Was ist neu

Innenwelt

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Beitritt
23.06.2021
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Anmerkungen zum Text

Triggerwarnung: In den Erinnerungen wird über sexuellen Missbrauch beschrieben.

Diese Geschichte beruht (sehr frei aber realistisch) auf tatsächlichen Traumatherapien, die mit Hypnose / Trance und dem "inneren sicheren Ort" durchgeführt wurden.

Dazu braucht es nicht unbedingt vier Wächter. Hier habe ich mich von der archaischen Idee des Lebensrades inspirieren lassen.
Der Süden steht für Jugend und Kraft.
Der Westen steht für Erwachsen sein, Klarheit und Gerechtigkeit.
Der Norden steht für das Alter und die Weisheit.
Der Osten steht für Tod und (Neu-) Geburt.
(Sehr kurz und subjektiv zusammen gefasst.)

Innenwelt

Martina lächelte. Die Wasseroberfläche sah aus wie ein Weizenfeld im Sturm. Ein Feld voll grün leuchtender Ähren. Der Wind modellierte wilde Bewegung in das Wasser, trieb die Wellen vor sich her und die Abendsonne verwandelte all das in pure Schönheit. Noch nie hatte sie das Meer von so weit unten betrachtet. Die Strömung wiegte sie sanft hin und her, die Zeit spielte keine Rolle. Alles war still, friedlich.

Erst bei Sonnenuntergang, als nur noch die letzten Wellenkämme leuchteten und sich das Grün in feuriges Rot verwandelt hatte, holte sie tief Luft. Mit ihren Gedanken erschuf sie eine kleine, weiße Lichtkugel über ihrer Handfläche. Dann stieß sie sich vom Sandboden ab und ließ sich von dem Licht kraftvoll nach oben ziehen. Immer noch war es völlig still, während sie durch das Wasser nach oben stieg. Erst langsam, dann immer schneller, bis sie mit einem Jubelschrei durch die Wasseroberfläche brach. Unzählige Wassertropfen wurden nach oben gerissen, funkelten im letzten Licht der untergehenden Sonne, begleiteten sie für einen kurzen Augenblick und blieben dann zurück, während sie selbst immer schneller wurde.

Der warme Wind wurde stärker, trocknete sie ab und verwirbelte beinahe zärtlich ihre langen Haare. Wieder sprudelte dieses helle Jubeln aus ihr heraus und das Licht in ihrer Hand zog sie höher in den dunkler werdenden Himmel. Weit unter ihr wurde das Meer blauer und schattiger, während die große Insel noch in der Sonne lag. Die Schneefelder des Mauna Kea leuchteten in hellem Rot, erinnerten sie an glückliche Wanderungen mit ihren Eltern im Alpenglühen. Damals, vor so langer Zeit.

Martina löschte das Licht in ihrer Hand und begann zu fallen. Erst langsam, dann immer schneller. Sie breitete die Arme aus. Die Luft strömte warm durch ihre Finger, brach sich an den Handflächen und sie lachte aus vollem Herzen. Wie früher, wenn sie von der Schaukel gesprungen war; immer genau am höchsten Punkt. Das Kitzeln im Bauch war beinahe das gleiche. Nur stärker. Es breitete sich in ihr aus, während aus ihren Armen kräftige, weiß leuchtende Flügel mit langen Federn wuchsen. Sie spürte jede einzelne davon, bewegte sie probehalber, bevor sie beide Flügel eng an den Körper legte und sich zur Insel hinunterfallen ließ. Immer schneller fiel sie, bis ihr der Wind Tränen in die Augen blies. Kurz vor dem Strand breitete sie die Flügel aus und genoss die Spannung in den Muskeln, während sie den Fall umlenkte in ein schnelles Gleiten. Sie genoss ihren Körper, endlich ohne Schmerzen, ohne Angst. Kraftvoll und frei.

