Was ist neu

Intensivstation

Mitglied
Beitritt
25.08.2001
Beiträge
14

Intensivstation

Schon vor einigen Tagen hatte er die Hand des Arztes gespürt. Sie hatte ihn wissenschaftlich sorgfältig berührt, dort getastet und da gedrückt. Die anschwellende Stimme des Halbgottes hatte ihn eindringlich aufgefordert nun zu erwachen, doch er gab sich keine Mühe, denn er wollte sich nicht regen.
Verschwommen vermutete er die Gesichter, die sich über seinen Körper beugten. Das dumpfe Geräusch medizinischer Apparaturen bestätigte seine Vitalfunktionen mit vehementer Konstanz. Das hüpfende Elektrokardiogramm machte den Umherstehenden Mut, weiter auszuharren, darauf zu warten, daß er wieder erwachte. Er wollte keinen Besuch und keine Schnittblumen, keine kleinen kalten Hände, die die kahlen seinigen ergriffen. Er wünschte sich weder mitleidige Worte noch fromme Gebete, die wie ein eisiger Wind aus kaltem Herzen über seinen Kopf strichen. Die Stimmen drangen an sein Ohr, wie aus einem rostigen Schacht einer Grube tönten sie dumpf bis in sein Innerstes. „twas schrcklichs“ , „so ein nglück“. Manches konnte er verstehen, doch es widerstrebte ihm zu entschlüsseln, Gedanken zu fassen. Die starken Hände der Krankenschwester ergriffen seinen Arm, zogen die Ärmel seines Nachthemdes zurück und legten die Blutdruckmanschette an. Die baumwollene Tasche füllte sich, quoll auf und schien seinen Oberarm zu zerquetschen. Er war nahe daran, eine abwehrende Bewegung zu vollziehen, zu zucken oder gar zu schreien. Es wäre vorbei gewesen, alles umsonst. Alle wollten ihn aus seinem wohligen Gefühl der Schwäche und Trägheit entführen. Unbeschreiblich war die in ihm eingekehrte Ruhe. Sedativer Schlaf schenkte im herrliche Träume, schaumige Wellen, die über ihm zusammenschlugen und ihn einlullten. Illusionen und Visionen, die nie zuvor so klar an seinem inneren Auge vorbeigezogen waren. Keine irdische Sorge quälte ihn.
Sie alle, wie sie hier standen, diese bemitleidenswerten Figuren, versuchten, ihn aus dieser Welt zu verdrängen. Ungeduld wäre in ihren Gesichtern zu lesen gewesen, ihre inneren Uhren verschoben wichtige Termine und errechneten die augenblickliche Zeitverschwendung gedanklich in die Landeswährung um. Doch jeder wollte dabei sein, wenn der alte Greis erwachte, in der Hoffnung, er hätte sein Gedächtnis (und somit auch ihre sämtlichen Schandtaten) verloren und würde dann - im Angesicht der Todesbringer - sein Testament machen, bevor ihn die Schwächlichkeit dahinraffen würde, denn das wünschten sie ihm alle. Gierig nährten sich ihre Blicke an der scheinbar schlafenden Kreatur, Federhalter und Papier waren ebenso bereit, wie der eigens organisierte Notar, der in Anbetracht des Honorars selbst einer schwachsinnig gewordenen Grünstirnamazone volle Zurechnungsfähigkeit attestiert hätte.
Wie schön waren die langen Nächte, die er hier dämmernd verbracht hatte. Die süße Lustlosigkeit des Seins. Mal ordneten sich die umherschwirrenden Muster zu einem wundersamen Augenblick der Transparenz, doch ebenso schnell lösten sie sich wieder auf. Er wollte nicht erwachen, das war sein festes Ziel gewesen. Seine Augen sollten sich nicht weiter öffnen, als sie es unfreiwillig schon getan hatten. Geschlossene Augen, wirbelnd wirre Träume - vorbei ?
Leise Ausrufe verzückten Entsetzens. Erschreckend triviale Ausbrüche von Gefühlen und fehlender Intelligenz. Lächelnde Münder, verrückte Münder, gedrängte Tränen, die nicht rollen wollten und aus der hinteren Ecke des weißen Raumes ein kaum vernehmbarer, erstickter Schrei. Seine Freunde, seine Verwandtschaft, sein gottverdammtes Leben. Er erkannte die Jahre des sinnlosen Daseins, und doch, er erwachte.
Gefühlskaltes Drücken an seinen Händen, der Ruf nach dem Arzt. Warme schwitzende Hände, die an seinen Wangen vorbeirauschten, klebriges Wasser, auf seine Schläfen getätschelt. Warme Luft aus allen Mündern, kleine Tröpfchen aufgebrachter Sprache trafen sein Gesicht. Seine Augenlider benetzt von ihrer Spucke. Sie bespuckten ihn mit ihrer falschen Freude ! Es ekelte ihn an. Schwarz und gelb kreiste es hinter seinen Augen, sein Körper bäumte sich auf, ein unkontrollierbarer Brechreiz ergriff Besitz von ihm. Voluptiös vomierend brachte er es fertig, die gesamte Gesellschaft mit seinem Mageninhalt zu begrüßen.
Während alle betroffen nach ihren Taschentüchern kramten und verlegen angewidert den Gallensaft vom teuren Stoff zu wischen suchten, saß er grinsend auf seinem Bett und wünschte einen schönen Tag. Erleuchtet, gleich einem bauchigen Souvenirbuddha, saß er aufrecht im Bett . Das heutige Datum und die ungefähre Tageszeit konnte er jedoch nicht näher beziffern und lächelte - unzurechnungsfähig - weiter.

