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Junge

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19.09.2008
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Junge

Schon wieder dieser Junge. Ungefähr in meinem Alter. Ich habe ihn schön öfters gesehen. Draußen, auf der Strasse oder hinten bei uns im Garten. Er scheint überall und doch nirgendwo zu sein. Meiner Schwester habe ich auch schon von ihm erzählt, aber ich nerve sie inzwischen nurnoch damit. Sie glaub mir einfach nicht, dass ich ihn hin und wieder mal sehe. Er hat kurzgeschnittenes, blondes Haar und harte, stahlgraue Augen die einen zu durchdringen schienen. Und jedesmal starrt er mich einfach nur an. Genau wie jetzt auch. Ich fühle mich manchmal ein wenig unbehaglich deswegen.
„Da!“
„Was denn?“
„Da ist er wieder, der Junge! Der, von dem ich dir schon so oft erzählt habe! Jetzt schau schon hin, dann siehst du ihn auch!“
Ich rutschte ein wenig auf meinem Platz hin und her und versuchte sie dazu zu bringen, mal in die Richtung des Jungen zu schauen. Jedoch vergeblich. Sie schaute einfach weiter hinaus aus ihrem Fenster und antwortete mir nicht einmal.
„Hey, jetzt komm schon!“
Ich zog sie am Ärmel ihres Pullovers um ihre Aufmerksamkeit auf mich und den Jungen zu lenken.
„Jetzt hör schon auf mit dem Quatsch!“
Meine Schwester drehte sich um und schaute mich mit einem giftigen Blick an und dann wanderte ihr Blick in Richtung des Jungen.
„Ich sehe verdammt nochmal keinen Jungen.“
„Doch, du musst nur.... oh.“
Er war tatsächlich weg. Vor einer Minute stand er noch da hinten bei der Ampel, aber jetzt ist er wieder weg. Das finde ich manchmal schon etwas komisch.
„Lasst du mich jetzt bitte in Ruhe mit diesem Jungen?“
Sie drehte sich wieder um während mein Vater in die nächste Kurve einbog. Ich hielt weiter Ausschau. Ich hatte das Gefühl, dass er sich wieder zeigen würde. Warum, das kann ich nicht sagen. Einfach so ein Gefühl. So wie wenn jemanden der kleine Zeh juckt wenn am nächsten Tag schlechtes Wetter ist. So etwas in der Art. Tatsächlich. Da war er wieder. Diesmal stand er mitten auf dem Gehsteig und die anderen Leute schienen ihn auch zu ignorieren. Sie laufen einfach an ihm vorbei ohne ihm einen Blick zuzuwerfen. Obwohl er den einen oder anderen Blick wirklich wert gewesen wäre. Diese Bomberjacke die er anhatte, war für seine Körpergröße etwas zu groß und es war schon ein recht komischer Anblick. Er starrte mir direkt in die Augen, jedoch spürte ich diesmal kein Gefühl von unbehagen, sondern freute mich sogar irgendwie ein bisschen, dass er mir in die Augen schaute. Nun gut, es war eher ein starren, aber ich freute mich trotzdem. Es war irgendwie ein Gefühl von... Freiheit? Wie als ob ich mit den Geschöpfen des Himmels an meiner Seite fliegen könnte, weit weit weg von hier. Einmal rund um den Globus und zurück. Noch während ich davon ein wenig tagträumte, war er schon wieder verschwunden. Schade. Ich möchte ihn mal länger sehen als immer nur eine Minute oder zwei. Seinen Namen würde ich auch gerne erfahren... mal sehen, vielleicht werde ich das ja auch mal. Schon waren wir zu Hause angekommen. Mein Vater parkte das Auto in unserer Garage direkt neben unserem alleinstehenden Haus in einer kleinen Gemeinde. Meine Mutter beschwert sich immer, dass das Haus zu klein sei, aber wir haben nunmal nicht das Geld um ein anderes zu kaufen oder zu bauen. Also leben wir in diesem hier.
„Ich gehe schonmal rein.“, hörte ich mich sagen während ich ausstieg und die Treppen zum Eingang hocheilte. Die eisige Kälte des Winter umschloss mich sofort und ich zog meine Jacke für den kurzen Weg zu. Brrr...
Gleich nachdem ich die Haustür aufgemacht hatte, eilte meine Schwester an mir vorbei ohne mich eines Blickes zu würdigen, schnurstracks die Treppe hoch in ihr Zimmer. Sie verschwindet in letzter desöfteren einfach so in ihrem Zimmer. Mein Vater meint, dass kommt von der Pubertät und das ich mich auch schon darauf vorbereiten sollte. Hastig zog ich meine Stiefel und meine Jacke aus und eilte ebenfalls in mein Zimmer, schloss aber nicht ab. Nicht so wie meine Schwester. Bei mir kann ruhig jeder reinkommen. Halt... jetzt sollte ich aber doch kurz abschliessen. Das Schloss klackte kurz, als ich den Schlüssel umdrehte um die Tür zu verschliessen. Sofort ging ich zu meinem Schreibtisch und öffnete die oberste Schublade. Ich hatte mein Tagebuch unter ein paar Schulbüchern versteckt. Ich möchte nicht, dass jemand darin liest. Ausser mir natürlich. Ich schrieb sofort meine Erlebnisse mit dem Jungen heute auf. Inzwischen habe ich bestimmt schon zwanzig Einträge geschrieben, bei denen es nur um ihn geht. So oft habe ich ihn schon gesehen, aber wirklich nicht viel von ihm erfahren. Ich seufzte. Ach, wenn ich mich doch nur einmal mit ihm unterhalten könnte. Ich schlug das Buch langsam wieder zu und brachte es an seinen angestammten Platz zurück. Dann stand ich auf und schaute aus dem Fenster. Der Winter hatte seine Spuren bereits hinterlassen. Die Bäume waren kahl und gefroren und das Gras war mit leichtem Schnee bedeckt. Ich ließ meinen Blick ein wenig umherschweifen und erblickte wieder diesen Jungen. Doch diesmal starrte er mich nicht einfach nur an. Ich sah wie er langsam seinen rechten Arm hob um mich herzuwinken. Er scheint zu wollten, dass ich zu ihm komme. Ein gemischtes Gefühl machte sich in mir breit. Einerseits freue ich mich, dass er wohl mit mir reden will, andererseits stach mich auch eine kleine Nadel der Furcht. Langsam bewegte ich mich vom Fenster weg. Soll ich heruntergehen oder es sein lassen? Ich kramte in der Hosentasche meiner Jeans herum und suchte nach meiner Glücksmünze. Meine Schwester hält das für Unfug. Sie hat nichts übrig für Glücksbringer und solchen 'blöden Aberglauben' wie sie es immer nennt. Aber ich glaube, dass meine Münze mir Glück bringt. Ich schnippte sie in die Luft. Bei Kopf gehe ich, bei Zahl lasse ich es bleiben. Ich fing die Münze geschickt mit der anderen Hand auf und legte sie auf den anderen Arm. Langsam hob ich meine Hand um ein Blick auf die Münze zu bekommen. Kopf. Also werde ich gehen. Mit einem guten Gefühl im Magen verliess ich mein Zimmer. Meiner Münze konnte ich immer vertrauen. Langsam schlich ich die Treppe herunter, zog leise meine Stiefel und meinen Mantel an und öffnete die Haustür. Durch das Wohnzimmer kann ich jetzt nicht in den Garten gehen, dann würde meine Eltern mich bemerken. Nachdem ich die Haustür sachte geschlossen hatte, eilte ich in die Nacht hinaus. Ich ging um das Haus herum in unseren Garten und der Junge stand immernoch da. Mit einem mulmigen Gefühl musterte ich den Jungen. Ich hatte ihn bis jetzt noch nie von so nahem sehen können. Während ich seine schwarzen Stiefel betrachtete, fiel mir auf, dass er keine Spuren im Schnee hinterlassen hatte. Um ihn herum war alles perfekt weiß und nirgendwo ein Stiefelabdruck. Ich runzelte die Stirn. Merkwürdig. Langsam auf ihn zugehend sprach ich ihn an.
„Hi.“
Der Junge wandte den Blick von dem Fenster meines Zimmers ab und schaute mich jetzt direkt an. Ja, er schaute mich an und starrte diesmal nicht.
„Hallo...“
„Wie heisst du?“
„Mein... Name...?“
„Ja, ich will deinen Namen wissen.“
Mit verträumten Blick schaute der Junge gen Himmel.
„Namen... ich... habe keinen.“
„Wie möchtest du denn genannt werden?“
Der Junge blickte mich jetzt wieder an und ich glaube ich konnte so etwas wie Verblüffung in seinen Augen sehen.
„Wie ich genannt werden will?“
„Ja, wie du genannt werden willst.“
„Wie ich genannt werden will....“
Der Junge schloss die Augen und breitete die Arme aus, wie als ob er jetzt am liebsten in den Himmel steigen würde.
„Adler...“
„Du möchtest Adler genannt werden?“
„Ja.“
Ich lächelte ihn an. Er gefiel mir. Er scheint Adler genauso gerne zu haben wie ich es tue. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre einer. Dann könnte ich in den weiten Himmel fliegen. Einfach davon fliegen.
„Ich...“
Der Junge fing wieder an zu sprechen.
„Ich... möchte dir etwas zeigen. Du magst doch Adler, oder nicht?“
„Ja, sogar sehr. Manchmal wünschte ich mir ich wäre einer.“
„Das ist... gut. Siehst du dieses Hochhaus da drüben?“
Adler deutete mit seiner rechten Hand auf das in der nähende liegende Hochhaus mit den Mietswohnungen.
„Ja, was ist damit?“
Adler antwortete mir nicht. Er drehte sich einfach wortlos um und schritt davon.
Ich hastete ihm hinterher.
„Adler, warte!“
„Folge mir.“
„Ok...“
Ich lief ihm hinterher. Er verliess unseren Garten und wir liefen die Strasse in Richtung des Hochhauses entlang. Überall an den Seiten der Strassen waren Blockhäuser gebaut worden, die ziemlich alt aussahen. Das Haus meiner Eltern war einer der Häuser, die ein paar Jahrzehnte später gebaut wurden, deswegen sieht es auch etwas neuer aus. Ich schritt ihm stumm hinterher, die Hände in den Taschen meiner Jacke, damit sie nicht frieren. Ich hätte Handschuhe mitnehmen sollen, tadelte ich mich erst, als wir schon vor dem Hochhaus standen. Adler blieb stehen und drehte sich zu mir um. Sein Blick war warm und freundlich und liess mich sofort die Kälte um mich herum vergessen.
„Hier wären wir.“
Seine Stimme war einfach... wunderschön. Ich liess mich von ihr streicheln, sie umschlang mich zärtlich.
„Ja...“
„Komm, wir müssen weiter.“
Ich folgte ihm. Ich konnte jetzt einfach nicht mehr anders. Auch wenn ich vorher meine Zweifel gehabt hatte, sind sie jetzt vollkommen weg. Ich vertraue Adler. Ja, ich vertraue ihm. Ihm würde ich sogar mein Leben anvertrauen. Wir stiegen langsam die Treppen des Hochhauses hinauf und ehe ich mich versah, waren wir schon auf dem Dach des Gebäudes. Der Wind war hier kälter und härter, aber es kümmerte mich nicht. Ich war hier bei ihm und das war die Hauptsache. Alles andere war unwichtig.
„Sandra?“
Meinen Namen. Er hatte meinen Namen gesagt.
„Ja?“
„Wolltest du schon immer mal fliegen wie ein Adler?“
„Ja, das ist mein grösster Wunsch.“
„Dann... sieh her.“
Adler stellte sich auf das Geländer und breitete die Arme aus. Während ich ihn noch fragend anschaute, bemerkte ich, wie sich sein Körper langsam krümmte. Seine Nase verformte sich und man konnte langsam aber sicher einen Schnabel erkennen. Seine Arme wurden immer kleiner und Federn breitete sich überall auf seiner Jacke und seiner Hose aus, bis er sich vollends verwandelt hatte. Ich war verblüfft, aber irgendwie nicht wirklich... überrascht, wie als ob ich etwas in der Art schon erwartet hätte. Adler schaute mich neugierig an und ich dachte nur daran, was ich nicht alles dafür geben würde, mich auch einen Adler verwandeln zu können.
„Du kannst das auch.“
Adler fing zu sprechen an.
„Ich? Bist du sicher?“
„Vollkommen sicher. Stell dich neben mich.“
Ich bewegte mich auf Adler zu und stellte mich vorsichtig neben ihn hin, um nicht herunterzufallen.
„Was soll ich tun?“
Adler schwieg eine zeitlang und schaute mich nur an, doch dann öffnete sich wieder sein Schnabel.
„Du musst mir nur vertrauen und springen.“
„... springen soll ich?“
„Genau.“
Ich dachte an gar nichtsmehr. Mein Kopf war leer. Springen... dann werde ich fliegen? Fliegen! Ich werde fliegen!
„Ich werde fliegen, wie ein Adler im Wind! Ich werde mich vom Wind tragen lassen!“, schrie ich, während ich meine Arme ausbreitete und mich hinabfallen liess. Der Boden... er kam immer näher und ich konnte immer noch nicht fliegen.
„Adler...“, war mein letztes Wort bevor ich aufschlug.

