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Ein Gemeinschaftsprojekt mit mat!
James und die Liebe
James Pooper spazierte mit einem Zuckerapfel in der Hand über den Jahrmarkt. Er liebte diese gesellschaftlichen Ereignisse, obwohl er ansonsten eher zurückgezogen lebte und etwas scheu war. Er schlenderte an diversen Ständen und Attraktionen vorbei und gelangte nach einiger Zeit an den Rand des Geländes. Als er sich wieder umkehren und nochmals eine Runde drehen wollte, entdeckte er etwas abseits der Menschenmenge ein kleines, rundes Zelt auf der Wiese. Er folgte seiner Neugier und ging leicht nervös auf das Zelt zu. Daraus duftete es nach Räucherstäbchen. James streckte den Kopf durch die schmale Öffnung und erblickte im Kerzenlicht eine Wahrsagerin, die an einem runden Tischlein sass. Die beiden sahen sich einige Sekunden nur an, bevor die ältere Dame zu sprechen begann:
"Ich habe dich erwartet, James. Bitte, nimm Platz."
"Mich ... haben Sie erwartet? Woher kennen Sie meinen Namen?"
"Setz dich mein Lieber, das Universum möchte mit dir sprechen..."
James setzte sich zögerlich auf einen kleinen Hocker gegenüber der mysteriösen Dame, die ein Namensschild mit der Aufschrift "Esmeralda, Wahrsagerin" trug.
Sie schloss die Augen und nahm die Hände von James. Diesem stockte der Atem, so lange war er von keinem Menschen mehr berührt worden. Er musterte Esmeralda. Sie hatte ein bleibendes Erscheinungsbild: So, wie man sich eine typische Wahrsagerin vorstellte: Mit Kopftuch, Halskette, und einem dunkelroten Gewand. Sie war zwischen 53 und 61 Jahre alt und Wahrsagerin von Beruf.
Nun sprach sie mit geschlossenen Augen: "Was möchtest du wissen?"
"Wie? Sie haben mich doch reingeholt!"
"Nicht ich, das Schicksal hat dich gerufen. Warte, warte! Ich empfange etwas ... Du bist hier, weil du die grosse Liebe suchst!
"Woher wissen Sie das?"
"Zieh eine von diesen Tarot-Karten!"
James zog aufgeregt eine Karte, legte diese auf den Tisch und erstarrte: Es war die Todeskarte!
"Oh mein Gott, werde ich sterben?", fragte er zitternd.
"Nein mein Lieber. Beim Tarot bedeuten die Karten immer das Gegenteil von dem, was sie zeigen. Die Todeskarte bedeutet Neuanfang, vielleicht eine neue Liebe?"
"Puh, na dann... Da hätte ich nichts dagegen!"
"Zieh nochmals eine!"
James zog wiederum eine Karte aus dem Fächer und legte sie auf den Tisch. Das Bild zeigte ein prall gefülltes Portemonnaie.
"Oh nein... das würde ja bedeuten, dass ich arm werde?"
"Aber nein James..." Esmeralda räusperte sich. "Äh ... Manche Karten bedeuten genau das, was sie zeigen. Es symbolisiert Reichtum!"
"Gott sei Dank... und die grosse Liebe?"
"Nun, um das zu beantworten, musst du noch eine letzte Karte ziehen"
Die Karte, die James nun zog, zeigte einen Grabstein, auf dem geschrieben stand: "RIP James Pooper - er fand niemals seine grosse Liebe."
"U... und was bedeutet das nun..?", fragte James völlig verunsichert.
"Nun ... hier ist ... ähm ... natürlich ein komplett anderer James Pooper gemeint. Die Karte versinnbildlicht, dass Sie irgendwann sterben müssen, weil schliesslich muss das ja jeder, oder? Ich spüre aber, dass du nochmals eine letzte Karte ziehen musst."
James zog eine weitere Karte, ihm wurde Angst und Bange als er sah, was die Karte zeigte: "In einer Minute werden Sie sterben!"
"Oh nein, stimmt das wirklich?", rief er entsetzt.
"Ähm... ich äh, Moment. Ich muss kurz das Universum befragen ...", stotterte Esmeralda sichtlich verunsichert.
"Ich will jetzt wissen was los ist!", schrie James und sprang vom Stuhl.
"Alles bestens mein Lieber! Ich habe gerade die Antwort vom Universum, dass diese Karte bedeutet, dass du ein langes Leben vor dir hast."
"Mir wird das Ganze hier langsam unheimlich. Sind Sie wirklich Wahrsagerin?"
Auf diese Frage folgte ein kurzes Schweigen seitens Esmeralda. Dann begann sie plötzlich an ihrer Stirn zu ziehen und zog eine Plastikmaske weg. Zum Vorschein kam niemand anderes als Chuck Norris! Nicht etwa der bekannte TV- und Filmstar, sondern James' gleichnamiger bester Freund.
"Chuck? Du?", rief James ungläubig und mit weit aufgerissenen Augen.
"James, ja ich bin es. Es tut mir Leid, ich ... ich wollte nicht dass es soweit kommt.", sagte Chuck mit gesenktem Kopf und sichtlich beschämt. "Ich wusste doch, dass du schon lange verzweifelt nach deiner grossen Liebe suchst, und ich wollte dir im Prinzip vorgaukeln, dass die grosse Liebe bald zu dir kommt. Ich wollte dir Mut machen, daran zu glauben und nicht aufzugeben. Aber ich habe versagt..."
Nach einer kurzen Pause erwiderte James: "Chuck ... Das ist das Schönste, was je einer für mich getan hat. Und weisst du was?"
"Was?"
"Du hast nicht versagt. Ich habe meine grosse Liebe soeben gefunden!"
"Wa... du meinst..."
"Ja, Chuck, das meine ich!"
Mit diesen Worten fielen sich James und Chuck um den Hals und küssten sich leidenschaftlich. Die Beiden hatten in dieser Sekunde eingesehen, dass die grosse Liebe nicht geschlechtsabhängig ist, sondern dass sich auch zwei behaarte Typen mit Cowboy-Hüten lieben können.
Unglücklicherweise bewahrheitete sich die Vorhersage der Tarot-Karte, und James erlitt wenige Augenblicke später einen Herzinfarkt, an dem er noch an Ort und Stelle verstarb.
Chuck trauerte noch lange Zeit um seine grosse Liebe, mit der ihm nur wenige Sekunden vergönnt waren. Dafür errichtete er später in Andenken an James ein Wahrsagerzelt in Las Vegas, in welchem er seine Rolle als Esmeralda auslebte und ahnungslose Chinesen abzockte, bis er eines Tages von einem Polizisten mit drei Schüssen niedergestreckt wurde, als er einen Cheeseburger stehlen wollte.
Und die Moral von der Geschicht: Das Universum lügt nicht!
ENDE