 

Als ich weiß nicht, vielleicht ist das auch Dein Stil, aber mir hat's in dem bißchen Kurzgeschichte einfach zu viele Fremdwörter... :( Das hat mir persönlich die Story, die ja von der Idee her eigentlich recht gut ist, versaut - ehrlich... :(
Vielleicht verstehen die anderen Deine Geschichte besser (was ich schwer annehme, weil ich so die Dümmste bin, die hier regelmäßig postet... :D ), dann kannst Du meine Kritik zum Fenster rausschmeißen... <IMG SRC="smilies/newlaugh_ron.gif" border="0">

Ach ja, noch was: Du schreibst "Spucke". Das Wort paßt meiner Meinung nach überhaupt nicht in den bisherigen Sprechstil hinein. "Speichel" hätte es besser getan, weil das "förmlicher" ist und sich die ganze Geschichte recht förmlich liest. ;)

Der Erzählstil: Na ja, ich hab ja schon mal gesagt, daß es ganz wenig Autoren gibt, die den beherrschen. Die meisten können ihn jedenfalls nicht. Dostojewskij gehört zu diesen wenigen; der kann Dir eine ganze Geschichte erzählen, ohne, daß Du einschläfst und ohne, daß Du auch nur einmal wörtliche Rede vermißt. Aber das haben nicht alle druff (ich übrigens auch nicht...) und deshalb mein Tip; WÖRTLICHE REDE... :D Obwohl das hier natürlich schwer einzubauen ist... ;)

Griasle
stephy

 

Tja, also...

"Wörtliche Rede" hätte in diesem Fall aber die ganze Geschichte "kaputt" gemacht, meine Meinung jedenfalls. Und ich denke auch, daß dies von Achein so beabsichtigt wurde.

Zur "Intensivstation":

- Verdammte Erbschleicher!

- "Grünstirnamazone": Coole Sache!

Die Geschichte hat ihren Reiz, und ich habe es zumindest nicht bereut, sie zu lesen. Allerdings finde ich die massige Verwendung von Fremdwörtern etwas übertrieben!

Grünstirnamazone... :D Da muß man erst mal drauf kommen!

Poncher

 

Aha. Nette Geschichte also.
Bisschen viel Fremdwörter muss ich sagen.
Du hast genau die richtige Länge erwischt. Du hast einen etwas eigenartigen Stil, so dass die Geschichte mit jedem Wort mehr langweilig geworden wäre. So aber ist sie sehr schön bissig.
Wörtliche Rede hätte nichthineingepasst.
:cool:

 

Ok, dann bin ich hier wohl überstimmt... :(

Halt nein - ich wollte das gar nicht auf DIESE Geschichte spezifieren, die "wörtliche Rede", sondern ganz allgemein sagen; wenn man die Figuren selbst denken läßt, braucht das keine wörtliche Rede und lockert den Sprechfluß trotzdem auf. So hab ich das gemeint... :rolleyes:

Grizze
Oma stephy

die "Stimmen im Kopf" in Geschichten einfach liebt...
:rolleyes:

 

Ich muß mich erst einmal entschuldigen :rolleyes: , daß ich mich hier mal einmische. Habe eigentlich von solchen Geschichten keine Ahnung <IMG SRC="smilies/baby2.gif" border="0">

Da ich mich aber dafür interessiere, wie sowas geschrieben wird, laß ich mir diese Geschichte durch. Ich persönlich fand sie eher trocken. Es waren, und da schließe ich mich meinen Vorgängern an, zuviele Fremdwörter enthalten. Aber die GEfühle dieser Person fand ich gut beschrieben.

Aber was zählt die Meinung eines Laien :confused: !!!???

Ich werde mich auf jeden Fall auch mal versuchen und eventuell mein Werk präsentieren.