Der Waldrand türmte sich vor ihr auf, wie eine grüne Welle. Mit zwei kräftigen Flügelschlägen war sie über den Bäumen und glitt auf den Wasserfall zu. Sie bremste kaum und schoss durch das fallende Wasser. Es war kalt auf ihrer Haut und sie schüttelte ihr Gefieder, bevor sie landete. Wieder lächelte sie. Ihr Atem war noch aufgewühlt, die Haut warm. Das Wasser hatte sie nicht wirklich abkühlen können. Langsam kam sie wieder zur Ruhe, während die Flügel an ihren Armen verblassten. Jetzt war sie wieder ganz Mensch, ganz Martina.

Schritt für Schritt ging sie durch das Wasser und sah sich um. Jeder Quadratmeter der Höhle war ihr vertraut. Sie selbst hatte sie erschaffen, mit ihren Gedanken. Hatte alles immer wieder angepasst, bis es genau richtig war. Damals war das noch unsicher tastend, geschehen. Nicht so selbstverständlich, wie vorhin das Licht in ihrer Hand.
Sie ging über den kleinen Strand hinter dem Wasserfall und spürte an den Fußsohlen wie er wärmer wurde, je weiter sie sich vom Wasserfall entfernte. Die hohen Basaltwände, durchzogen von sanft leuchtenden Adern aus Bergkristall, verbreiteten ein weiches Licht und sie ging langsam auf das Lagerfeuer zu. Sie liebte das Knistern und den Geruch von Rauch, der langsam nach oben zog, hin zur Öffnung des Kraters, wo die ersten Sterne sichtbar wurden.

Um das Feuer – in gebührendem Abstand – standen die steinernen Wächter. Wie immer ging sie zuerst zu Māui. Der Halbgott und Trickster war Gesandter des Südens und der Inseln. Er war es, der ihr die Kraft gegeben hatte, wieder aufzustehen, damals.

Mein Onkel steht auf. "Geh dich waschen", sagt er. Seine Stimme klingt so anders als sonst. So hart und verachtend. Warum soll ich mich waschen? Bin ich schmutzig? Bestimmt bin ich schmutzig. Aber warum? Ich erinnere mich nicht. Alles fühlt sich taub an. Ich spüre mich nicht und doch tut es weh. Es tut so weh und mit meinem Körper stimmt was nicht. Alles fühlt sich falsch an. Nichtfühlen verschlingt mich, während mein Körper in die Dusche geht und nach der Wurzelbürste greift.
An meinen Beinen läuft Blut nach unten.

Auf seine freche, kriegerische Art, immer mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen hatte Māui sie aus dem Albtraum heraus geholt. Jetzt kniete er, ein Bein im Sand, und hielt in der rechten Hand den großen mystischen Fischhaken, Geschenk der polynesischen Götter. Wie eine Mischung aus Harpune und Haken sah er aus, über und über mit Schnitzereien verziert. Selbst kniend war Māui noch doppelt so groß wie sie.

Sie zog sich hoch, setzte sich auf sein Knie und umarmte ihn, schmiegte sich an ihn wie ein Kind. Der Stein war warm an ihrer Haut und sie spürte wie die jugendliche Macht des Halbgottes sie kräftigte und aufrichtete. Und wie immer musste sie schmunzeln. Bei Māui konnte sie nie lange ernst bleiben. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und bedankte sie sich wortlos bei ihm, bevor sie die Umarmung löste und von seinem Knie glitt.

Als nächstes ging sie nach Westen. Hier stand – hoch aufgerichtet und stolz – Nemesis. Tochter der Nacht, griechische Göttin des Ausgleichs und der Gerechtigkeit, Gesandte des Abendlandes. Jetzt war ihr Gesichtsausdruck milde, beinahe liebevoll. Das Schwert in ihrer Hand stand mit der Spitze nach unten auf dem Boden. Aber Martina erinnerte sich noch gut an den Tag des Abwägens, als Nemesis gerichtet hatte. Über den Onkel, der sie so viele Jahre missbraucht hatte. Die körperlichen und seelischen Schmerzen waren ihr unerträglich und endlos erschienen. Gerichtet auch über die Mutter, die weggeschaut hatte, die sie nicht geschützt hatte. Zuerst war sie zurückgeschreckt. Der Gedanke, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen, hatte sie zutiefst entsetzt. Aber dann hatte sie Nemesis‘ Schwert aufgenommen.

