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Kaffee

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01.11.2005
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Kaffee

Manchmal wäre die Guillotine heute noch nützlich

Es war wieder mal so ein Tag an dem ich mich fragte, wieso ich wohl immer noch in dieser Firma arbeitete. Ein Tag unterschied sich kaum noch vom anderen und trotzdem kam ich immer spät nach Hause und arbeitete nach wie vor auch samstags. Natürlich nicht den ganzen Tag. Nur morgens, naja, ab und zu vielleicht auch mal bis am Nachmittag. Aber sonntags war ich noch nie hier aufgekreuzt.

Und eben, jetzt musste auch noch dieses Mädchen, dieser unfähige Trampel aufkreuzen. Ich hatte ihr vor einer halben Stunde ein paar Seiten zum Einscannen gegeben. Es waren nicht viele gewesen, nur fünf oder sechs Seiten mit wichtigen Skizzen drauf. Natürlich hätte ich die Skizzen schon vor einer halben Stunde an einen wartenden Kunden senden müssen, aber das ging ja nicht, solange dieser Tollpatsch nicht vorwärts machte...

Ich schaute sie spöttisch lächelnd an, als sie mir das Dossier entgegenstreckte. Sie lächelte stolz zurück.

„Ihre Seiten, Herr Kowalczky. Sie befinden sich im Laufwerk M, wie immer, in Ihrem Ordner.“

„Oh, danke vielmals Fräulein Rossi, ich staune immer wie rasch Sie alles erledigen. Dabei haben Sie doch immer so viel zu tun, nicht wahr?“ Es interessierte mich, wie sie jetzt reagieren würde. So wie ich das sah, war sie die meiste Zeit damit beschäftigt, ihre Freundinnen anzurufen, E-mails rumzuschicken, SMS zu beantworten und im Internet zu surfen. Wenn ich einmal an ihrem Tisch vorbei lief, fiel mein Blick zuerst auf ihre langen Beine - ein durchaus erfreulicher Anblick, und danach auf ihren Bildschirm, wo meist irgendeine Website offen war. Sie blickte dann oft über ihre Schulter und grüsste höflich, wandte sich dann aber ungeniert wieder ihrer Website zu. Eigentlich wusste ich gar nicht für was sie angestellt war. Fürs Einscannen? Vielleicht.

„Ach, Herr Kowalczky, nennen Sie mich doch bitte nicht mehr Fräulein Rossi. Wir sind doch beide fast gleich alt, nicht wahr?“ Sie zwinkerte mir zu und streckte mir die Hand hin. „Nennen Sie mich doch Steffi, wie es die anderen auch tun.“ Ihre blauen Augen fixierten mich und ich konnte nicht anders und streckte die Hand aus. Sie drückte sie leicht und ich hörte mich mit rauher Stimme sagen: „Christian.“ Sie nickte mir zu, liess meine Hand los und lief wieder aus meinem Büroabteil hinaus.

Mir hämmerte der Kopf. Hatten die Kollegen rundum wohl gehört was sie gesagt hat, dieses unmögliche Ding? ‚Wir sind doch beide fast gleich alt, nicht wahr?‘ Ich konnte nur hoffen, dass die anderen für ein Mal ihre Ohren nicht zu weit geöffnet hatten. Zitternd nahm ich einen Stapel Kataloge in die Hand und ging mit grossen Schritten in Richtung Archiv. Ein Seitenblick auf Irene Winter - meine Assistentin - zeigte mir, dass sie wohl alles mitgekriegt hatte. Gerade eben schien sie einen bedeutungsvollen Blick mit Franz Deckert auszutauschen, der im Büroabteil links hinter mir arbeitete. Dieser wiederum blickte grinsend zu mir hoch und drehte sich dann wieder seinem Bildschirm zu. Seiner Haltung zu entnehmen, schien er sich krampfhaft das Lachen zu verhalten. Ich räusperte mich und ging weiter in Richtung Archiv.

Ich trat ein, schaltete das Licht an und lief den langen Gestellen entlang bis ans Ende des Raumes. Dort waren die Zeitschriften und Kataloge in kleinen Rollcontainers abgelegt. Manchmal, an so Tagen wie diesem, setzte ich mich daneben auf den Sessel und durchstöberte die Zeitschriftenarchive. Schon oft, hatte mir dann der eine oder andere Artikel zu einer Blitzeingebung verholfen.

Als ich mich gesetzt hatte, fiel mir ein, dass es ja gerade Pausenzeit war, und ich jetzt den Kaffee verpassen würde. Kaffee trinken war mein tägliches Ritual und niemand würde mich davon abhalten, diesen selbst hier zu trinken. Ich griff zum Telefon und rief die Auszubildende an, die den Kaffee brachte.

„Ja?“, erklang es glockenhell durch die Leitung.
„Ich bin im Archiv, bringen Sie mir den Kaffee bitte hierher. Danke.“ Ach, jetzt nur noch entspannen, ein bisschen in alten Zeitschriften lesen...

