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Killerlesben vom Jupiter greifen an

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24.10.2001
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Killerlesben vom Jupiter greifen an

Killerlesben vom Jupiter greifen an

oder

Warum die Ferntoderfahrung eines kürzlich redeflorierten Programmierers alleine von Gott respektive von Claudia und ihrem Scheißkombi zu verantworten ist

Für Jack. Einfach so.


Also, dieser Gott ... manchmal frage ich mich echt, wer sie wohl so verärgert hat. Und warum sie mir die Schuld dafür gibt. Denn eines steht fest: Das hat sie mit Absicht gemacht! Hätte der Kosmos nicht einen so extrem prämenstruellen Sinn für Humor, wäre ich an jenem Tag wahrscheinlich nie in dieser bescheuerten Bar gelandet... Abbruch statt OK, und ich könnte heute noch einen Sternenhimmel betrachten, ohne Hodenschmerzen zu kriegen ...

Definierte Konstante: Die Existenz ist voller Fehler. Tag für Tag ein Bug nach dem anderen - Microsoft Life Perversion 1.0.
An jenem Tag zum Beispiel: Kann man in dieser hugoverdammten Stadt eigentlich nirgendwo lang fahren, ohne dass einem sofort die Ex in ihrem Scheißkombi auf der Gegenspur einen Besuch abstattet? Totale Ausdruckslosigkeit auf ihrer Seite des verdreckten Mittelstreifens. Kopfnicken, gequältes Lächeln, Magenschmerzen auf meiner. Dabei dachte ich, ich hätte es endlich hinter mir. Von wegen. Willkommen in der Endlosschleife, mit bösen Schmerzen im Auslagerungsspeicher. In einem ordentlich programmierten Universum sollte sowas eigentlich nicht vorkommen. Nix mit Laplace und Determinismus - das ist Chaos pur, Lorenz, Feigenbaum, das ganze Gesocks. Dasein als gewaltige Unschärferelation, in der nicht mal die Teilchen selber genau wissen, wo zur Hölle sie sich befinden... und von uns Normalusern wird tatsächlich verlangt, bei Verstand zu bleiben.
Aber vielleicht liegt es auch an meiner Konfiguration. Ich bin dummerweise eins von diesen erschießenswert sentimentalen Arschlöchern, die, wenn sie mal lieben, für immer lieben, Updateversuche erfolglos - wäre mein Sexualverhalten ein Pferd, hätte man es wohl längst zum Abdecker geschafft.
Deshalb sah Winnie sich ja auch genötigt, mich mit aller Gewalt aus dem Haus zu schleifen und auf Tour mitzunehmen - Weiber aufreissen. »Damit du endlich mal wieder ne richtige Frau an Land ziehst. Du hast ja wohl erbärmlich lange schon nich mehr gevögelt!« So seine Worte. »Komm mal weg von dem ganzen Hochsensibelpsychotantenseelenverwandtschaftsscheiß. Was du brauchst, ist ein richtig altmodisches Östrogen-Laibchen. Irgend so ne bebrillte Parfümverkäuferinnenazubine, die Pilcher liest, bei Bambi heult und sich auf Brad Pitt einen runterholt.«
Ganz ehrlich: Hätte Gott mir in ihrem unendlich bescheuerten Ratschluss an diesem Mittag nicht Claudia in ihrem Scheißkombi auf die andere Seite des Mittelstreifens gekotzt, wäre ich daheim geblieben. Aber ich war nicht ganz da, als ich zusagte. Schwerer Ausnahmefehler. Vielleicht war es auch einfach mal Zeit für einen Neustart ...

Ich selbst bin in einem Standard-Hochhaus-Modul in einer Trabanten-Stadt abgespeichert. Hier ist eigentlich alles genauso öde, dreckig und teuer wie in der City, der einzige Unterschied ist, dass man ein Reisebüro bemühen muss, wenn man eine Pizzeria oder einen Sex-Shop aufsuchen will.
Winnie ist mit Fahren dran, und so blubbert kurz nach Einbruch der Natriumdampflampen-Dämmerung sein quietschgelber New Beetle durch das Swap-File der Stadt in Richtung zentraler Vergnügungseinheit, vorbei an überquellenden gelben Tonnen und als Großmütter getarnten Illuminaten-Agentinnen, welche abends an den Bushaltestellen abgesetzt werden, um die Zigaretten-Reklamen zu bewachen.
»Wohin geht's überhaupt?« Ich bin immer noch übellaunig und suche nach einem Grund, in letzter Sekunde abzuspringen und den Abend mit Lara Croft zu verbringen.
»Hab was Neues aufgetan. Lass Dich einfach überraschen.«
Ich habe noch einige vergangene Winnie-Überraschungen im Cache, weshalb mich die Antwort nicht unbedingt heiter stimmt. Dummerweise fährt der Beetle gerade eben schnell genug, um ein Aussteigen während der Fahrt unbequem zu machen. Und um Winnie zur Umkehr zu überreden, fehlt mir momentan die Rechenpower. Locked.