Meine Wut brodelt nicht, sie steigt nur langsam auf, dünne Fäden, die sich auflösen wie Wasserfarbe im Glas. Ich weiß gar nicht, wie das geht: wütend sein. So lange durfte das alles nicht sein. "Was erfindest du für schlimme Geschichten", haben sie gesagt. "Schäm dich!" Ich schäme mich immer noch, die Scham erstickt alles andere. Ich fühlte mich jetzt noch schmutzig und schuldig. Aber schließlich gibt die Wut mir Kraft zurück und weckt mich. Endlich darf es wahr sein. Sie haben mich verraten. Mein kleines verletzliches Ich getötet. Schutz hätte ich gebraucht. Sicherheit. Stattdessen Schmerz, nur Schmerz und schuldiges Schweigen.
Niemand hat mir geglaubt – bis jetzt.

Selbst jetzt war sie noch erstaunt, über die Wut und Kraft, die in ihr entstanden war, als sie die Strafe vollstreckt hatte: Kühle, konsequente Gerechtigkeit. Danach war endlich Ruhe eingekehrt. Eine anhaltende, beständige Ruhe und gerade deshalb so wertvoll. In der Begegnung mit Nemesis gab es keine Umarmung. Martina bedankte sich bei ihr, indem sie auf ein Knie sank und für einen Moment den Kopf senkte. Dann stand sie auf und wandte sich nach rechts.

Dort saß der weise König. Ganz ohne Namen war er der Gesandte des Nordens und des Alters. Er saß auf einem schlichten Thron, die schönen Hände in den Schoß gelegt. Der lange Bart und die hohe Krone unterstrichen die ruhige Autorität in seinem Gesicht. „Gnade ist milde gewordene Kraft.“ Diesen Satz hatte sie irgendwann einmal gehört und der weise König verkörperte diesen Satz auf so vielen Ebenen. Er hatte ihr die Freiheit gezeigt, die aus der Vergebung entsteht. Dazu hatte sie sich von falschen Vorstellungen lösen müssen.

Ich will nicht vergeben. Kann nicht vergeben. Und wie soll das überhaupt gehen? "Alles ist gut? War ja alles nicht so schlimm?" Es war schlimm, ist immer noch schlimm. Manchmal unerträglich. Das Nichtfühlen kommt zurück. Nein, ich will nicht untergehen, nicht verschwinden.
Nicht dieses Mal.

Sie hatte erst nach und nach verstanden, dass Vergebung nicht bedeutet, den Täter zu entlasten, sondern sich selbst zu befreien. Dann hatte die Heilung begonnen. Martina setzte sich zu Füßen des Königs und spürte der Heilung noch einmal nach. Es fühlte sich warm an, leicht und unbeschwert.

Zum Schluss ging sie zu N‘tho. Göttin des Todes und der Wiedergeburt, die Gesandte des Ostens. N‘tho war die kleinste der vier Statuen, aber Martina war damals zutiefst verängstigt gewesen, ihr zu begegnen. Obwohl aus Stein geformt, wie die anderen drei Wächter, schien sie sich immer wieder zu verändern, so dass es fast unmöglich war, sie zu beschreiben. Manchmal erschien sie in der Form einer liebevollen Mutter, dann wieder fast gesichtslos und bedrohlich. Und doch war sie es, mit deren Hilfe die Heilung komplett wurde.

Der Schmerz ist nie ganz weg. Aber ich kenne ihn. Er wird vorbei gehen und ich bleibe. "Frieden heißt: es darf gewesen sein; Abschied heißt: es war."

