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Jennifer

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15.03.2009
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Jennifer

Die grellen Lichter im Club tanzen zum hektischen Beat. Menschenmassen vereinen sich auf engen Flächen und bewegen ihre Glieder zum vermeintlichen Takt. Schweiß und schlechtes Deodorant erfüllen den Raum mit einem süßlichen Duft. Der ewig andauernde Lärm wird nur für den Bruchteil einer Sekunde durch ein schrilles Lachen gestört. Auf der Männertoilette ziehen sich zwei Studenten Speed in die Nase. Auf dem Frauenklo ist es ähnlich. Gedämpft ertönt hier der Brei aus 500 Stimmen und irgendjemand lässt sein Glas fallen. Die Scherben zerbersten bei jedem unachtsamen Tritt aufs neue. Türsteher fühlen sich extrem autoritär, während angehende Anwälte glauben, sie würden doch tatsächlich ihre Jugend ausleben. Die Massendroge Alkohol wird an den Bars ausgeschenkt und bläulicher Rauch drängt sich zwischen erzählende Gesichter. Ganz am Rande, in einer dunklen Ecke, existiert eine andere Welt.

Jennifer trinkt einen Schluck Wasser aus dem schlecht gespühlten Glas und spührt das Kribbeln der Kohlensäure auf ihrer Zunge. Ein Mitglied der Jungen Union, mit schlechten Atem und schütterem Haar, spricht sie an. Mit dem Geld seiner Eltern versucht er ihr einen Drink zu spendieren. Er bleibt genau wie seine Vorgänger unbeachtet. Frustriert wird er später nach Hause gehen und sich selbst befriedigen, während die Seite der Damenunterwäsche eines Versandhauskatalogs vor ihm aufgeschlagen daliegt. Jennifer greift in ihre Handtasche und sucht nach den Light-Zigaretten. Sie reibt am metallenen Rädchen des Plastikfeuerzeugs und kneift die blauen Augen zusammen. Bevor jedoch die Flamme den Tabak erreicht, überlegt sie es sich anders und zerquetscht den Glimmstengel im überfüllten Aschenbecher.

Sie ist wirklich wunderschön. Ihre schulterlangen blonden Haare sind zu einem Zopf gebunden, während ihr Pony sehr modern ihre kleine Stirn bedeckt. Als erstes aber fällt jedem ihr Mund auf. Pefekt geschwungene ovale Lippen, die von einem so tiefen Rot sind, dass kein Lippenstift der Welt es auch nur annähernd kopieren könnte. Ihre süße Nase ist zusätzlich das I-Tüpfelchen auf Gottes Meisterwerk. Jennifers Blick schweift durch die Halle, als würde sie jemanden suchen. Dabei will sie nur beobachten. Oder verstehen. Sie fühlt sich fremd. Das Schlimme dabei ist, dass es kein schleichender Prozess war. Nichts, dass sie etwas erahnen ließ. Völlig hilflos wurde sie einfach überrollt und allein gelassen. Mit Sehnsucht denkt sie an die Momente, als sie noch ein funktionierender Teil der Masse war. Einfach gedankenfrei und anonym mit der Rest zu verschmelzen. Ab und an Teile zu schmeißen, um sich leicht zu fühlen. Schönere Farben wird es wohl niemals geben. Jetzt spührt sie nur noch Verachtung dem gegenüber. Am liebsten würde sie aufspringen und das Mädchen mit den braunen Zöpfen und kleinen Pupillen anschreien. Aufklären. Gefühle gegen andere sind die Gefühle gegen einen selbst. Wortlos legt sie einen Schein auf die Theke und drängt Richtung Ausgang. Überall spührt sie Hände, Schultern und Beine an ihrem Körper. Endlich erreicht sie die Tür und stolpert ins Freie. Eine endlose Schlange erschwert es aber noch einmal, einsam zu sein. Ein Typ der sich in der Gruppe sehr stark fühlt, schreit Jennifer etwas obszönes nach. Seine Freunde wissen nicht, dass er homosexuell ist.

Die Nacht ist angenehm warm. Jennifer steuert die grüne Parkbank an, die seit Jahren einen neuen Anstrich nötig hätte. Sie legt den Kopf in den Nacken und versucht die Sterne zu zählen. So wie sie es als kleines Kind mit ihrem Vater gemacht hatte, der mit ihr im Garten zeltete. Endlich fließen Tränen an ihren Wangen herunter. Man möchte hingehen und sie in den Arm nehmen. Sie beschützen. Ihr sagen, dass alles wieder gut werden wird.

Heute früh bekam sie den Brief mit den Testergebnissen. HIV-Positiv. Und in ihrem Bauch wächst ein kleines Baby.

 

Hm, ich mag das Ende, bin ein Freund von Pointengeschichten.
Auch gelingt es dir ganz gut, die Stimmung im Club einzufangen.

Was mich jedoch stört ist der auktoriale erzählstil, der einfach zu sehr über allem schwebt und dadurch irgendwie aufdringlich wirkt. Ich glaube, ich bin einfach ein Leser, der gerne selber zu einer Meinung kommt :-)

 

Hallo Flasko!
Gelungene Geschichte, schön kurz und knackig.
Die Pointe ist gut vorbereitet.