 

Anmerkung : Diese Kurzgeschichte ist im wahrsten Sinne des Wortes 'kurz'.
Ich habe sie mal in sonstiges gepostet, weil ich mir beim besten Willen nicht sicher war wie ich sie einordnen sollte. Ich denke mal, dass sollte so richtig sein ^^

 

Hallo Ohaim,

wenn das mal nicht sehr dünn ist ...

Natürlich können Kürzestgeschichten auch funktionieren, aber hier habe ich das Gefühl, du setzt mir als Leser ein Skelett vor, das noch einiges an Fleisch auf die Rippen bräuchte. Zu blass bleiben sowohl die Handlung als auch deine Protagonistin.

Da haben wir das Gespräch zwischen ihr und ihrer Schwester, das sich zunächst so liest, als wäre es das erste Mal, dass die Protagonistin den Jungen sieht. Offenbar hat sie den aber schon öfter entdeckt, lesen wir im weiteren Handlungsverlauf. Was genau an ihm speziell ist oder erscheint, bleibt offen. Das, was das Kernstück der Geschichte sein könnte - die Begegnung des Mädchens mit dem (nicht existenten?) Jungen und die Szene auf dem Hochhaus -, das verschweigst du uns und es wirkt ein wenig, als würdest du dich nicht recht daran trauen, diese Szene zu erzählen.

So bleibt also ein mysteriöser Junge übrig, der ein tagebuchschreibendes Mädchen in den Selbstmord treibt. Das ist mir zu dünn und, in der Form, wie es jetzt erzählt ist, auch zu platt und zu stimmungslos.

Da solltest du noch mal gründlich nachlegen:

Überleg dir, was für eine Art Mädchen deine Protagonistin ist.
Lass aus dem Gespräch mit ihrer Schwester deutlich werden, dass sie ständig von diesem Jungen redet, dass die Schwester genervt ist und ihr nicht glaubt.
Und vor allem, zeig uns die Begegnung zwischen beiden, schreibe lebendiger, trau dich an die Handlung.

Das heißt alles nicht, dass die Geschichte endlos lang werden muss, allerdings täte ihr eine Rundumbearbeitung wirklich gut. Ich bin gespannt, was du draus machst.

Liebe Grüße,
ciao

Malinche

 

Erstmal vielen Dank für die Kritik, darauf habe ich mich gefreut :)

wenn das mal nicht sehr dünn ist ...
*zustimm* Diese und mehrere solcher "Skelette" von mir basieren meistens auf "nichts". Zum Beispiel öffne ich einfach mal mein Textbearbeitungsprogramm und schreibe einfach drauf los. Das das Ergebnis recht mager ausfällt, sieht man ja.

Da haben wir das Gespräch zwischen ihr und ihrer Schwester, das sich zunächst so liest, als wäre es das erste Mal, dass die Protagonistin den Jungen sieht.
Wie es aussieht sollte ich den Dialog wohl auch etwas anders formulieren.

Das, was das Kernstück der Geschichte sein könnte - die Begegnung des Mädchens mit dem (nicht existenten?) Jungen und die Szene auf dem Hochhaus -, das verschweigst du uns und es wirkt ein wenig, als würdest du dich nicht recht daran trauen, diese Szene zu erzählen.
Nunja, verschweigen nicht direkt, ich habe nur versucht es etwas "geheimnisvoller" zu gestalten, aber das ist mir ja wohl leider nicht gelungen^^

Das heißt alles nicht, dass die Geschichte endlos lang werden muss, allerdings täte ihr eine Rundumbearbeitung wirklich gut. Ich bin gespannt, was du draus machst.
Dann werde ich mich in nächster Zeit mal daran machen. :)

MfG,
Ohaim

 

Bitte die aktuelle Geschichte immer oben reinposten und nicht irgendwo im Thread verstecken, ich hab das für dich jetzt mal gemacht.
Ehm, Chris Stone hat dir unter der anderen Geschichten erklärt wie das genau geht, mit "Bearbeiten" einfach.

Gelesen hab ich das Ding jetzt nicht, mach ich vielleicht noch. Mal sehen.

 

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