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Josephine
Josephine, ja, so hieß er, der kleine Stern, der kleinste, aber schönste und hellste. Der, der die ganze Nacht lachte und selbst tagsüber so hell leuchtete, dass man ihn einfach nur wunderbar finden konnte. Er war der einzige, der nachts neben mir im Bett lag, der morgens mit mir aufstand, der mit mir schlief und mein Leben mit mir teilte …
Dieser kleine wunderschöne Stern, Josephine, war erloschen. Ohne Abschied, ohne es anzukündigen, ohne auch nur ein Wort. Einfach erloschen, weil Gott es so wollte.
Aber manchmal, wenn ich ganz lange in den Himmel sah, manchmal sah ich Josephine leuchten, so hell und schön wie früher. Dann stieg ich aufs Fensterbrett und streckte meine Arme soweit in den Himmel, wie es nur ging. Ich reckte und streckte mich … aber niemals bekam ich Josephine zu greifen. Nicht einmal streicheln, mit den Fingerspitzen konnte ich ihn, den kleinen Stern, Josephine.
Doch eines Nachts, als ich wieder einmal auf Zehenspitzen versuchte ihn zu greifen, da gelang es mir, ich hielt ihn fest, ich hielt ihn fest in meiner Hand. Er war warm und klein, aber hell, so wie immer. Er strahlte durch meine Finger, er war so hell, er beleuchtete das ganze Zimmer. Ich sah ihn an, den kleinen Stern Josephine, er lächelte, ganz zart und schüchtern.
„Jenny, kommst du wieder runter?" Ich erschrak … er würde ihn nicht sehen wollen, es nicht begreifen, dafür war er viel zu weit weg von Josephine. Gleich nach dem Tod warf er alles raus. Josephines kleines Bettchen, die kleinen Bärchen die sie immer im Arm hielt und ohne die Josephine nicht schlafen konnte, das hölzerne Schaukelpferd, auf dem sie später mal reiten sollte…alles wollte er raus haben. Viel zu schlimm wäre die Erinnerung an unseren kleinen Stern, sagte er. Aber ich, ich hielt ihn bei mir, in meinen Gedanken und jetzt auch in meinen Händen, den kleinen Stern Josephine. Der so hell und fröhlich strahlte wie eh und je. Er würde ihn nicht sehen wollen. Aber ich, ich wollte ihn Nacht für Nacht wieder halten.
„Jenny, was treibst du es ist zu kalt, mach das Fenster zu." Ich sah ihn an, den kleinen Stern und wollte ihn nie wieder hergeben …
"Jenny?"
"Hch ... ab in den Schrank, mein Mann kommt!"