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Jemen, ich und der liebe Gott

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09.01.2018
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Jemen, ich und der liebe Gott

Jemen, ich und der liebe Gott

Es ist Freitag, der 22. Dezember 2017. Die letzten Unterrichtsstunden dieses Jahres sind erledigt. Endlich Ferien! Zwei Wochen! Ich stehe in Linz vor der Trafik in der Landstraße. Die Werbezeile über der Eingangstür für den Lottojackpot läuft unermüdlich. Das Werbefernsehen predigt es schon gefühlte 100 Tage lang (natürlich erst seit der letzten Ziehung am vergangenen Mittwoch): 6-fach Jackpot!! Mit diesen 11 Millionen und ein paar zerquetschten Euro, denke ich an diesem frühen Nachmittag, würde das Leben ein bisschen einfacher sein. Lehrverpflichtung auf die Hälfte reduzieren, Schulden vom Hausbau vorzeitig abzahlen, Geld für die drei studierenden Kinder zurücklegen, endlich die Hochzeitsreise mit meiner Frau nachholen, finanziell ausgesorgt. Und für ein paar ordentliche Hilfsaktionen für bedürftige Menschen bliebe auch noch genug übrig. Also rein in die Trafik, fünf Quicktipps vom Computer – nur Lotto, kein Lotto plus, kein Joker – die Tipps nicht ansehen! Das bringt sonst Unglück! Im Falle eines Gewinnes, das schwöre ich (muss nicht einmal ein Solosechser sein, die Hälfte reicht auch), spende ich einen ordentlichen Batzen für Bedürftige. Die Caritas fällt mir ein. Von sogenannten Mikrokrediten habe ich gehört. Die Wahrscheinlichkeit für einen Sechser liegt bei 1 : 1,8 Millionen!? Aber für einen guten Zweck darf man schon einmal auf ein wenig Wohlwollen vom lieben Gott zählen!? Ich verspreche hoch und heilig eine ganze Million für gute Zwecke (bei einem Solosechser) – mindestens!
Am Abend vor dem Fernseher: Zeit im Bild um 19:30 Uhr. Der Papst fordert – wieder einmal – Frieden für die Welt. Syrien, die Ukraine, der Terror. Es ist eine Schande! Er meint es ernst, zum wiederholten Male. – Ob sich irgendwer von den Kriegstreibern beeindrucken lässt? Wohl kaum. Übernächster Nachrichtenbeitrag: der Krieg im Jemen. Bilder von unterernährten Kindern. Sie werden sterben. Sie können nicht einmal die Fliegen aus ihren Gesichtern vertreiben, so geschwächt sind sie. Ein Arzt in einem halb zerbombten Krankenhaus erzählt, dass es keine Medikamente mehr gibt. Hilfskonvois werden nicht durchgelassen. - Es ist eine einzige Tragödie. Karim El-Gawhary analysiert: „Es geht in diesem Krieg um die Vormachtstellung im arabischen Raum. Der König von Saudi-Arabien und die Ayatollahs im Iran führen einen Stellvertreterkrieg im Jemen!“ Geht’s noch? Sollen sich die Saudis und die iranischen Ayatollahs in ihren Ländern die Schädel einschlagen und die anderen in Frieden lassen! Warum im bitterarmen Jemen? In welcher Welt leben wir? Da müsste man doch etwas unternehmen! Man? Man ist soviel wie nieMANd. ICH sollte etwas unternehmen! Mit den Millionen vom Lotto!? Lieber Gott! Unsere Abmachung gilt! Die richtigen Zahlen und ich gehe in den Jemen und beginne zu helfen, wo immer ich kann!
Wenn ich aber alleine gehe, dann – fürchte ich – nützen auch die Lottomillionen nicht viel. Der ganze Krieg gehört gestoppt! Da bin ich mit meinem guten Willen allein allerdings ein paar Nummern zu klein. Der Papst! Wenn ihm das, was er predigt, ernst ist, muss er auch was tun. Soll er doch mitkommen mit mir! Öffentliches Interesse ist von entscheidender Bedeutung bei solchen Unternehmungen. Das wissen wir schon mindestens seit dem Ende des Vietnamkrieges. Ich schreibe dem Papst eine E-Mail und fordere ihn zum Mitmachen auf, ja – das werde ich machen! Er, ich, die Lottomillionen, das Fernsehen und die Zeitungen, die Öffentlichkeit und hoffentlich noch eine Menge gleichgesinnter Mitstreiter!
