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Kerzen für

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15.04.2002
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Kerzen für

Reinecke saß neben den brennenden Kerzen. Die Flammen spiegelten sich in den Glasaugen des Plüschhasen wider.
Georg fingerte ein weiteres Streichholz aus der Schachtel. Ratsch! Das war nichts.
Die dünnen Holzstäbchen waren für einen Sechsjährigen nicht leicht zu benutzen. Trotzdem war es Georg schon gelungen, sieben lange, dünne Kerzen in den Schlitzen des Heizkörpers festzuklemmen und die Dochte zu entzünden. Unschlüssig drehte der Junge den Karton mit den restlichen Kerzen in der Hand hin und her. Er überlegte, ob sieben Kerzen genügen würden. Georg hatte nicht daran gedacht, seine Oma zu fragen, wieviele Kerzen nötig waren, um einen Wunsch zu erfüllen.
Sieben schien ihm eine passende Zahl zu sein. Immerhin kam sie in vielen Geschichten vor: Sieben Zwerge, sieben Raben, sieben Fliegen auf einen Streich. Ja, Sieben war wahrscheinlich eine gute Zahl. Sicher gab es wissenschaftliche Gründe dafür. Der Junge nahm sich vor, beim nächsten Besuch in der Bücherei diesbezüglich Nachforschungen anzustellen.
Georg legte die Packung beiseite und machte es sich vor seinen Kerzen gemütlich. Er legte sich auf den Bauch und stützte den Kopf auf die Hände, sah zu den Lichtern hoch. Ein wenig ärgerte ihn, dass er Oma einige wichtige Fragen nicht gestellt hatte. Wieviele Kerzen brauchte er für einen Wunsch, und wie lange mussten sie brennen? Etwa, bis sie von allein erloschen? Georg schätzte, dass das die ganze Nacht dauern würde. Na gut. Dann musste er eben so lange wach bleiben.
Er betrachtete die warmen, ruhigen Lichter der Kerzen und fühlte sich wohl. Für einige Momente trat die Angst, bei dem verbotenen Spielen mit Feuer erwischt zu werden, in den Hintergrund und machte einer tiefen Zufriedenheit Platz.
Zufriedenheit wurde zu Trägheit, Trägheit zu Schlaf.
Nicht alle Kerzen waren fest genug im Blech der Heizkörper-Abdeckung verankert. Eine neigte sich, kippte und fiel. Sie landete auf dem Plüschhasen.
Reinecke begann zu brennen.


Georg hatte keine Lust, in die große Kirche zu gehen. In Kirchen durfte man nicht spielen, sie waren kalt und meist aus schmutzigen, grauen Steinen gebaut.
»Ich will nicht da rein«, quengelte Georg.
Seine Oma seufzte und hielt seine Hand fester. »Wir besichtigen jetzt den Dom«, sagte sie und klang dabei ein bisschen wie die Schwiegermutter auf einer von Georgs Märchen-CDs.
»Ich will in das Spielzeuggeschäft, einen Fußball kaufen«, verlangte Georg.
»Oh Gott«, entfuhr es seiner Oma. Georg vermutete, dass es am Alter lag, dass Jungs Kirchen furchtbar fanden und Spielzeuggeschäfte liebten und Omas umgekehrt. »Außerdem«, fuhr die Spielzeuggeschäfthasserin fort, »spielt Mama nicht so gerne Fußball.«
»Papa aber«, beharrte Georg.
»Gut, dass der weg ist«, brummte seine Oma leise.
»Wer?«, fragte Georg und sah sich um, aber da war niemand. Die Oma schwieg, zog ihn an der Hand in den Dom hinein.
Georg ließ sich zwischen den Bänken entlang führen und schaute sich die komplizierten Malereien unter der Decke an. Dort waren zahlreiche geflügelte Kinder abgebildet, die im Himmel von einer Wolke zur anderen flogen. Manchmal versuchte Georg, sich Geschichten dazu auszudenken, aber das war schwierig, weil er sich mit dem Himmel nicht besonders gut auskannte.
Sie näherten sich einem seitlichen Altar.
»Oma?«
»Pssst!«
Georg zögerte. Nur der Pfarrer durfte in der Kirche normal sprechen, alle anderen Leute mussten flüstern. Also auch er: »Oma, warum zünden die Leute Kerzen an?«
Die Lichter erinnerten an überhelle Sterne in der ansonsten düsteren Kirche und waren die einzigen warmen Stellen in dem kalten Gemäuer. Wenn Georg so recht darüber nachdachte, war der Tisch mit den Kerzen der einzige Ort in der Kirche, an dem er sich wohlfühlte.
»Sie wünschen sich was«, sagte Georgs Oma und blieb stehen.
Der Junge beobachtete einen Mann, der Anzug und Krawatte trug, während er Kerzen anzündete. Georg überlegte, was der Mann sich wohl wünschte.
Er dachte immer noch darüber nach, als sie dem Dom längst verlassen hatten.


