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Kaleidoskopia

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23.06.2004
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Kaleidoskopia

Musikmachen ist wie das Eintauchen in eine andere Welt. Eine Welt voller Muster und Farben, Höhen und Tiefen, Freude und Trauer. Musik bewegt sich. Sie kann schleichen und rennen, hüpfen oder sich zäh dahinziehen. Sie ist wie ein Fluss, der stetig fließt, unaufhaltsam ist und immer existent.
Musik ist immer unterschiedlich, nie gleich. Das ist das Schöne an ihr. Sie hat immer ein anderes Gesicht und das mag vielleicht auch der Grund sein warum ein jeder Mensch sie liebt.
Wir haben ein Bild vor Augen, wenn sie ihre Klänge zu uns herüberschickt. Ich sehe in diesen Momenten ein Kaleidoskop, das beständig seine Form ändert.
Eine Internetplattform definiert das Kaleidoskop folgendermaßen:

Kaleidoskop
[das; griechisch „Schönbildseher“]

ein optisches Spielzeug in der Form einer Röhre, bei dem regelmäßige, sternförmige Figuren durch mehrfache Spiegelung bunter Schnitzel in einem Winkelspiegel hervorgebracht werden.

Wenn ich Musik höre und mich entspannen will, lege ich mich bauchwärts in mein Bett, neige den Kopf zur rechten Seite und schiebe meine Hände unter das Kissen. Meine Nase berührt den Oberarm und ich kann ihn riechen, manchmal spüre ich auch die feinen Härchen.
Es muss nicht dunkel sein. Im Gegenteil: Ich mag es wenn die Sonne zum Fenster hereinscheint, denn sie ist warm.
Nach einer Weile erklingen dann die ersten leisen Töne. Sobald die Melodie anfängt zu spielen beginnt auch meine wundersame Reise. Denn die Musik fängt mich auf, trägt mich davon und vor meinem inneren Auge erscheinen kleine, bunte Splitter, die zuerst wie kleine Insekten aussehen, die wie wild umherwuseln. Mit der Zeit wird die Musik immer lauter und eindringlicher und die Splitter wachsen wie Blumen heran. Nun kann ich sie auch besser erkennen und ich sehe, dass es sich um gläserne Dreiecke handelt, in denen sich viele andere geometrische Figuren befinden. Die vielen Einzelteile fügen sich nun symmetrisch zusammen und führen einen Tanz auf, der zum Takt der Musik passt. Es vergeht keine Sekunde in der die Splitter ihre alte Position beibehalten und schließlich entsteht mit jeder neuen Bewegung ein neues, großartiges Gebilde, das ich vor meinem inneren Auge sehen kann. Es erscheinen Blumen, eigenartige Mandalas oder orientalische Mosaike. Sie leuchten in allen schillernden Farben und spiegeln das Licht, wodurch sie glitzernd aufleuchten. Langsam wird mein Körper immer schwerer und ich nehme die Welt um mich herum kaum noch wahr. Ich konzentriere mich nur auf die Farben und die Musik.
Bei mir ist es immer so, dass ich zuerst die Musik sehe, bevor ich sie spüre. Das Hören ist für mich am unwichtigsten, denn schließlich stellt es nur den Eingang zu dieser fremden Welt dar.
Wenn ein Lied besonders eindrucksvoll klingt und voll von Gefühlen und Bildern ist, fängt mein Körper an zu reagieren. In solchen Momenten bin ich mir sicher richtige und wirklich einmalige Musik zu hören. Die Musik ist wie ein rücksichtloser Mensch, der seine Wut und anderen Emotionen an mir auslässt um sie scheinbar loszuwerden. Doch trotzdem lassen diese Gefühle wunderbare Dinge, wie die Figuren, in mir entstehen. Deshalb habe ich diesem Wesen, das aus Schwingungen besteht, den Namen Kaleidoskopia gegeben.
Kaleidoskopia beißt mich, brüllt mich an, sticht mir mit ihren klagenden Melodien in die Haut, streichelt mich, bringt Hoffnung mit sich, kann majestätisch oder religiös sein und manchmal auch unerwartet göttlich. Manchmal, wenn sie mich ganz besonders intensiv berührt, frag ich mich, ob sie wirklich von einem Menschen erschaffen worden ist oder doch ein vollkommenes Wesen ist, das denken kann und die Menschen an der Nase herumführt.
Denn Lieder sind so eindringlich, dass wir uns manchmal viele Jahre danach noch an sie erinnern können. Wir sind in der Lage Zeitreisen in die Vergangenheit zu machen wenn wir uns auf den Rücken der Melodien setzen und mitreißen lassen. Dann hören wir eine bekannte Stimme und riechen einen vertrauten Geruch. Kaleidoskopia nimmt uns mit und führt uns zu einem alltäglichen Platz, der aber seine ganz besondere, persönliche Bedeutung hat. Sie nahm mich mehr als einmal mit auf eine Reise. Das macht sie ganz überraschend, wenn ich im Auto sitze oder im Supermarkt durch die Regale stöbere. Ich bin nicht in der Lage mich zu wehren oder die Flucht zu ergreifen. Die einzige Möglichkeit, die ich habe, ist das Radio auszuschalten und mich schnell auf andere Gedanken zu bringen. Manchmal vergeht der Effekt, wenn die Musik zu oft erklingt. Dann nehme ich nur noch die Töne wahr, aber keine Muster, keine Gerüche und keine Gefühle.
Aber wenn ich auf meinem Bett liege, die Augen schließe und mich auf meine Ohren konzentriere, dann warte ich auf den Besuch von Kaleidoskopia und ich sehne mich nach den Gefühlen und dem Chaos in meinem Kopf. Ich bin süchtig nach dem bunten Zirkus, der durch die Musik eröffnet wird, süchtig nach den Artisten und Farbenspielen, die alle einen großen Tanz aufführen. Am intensivsten erlebe ich den Film in meinem Kopf, wenn die Melodien sehr traurig und eingängig sind. Dann schüttelt es mich am ganzen Körper und ich fange an zu weinen. Die Musik dringt in mich ein, durchwühlt meine Innereien und ich bekomme Bauchschmerzen. So wie eine Komposition seinen Höhepunkt hat, erlebe ich durch meine Trauer einen Höhepunkt, eine Gelähmtheit, die von einem gekonnten Instrumentalspiel begleitet wird. Selten ist es so, dass ich mich dem entziehen kann. Ich lass mich einfach gehen und fühle mich frei. Sobald ich dieses Gefühlsstadium hinter mir habe reißt der Bildstreifen im Kopfkino und ich bin wieder in meinem Zimmer, auf meinem Bett.
Ein Gefühl der Entspannung und Wärme fließt durch meine Arme und Beine. Die letzten Klänge schwingen durch die Luft.