Sie fühlt sich fremd. Das Schlimme dabei ist, dass es kein schleichender Prozess war. Nichts, dass sie etwas erahnen ließ. Völlig hilflos wurde sie einfach überrollt und allein gelassen.
Hier ahnt man ein einschneidendes Ereignis in Jennifers Leben, ohne das zu viel verraten wird.
Die Clubszene ist lebendig beschrieben; sehen, fühlen, hören und riechen, da ist alles drin.
Die Beschreibung der "wunderschönen" Jennifer ist dir dagegen weniger gelungen.
Sie ist wirklich wunderschön.
Erstens: Aufgrund der Details im folgenden Text überflüssig. Zweitens: Lass das doch bitte den Leser entscheiden. Dazu bräuchte man allerdings ein paar genauere Details.
Pefekt geschwungene ovale Lippen,
Ihre süße Nase ist zusätzlich das I-Tüpfelchen auf Gottes Meisterwerk.
Damit kann man nichts anfangen. Da wäre dann noch die Frage, ob die Beschreibung von Jennifers Aussehen überhaupt wichtig ist, zumal sie ja einige "Verehrer" abwehren musste, also kein Mauerblümchen sein kann.
Frustriert wird er später nach Hause gehen und sich selbst befriedigen, während die Seite der Damenunterwäsche eines Versandhauskatalogs vor ihm aufgeschlagen daliegt.
Passt nicht so recht in die Geschichte, weil es keinen Bezug zu Jennifer, der Clubatmosphäre oder der Pointe hat.

Gruß
Asterix

 

Hallo Flashko

Wie Asterix finde ich, die kleine Geschichte ist dir gelungen und die Schluss-Pointe geschickt gewählt. Allerdings muss ich NikitaF recht geben; auch ich störe mich am auktorialen Erzählstil (ganz besonders im dritten Abschnitt). Ich bin der Ansicht, dass die Allwissenheit und die Wertungen des Erzählers der Story eher schaden als sie "an den Mann" zu bringen, indem sie es dem Leser verunmöglichen, sich selber eine Meinung zu bilden.

1. Abschnitt:

Der so wichtige Anfang einer Geschichte ist dir mit der fesselnden Beschreibung der Club-Stimmung sehr gut gelungen.

Die Massendroge Alkohol wird an den Bars ausgeschenkt und bläulicher Rauch drängt sich zwischen erzählende Gesichter.

Aus eigener Erfahrung: Schreit man da nicht eher?;)

Ganz am Rande, in einer dunklen Ecke, existiert eine andere Welt.

Vortreffliche Überleitung!;-)

2. und 3. Abschnitt:

Hier stören die Beschreibungen der anderen Clubteilnehmer, da für die Geschichte irrelevant (Typ Junge Union, Homosexueller).

4. Abschnitt:

Man möchte hingehen und sie in den Arm nehmen. Sie beschützen. Ihr sagen, dass alles wieder gut werden wird.
Lass das doch den Leser entscheiden.;)

ps: spüren ohne h

Aber wie zu Beginn gesagt: Gelungene Geschichte, danke fürs posten Flashko!

Gruss
palerider

 

Hi, Flashko,
schon der erste Absatz klingt wirkt auf mich irgendwie weinerlich. Alles ist schlimm: die „Menschenmassen auf engsten Raum“, der „hektische Beat“, „schlechtes Deo“, „ewig andauernder Lärm“, „Speed“, „Alkohol“ wird „ausgeschenkt“ (sic!) etc. und so geht es weiter.
So stelle ich mir die Selbstgespräche eines einsamen Eckenstehers in solchen Clubs vor. Endzeitstimmung.
Nichts gegen Endzeitstimmung, wenn unterhaltsam und intelligent reflektiert, aber nicht so bierernst.
Das Ende ist dann natürlich ganz besonders schlimm: eine Aidskranke, die schwanger ist und wahrscheinlich ein aidskrankes Kind zur Welt bringt.
Wenn es rüberkäme, dass die Endzeitstimmung aus der Sicht der Aidskranken käme - o.k., aber so passiert eigentlich auch garnichts in Deiner Geschichte außer der Szenenbeschreibung eines Clubs und die Vorstellung eines schwangeren Mädchens, das Aids hat und die vage Andeutung, dass sie Aids hat, weil sie von einem schwulen Widerling gefickt wurde(?) [Klisché: schwul=Aids]
ein bisschen Handlung wäre spannend.

Gruß Schmidt

 

Hi, Flashko,
und die vage Andeutung, dass sie Aids hat, weil sie von einem schwulen Widerling gefickt wurde(?) [Klisché: schwul=Aids]
ein bisschen Handlung wäre spannend.

Gruß Schmidt


Wow, wie kann man denn auf so eine idee kommen? Warum soll sie denn den HIV-Virus (kein AIDS) von dem homosexuellen bekommen haben?

 
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Wow, wie kann man denn auf so eine idee kommen? Warum soll sie denn den HIV-Virus (kein AIDS) von dem homosexuellen bekommen haben?

das las ich hier raus:

"Ein Typ der sich in der Gruppe sehr stark fühlt, schreit Jennifer etwas obszönes nach. Seine Freunde wissen nicht, dass er homosexuell ist.
"

Naja, auf der verzweifelten Suche nach Handlung in Deinem Text habe ich da wohl zuviel reininterpretiert, schrieb ja auch auch "vage Andeutung".

Aber wieso wird dann der Homosexuelle, von dem seine Freunde nicht wissen, dass er schwul ist, in der story so explizit erwähnt?

Gruß Schmidt

 

weil auch erwähnt wird, dass der Typ der sie anbaggert, bei der Jungen Union ist und von Papis Geld lebt.
Das ist, weil ER alles weiss. Oder sie, however.

 

hö, stimmt, der mit dem schlechten Atem und dem schütteren Haar.
schlimm, schlimm.

 
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es geht um ein BRAUCHBARES feedback für selbst geschriebene texte auf kurzgeschichten.de ... so wenig und doch so viel:(

...:sealed:

 

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