Es war ein Neuanfang mit der Kraft eines warmen Frühlings, symbolisiert durch die keimende Pflanze in N‘thos linker Hand. Martina legte ihre Hände um diese offene Hand und spürte dem langsamen Herzschlag des Lebens selbst. Erst in der Hand, dann tiefer und kräftiger, bis sie ganz davon erfüllt war. Alles war gut.

Noch einmal sah sie sich in der Höhle um. Der Wasserfall, der kleine Strand, die Nischen in der Höhlenwand, der Blick zu den Sternen. Sie würde wiederkommen. Das hier war ihre Innenwelt, hier war sie sicher. Sie schloss die Augen, nahm die Geräusche der Höhle wahr, spürte die Präsenz der Wächter, roch Feuer, Sand und Stein, spürte die warme Tropennacht auf der Haut, bevor all das langsam verblasste. Von weit her hörte sie die leise Stimme von Dr. Jung. „... in ihrem ganz eigenen Tempo zurückkommen, in die Außenwelt ... und sind spätestens beim Öffnen der Augen wieder ganz wach und orientiert.“

Sie öffnete die Augen. Die letzte von vielen Therapiesitzungen war vorbei. Eigentlich war keine Sitzung mehr notwendig gewesen. Das hier war ein Geschenk. Frieda Jung hatte es vorgeschlagen. „Eine Innenwelt-Reise nur aus Freude, nur zum Genießen“, hatte sie gesagt. „Wenn Ihr heilender Ort schon wie eine tropische Insel aussieht, dann ist ein Tag Urlaub doch ein perfekter Abschluss, oder?“ Sie hatte Recht behalten.

Martina lächelte, als sie durch die Tür ging.

 
Quellenangaben
Der Satz "Frieden heißt: es darf gewesen sein; Abschied heißt: es war." stammt vom durchaus umstrittenen Theologen und Familienaufsteller Bert Hellinger, der unzweifelhaft die Fähigkeit hatte, therapeutische Themen sprachlich zu verdichten.

Woher das andere Zitat stammt, weiß ich leider selbst nicht mehr.

Hello @C. Gerald Gerdsen,

hatte Deinen Text schon vor einer Weile gelesen. Ehrlich gesagt hatte er mich nicht so gepackt, weil ich ihn gut geschrieben und wichtig fand, aber der Text hatte Schlagseite, war mir zu therapielastig und zu wenig prosaisch. Jetzt, mit den neu hinzugefügten kursiven Absätzen hast Du einen Kontrast geschaffen, nimmst stärker real Erlebtes dazu, das liest sich jetzt anders, für mich eine klare Verbesserung. Dennoch nähert er sich gegen Ende wieder dem bisherigen Muster an, da wäre für mich die Frage, ob das alles auserzählt werden muss, bzw. wie Du anders den Bogen schlagen könntest. Die Geschichte einer Heilung nachzuerzählen, statt sie aus Sicht der Prota zu erleben, birgt da in sich schon den Kasus Knaxus. Ist also gewissermaßen eine Frage der Anlage des Textes, woraus sich ergibt, was er leisten kann oder nicht.

Stilistische Anmerkungen mischen sich mit inhaltlichen. Ich hoffe, es geht Dir nicht zu sehr durcheinander.