Seit der ersten Begegnung mit Kaleidoskopia bin ich ganz versessen nach ihr und das Verlangen sie zu kontrollieren wuchs und wuchs. Nun schreibe ich selber die Melodien, Locke die Splitter aus der Reserve und bin Direktor im bunten Zirkus. Ich bin nicht nur ausführendes Organ, sondern auch schöpfendes Wesen und tanze einen berauschenden Tango mit der Musik.

 

Hallo A.Parrish,

willkommen bei KG.de.
Hoffentlich finde ich die richtigen Worte.
Der Text lässt einen sicheren Umgang mit der Sprache erkennen. Du beschreibst dieses Phänomen Musik recht ausführlich. In Bildern, die man sehr gut nachvollziehen kann.
Um zu sagen dieser Text sei nicht spannend, fehlten einfach ein paar Informationen. Zum Beispiel würde es zutreffen, sollte es für eine Kurzgeschichte sein. Dann wäre er auch zu langatmig. Auch ein guter Text kann zu langatmig sein. Durchaus. Wofür ist dieser Text gedacht? Als Fragment deines Alltags? Dann gibt es nix zu meckern.

Gruß Charly

 

Lieber charly

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Ich halte den Text schon für ziemlich kurz. Aber ich kenne das: Man sitzt vor dem Bildschirm und schnell sind die kürzesten Texte zu lang. Es ist einfach schöner die Buchstaben auf Papier zu sehen :-)

Der Text beschreibt einen (für uns alle) alltäglichen Moment, dem ich mit diesem Text eine besondere Bedeutung zusprechen möchte. Es freut mich, wenn er dir gefallen hat :-) Danke :-)

 

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