In meiner E-Mail wird stehen:
„Sehr geehrter Herr Papst! Lieber Jorge Mario Bergoglio! Ihre Rede vom Ende der Gewalt und die Bilder im Fernsehen von den verhungernden Kindern im Jemen veranlassen mich dazu, dorthin aufzubrechen, und mit dem Aufbau zerbombter Häuser und Hilfe für die notleidende Bevölkerung zu beginnen. Irgendjemand muss ja damit anfangen, dem Krieg ein Ende zu setzen. Geld für den Anfang des Unternehmens habe ich. Ich fürchte nur, wenn ich alleine gehe, wird sich niemand darum kümmern. Wenn Sie aber, hochgeschätzter Heiliger Vater, mitkommen und vielleicht ein paar Kollegen mitnehmen, schaut die Sache anders aus. Dann schaut die ganze Welt zu. Vielleicht klopft dann auch Allah den arabischen Bombenwerfern auf die Finger. Facebook, Twitter, Instagramm, Fernsehen und Zeitungen könnten mithelfen, eine Bewegung des Friedens zu starten. Was halten Sie davon, wenn wir die Karfreitags- und Osterfeiern zwischen den Bombenruinen der jemenitischen Städte begehen? Mit freundlichen Grüßen und in Erwartung ihrer Antwort Joe Makes
Die E-Mail wird vorerst gespeichert, bis es soweit ist, sie an den Papst zu verschicken. Jetzt werde ich die Ziehung der Lottozahlen am 24. Dezember in aller Ruhe abwarten. Dann kann es losgehen. Als erstes werde ich danach die Mail an den Papst abschicken, dann das weitere Vorgehen mit meiner Frau und den Kindern besprechen.
Es ist gar nicht so schwer, tatsächlich etwas zu verändern, wenn man nur will. Nichts ist unmöglich! – Sagt ja sogar die Lottowerbung! Man muss nur dran glauben und ein bisschen auf Gott vertrauen.
Die Weihnachtsfeiertage sind mit den geplanten Festen und Besuchen mehr als ausgefüllt. Die Kontrolle der Lottozahlen hat keine Eile. Am Mittwoch, 27. Dezember, hole ich die Morgenzeitung aus dem Postkasten. Es wird Zeit! Im Kulturteil (!) – wenn das kein gutes Omen ist! - finde ich die Lottozahlen. Die sechs richtigen auf einen Zettel geschrieben lauten: 7 – 8 – 14 – 33 – 38 – 40. Mein Lottoschein mit den fünf Quicktipps liegt in der oberen Schreibtischlade. Bisher habe ich noch keinen einzigen Blick darauf geworfen. Das soll Glück bringen! Schau nie zu früh auf deinen Lottoschein, wenn du einen Sechser haben willst! Aber jetzt natürlich schon! Die Stunde der Wahrheit! Danach wird die Welt eine andere sein!
Erster Tipp, meine Zahlen: 13 – 22 – 29 – 37 – 38 – 45. Immerhin eine übereinstimmende Zahl (38). Das lässt hoffen. Weiter so.
Zweiter Tipp: 12, 16, 17, 34, 37, 41. Keine einzige richtige Zahl! Lieber Gott, reiß dich zusammen. Drei Chancen hast du noch.
Tipp Nummer drei: 2, 3, 13, 33, 35, 43. Wieder eine richtige Zahl. Das hatten wir schon. Zeit für ein kurzes Gebet. …..
Tipp Nummer vier: 1, 18, 24, 25, 28, 40. Wieder gerade einmal ein einziger Treffer!
Aber jetzt: meine letzte Zahlenkombination, Gottes große Chance, die Welt zu verbessern und im Jemen damit anzufangen. Ich wage kaum, die Zahlen zu kontrollieren. Ich wische mir eine Schweißperle aus der Stirn und dann sehe ich sie vor mir, die Zahlen meines letzten Tipps: 6 - 8 - 26 - 27 - 30 - 44. Exakt ein einziger Treffer! Aus und vorbei! Die Kinder im Jemen müssen warten. Der liebe Gott hat seine Hausaufgaben nicht gemacht! Nicht Genügend! Setzen!
Die E-Mail an den Papst werde ich löschen, bevor ich sie je abgeschickt habe. Ich werde mit dem Weltverbessern in kleineren Dimensionen beginnen müssen. „Mikrokredite vergeben“ lautet meine Eingabe auf Google. … Da geht etwas!