Martina lächelte. Die Wasseroberfläche sah aus wie ein Weizenfeld im Sturm. Ein Feld voll grün leuchtender Ähren. Die Abendsonne verwandelte die Wellen in pure Schönheit. Noch nie hatte sie das Meer von so weit unten betrachtet. Die Strömung wiegte sie sanft hin und her, die Zeit spielte keine Rolle. Alles war still, friedlich.
Die-Kollaps. Ungünstig finde ich eine Beschreibung "etwas sah aus wie", weil Du Dich damit auf das Bild des Vergleichs verlässt, ohne konkret zu werden. Das ist zu unspezifisch. Wenn Du eine Wasseroberfläche in Korrelation setzt zu einem Weizenfeld, dann muss das typische Gemeinsame auf der Hand liegen. Sonst stoppt das zu sehr, weil ich nachdenken muss. Vllt. anfangs epischer, mehr in die Breite erzählt:
Das Meer wogte in hohen Wellen, die schnell die Richtung änderten, wie es ein Sturm tut, der durch ein Weizenfeld geht. Ein Feld bestanden mit grün leuchtenden Ähren, über das die weißen Kämme hinwegrauschten ...
Direkt in ihrer Hand.
Heißt, die Hand leuchtet von innen? ;) Sonst zwischen ihren Händen oder auf ihrer Handfläche.
bis sie mit einem hellen Jubeln
helle Stimme, ja, okay, helles Jubeln? Hm. Was spricht gegen einen Freudenschrei oder ein freudiges Jubeln?
Noch einmal lächelte sie und wie in einer fernen Erinnerung hörte sie die Stimme von Dr. Jung: „Sie sind ein Ausnahmetalent, Martina“, hatte sie gesagt. „Ich kenne niemand, der so tief eintauchen kann, wie Sie. Volle Immersion ist selten.“ Damals hatte sie das Wort noch nicht gekannt. Dieses Mal genoss sie dieses intensive Eintauchen in die Innenwelt mit jeder Faser ihres Körpers.
Du wirst es vermutlich nicht gerne lesen, aber den zweiten Absatz würde ich komplett streichen. Die gute Dr. Jung schnipst mich nur aus der Situation. Verstehe schon, was Du damit willst, den Lesenden orientieren, die Therapiesituation einführen, etc. Doch ich fände es viel stärker, diese innere Reise ohne Unterbrechung bis zu den Wächtern am Strand zu lesen und sukzessive auch erst durch den kursiven Absatz zu verstehen, oha, es dreht sich um reale Gewalterfahrung und diese innere Reise gehört zum Versuch der Bewältigung.
Traue den Lesenden mehr zu, deshalb bitte auch nicht zu früh zu viel verraten. Hier z.B.
Er war es, der ihr die Kraft gegeben hatte, wieder aufzustehen, damals, nach all dem, was passiert war.
Das braucht es mMn nicht, das erschließt sich und durch den Vorgriff erklärst Du zu schnell. Auch hier:
"Geh dich waschen", sagt er. Seine Stimme klingt so komisch. Verachtungsvoll.
Warum soll ich mich waschen? Bin ich schmutzig? Bestimmt bin ich schmutzig. Aber warum?
Ich erinnere mich nicht. Alles fühlt sich taub an. Ich spüre mich nicht und doch tut es weh. Es tut so weh und mit meinem Körper stimmt was nicht. Alles fühlt sich falsch an. Nichtfühlen verschlingt mich, während mein Körper in die Dusche geht und nach der Wurzelbürste greift.
An meinen Beinen läuft Blut nach unten.
besser schreiben, was ist, nicht bewerten. Erst denkt sie die Stimme klingt komisch, dann verachtungsvoll, kann sie das in dem Moment überhaupt so reflektiert einsortieren? Vllt. klingt seine Stimme ungewohnt hart? Ansonsten sehr gut geschrieben, die Betäubung, das Nicht-verstehen, der dumpfe Schmerz, da kommt vieles an und ich als Leser verstehe das auch ganz ohne vorherige Einführung. Auch gut das rechtsbündig Gesetzte, um es optisch abzuheben. Gefällt mir gut.
Der Stein war warm an ihrer Haut und sie spürte die jugendliche Macht des Halbgottes.
Wie äußert sich das, was genau spürt sie da?
Die körperlichen und seelischen Schmerzen waren ihr unerträglich – endlos erschienen
Welche Funktion hat der Gedankenstrich da? Warum nicht ein einfaches und?
Über den Onkel, der sie so viele Jahre missbraucht hatte. Die körperlichen und seelischen Schmerzen waren ihr unerträglich – endlos erschienen. Gerichtet auch über die Mutter, die weggeschaut hatte, die sie nicht geschützt hatte. Zuerst war sie zurückgeschreckt. Der Gedanke, selbst für Gerechtigkeit zu sorgen, hatte sie zutiefst entsetzt. Aber dann hatte sie Nemesis‘ Schwert aufgenommen.
Sehr gut, damit liegt es auf dem Tisch. Der Missbrauch in der Kindheit durch den Onkel samt Vertuschung durch die Mutter. Auch der folgende kursive Absatz ist extrem nah dran an Martinas Innenleben. Das Töten des kleinen verletzlichen Ichs trifft es sehr gut und auch das Schweigen aus Scham und Schuldgefühl, weil es eh niemand glaubt.
Lediglich an dem Bild:
Meine Wut brodelt nicht, sie steigt nur langsam auf, dünne Fäden, wie Wasserfarbe im Glas.
würde ich noch schnitzen, denn Wasserfarbe bildet keine Fäden. Farbige Flüssigkeit diffundiert in Wasser, färbt es langsam ein, bis es vollständig die Farbe angenommen hat. Vllt. in diese Richtung?
Selbst jetzt – im Rückblick – war sie noch erstaunt, über die Wut und Kraft, die in ihr entstanden war, als sie die Strafe vollstreckt hatte: Kühle, konsequente Gerechtigkeit. Danach war endlich Ruhe eingekehrt. Eine anhaltende, beständige Ruhe und gerade deshalb so wertvoll.
Starkes Bild, das Abtrennen der Schmerzen vom eigenen Ich durch einen Schwerthieb.
"Ist Ok? War ja alles nicht so schlimm?"
Okay.

