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- 26.11.2007
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Jetzt bin ich frei
Regen rinnt die Scheibe hinunter.
Durch sie sehe ich dich, dich den ich einst liebte.
Warum? – Ich weiß es nicht mehr!
Damals war alles so perfekt an dir. Dein Lächeln, deine Stimme. Einfach alles.
Auch wenn ich dich kaum kannte, raubtest du mir Schlaf und Verstand. Du brachtest mich dazu Dinge zu tun, die mich selbst sprachlos machten.
Langsam nähere ich mich der schweren Holztür, die mich von dir trennt. Bereit dir die jahrelange Ablehnung zu vergeben, schlüpfe ich in meine gelben Gummistiefel, hülle meinen bebenden Körper in den lila Regenmantel. Bereit dir endlich dafür zu danken, dass du mich zu dem gemacht hast, was ich heute bin. Ich spüre wie sich meine zitternde Hand der Türklinke nähert und diese, zu meiner Überraschung, entschlossen umfasst.
Als ich hinaus trete bemerke ich die Schneeglöckchen, welche ich immer bestaunt hatte, und die nun unter der Last des Regens zu leiden hatten, nicht. Auch das flehende Miauen meines schwarzen Katers, der sich zärtlich an mein Bein schmiegt, ist mir egal. Nicht einmal die kalten Tropfen, die sich ihren Weg über meine Wangen bahnen, nehme ich wahr.
Noch vor kurzem waren es Tränen, die mir den Blick nahmen. Ihre Schönheit die mich blendete. Die eisig kalte Hand die mein Herz umschloss und mir jegliche Sinne raubte.
Ich wende dem Himmel mein Gesicht zu. Er ist grau und Wolken verhangen, so wie an anderen Regentagen auch. Einfach nichts Besonderes.
Du kehrst mir den Rücken zu, wie du es immer schon getan hast. Doch ich störe mich nicht daran. Denn heute begegne ich dir emotionslos, ohne Liebe, ohne Hass. Weiß ich doch was ich vollbracht habe, Kummer und Schmerz hinter mir gelassen, lächele ich dich an. Du nimmst mich nicht wahr, siehst durch mich hindurch, als du dich umschaust. Der nichts sagende Blick auf deinem Gesicht berührt mich nicht. So wie damals, bist du auch jetzt unerreichbar. Du drehst dich wieder um, gehst ein paar Schritte und bist schließlich verschwunden. Ich sehne mich nicht nach deiner Nähe, verspüre nicht den Drang dir nachzueilen. Es ist kein Abschied für immer. Es ist ein Abschied auf Zeit, das ist mir bewusst. Aber es ist ein Abschied von der Erinnerung an dich. Denn hier endet sie. Was bleibt sind die Narben.
Ohne auf die Pfützen zu achten, durch die ich laufe, sehe ich dem Bus hinterher. Und mit ihm dir. Dir und all dem Schmerz, den du mir bereitet hast. Lachend drehe ich mich im Regen. Denn jetzt, jetzt bin ich frei.