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Julmondnacht
Krachend brach der harsche Schnee unter seinen Schaftstiefeln. Die dichten Nebelschwaden hielten den Laut jedoch in seiner unmittelbaren Umgebung gefangen. Gigantischen Fingern gleich schienen sie nach seiner Seele zu tasten.
Die kleine Laterne aus geschabten Hornplatten ließ ein zartes, beinahe kümmerliches Licht nach außen dringen. Wahrscheinlich hatte sie in jener Nacht eher die Aufgabe seine Seele zu trösten, als ihm den Weg zu leuchten. Er selbst wusste nicht wohin ihn seine Schritte führten. Er folgte einem uralten Ruf. Einem Ruf, der aus seinem tiefsten Inneren zu ihm drang.
Schweren Gemütes folgte Modorok den geheimnisumwobenen Pfaden seiner Ahnen und drang immer tiefer in den verschneiten Wald vor. Die Luft war geschwängert vom Duft verbrannter Tannenzweige. Die Bauern der umliegenden Dörfer mussten bereits die ersten Julfeuer entzündet haben. Bei dieser Vorstellung verteilte sich ein warmes Strömen in seinem Körper. Vielleicht, so dachte er, saß auch seine liebe Frau gerade am wärmenden Herdfeuer und nippte genüsslich an ihrem Hornbecher mit dem würzigen Honigwein.
Eine heftige Windböe zerriss die romantischen Bilder vor seinen Augen. Winzige Schneekristalle marterten sein Gesicht und der aufkommende Sturm lachte höhnisch dazu. Modorok zog sein Manteltuch schützend vor das Gesicht. Plötzlich ließ ihn der unheilverkündende Klageruf eines Raben erschaudern. Der Gruß des Totenvogels war seit jeher ein böses Omen. Der junge Mann haderte mit sich selbst. Sollte er lieber umkehren? Während er grübelte, drang ein lautes Hundegebell an sein Ohr. Erschrocken drehte er sich um. Krampfhaft suchte er die drückende Nebelwand nach einem Lebewesen ab. Doch nichts war zu sehen.
Als nächstes hörte er das Stampfen unzähliger Hufe in seinem Rücken. Was ging hier nur vor sich. Das Dröhnen in seinen Ohren steigerte sich immer weiter zu einer schrecklichen Sinfonie des Wahnsinns. Immer näher kamen die monotonen Erschütterungen. Angst breitete sich in Modorok aus. Enge in der Brust hinderte ihn daran zu atmen und jede einzelne Faser seines Körpers schien zu vibrieren. Er wollte wegrennen, doch die Angst lähmte ihn. Sie herrschte nun über seinen Körper. Ein gewaltiges Gröhlen ließ ihn zusammenfahren. Wütendes Kriegsgeschrei mischte sich mit dem Tosen des Wintersturmes. Ein Rudel rabenschwarzer Hunde stürmte nur knapp an ihm vorbei. Ihre Augen leuchteten dämonisch rot. So schnell wie sie erschienen waren, verschwanden sie auch wieder in den Weiten des Waldes. Das Dröhnen der Hufe und das unheimliche Brüllen hatten sich ins Unerträgliche gesteigert. Dann sah er sie. Es waren Hunderte. Sie schienen einfach überall zu sein. Jene Reiter mit schwarzen Schilden auf edlen Rappen. Wütend schwangen sie ihre Speere und Äxte. Modorok konnte keinen klaren Gedanken fassen. Eine übermenschliche Macht veranlasste ihn seinen Kopf zu drehen. Da erblickte er ihn. Der Mann mit dem langen Mantel und dem Schlapphut, welchen er tief ins Gesicht gezogen hatte. Von diesem Reiter schien eine besondere Macht auszugehen. Ein wildes Leuchten umgab ihn und seinen majestätischen Hengst. Der junge Mann war wie gebannt, er konnte seine Augen nicht von diesem schauerlichen, zugleich jedoch faszinierenden Anblick lösen. Der Reiter hob seinen Kopf. Modorok war es, als würde ihm das Herz zerspringen. Graue Haare umgaben das weise zerfurchte Gesicht. Lediglich ein wissendes Auge starrte ihn an. Sie waren es! Der wilde Jäger und sein wütendes Heer! Als der Reiter sein Pferd aufsteigen ließ, schnaubte es bedrohlich. Der Mantel des Jägers flatterte im Sturm und dann preschte das unheimliche Gespann genau in Modoroks Richtung.
Einem uralten Instinkt folgend warf er sich seitwärts in den tiefen kalten Schnee um den zermalmenden Hufen des Untieres zu entkommen. Minutenlang lag er so im Schnee. Seine Augen füllten sich mit Tränen, da er an seine liebe Frau dachte. Dann endlich blickte er auf. Doch da war kein wilder Jäger. Kein Totenheer. Lediglich die eisige Julmondnacht umgab ihn. Doch da! Mitten in der Schneewüste standen plötzlich goldene Weizenhalme. Ein unnatürliches warmes Leuchten hob sie deutlich vom Rest des Waldes ab. Erneut trieb es Modorok die Tränen in die Augen. Dieses Jahr würde ein gutes Jahr für sie werden.
Wenn ihr noch Lust und Laune habt findet ihr weiter unten noch die erste Überarbeitung. Ich habe die erste Version stehengelassen, damit ich besser Vergleiche ziehen kann. Viele liebe Grüße Thomas!