Im Anschluss folgt eine Phase des Textes, in der mir Leser die therapeutische Methode nähergebracht und erklärt wird. Ab dem König wird es mir zu viel der Therapiebetrachtung und der Rückblicke. Dadurch verliere ich etwas den Kontakt zu Martina, mir persönlich wird es zu analytisch.
Ich habe keine Ahnung, wie sich das bei der Anlage des Textes vermeiden ließe, denn du willst auch über die Methode berichten, doch die Folge ist, dass ich nicht mehr mitfühle, sondern von außen draufschaue. Da müsste mehr konkrete Gegenwartshandlung kommen statt einer Nacherzählung des Erlebten, weißt?
Dennoch, vielen Dank für den Einblick in therapeutisches Wirken, in meinem Alltag bin ich da recht weit weg von und fand das aufschlussreich.

Peace, schönes Restwochenende, l2f

 

Hallo l2f, ;)

vielen Dank für deine Auseinandesetzung mit dem Text und dein Feedback.

hatte Deinen Text schon vor einer Weile gelesen. Ehrlich gesagt hatte er mich nicht so gepackt, weil ich ihn gut geschrieben und wichtig fand, aber der Text hatte Schlagseite, war mir zu therapielastig und zu wenig prosaisch. Jetzt, mit den neu hinzugefügten kursiven Absätzen hast Du einen Kontrast geschaffen, nimmst stärker real Erlebtes dazu, das liest sich jetzt anders, für mich eine klare Verbesserung. Dennoch nähert er sich gegen Ende wieder dem bisherigen Muster an, da wäre für mich die Frage, ob das alles auserzählt werden muss, bzw. wie Du anders den Bogen schlagen könntest. Die Geschichte einer Heilung nachzuerzählen, statt sie aus Sicht der Prota zu erleben, birgt da in sich schon den Kasus Knaxus. Ist also gewissermaßen eine Frage der Anlage des Textes, woraus sich ergibt, was er leisten kann oder nicht.
Ja, das ist wahr, das Ziel des Textes ist es nicht unbedingt, von der Methode zu erzählen, aber vermutlich schwingt das doch mit.

Vor allem durch die Idee, die vier Wächter / das Lebensrad mit einzubauen. Darauf will ich im Moment ungern verzichten.

Stilistische Anmerkungen mischen sich mit inhaltlichen. Ich hoffe, es geht Dir nicht zu sehr durcheinander.
Ich bin Durcheinander gewohnt.

