofa schlafen, aber anscheinend passte dir das nicht.
Es war Vollmond und da wache ich immer mitternachts auf um mir ein Glas Wasser zu holen. Aus mir unerklärlichen Gründen, lagst du neben mir, an mich gekuschelt und friedlich im Mondschein schimmernd. Ich weckte dich eher unsanft „Was hast du denn dagegen?“, fragtest du schlaftrunken und klammertest dich weiter an mich. „Ich will das nicht. Es ist mein Bett. Ich möchte alleine schlafen.“
Unsere Diskussion war für mich hiermit beendet, doch du sahst nicht aus, als würdest du mich jemals wieder loslassen. Davon war ich nicht sehr angetan, riss mich von dir los und ging ins Wohnzimmer, um dort zu schlafen. Du folgtest mir, ich hatte auch nichts anderes von erwartet, trotzdem wurde ich wütend. Ich war schon kurz davor dich anzuschreien, aber kam nicht dazu, weil du mich geküsst hast.
Noch nie hatte jemand etwas derartiges gewagt, während meiner ganzen Schul- und Studienzeit war ich von Mitschülern nie auch nur berührt worden.
Irgendeine seltsame Kraft ließ nun meine Knie weich werden und machte es mir unmöglich mich zu wehren, natürlich hast du das falsch verstanden und führtest mich zum Bett.
Was auch immer du als Nächstes mit mir vorhattest, ich ließ es nicht zu. Mit letzter Kraft konnte ich dich wegstoßen und wieder auf die Beine kommen. Enttäuscht und mit einem Lächeln, was deinen Gesichtsausdruck unheimlich machte, sahst du mich an. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben wirklich geschockt, wischte mir mit zitternder Hand über die Lippen und hätte am Liebsten nach dir getreten.
Langsam hast du dich aufgerappelt, kamst durch das Mondlicht auf mich zu und umarmtest mich. Ganz vorsichtig und zärtlich hieltest du mich fest, beruhigtest mein Zittern, trocknetest meine Tränen.
Dein Stolz war verletzt, ich wusste, dass etwas passieren würde, irgendwas Schreckliches, oder du verlässt mich einfach.
Erstaunlicherweise war das einzige, was du tatest, einen Tag lang nicht nach Hause zu kommen. Es klingelte an der Tür, gerade als ich mich wirklich zu wundern begann, wo du sein könntest, da standst du. Lächelnd. Fragtest wie es mir ging, was ich gemacht hatte, ob ich mich wider im Griff hatte ob ich meine Scheiß-Fassade wieder aufgebaut hatte.
Es ging mir schlecht, ich hab nichts getan, meine Fassade steht, war was ich dachte, was ich sagte war etwas anderes, ich maulte dich an, was dir einfiel einfach so für 24 Stunden zu verschwinden.
„Hast du mich etwa vermisst?“, fragtest du mit spöttischem Unterton „ ich bin nicht deine Freundin, ich kann tun und lassen, was ich will! Und im Gegensatz zu dir, habe ich Freude im Leben.“ Wahrscheinlich hätte mich das verletzen sollen.
Danach war alles wie immer, wir verbrachten unsere Tage mit Spaziergängen, sahen zusammen fern, ich las dir vor und du schliefst dabei ein. Ich beobachtete dich dann und stupste dich ganz vorsichtig an, es war sehr ungewohnt einen anderen Menschen zu berühren, ich wusste nicht wie man zärtlich ist, weshalb ich dich fast jedes Mal weckte. Du sahst mich dann mit fragenden Augen an und ich musst mir eine Ausrede einfalle lassen oder dir einen Keks geben.
Immer wieder habe ich versucht nett zu sein, irgendetwas in mir wollte es lernen normal zu sein, wollte dir zeigen, dass ich dich leiden konnte. Zwar vertraute ich dir nicht, aber deine Anwesenheit war mir nicht länger zuwider und ich musste grinsen, ehrlich grinsen, wenn ich hörte, wie du unter der Dusche standst und sangst. Du konntest nicht singen.
Leider bist du gegangen, eines Morgens warst du einfach weg. Ich dachte, dass dir doch bestimmt kalt werden würde, nur mit dem T-Shirt und den zerschlissenen Jeans um diese Jahreszeit, du würdest doch bestimmt frieren, wenigstens hattest du eine Mütze.
Es ist nicht schlimm, mein Alltag ist zwar etwas langweiliger und unmusikalischer, aber sonst genauso wie vorher.
Manchmal lege ich Schokokekse an ein Grab, dass ich für dich gemacht habe, obwohl ich nicht weiß, was mit dir passiert ist.
Dann erzähle ich dir immer wieder diese Geschichte und du hörst mir zu und lachst und isst die Kekse und machst Witze.
Ich vermisse dich nicht, ich habe kein einziges Mal geweint. Bald werde ich sterben, in 20 Jahren oder so, das macht nichts, ich komme damit klar, vielleicht werde ich auch hier begraben. Das wäre schön.