 
Zuletzt bearbeitet:

Das ist schön, dass da Linz erwähnt wird, das ich gerade eben in seiner doppelten Bedeutung als Rheinischen und Donauländischen Marktfleck zu Zeiten der ersten Kreuzfahrt (der des König Konrad) hinter mir hab -

Grund genug, hier mal reinzuschauen und mal nicht gegen den Wind anzukämpfen.

Aber ach,

da will mal wieder einer die Welt verbessern, indem er Lotto spielt und zur Hilfe Gott anruft. Wann hätte jemals jemand zu welcher Lotterie oder Wette göttlichen Beistand erhalten! Wettbetrug wäre das ja auch, Prinzip Zufall auszuhebeln.

Ja, vom Hocker reißt diese kleine Geschichte nicht, die eher innerhalb eines wörtlichen Vortrages im Bekanntenkreis bestehen kann, als hierorts - was für einen Erstling zunächst schlimm klingt, aber eben nix besonderes für einen ersten Versuch ist,

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts,

joe makes.

Der Text hilft nicht einem Jemeniten und plätschert halt für sich hin. Zur Satire fehlt ihm der Biss, selbst als Information taugt er nicht. Denn Stellvertreterkriege gibt es seit dem Ende des zwoten Weltkrieges zuhauf zunächst neben dem Kalten Krieg (seit dem Koreakrieg) und zuförderst sollte man fragen, wo kommen die Waffen her? Und hat sich nicht jeder schon die Frage gestellt

In welcher Welt leben wir?
Natürlich in der einzigen, die wir haben.

Trivialeres

Mit diesen 11 Millionen und ein paar zerquetschten Euro, ...
Vielleicht fürs Lottospiel ein entbehrlicher Hinweis: Zahlen werden üblicherweise ausgeschrieben. Der Duden lässt es für alle Zahlen zu, ich empfehle die Zahlen bis zwölf auszuschreiben, von da an wirds mit jeder Zahl langatmiger, sind es doch von drei+zehn an zusammengesetzte Zahlen.

Man ist soviel wie nieMANd.
Abgesehen von dem unnötigen Hinweis auf das Indifinitpronomen "man" im Indefinitpronomen niemand gibt's hier noch drauf hinzuweisen, dass "soviel" nur als Konjunktion zusammengeschrieben wird, aber ca. 90 % so viel auseinander als unbestimmte Mengenangabe. Das Risiko, so viel falsch geschrieben zu haben ist also weitaus geringer als für "soviel".

So viel oder wenig für jetzt vom

Friedel,
der gleichwohl ein gutes 2018 wünscht!

 

Danke für die Rückmeldung. Ich bin überrascht, dass gleich mein erster Beitrag inhaltlich, sprachlich und orthografisch so genau unter die Lupe genommen wurde. Für mich war es eher ein spielerisches Ausprobieren. Ich werde mir jetzt einmal die Wortkriegerseite genauer ansehen, was da geschrieben wird, bevor ich wieder an eine Textveröffentlichung gehe - dann aber mit mehr Sorgfalt.
Joe,
und auch ich wünsche ein gutes Jahr 2018!

 

bevor ich wieder an eine Textveröffentlichung gehe - dann aber mit mehr Sorgfalt.

Ein guter Vorsatz, joe.

Und dennoch kann man mit den Worten spielen. Bin ich doch selbst der lebende Beweis.

Tschüss und wird schon werden, meint der

Friedel!

 

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