Ansonsten finde ich diese HP sehr nett gelungen und werde sicher noch das ein oder andere Mal vorbeischauen!!

Liebe Grüße

 

Hi Nadinske:

Ich muß mich erst einmal entschuldigen , daß ich mich hier mal einmische. Habe eigentlich von solchen Geschichten keine Ahnung

Du brauchst dich für gar nix zu entschuldigen. Die wenigsten haben hier "Ahnung" in dem Sinne.
Wir sind alle Laien.

Aber was zählt die Meinung eines Laien !!!???

Da wir alle Laien sind, zählt deinen Meinung genausoviel wie unsere (mal ausgenommen die von BIG_CHEF).

Freut mich, dass dir die Seite gefällt. :)

 

Mensch, hackt doch nicht alle auf dem armen Kerl herum... ;)

@ Nadinske

Herzlich willkommen! Natürlich hat Ben schon alles gesagt, was wirklich wichtig ist - Deine Meinung zählt 100%, genau, wie die von jedem hier. Wir sind alles Laien, die eines verbindet; daselbe Hobby.
Willkommen in der Runde! :D

Griasle
stephy

 

Ahem ... EINER ist hier, der kein Laie ist... :D

Meine Bescheidenheit verbietet es jedoch, konkrete Namen zu sagen...

Die Geschichte selbst: Gut geschrieben, aber die vielen Fremdworte verschrecken Leute wie mich einfach.

 

ich danke für das rege treiben um meine geschichte und werde mir die sache mit den fremdwörtern zu herzen nehmen. "spucke" fand ich trotzdem als Lautmalerei (verkneife mir hier das "onomatopoetisch", obwohl es eines der wenigen wörter war, das mich im deutschunterricht tiefgreifend fasziniert hat) passender, das kurze knappe auftreffen von "speichel" war mir zu langgezogen. spucke trifft härter, unbarmherziger ...
Für "Kotzen" war mir wiederrum das Fremdwort genehmer, stilfrage. aber ich sehe ein, dass die kunst des ankommens beim leser in der klarheit der sprache liegt. lese gerade saul bellow auf englisch (humboldt´s gift), da wechseln sich trivial einfache sequenzen mit unglaublich anstrengenden passagen. man denkt beim schreiben einfach zuviel nach ...
ich habe noch eine geschichte "feuerbaum" geschrieben, die hat allerdings 6 schreibmaschinenseiten und ist ein modernes märchen. haltet ihr das durch ? ist eigentlich schon eine kurzgeschichte, aber für´s netz schon wieder an der grenze. muss nur noch abtippen, denn die vergangenheit kannte nur eine adler-reiseschreibmaschine ...
gruesse und danke für die kritik.

 

zwei sachen noch : finde ich absolut richtig, sich als "nichtkompetenter" einzumischen. Wir lernen nur so, nach dem motto : es gibt keine dummen fragen, nur dumme antworten !

und das zweite : ein paar mal haben menschen mein kürzel geschrieben, aber immer falsch. Weder achein noch archrein, sondern archein. das ist griechisch und könnte mit "anfangen" übersetzt werden.

so, schönen abend noch.

 

Yeah, stell sie hier rein, die Geschichte!!!!!

Aber; hat die auch so viele Fremdwörter??? :eek: :rolleyes: :eek: :confused:

Griasle
stephy

die eine Fremdwortphobie hat

 

nein, nein, da kann ich ja noch mächtig einfluss nehmen. müssen sowieso noch einige stilistische korrekturen vorgenommen werden. kann aber bis zum wochenende dauern, da ich noch weitere leben führen muss. danke für den enthusiasmus (tschuldige, "die große freude" wollte ich schreiben.)

 

Hallo,

Eine wirklich gute Geschichte ist das. Die Beschwerden über die Fremdwörter kann ich irgendwie nicht ganz nachvollziehen. War doch alles klar. Die sollten erst mal Gottfried Benn lesen - DAS sind Fremdwörter.

Wenn ich schreibe, bin ich eher ein Fan von sehr schlichtem Stil, und ich merke hier oft, dass eine üppige Sprache, nicht gekonnt, nur in einer Peinlichkeit endet. Du bist also Teil einer Minderheit. Solltest Dir auch mal die Geschichte Revolution von Pirscher, in Seltsam, ansehen. Würde Dir gefallen.

__________________________________________

 

Danke für den Tip. Ist wirklich meine Wellenlänge und ich muss mal Kontakt aufnehmen. Habe mich jetzt sogar in der Rubrik Romantik getummelt. Fremdwortlastig ? Na ich weiß nicht, und wenn schon. Wer eine "Phobie" entwickeln kann, ist schon mittendrin ! Der Feuerbaum kommt !!! Vielleicht unter Special ? oder Satire ?

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom