Jugendlicher Irrsinn
Wäre Franky kein Mensch, wäre er wohl sicher als Stinktier zur Welt gekommen. Viele behaupten heute noch, der liebe Gott habe ihm, als er ihn gemacht hat, einfach den falschen Körper gegeben. Ich weiß nicht, ob sie Recht haben. Was ich aber weiß ist, dass der liebe Gott eine Gasmaske getragen haben muss, als er Franky gemacht hat.
Ich erinnere mich, wir waren wie so oft zu dritt unterwegs und fuhren mit Frankys Wagen auf der Hauptsraße Richtung Industrieviertel. Er fuhr viel zu schnell und Monty und ich hielten die Schnauze, wollten schließlich nicht als Weicheier dastehen. Wir klammerten uns mit aller Kraft an den Griffen fest, warfen uns ängstliche Blicke zu und schickten leise Stoßgebete gen Himmel. Franky dagegen schickte wie üblich ganz andere Dinge in den Himmel. „Tut mir echt leid Leute, aber das sind Gase, die raus müssen.“ Man konnte nicht sagen, dass wir uns an Frankys ständige Furzerei gewöhnt hatten, dazu stank es einfach zu widerwärtig, aber unsere Nasen hatten sich mit der Zeit zumindest soweit angepasst, dass wir nicht mehr fluchtartig den Raum verlassen mussten. Außerdem hatten wir eine gute Luftzirkulation im Wagen. „Hey Franky, dreh mal das Radio an“, schrie Monty gegen den donnernden Fahrtwind. „Verdammt man, weißt du eigentlich wie schnell ich grad fahre? Da kann man nich mal eben das Radio einschalten“. „Na dann geh´s doch mal ne Spur gemütlicher an.“, bemühte ich mich gelassen zu klingen. „Ich würde es ja selbst an machen, wenn dein stinkender Köter nich wäre!“, rief Monty und lachte. Wir saßen hinten, weil Frankys stark übergewichtiger Rottweiler den Beifahrersitz gepachtet hatte. Allerdings war der Sitz inzwischen durchsetzt mit Hundehaaren und stank bestialisch, so dass wir gern mit den hinteren Plätzen vorlieb nahmen. Wir waren auf dem Weg in die Bar. Das war so ziemlich der einzige Platz, an dem wir unsere Ruhe hatten und tun und lassen konnten was wir wollten. Wenn es sich einrichten liess, fuhren wir jede Woche hier raus um ein wenig abzuschalten, ein paar Biere zu kippen und einfach etwas Spaß zu haben.
Viel zu schnell nahm Franky die Kurve zum geräumigen Parkplatz vor der Bar. Die Reifen quietschten und wir fühlten uns auf dem Rücksitz wie im Schleudergang einer Waschmaschine. „Hey Barney!“, Franky kurbelte das Fenster runter und streckte seinen speckigen Arm hinaus. Barney war ein fetter Kerl, der immer gestreifte Hemden trug, die ihm viel zu klein waren. Der Stoff spannte sich um seinen massigen Leib und die Schweißflecken breiteten sich von den Achselhöhlen über den ganzen Oberkörper aus, so dass Barney immer aussah, als hätten er und seine Klamotten gerade ein Vollbad genommen. Wild fuchtelte er mit den Armen in der Luft herum und brummelte irgendetwas unverständliches in sein Doppelkinn, während er auf den Wagen zuschwabbelte. „Franky, was los Alter? Man, hab dich lange nich gesehn. Is das ne Rolex? Verdammt das is doch ne Rolex!“, er zeigte auf Frankys neue Armbanduhr. „Das is keine echte, sieht aber verdammt gut aus was?“, Franky grinste und trat das Gaspedal noch einmal bis zum Anschlag durch um den Wagen in die schmale Parklücke zu bugsieren. „Du blöder Hund!“, knurrte Monty, der sich dabei den Kopf gestoßen hatte. „Und wie sollen wir jetz aussteigen?“ Die Parklücke war so eng, dass wir die Türen nicht öffnen konnten. „Keep cool Baby“, sagte Franky. Und schon hob sich das Dach des Wagens um mit einem leisen schnurren in der Heckklappe zu verschwinden. „Son Cabrio is doch echt ne geile Sache was Jungs?“, er sprang über uns hinweg. Barney kam uns entgegen und bestand darauf jeden an seine schmalzige, verschwitzte Brust zu pressen. Wir wussten nicht viel über ihn, aber das mussten wir auch nicht, er war einfach der schmalzige Barney. Einmal hatte er sich vor der Bar mit einigen Russen angelegt. Es waren drei oder vier kräftige Kerle. Einer von denen hatte Sandy, die Bardame auf dem Klo gef***t und prahlte damit herum. Barney war schon lang scharf auf Sandy und es passte ihm nicht, dass dieser, wie er es ausdrückte, „Dahergelaufene Sovjetwichser“ so schnell bei ihr zum Zug gekommen war. Als Sandy ihm dann erzählte, der Kerl hätte sie brutal vergewaltigt, sprang ihm wohl ne Sicherung raus. Er nahm sein Bierglas, stellte sich vor den Russen hin und sagte: „Du Reisfresser hast zum letzten Mal n Mädchen gevögelt!!“ Krachend zerschellte das Glas auf dem besoffenen, russischen Schädel. Blitzschnell hob er ne große Scherbe vom Boden auf und rammte sie dem armen Kerl zwischen die Beine. Danach war die Luft wohl irgendwie raus. Jedenfalls prügelten ihn die Russen so grün und blau, dass er am nächsten Morgen im Krankenhaus aufgewacht ist. Seit jenem Abend hat Barney irgendwie nen Stein bei uns im Brett. Wer nen Russen mit nem Bierglas kastriert, sagten wir uns, verdient einfach unseren Respekt.
Zu viert gingen wir also rüber zur Bar. Es war kein besonderer Laden, ein paar bunt leuchtende Buchstaben zierten den Eingang. Sie hatten wohl irgendwann einmal ein Wort, einen Namen oder so was gebildet, aber seit wir die Bar kannten, leuchteten da oben nur noch drei Buchstaben. Die anderen waren entweder kaputt gegangen oder von besoffenen eingeworfen worden. Die drei noch leuchtenden Buchstaben waren ein f, ein a und ein k. Es war also die „Fak-Bar“ und weil uns das auf die Dauer irgendwie zu langweilig klang, machten wir einfach die „Fuck-Bar“ daraus, das traf es sowieso viel besser. Hier trafen Sodum und Gomorrha aufeinander, für Spießer war kein Platz. Es wurde gesoffen, gespielt, geprügelt und weitergesoffen. Außerdem konnte man bei Sandy alle erdenklichen legalen und illegalen Drogen kriegen und wenn man genug bares rüber schob, nahm sie einen auch mal für ne schnelle Nummer mit auf die Personaltoilette. Sie hatte ein paar riesige Titten, stramme Schenkel und ne Hüfte, die an der Bar jeden Schwanz zum Stehen brachte. Monty hatte sie mal und schwärmt bis heute von ihren aufgespritzten Lippen. Sie war keine wirkliche Schönheit, aber ihr Körper machte was her und die schummrige Beleuchtung und das Bier taten ihr übriges.
Heute war nicht viel los. Ein paar besoffene lagen hinten in der Ecke und eine Gruppe von Kerlen, die allesamt wie Holzfäller gekleidet waren, hatte sich um die Bar versammelt. Sandy schenkte ihnen kräftig ein und kaute dabei gelangweilt auf ihrem Kaugummi herum. „Na Süße“, Franky ging zu ihr rüber und gab ihr einen Klaps. „Hey Baby, schön dich zu sehen, Hi Jungs“, sie zwinkerte zu uns herüber und machte einen abgekämpften Eindruck. „Bring uns n paar Bier Schatz“, sagte Franky und wir setzten uns an den runden Tisch in der Mitte der Bar. Hier saßen wir immer wenn nichts los war. Dann spielten wir Karten, tranken und redeten über Weiber die ganze Nacht. „Wieso baggerst du so an ihr rum?“, brummte Barney. Franky warf seine Jacke über die Stuhllehne “Keep cool dicker, ich nehm dir schon nichts weg“ Doch Barney ließ sich nicht beschwichtigen: „Ich mags nich, wie du sie behandelst Franky, sie is doch nich deine Nutte oder so was!“ Ich tauschte Blicke mit Monty, der mir gegenüber saß. Barney wusste nicht, dass Monty sie schon auf die Toilette begleitet hatte und es würde sicher ein böses Ende nehmen, wenn er dahinter käme. Also versuchte ich das Thema zu wechseln: „Äh Franky, wo isn eigentlich Jules? Hast du ihn im Wagen gelassen?“ Franky ergriff die Rettungsleine: „Oh Mist, der scheißt mir wieder die ganze Karre voll!“ Er sprang auf und stürmte hinaus.
Sandy brachte das Bier und Monty ging pissen. Überhaupt musste Monty sehr oft pissen gehen. Er war deswegen sogar schon beim Arzt gewesen und wollte sich einen Katheter legen lassen. Der Doc sagte ihm, dass er das nicht machen könne und daraufhin plante Monty die 18jährige Tochter des Docs zu entführen und zu pimpern und dann wollte er den Doc erpressen um so zu seinem Katheter zu kommen. Schließlich hatten wir ihn gerade noch davon abbringen können und seitdem pisste Monty noch mehr als vorher. Er war ein athletischer Typ und sah ziemlich gut aus. Die Frauen liebten Monty und wenn er Lust auf eine hatte, kriegte er sie für gewöhnlich auch ins Bett. Zu mehr kam es aber nie, wahrscheinlich kamen die Weiber ziemlich schnell dahinter was für ein kranker Drecksack Monty war. Doch was machte das schon? Wir liebten ihn dafür. Erst vor kurzem hatte er seinen Wagen im Fluss versenkt, hat ihn einfach mit Vollgas die Brücke runter krachen lassen und als wir ihn gefragt haben, wieso er das gemacht hat, sagte er: „Weils ne affengeile Show war Baby!“ Und dann ging er pissen.
Unser Kreis bestand also aus dem schmalzig, schwitzenden Barney, dem stinkenden Franky, dem blasenschwachen Monty und mir. Über mich gibt es nicht viel zu sagen. Für gewöhnlich fasse ich meine Beschreibung in folgende knappe Worte: „Baby, wenn du einen aufrichtigen, ehrlichen, gutaussehenden, spendablen, witzigen und charmanten Mann suchst, bist du bei mir an der richtigen Adresse.“ Normalerweise brechen sie dann in schallendes Gelächter aus und drehen mir den Rücken zu. Aber ich scheiß drauf, irgendwann finde auch ich die Richtige und dann lass ich’s krachen. Bis dahin hab ich einfach meinen Spaß mit den Jungs und nehm mir die hässlichen Bratzen, die sonst niemand will. Ich sehe das als meine kleine Marktlücke, denn diese Weiber sind so dankbar dafür, dass sie überhaupt jemand fickt, dass sie im Bett alles und ich meine wirklich ALLES geben. Das ist mein kleines Geheimnis, nur Monty weiß davon und der würde mir das nie vorhalten. Vor den anderen behalte ich das für mich, es wäre auch zu peinlich. Sie würden mich wahrscheinlich „Will, den Schabrackenbumser“ nennen.
Ich denke mehr muss man über mich nicht wissen, vielleicht noch, dass meine Eltern echte Versager sind, in Scheidung leben und mich Zeit ihres Lebens wie einen abgewetzten Fussball hin und her gekickt haben. Man kann sich seine Familie leider nicht aussuchen und so muss eben jeder das nehmen, was er kriegt. Ich nenne das „Die Lotterie des Lebens“, du weißt nie was du kriegst. Vielleicht ziehst du ein Leben lang nur Nieten aber das is doch immer noch besser als gar nicht erst mitzuspielen.
Von uns hat bisher noch niemand das große Los gezogen. Aber das hält uns nicht davon ab bei reichlich Bier und schlechten Witzen davon zu träumen: „Wenn ich soviel Geld hätte, dass ich darin schwimmen könnte, würde ich meiner Mom ein Haus kaufen und meinen Dad abschießen lassen. Haha, dann würd ich jeden Tag meine Mom beglücken und auf das Grab meines Dads scheißen!“ Franky fing immer wenn er besoffen war davon an, wie gern er seine Mutter bumsen würde und was sein Vater doch für ein spießiger Wichser sei mit all seinen Ansichten und Prinzipien. Frankys Vater leitete einen der größten Konzerne in der Gegend. Sie stellten Bauteile für irgendwelche Präzisionsmaschinen her, die sie dann in die ganze Welt exportierten. Seine Familie hatte viel Geld damit gemacht, doch Frankys Dad war ein ziemlicher Geizhals. Er hatte seinen Sohn auf die Straße gesetzt sobald er volljährig wurde und überwies ihm dann monatlich 200 Piepen. 200!! Das gaben wir an einem Abend nur für Alkohol und Mädchen aus.
Ich weiß noch, wie Franky damals durchgedreht ist. Er hat sich von dem dicken schwarzen drüben bei den alten Eisenbahnwaggons ne Pumpgun besorgen lassen und ist dann mitten in der Nacht stinkbesoffen rauf zum Haus seiner Eltern getorkelt. Dort hat er erst versucht in den Briefkasen zu scheißen, wobei die Hälfte in die Hose ging. Dann saß er heulend mitten auf der Straße und hat immer wieder nach seiner Mom gerufen. Die halbe Nachbarschaft hat er wachgebrüllt und als niemand kam, stand er auf und erschoss den Hund seiner Eltern mit fünf Schüssen, hat ihn regelrecht geschlachtet. Als die Polizei eintraf, hatte Franky den Rest der Munition auf das Haus seiner Eltern abgefeuert und sich aus dem Staub gemacht. Man konnte ihm die Sache nie anhängen. Zwar hatte ihn sein Vater vom Fenster aus gesehen, doch er hielt dicht. Ich glaube das gehört zum nobelsten, das Frank Jakoby Senior je getan hat.
Barney entsprach eher dem Bild des klassischen armen Teufels, der den ganzen Tag von heißen Girls, schnellen Autos und dicken Yachten träumte: „Ich würd mir ne Villa kaufen, eins von den schicken Häusern oben auf dem Hügel. Dann würd ich den ganzen Tag auf euch arme Schweine hinuntersehen und mir wahrscheinlich meinen fetten Arsch abfreuen, dass es mir so verdammt gut und euch so verdammt beschissen geht, Haha. Nein, mal im Ernst Jungs“ Er lehnte sich vor, stütze seine massigen Ellbogen auf den Tisch und sah Monty und mich eindringlich an: „Ich würde euch allen was abgeben Jungs. Ganz ehrlich, ihr seid meine Familie. Mit wem sollt ich meinen Reichtum teilen, wenn nich mit euch drei kranken Spinnern?“ „Du laberst Scheiße Speckie, gleich fang ich an zu heulen“, Franky hatte sich während Barney`s Ansprache von hinten an ihn herangeschlichen und tätschelte ihm die schwitzende Glatze. „Sogar Jules meint, dass aus dieser riesigen Fressluke nichts als Müll rauskommt“, er hielt Jules die Hand hin: „Stimmts mein Dicker?“ Sabbernd schlabberte Jules Barney´s Schweiß von Franky´s glänzender, haariger Pranke. „Gott Franky, du hast mehr Haare als Old Bill!!“, gröhlte ich.
Bill war das langhaarige Orang-Utan-Männchen aus dem Tierpark unten am See. Es war kein sehr großer Park und besonders viele Tiere gab es dort auch nicht. Aber die großzügigen Spenden von Franky´s Dad hatten es den Parkbetreibern ermöglicht, diesen Tierpark wie einen Schlossgarten aus der Zeit Ludwigs, des 16. aussehen zu lassen. Riesige Springbrunnen, seltene Pflanzen und all son Kram gab es dort. Und zum Dank hatten diese Arschkriecher den Park „Frank Jakoby Senior Garden“ genannt. Über dem pompösen Torbogen am Eingang prangte das steinerne Abbild des mildtätigen Gönners. Franky hasste den Park, wie er alles hasste, das mit seiner Familie zu tun hatte. Den Affen aber konnte er gut leiden: „Der bescheißt dich nich, na jedenfalls nich absichtlich und schließlich kann er ja auch nichts dafür, dass er in so nen verdammten Park gesperrt is.“ „Genug gefaselt Leute, lasst uns auf irgendwas anstoßen. Ich will mich besaufen!“, Montys Augen leuchteten und nahmen einen beinahe feierlichen Ausdruck an, als er sein Glas hob. „HALT! Gläser runter ihr egoistischen Penner!“, unterbrach Franky die von ihm eingeleitete Zeremonie: „Soll Jules vielleicht verdursten oder was?“ Sabbernd schmatzte Jules vor sich hin und trat von einem seiner kurzen, pelzigen Beine auf das andere. Er war ein sehr dummer Hund und schielte leicht. Mit seinem unschuldig, blöden Gesichtsausdruck hatte er etwas bemitleidenswertes. Nun saß er mitten im Raum und sah fordernd zu uns herauf. „Sandy, bring uns noch n Bier“, riefen Monty und ich beinahe gleichzeitg. „Yeah Baby, wir verstehen uns. Gib mir n Fünfer Man“ Ich klatschte mit Monty ab und während Franky sich schnaufend auf seinen Stuhl sinken ließ, schafften Sandys Titten das Bier ran. Jules hatte sogar einen eigenen Biernapf, auf dem sein Name eingraviert war. Den hatte Danny ihm zum letzten Geburtstag geschenkt. Jules hatte immer Geburtstag wenn Franky danach war und dann musste man ihm etwas schenken um nicht Franky´s Unmut auf sich zu ziehen. Dem schmalen Danny gehörte die Fuck-Bar, aber davon werde ich später mehr erzählen.
"Auf die Weiber, auf die Ärsche der Weiber und darauf, dass diese blöden Hühner uns nie an ihre verdammt hübschen kleinen Ärsche ran lassen“, einen besseren Trinkspruch hatte ich selten auf Lager gehabt. „Verdammt wahr Willie-Boy, verdammt wahr!“, stimmten Barney und Franky zu. „Wieso trinkt ihr eigentlich immer auf solche Peinlichkeiten?“, sinnierte Monty, schien aber keine Antwort zu erwarten. Nachdem Sandy die nächste Runde auf den Tisch gestellt hatte, schlug ich den Kommandantenton an: „Jetzt wird gesoffen Leute, hebt die Gläser. Ich geb das Kommando! Ansetzen! Saufen!“ Das kommandierte Glas, das war eine unserer wenigen Trinkregeln, hatte ohne Absetzen geleert zu werden und das war eine wirklich ernste Angelegenheit. Derjenige, der sein Glas zuletzt ausgetrunken hatte, erwarb damit den Titel „Wichser des Abends“ . In einem hochfeierlichen Ritual musste er sich vor der Obrigkeit, UNS, hinknien und sich die golden schimmernde „Krone des Wichsers“ aufsetzen lassen. Die „Krone“ war ein alter Papphut, den Franky irgendwann angeschleppt hatte. Es gehörte zu den Pflichten des „Wichser des Abends“ – Titelträgers, der Obrigkeit in jeder Hinsicht gefällig und stets zu Diensten zu sein und für den amtierenden Titelträger ziehmte es sich nicht, einem Obrigen einen Wunsch abzuschlagen. Natürlich wurden diese „Gefälligkeiten“ ausgefallener, absurder und entwürdigender, je mehr Alkohol floss und da davon reichlich vorhanden war, war es nicht ratsam, sich zum Wichser küren zu lassen. Also kippten wir uns das Bier in den Hals ohne zu schlucken, eine Technik, die uns Danny einst beigebracht hatte. Aber natürlich musste es einen treffen und der hatte sich anstandslos in sein Schicksal zu ergeben. Nie hatte ein vom Gremium gekürter „Wichser des Abends“ die Sache nicht bis zum bitteren Ende durchgezogen.
Jeder der drei Obrigen durfte genau eine Forderung an den Wichser stellen und der musste versuchen, sie mit allen Mitteln zu erfüllen. Ich erinnere mich an einen Abend, wir waren die letzten Gäste, Sandy hatte die Stühle bereits hochgestellt und wischte mit einem zerfledderten Lappen die Bierlachen von der Bar. An diesem Abend hatte es wie so oft Barney getroffen. Monty und ich hatten unser Pulver bereits verschossen. Der Dicke sah fürchterlich aus. Ich hatte mir von Sandy ein paar Stifte geben lassen und seine polierte Glatze angemalt wie eine Christbaumkugel. Dazu musste Barney Lametta aus Klopapier um die Schultern tragen. Er blickte wirklich nicht sehr glücklich drein. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her und ächzte gelegentlich. „Das tut echt verdammt weh“, sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse und wir hatten Bauchschmerzen vor lachen. „Wie lang muss ich das Ding da noch drin lassen?“, jammerte Barney. Monty hatte ihm in seiner Eigenschaft als Obriger befohlen, sich ein würfelförmiges Stück Kohle in den Hintern zu stecken: „Na solang bis n Diamant draus geworden is“, Stille. Sandy raschelte mit irgendwas und Jules schnarchte hinten in der Ecke leise vor sich hin, sonst war nichts zu hören. Ich sah Monty an, der blickte rüber zu Franky und Franky wiederum wechselte mit seinen Blicken ständig von Monty zu Barney und zurück. Der Dicke saß noch immer grimassenschneidend und unruhig auf seinem fetten Arsch. Er wirkte irritiert, fast verängstigt. Monty hatte diesen letzten Satz mit solchem Ernst gesprochen, dass Barney nicht wusste, was er davon zu halten hatte. Ich war der Erste, der es nicht mehr aushielt. Ich sprang auf, schrie wie am Spieß und hielt mir den Bauch vor lachen. Franky war mitsamt seinem Stuhl rücklings umgekippt, lag nun, die Beine hoch in die Luft gestreckt, auf dem Boden. Er gluckste, gröhlte und rang nach Luft. Monty führte auf dem Tisch einen Bauchtanz auf. Er hatte sich das T-Shirt über den Kopf gezogen, triumphierte und feierte sich wie ein Fussballer, der grad das entscheidende Tor geschossen hat. „Scheiße noch mal, zieh dir die Kohle ausm Arsch dicker, bevor wir uns hier noch alle ins Grab lachen“, ich hatte meine Mühe mit diesem Satz. Meine Stimme lallte und ich verschluckte die Hälfte der Wörter, aber Barney verstand, seufzte auf und griff sich erleichtert in die Hose: „Is noch kein Diamant draus geworden.“
Inzwischen hatte ein leichter Sommerregen eingesetzt und von irgendwoher hörte man das Summen einer Stromleitung im Nass der Nacht als wir hinaus auf den Parkplatz gingen. Der Mond spähte unbeachtet zwischen dichten Wolken hervor und beleuchtete uns den Weg zum Auto. Wir waren jung, wir waren durchgeknallt und wir waren wild entschlossen das auch zu bleiben.