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Keiner mehr da
Keiner mehr da
Ich diene einer Fahne, die schon zerrissen und verbrannt am Boden liegt. Es war der letzte Krieg aller Zeiten. Das hatte ich auch schon am Anfang des Krieges gesagt, doch damals dachte ich an den Sieg unserer Verbündeten. Friede und Wohlstand würde in die Welt kehren, Tyrannei und Pein würden beendet. Doch es wurde der letzte Krieg, genau so wie wir uns den letzten Krieg vorstellten. Einstein hatte einst gesagt, der vierte Weltkrieg würde mit Steinen und Stöcken ausgetragen. Sollte jemand überleben, so würde Einstein recht behalten. Doch es sieht nicht nach Überleben aus.
Meine Fahne mag zerrissen und verbrannt am Boden liegen trotzdem- nein deshalb, würde ich sie bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Warum sollte ich denn jetzt nach hause gehen? Um meine Familie zu finden- ermordet vom Feind, getötet von Bombensplittern, erstickt im Giftgas? Vielleicht würde ich auch Glück haben und sie sehen bevor das atomare Feuer ihre Leiber verbrennt und ihr Fleisch verdampft.
Der Feind rückte immer noch näher. Wieso eigentlich? Wahrscheinlich aus dem selben Grund, warum ich noch die Stellung hielt. Vielleicht war es auch nur der Gedanke dass, wenn eines fernen Tages eine Spezies die dem Menschen nachfolgt (oder ein Außerirdischer) die Ruinen der selbstvernichteten Menschheit sieht, er sagen kann: „Sieh an- hier haben sie also gekämpft. Und am weitesten sind die gekommen- die haben gesiegt.“ Schwache Anerkennung ferner Archäologen- wenn überhaupt.
Wie lange dauerte das noch? Im Funk hatten sie den Start ihrer und unserer Raketen schon vor so uneinschätzbar langer Zeit gemeldet. Wann würden sie endlich aufschlagen und der Menschheit den Todesstoß versetzen.
Das Ende der Welt- eine seltsame Vorstellung. Und ich sitze mittendrin. Jahrtausende der Menschheitsgeschichte- großartige Weltwunder und Kunstwerke, Liebe und Hass, Streit und Versöhnung. Und am Ende wird nichts übrig bleiben als giftige Asche. Keine Menschen mehr ein Weltwunder zu schaffen, keine Farbe mehr ein Bild zu malen. Keinen Grund mehr zu lieben, keinen Groll mehr zu hassen. Keine Lust mehr zu streiten keine Zeit mehr sich zu versöhnen.
Schon Viertel nach Acht. Das Abendprogramm fängt an. Der Weltuntergang im Abendfernsehen. Irgendwo am Firmament des Wolkenverhangenen Himmels. Der Feind rückte immer noch vor. Und da! Ja da! Raketen. Wusch- zogen sie über unsere Köpfe hinweg. Und da ins Kernland. Ja ins Kernland. Ein Blitz. Und gleich die Druckwelle. Sechs Milliarden Menschen, jetzt. Keiner mehr da, gleich.