Kälte
Langsam erhob sich die Sonne über den Horizont. Sanfte Sonnenstrahlen bringen das Grün zum Leuchten. Der Wind streicht sanft durch die Weiden, Wiesen und Wälder.
Hektisches rauschen hallt durch die engen Betongassen. Gläserne Fassaden spiegeln kalt die Sonnenstrahlen. Schaufenster spiegeln Schönheit, Liebe, Sex und Erfülltheit. „Zum Sonderpreis!“ steht grell auf die Scheiben gepresst. „Geiz ist Geil!“ leuchtet die Videoreklame.
Er wacht auf, der Fernseher rauscht vor sich hin.
Farben, Bilder und Informationen plätschern fröhlich über die Mattscheibe.
Der Wasserhahn im Badezimmer tropft. Sie ist schon fort.
Leise löst sich ein Tropfen vom Hahn, fällt in den schmalen Sonnenschein ein, der heimlich durch das geschlossene Rollo schlüpft, und wird für eine kleine Ewigkeit zum Brillianten,
bevor er im Ausguss verschwindet.
Er steht auf, zieht sich an, geht zur Arbeit.
Dumpfes dröhnen trommelt in seinem Kopf. Das Autoradio summt, der Verkehr stockt.
Auf der Arbeit herscht hektisches treiben. Gemeinsame Monologe werfen sich gegen die grauen Wände. „ Wie geht es dir?“ „Ein Fünftürer – Metallic, die Rücksitze sind umklappbar “ „Gut. Und selbst?“ „Mit 17 Zoll TFT Monitor. Nur 3 kg schwer!“ „Der Frau?“ „Unser Projekt ist noch unklar..wie viel würdest du an die Chinesen verkaufen?“ „ja...und den Kindern?“ „Rationalisierungsmaßnahmen. Ich habe jetzt einen Hund!“
Zeit nach Maß.
Kommunikation rauscht durch die Leere, fühlt sie aber nicht. Er fühlt sich wütend und einsam zugleich.
Heimlich greift er sich eine alte Aktennotiz und notiert etwas auf der Rückseite. Schnell steckt er den Zettel in die Hosentasche.
Nach der Arbeit fährt er nach Hause. Das Essen steht schon auf dem Tisch. Sie telefoniert - wie gewöhnlich.
Er schlingt das Essen hinunter. Anschließend wird gemeinsam ferngesehen. „Hübsche Menschen, Erfülltheit, Glück und Liebe“ flimmern über den Bildschirm „für nur 9,99 Euro monatlich inkl. Grundgebühr“
Seine Frau geht zu Bett.
Er schaltet den Fernseher ab.
Die Uhr tickt.
Er schaltet sein Handy aus.
Die Treppe knarrt während er langsam nach oben geht.
Sein Organeizer fällt scheppernd auf die kalten Stufen, die Termine für morgen erlischen.
Eröffnet das Fenster.
Bedächtig saugt er die kalte Nachtluft in seine Lungen.
Die Straßenlaternen lassen den Nachthimmel fast völlig verstummen, doch da und dort kämpfen einsame silberne Funken gegen das gelbe Neonlicht.
Er zieht vorsichtig die Notiz aus seiner Tasche, legt sie auf den Fußboden und beschwert sie mit seiner Armbanduhr. Fahl schimmern die Wörter seiner Notiz auf dem Fußboden im Neonlicht:
Tag Nacht Morgen Abend
Haltlos im Raum
Sinnlos in der Zeit
Wesenlos im Sein
unscharf, unbedacht
Welt aus Wörtern
Bilder, Lichter, Wechsel
Sein im Schein
Wörter, Bilder, Welten
Welt wächst
bläht sich auf
verliert sich
in schnellen Wörtern,
in grellen Bildern,
Wörter, Bilder, blitzen, funkeln rauschen
Gedanken verblassen
bleiben einsam
Gemeinsamkeit in
Einsamkeit“
Sein Körper prallt unter seinem Fenster auf den Asphalt.
Der Verkehr hupt empört.
Ihm macht es nichts, denn er war schon lange fort.