Die-Kollaps. Ungünstig finde ich eine Beschreibung "etwas sah aus wie", weil Du Dich damit auf das Bild des Vergleichs verlässt, ohne konkret zu werden. Das ist zu unspezifisch. Wenn Du eine Wasseroberfläche in Korrelation setzt zu einem Weizenfeld, dann muss das typische Gemeinsame auf der Hand liegen. Sonst stoppt das zu sehr, weil ich nachdenken muss. Vllt. anfangs epischer, mehr in die Breite erzählt:
Ich habe es mal versucht, so richtig ist es mir noch nicht gelungen, weil der Eindruck für mich etwas sehr bildhaftes und spontanes ist, das ich noch nicht richtig in Worte fassen konnte.

Direkt in ihrer Hand.
Heißt, die Hand leuchtet von innen? ;) Sonst zwischen ihren Händen oder auf ihrer Handfläche.
Okay, Handfläche.

helle Stimme, ja, okay, helles Jubeln? Hm. Was spricht gegen einen Freudenschrei oder ein freudiges Jubeln?
Freudig jubelte der weiße Schimmel. Ich bin mir nicht sicher, habe jetzt bei der ersten Erwähnung einfach einen Jubelschrei genommen. Beim zweiten Mal lasse ich es probehalber mal stehen.

Du wirst es vermutlich nicht gerne lesen, aber den zweiten Absatz würde ich komplett streichen. Die gute Dr. Jung schnipst mich nur aus der Situation. Verstehe schon, was Du damit willst, den Lesenden orientieren, die Therapiesituation einführen, etc. Doch ich fände es viel stärker, diese innere Reise ohne Unterbrechung bis zu den Wächtern am Strand zu lesen und sukzessive auch erst durch den kursiven Absatz zu verstehen, oha, es dreht sich um reale Gewalterfahrung und diese innere Reise gehört zum Versuch der Bewältigung.
Hm, ich wage es mal und lasse den Absatz völlig weg.

Das braucht es mMn nicht, das erschließt sich und durch den Vorgriff erklärst Du zu schnell.
OK, gestrichen.

besser schreiben, was ist, nicht bewerten. Erst denkt sie die Stimme klingt komisch, dann verachtungsvoll, kann sie das in dem Moment überhaupt so reflektiert einsortieren? Vllt. klingt seine Stimme ungewohnt hart? Ansonsten sehr gut geschrieben, die Betäubung, das Nicht-verstehen, der dumpfe Schmerz, da kommt vieles an und ich als Leser verstehe das auch ganz ohne vorherige Einführung. Auch gut das rechtsbündig Gesetzte, um es optisch abzuheben. Gefällt mir gut.
Weniger analytisch, zu Befehl. Dennoch wollte ich die wahrgenommene Verachtung gerne im Text lassen. Mal sehen, ob es so besser klingt.

Danke für das Feedback zu den Rückblenden insgesamt.

Wie äußert sich das, was genau spürt sie da?
Ich arbeite daran.

Welche Funktion hat der Gedankenstrich da? Warum nicht ein einfaches und?
geändert.

Sehr gut, damit liegt es auf dem Tisch. Der Missbrauch in der Kindheit durch den Onkel samt Vertuschung durch die Mutter. Auch der folgende kursive Absatz ist extrem nah dran an Martinas Innenleben. Das Töten des kleinen verletzlichen Ichs trifft es sehr gut und auch das Schweigen aus Scham und Schuldgefühl, weil es eh niemand glaubt.
Danke.

Lediglich an dem Bild:
Meine Wut brodelt nicht, sie steigt nur langsam auf, dünne Fäden, wie Wasserfarbe im Glas.
würde ich noch schnitzen, denn Wasserfarbe bildet keine Fäden. Farbige Flüssigkeit diffundiert in Wasser, färbt es langsam ein, bis es vollständig die Farbe angenommen hat. Vllt. in diese Richtung?
Ich habe ein Bild im Kopf, für das ich keine Worte finde. #fluchendersmiley Was zieht den Fäden im Wasser. Aber ich habe den Text noch einmal überarbeitet und dieses "auflösen" verdichtet die Bedeutung durchaus.