Gerade als ich mich in einen Artikel des Magazins „Insiders“ vertieft hatte, öffnete sich am anderen Ende des Gangs die Tür und jemand trat ein. Ich blickte auf und sah Fräulein Rossi. Steffi. In mir drinnen löste sich ein Stück meines Unmuts und ein kleines Ächzen entfuhr mir. Hatte ich denn nicht die Auszubildende angerufen?

„Ihr Kaffee.. ehm, ich meine natürlich dein Kaffee, Christian.“ Steffi balancierte das Tablett mit zwei Kaffees in Richtung des kleinen Tischs, der vor dem Sessel stand, auf welchem ich sass. Gerade als ich sie fragen wollte, für wen sie den zweiten Kaffee mitgebracht hatte, stolperte sie über ihre Schuhspitze. Das Tablett fest umklammernd fiel sie schräg nach vorne, konnte sich dann im letzten Moment noch am Tisch auffangen. Die Hälfte der beiden Kaffees schwamm im Tablett herum. Steffi war ein wenig errötet und ein Kichern entfuhr ihr. Ich löste mich aus meiner gespannten Haltung und versuchte zu Lächeln. Dieses ungeschickte, verrückte Huhn. Aber was dann kam, liess mein Lächeln erstarren. Steffi nahm den einen Becher in die Hand und schüttete den Inhalt in den anderen, halb vollen Becher. Dann streckte sie mir den aufgefüllten Becher entgegen. Und wieder war ich fassungslos genug um wie mechanisch die Hand auszustrecken und den Becher entgegenzunehmen.

„Lass es dir schmecken. Ich glaub ich geh jetzt wieder. Kathrin ist im Urlaub, dann muss ich ihre Aufgaben übernehmen. Ein anderes Mal können wir gerne zusammen den Kaffee hier einnehmen, wenn du möchtest. Tschüssi. “ Mit langen Schritten stolzierte sie wieder aus dem Archiv hinaus, das Tablett vorsichtig auf der einen Hand balancierend. Fast wäre es ihr noch einmal runter gefallen, als sie die Tür aufstiess. Fast.

Ich atmete auf, als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Ein Blick auf die braune Brühe im Becher, verriet mir den ungefähren Geschmack des Gesöffs. Wortlos schloss ich mit mir selbst den Bund, von jetzt an den Kaffee selbst zu holen. Auf jeden Fall bis die Auszubildende, Kathrin, wieder da wäre.

Irgendwie wollte es heute nicht so klappen mit den Eingebungen, also stand ich auf und verliess das Archiv wieder.

Als ich fast schon in meinem Büroabteil angekommen war, hielt mich Irene Winter zurück.

„Hör mal, Chris, in der Pause hast du die Müller verpasst, die hat uns eine kurze Info gegeben über ein paar Änderungen.“ Irgendetwas in ihrem Blick warnte mich vor dem was jetzt kommen würde, aber ich ahnte nicht was es war.

„Änderungen?“ Ich hasste die Änderung schon jetzt.

„Ja, Steffi wird ab nächstem Monat meinen Job hier übernehmen und nicht mehr das Webdesign der Firma machen. Ich werde in den Sales Support im UG versetzt.“

Steffi tauchte soeben hinter Irene auf und lächelte mich spitzbübisch an. Soso, Webdesign. Nun ja, vielleicht war sie ja doch nicht so dumm wie ich gedacht hatte.

 

Hallo littelmanu, und herzlich willkommen hier.

Ja, das könnte so als abgeschlossener Roman in irgendeiner Frauenzeitschrift wie dem goldenen Blatt oder der Aktuellen stehen. Dutzendware am Fließband produziert, ebenso beliebing wie austauschbar.
Vielleicht wäre da weniger die Guillotine als der Reißwolf nützlich gewesen?

Aber es gibt ja genug, die auf diese verklärende Inhaltslosigkeit stehen, sonst hätten diese Heftchen ja nicht solche Verkaufszahlen.
Also für den, der es mag ...

Nichts für ungut, sim

 

Hallo.

Ja, ich finde auch, dass dieser Geschichte der Inhalt fehlt. Ist nicht meine Stärke, Geschichten aus dem Alltag zu schreiben.

Es kommt dann mal was anderes, dann wirst du mir hoffentlich auch Tipps geben.

sim schrieb:
Nichts für ungut, sim

Schon gut, ich kann Kritik vertragen, sonst hätt' ich mich hier nicht angemeldet.

Gruss
littlemanu :cool:

 

hello littlemanu,

da hast Du eine hübsch plätschernde Geschichte für zwischendurch aufgeschrieben, ich habe mich gut unterhalten - trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit.
Natürlich ist es leicht, bei solchen Geschichten Oberflächlichkeit zu bekritteln, aber Du wolltest sicher auch nicht das 'Kapital' neu schreiben.

Ich fand, 'Trampel' und 'lange Beine' wollen nicht recht zusammenpassen.

Viele Grüße vom gox

 

gox schrieb:
Ich fand, 'Trampel' und 'lange Beine' wollen nicht recht zusammenpassen.

Hallöchen gox.
Danke für den Hinweis. Das ist mir gar nicht aufgefallen. :shy:
Danke auch für den Rest.
Gruss
littlemanu

 

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