Ist das nicht 'ne Studi-VZ Gruppe?
Ist das nicht ´ne Studi-VZ Gruppe?
Ich stand auf meinem Bett, das Veluxfenster weit offen und schaute in die Dämmerung, die ganz schwarz war. Meine Arme, mein Gesicht ganz nass vom Regen und vom Wind. Es ist doch verwunderlich, dass es Menschen gibt, die Gewitter nicht mögen. Ich habe nichts gegen Sonnenschein, aber was ist lebendiger als der tosende Wind, der sich schnell verändernde Himmel, die Regentropen die in alle Richtungen fliegen?
Das Telefon klingelte. Ich griff danach, ließ das Fenster zufallen und ging ran.
„Hallo?“
„Was machst du?“
„Nichts.“
„Kann ich vorbei kommen?“
„Lieber nicht.“
„Warum denn…? Wir können Schach spielen, oder die Serie weiter schauen.“
„Ich muss lernen. Ich ruf dich an.“
„Heute hab ich Zeit, den Rest der Woche hat Sandra Mitteldienst, da sehen wir uns abends.“
„Heute hab ich keine Zeit.“
„Tja. Dann meld ich mich bald.“
„Ja. Bis dann.“
Ich hatte aufgelegt bevor er erwidern konnte.
Jeder kennt das Gefühl, alleine zu sein. Manchmal ist es ein gutes Gefühl. Heute war es das nicht. Alleinsein regt zum Nachdenken an und noch mehr Gedanken waren das letzte was ich jetzt brauchte. Ich dachte zurück.
„Wir sind zusammen.“
„Du und Erika?“
„Nein, Sandra und ich.“
„Wer ist Sandra?“
„Die kleine Dunkelhaarige, die von der letzten Party.“
„Sagtest du nicht, du wärst so verknallt in Erika?“
„Schon, sie ist echt klasse, aber sie hat sich grad von ihrem Freund getrennt und ist nicht interessiert.“
„Deswegen nimmst du die zweite Wahl?“
„Sie steht halt auf mich. Das tut gut. Und sie ist echt nett.“
„Ja, und sie sieht aus wie eine Bibliothekarin, aber nicht die heiße Sorte, bei der man sich vorstellt, dass sie sich die Brille runterreißt, die Bluse aufspringt und der Haarknoten sich auflöst. Und sie hat den IQ einer Packung Toastbrot.
„Aber sie sagt mir, dass ich toll bin.“
„Das sag ich dir auch.“
„Das ist nicht dasselbe. Ich will nicht mehr alleine sein.“
Ich hab ihm damals nicht gesagt, dass er nie alleine sein würde. Alleine zu sein ist für mich fast immer ein gutes Gefühl. Niemand auf den man Rücksicht nehmen muss, niemanden dem man Rechenschaft leisten muss.
Vielleicht habe ich deswegen keinen Freund. Vielleicht ist die Romantik in meinem Kopf zu groß, vielleicht warte ich auch auf etwas, das nie kommt. Ich möchte keine Kompromisse eingehen. Doch ist es falsch, auf das ganz große Gefühl zu warten? Ist es eine Beziehung wert, sich selbst zu verraten? Nur um nicht alleine zu sein?
Aber Paul habe ich immer geliebt. Auf meine Art. Er ist mein bester Freund. Und er hat versprochen, dass sich zwischen uns nie etwas ändern würde.
„Witta, du bist so voll.“
„Ist doch ne Party, oder?“
„Klar. Wär der da nix für dich?“
„Keine Lust.“
„Du Zicke.“
„Wieso denn? Nur weil ich keine Egobefriedigung brauche? Ich find mich selbst toll.“
„Fang nicht schon wieder mit deiner Beziehungsphilosophie an.“
„Beziehungen haben den Zweck, jemanden zu haben, der einem sagt, wie klasse man ist. Super. Der Rest ist doch nur Schrott. Weißt du, das Leben ist zu kurz für schlechte Musik und Beziehungsstress.“
„Ist das ´ne Studi – VZ Gruppe?
„Japp. Aber darum geht’s nicht. Ich kann nicht verstehen, was du an ihr findest. Sie ist so doof.“
„Ist sie gar nicht. Naja, ein bisschen. Aber sie ist lieb und ehrlich und treu und sie sagt mir fünfmal am Tag, wie süß ich bin.“
„Alter, ist dir über Nacht ´ne Muschi gewachsen?“
„Was ist eigentlich los mit dir? Du rufst nicht an, du machst nichts mit uns. Bist du eifersüchtig?“
„Eifersüchtig? Ich muss kotzen, wenn ich höre, dass es schon kein „ich“ mehr gibt, sondern nur noch ein „uns“. Als wärt ihr zu einem zweiköpfigen Pärchenmonster verwachsen.“
„Weißte was…? Du bist so drauf, weil du weißt, was Beziehungen wirklich sind. Es gibt viele wichtige Menschen in deinem Leben, aber für diesen einen bist du immer der Wichtigste. Und das macht dich wütend, weil nur du selbst der wichtigste Mensch in deinem Leben bist.“
Ich hab an dem Abend soviel getrunken, dass ich keine Ahnung habe, wie ich eigentlich nach Hause gekommen bin. Als ich mit dröhnenden Kopf und übersäuerten Magen am nächsten Morgen aufgewacht bin, dachte ich nur: „Er hat unrecht. Ich bin nicht selbst der wichtigste Mensch in meinem Leben. Das war mal er. Und jetzt ist da niemand.“
Ich stand auf, ging ins Badezimmer und übergab mich. Es wunderte mich nicht, dass es mir danach besser ging.
Als ich in mein Zimmer zurück kam, trommelten viele kleine Regentropfen stetig gegen meine Fensterscheibe.