»Georg!«
Der Schrei seiner Mutter weckte ihn. Blinzelnd nahm er einen beißenden Geruch wahr. Unfähig, sich zu bewegen, starrte Georg den brennenden Plüschhasen an. Reineckes Bauch war schwarz, seine Beine zwei glimmende Häufchen Asche.
Georg spürte, wie er hochgehoben wurde. Kurz darauf fand er sich auf dem Sofa im Wohnzimmer wieder. Er hörte nicht, was seine Mutter sagte, sah nur, wie sie zur Gießkanne griff, die neben der großen Palme stand, und in sein Zimmer lief.
Das Knistern eines großen Feuers ertönte. Georgs Kopf zuckte zum Fernseher, der das Geräusch gemacht hatte. Das Bild zeigte einen brennenden Mann, der mit den Armen ruderte und vor einer Kirche umher stolperte. Ein anderer Mann stand daneben und hantierte mit einem großen Holzkreuz.
Georgs Mutter lief am Wohnzimmer vorbei Richtung Badezimmer. Als der Wasserhahn zu hören war, fiel der brennende Mann um und bewegte sich nicht mehr.
»Auch das noch«, stöhnte Georgs Mutter, als sie zurückkam und den Jungen vor dem Fernseher sah.
»Mama, was machen die Männer da?«
»Man nennt das Horror, und das ist nichts für sechsjährige Jungs. Und es ist genau das, was du in deinem Zimmer veranstaltet hast«, schimpfte Georgs Mutter. Sie sprang zur Fernbedienung, drückte den Aus-Knopf, ließ das graue Kästchen fallen, überlegte es sich anders und ließ es in der Hosentasche verschwinden. »Beweg dich nicht vom Fleck, du Schuft«, sagte sie und lief mit der gefüllten Gießkanne und einem großen Handtuch wieder in Georgs Zimmer.
Als sie zurück kam und neben Georg aufs Sofa sank, sah sie ihren Sohn müde an. »Warum hast du das gemacht?«
Georgs Linke klammerte sich an das herzförmige Kissen, das neben ihm lag. »Oma hat gesagt, dass die Leute Lichter anzünden, wenn sie sich was wünschen.«
»Andere Jungs schreiben vor ihrem Geburtstag einen Wunschzettel.«
»Der ist nur für Spielzeug«, entgegnete Georg entschieden. »Die Lichter sind für die anderen Sachen.«
»Für welche anderen Sachen?«
»Für die schwierigen. Die schwieriger sind, als Spielzeug zu beschaffen.«
Georgs Mutter schloss kurz die Augen, dann nickte sie. »Ich werde Mutti, ich meine, Oma, morgen anrufen und mich mit ihr darüber unterhalten.«
Mit kleinen Augen fragte der Junge: »Ist Reinecke jetzt im Himmel?«
»Tut mir Leid, mein Schatz«, schüttelte seine Mutter den Kopf. »Das weiß ich wirklich nicht.«
»Ist nicht schlimm, Mama. Du kannst ja auch nicht alles wissen.« Georg reichte ihr das Kissen. »Eigentlich wollte ich ja sowieso einen Fuchs, keinen Hasen. Hasen sind was für Mädchen.«
Seine Mutter lachte. »So, meinst du?«
Georg nickte eifrig. Dann zeigte er auf den Tisch, wo eine angefangene Tafel Schokolade lag. »Kann ich?«
Seine Mutter nickte nur, dann nahm sie sich auch ein Stück.

 

Hallo Uwe Post,

die Idee deiner Geschichte finde ich gut.
Ich denke es soll eine Geschichte für etwa 5-7jährige sein und die Moral der Geschichte ist klar.

Zufriedenheit wurde zu Trägheit, Trägheit zu Schlaf.
Ich glaube, der Satz wird von Kindern nicht verstanden. Zudem denke ich, dass du hier mehr Spannung hättest aufbauen können, denn das ist ja das Gefährliche, Kerzen unbeobachtet brennnen zu lassen.

Schwiegermutter

Es sind die bösen Stiefmütter im Märchen :D

Die Kirche und die Oma werden mir zu negativ beschrieben.
Georg entdeckt ja in der Kirche, dass es die Möglichkeit gibt, Kerzen fürs Wünschen anzuzünden. Ich fände es passender, wenn Georg die Kirche als groß, dunkel und ehrfurchtsvoll empfinden würde.Aber Geschmacksache.

»Papa aber«, beharrte Georg.
»Gut, dass der weg ist«, brummte seine Oma leise.
»Wer?«, fragte Georg und sah sich um, aber da war niemand.

Diese Spitze verstehen Kinder auch nicht und es hat für die Geschichte auch keine Bedeutung.

»Andere Jungs schreiben vor ihrem Geburtstag einen Wunschzettel.«
»Der ist nur für Spielzeug«, entgegnete Georg entschieden. »Die Lichter sind für die anderen Sachen.«

Das hätte mich brennend interessiert, was sich Georg gewünscht hat. Es scheint ja ein sehr ernster Wunsch gewesen zu sein (vielleicht, dass Papa zurück kommt?) und du hättest den schön in die Moral einbauen können.

Der brennende Hase und die Löschaktion der Mutter beschreibst du so en passant, da hätte ich mir mehr Spannung gewünscht. Auch das Georg keine Erklärung der Mutter erhält, warum brennende Kerzen gefährlich sind ist mir zuwenig. Georg bekommt Schokolade, die Mutter spricht mit Oma, aber das Kind lernt nicht Verantwortung für sein Tun zu übernehmen bzw. das brennende Kerzen nicht das geeignete Mittel sind, Sehnsüchte zu erfüllen.

Sorry, aber die Geschichte überzeugt mich nicht. Wie ich in deinem Profil sehen kann, scheint es auch deine erste zu sein. Werde mich mal auf die anderen stürzen.

Liebe Grüße

Katinka

 

scheint es auch deine erste zu sein.
In dieser Rubrik, ja ;)
Allerdings war ich mir nicht sicher, ob sie hierher passt. Geschrieben hatte ich sie eigentlich nicht als Geschichte nur für Kinder. Da Du an zwei Stellen meinst, dass Kinder sie nicht verstehen, ist vermutlich eine andere Rubrik passender.

Das hätte mich brennend interessiert, was sich Georg gewünscht hat. Es scheint ja ein sehr ernster Wunsch gewesen zu sein (vielleicht, dass Papa zurück kommt?)

Genau das. Ich hielt es für klar, dass es sich genau darum handelt und wollte es nicht explizit nennen.

Danke für Deine Bemerkungen! :)

 

Hey Uwe,

nee, auch wenn ich mich mit Kindergeschichten nicht so auskenne, würde ich doch sagen, dass diese Geschichte Kinder ziemlich überfordert ...

Sicher gab es wissenschaftliche Gründe dafür. Der Junge nahm sich vor, beim nächsten Besuch in der Bücherei diesbezüglich Nachforschungen anzustellen.
Was mir aufgefallen ist: Besser du wählst einen rein personalen Erzähler, Georg, dann verschwinden auch solche recht unpassenden Erklärungen ...

Hm. Ja ... :)

Dante

 

Hallo Uwe Post,

dein Schreibstil gefällt mir gut, aber ich finde ihn etwas zu schwierig für Kinder, wenigstens an manchen Stellen, wie auch Katinka schon erwähnt hat.

An zwei Stellen, die für Erwachsene klar erscheinen, würden Kinder wahrscheinlich nichts mit der Andeutung anfangen können. Das eine ist, wie schon oben erwähnt, die Äußerung der Oma "Gut, dass er weg ist" und das andere wäre zu wissen, was sie Georg nun letztendlich gewünscht hat.
Ich nehme an, dass er sich seinen Vater zurück wünscht, den seine Oma eher zum Teufel gewünscht hat.

Ich nehme an, dass du die Szene im Fernsehen als Abschreckung gebrauchen wolltest, was noch alles passieren kann, wenn man mit dem Feuer spielt. Aber ich weiß nicht, ob das für Kinder nicht zu brutal klingt, ein Mensch, der zur brennenden Fackel wird? Ich hätte das zum Beispiel als Kinder auf keinen Fall sehen können. Ich hätte Alpträume davon bekommen. Ob es Georg nicht vielleicht auf so gehen wird? Dann ist das aber nicht gerade ein Mittel zur Abschreckung. Es wäre in einer Kindergeschichte eher angebracht, dass die Mutter ihm darauf aufmerksam macht, dass er hätte verbrennen können. Das, natürlich aus Versehen, im Fernsehen in diesem Moment zu sehen, finde ich ein bisschen zu krass für den kleinen Kerl.
Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Bin vielleicht ein bisschen zu sensibel.

Das mit der Schwiegermutter würde ich noch in Stiefmutter umwandeln.

Er dachte immer noch darüber nach, als sie dem Dom längst verlassen hatten.
den Dom

Viele Grüße
bambu

 

Hallo Uwe,

auch ich habe Probleme damit, deine Geschichte als Kindergeschichte einzuordnen. Manche Formulierungen - meine VorkritikerInnen haben schon darauf hingewiesen, sind für Sechsjährige, d.h. für Erstleser, wirklich sehr schwer zu verstehen. Ältere Kinder - vielleicht ab 12 - werden sich nicht so leicht von einer Geschichte angezogen fühlen, deren Protagonist nur halb so alt ist wie sie.
Ich wäre dafür, die Geschichte in eine andere Rubrik zu verschieben - vielleicht Alltag?

Nur meine Meinung, ganz auf die Schnelle.

al-dente

 

Ja, verschieb mal bitte nach Alltag, das scheint mir eine gute Idee zu sein.

Danke Dir, al-dente! :)

 

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