Starkes Bild, das Abtrennen der Schmerzen vom eigenen Ich durch einen Schwerthieb.
Danke.

"Ist Ok? War ja alles nicht so schlimm?"
Okay.
Ich hasse diese korrekte Schreibweise von "okay". Also habe ich das jetzt einfach weg gelassen.

Im Anschluss folgt eine Phase des Textes, in der mir Leser die therapeutische Methode nähergebracht und erklärt wird. Ab dem König wird es mir zu viel der Therapiebetrachtung und der Rückblicke. Dadurch verliere ich etwas den Kontakt zu Martina, mir persönlich wird es zu analytisch.
Hm, verstehe. Ich weiß noch nicht genau, wie die da mehr direktes Innenleben und weniger narratives einbauen könnte, aber ich habe zumindest die letzten Absätze gestrafft.

Ich habe keine Ahnung, wie sich das bei der Anlage des Textes vermeiden ließe, denn du willst auch über die Methode berichten, doch die Folge ist, dass ich nicht mehr mitfühle, sondern von außen draufschaue. Da müsste mehr konkrete Gegenwartshandlung kommen statt einer Nacherzählung des Erlebten, weißt?
Dennoch, vielen Dank für den Einblick in therapeutisches Wirken, in meinem Alltag bin ich da recht weit weg von und fand das aufschlussreich.
Danke.

Peace, schönes Restwochenende, l2f
Dir auch einen schönen Restsonntag,
Gerald

 

Hallo@C. Gerald Gerdsen,

ich weiß gar nicht, ob ich anfangen soll zu zitieren, was mir gut gefallen hat, denn ich glaube, dann werde ich nicht mehr fertig. Du beschreibst Umgebung und Atmosphäre nahezu perfekt. Hier und da könnte man vielleicht noch etwas kürzen, aber mir ist nichts aufgefallen, dass so störend gewesen wäre, dass ich es zitieren müsste. Alleine der erste Absatz, mit der Oberfläche des Wassers - es fühlte sich so an, als würdest du mich als Leser langsam mit unter die Wasserfläche ziehen, um mir zu zeigen, was Martina sieht und gleichzeitig um zu fühlen, was sie fühlt.
Alles ist idyllisch und magisch, bis zu dem Moment, an dem sie die Höhle betritt und der erste rechtsbündige (- nennt man das so? war er überhaupt rechts ^^") Absatz kommt. Ab diesem Zeitpunkt, also nach dem Absatz erst, habe ich mir Gedanken über den Titel gemacht und ich war verdammt froh, als sich herausgestellt hat, dass sie aus der Situation schon befreit ist und diese Reise in die Innenwelt keine Flucht vor der Realität ist - also in dem Sinne, dass ihr Onkel noch immer Macht über sie hat. Noch etwas anderes - dadurch dass ich dem Titel kaum Beachtung geschenkt hatte, bis zu diesem Absatz, war ich auch ein wenig überrascht, dass deine Hauptfigur den Namen Martina trägt - ich dachte mir: "Na, nicht so ein ganz typischer Fantasyname, aber mal schauen, wie's weitergeht." - jab. Ab und zu checke ich Dinge eben langsamer als andere.
Wie dem auch sei. Mich hast du mir der Geschichte auf jeden Fall gepackt und ich weiß, Lob alleine hilft nicht unbedingt dabei weiter, dass man sich verbessert, aber nach dem Lesen dieses Textes müsste ich mir Kritik aus dem Hut ziehen. Ich bin über keinen Satz gestolpert und wenn ich gestoppt habe, dann nur, um Beschreibungen noch einmal zu lesen. Nicht, weil ich sie nicht verstanden hätte, sondern weil ich sie schön fand.


LG Lucifermortus

 

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