Die Bar - gelabelt als »Purple Hazard« - gehört zur Objektklasse »anrüchig«. Alle Attribute sind vollständig vererbt: Eine niedrige schwarze Holztür, tonnenweise roter Plüsch, Ricky Martin aus Discolautsprechern und eine Bardame mit Atomkraftwerksbusen, Rauchstimme und Oberlippenbart. So wie in der Eifel jeder Misthaufen seine eigene Volksbankfiliale hat, gibt es in jeder Stadt über tausend Einwohner mindestens einen Laden besagter Sorte. Basisausstattung im Kommunal-Bausatz.
Das mit dem »anrüchig« ist in diesem Fall allerdings bloß eine Masche. Was sich hier versammelt, kommt her, weil es die wirklich anrüchigen Läden nicht mal mit nem Stadtplan finden würde. Ist aber auch besser so. Offenbar wurde ich – wie viele andere - nur für bestimmte Anwendungsfälle geschrieben. Abenteuer sind im Flußdiagramm einer solchen Existenz höchstens in Form einer zweiten Sat-Schüssel für englische Pornokanäle vorgesehen, jedes Verlassen des Adressraumes führt unweigerlich zum Absturz. Soll heißen: In einer echten anrüchigen Bar hätte man mich und all die anderen Typen, welche die Garbage Collection des Alltags in die rotbeplüschten Sauf-Alkoven gestopft hat, innerhalb von dreißig Sekunden identifiziert, überwältigt, ausgeraubt und nackig in den Fluss geworfen.
Den Getränkepreisen nach zu urteilen sind wir in einem Puff gelandet, aber ich glaube nicht, dass Nutten hier arbeiten würden - wahrscheinlich fänden sie das Ambiente zu deprimierend. An den schummerig beleuchteten Tischen sitzen, rettungslos verstrickt in vom Balzritual vorgegebenen Nichtgesprächen, pärchenweise frustrierte Speditionskauffrauen und ledige Anwendungsentwickler. Letztere erkennt man besonders leicht, weil sie per definitionem nicht dazu designed sind, in irgendeiner Weise verrucht oder gefährlich auszusehen und es trotzdem immer wieder versuchen, sobald Östrogen außerhalb einer Pillenschachtel zugegen ist. Und ich weiß, wovon ich rede: Ich sehe jeden Morgen so ein Gesicht im Spiegel.
»Der Laden ist typisch du«, sage ich, als wir uns an die Bar setzen. Zum Glück ist Winnie nur Geschäftsführer in einem Edeka-Markt. Wäre er Anwalt, wäre ich jetzt in echten Schwierigkeiten.
»Geheimtipp. Und jetzt hör auf zu nörgeln.« Winnie bestellt für uns beide Weizen und Tequila zum Aufwärmen. Danach läuft alles wie vorgesehen: Winnie baggert, ich saufe, eingesperrt in einem endlosen, immer enger werdenden Nassi-Schneidermann-Diagramm der Langeweile. Ich bin bereits jetzt an dem Punkt, von dem mir schon vorher klar war, dass ich ihn spätestens jetzt erreichen würde: Jener Punkt, an dem ich mich frage, was zum Geier ich eigentlich hier verloren habe ...

Bis zu dem Moment, in dem die Beleuchtung über der Bar runtergedimmt wird und das hintere Ende des Raumes plötzlich in grellem, mehrfarbigem Licht erstrahlt, habe ich nicht mal bemerkt, dass es hier eine Bühne gibt.
Eine Stimme aus den Disco-Lautsprechern faselt irgendwas von »Fatima Gorgonzola«, und ich bin gerade noch nüchtern genug, um mir zu überlegen, was für ein hirnerweichend bekloppter Name das für eine Tänzerin ist, als meine Synapsen unvermittelt auf Durchzug schalten.
Auf der Bühne ist soeben etwas aufgetaucht, das man getrost als den Prototypen aller Table-Tänzerinnen bezeichnen könnte. Nur eine Sekunde, ein flüchtiger Scan ihrer Erscheinung, und der Anblick bohrt sich direkt in meine Eingeweide. Bestimmte Schnittstellen von mir gehen in beeindruckender Geschwindkeit online, meine Drüsen beginnen hektisch damit, Troubletickets von meinem limbischen System anzunehmen. Hotline überlastet.
Sie verströmt mit jeder Faser ihres Körpers die Aura des ultimativen Luders, wie sie so in die Mitte der Bühne stöckelt, sich dort einmal um die eigene Achse dreht und dann in einer herzinfarktverdächtig lasziven Pose verharrt. Feste, herzförmige Pobacken, die sich ins schmale Ende eines schlichten schwarzen String-Tangas verbeißen. Diamant-Nippel unter dünnem Stretch. Glänzende Lippen, die einen süßen Tod versprechen. Um ihren Bauchnabel herum ein herzerfirschend bedeutungsloses Tatoo auf olivfarbener Haut. Langes schwarzes Haar, unter dem graue Augen hervorleuchten. Die fleischgewordene Sünde auf High Heels. Selbst das Auf und Ab ihres Brustkorbes bei jedem Atemzug wirkt obszön. Dann setzt Musik ein ...
Sie tanzt ungefähr ein ganzes Erdzeitalter lang, schwitzt und verbiegt sich, jede Bewegung ihres drahtigen Körpers eine Offenbarung an Verdorbenheit. Sie windet sich, bebt und zuckt, fickt sämtliche Luftmoleküle auf der Bühne so gründlich durch, dass man förmlich sehen kann, wie sie sich danach einen Stuhl nehmen und eine Zigarette rauchen müssen.
Keine Ahnung, wie ich die Tanznummer überstanden habe, ohne zu sabbern wie ein Säugling. Ich glaube, bevor das Licht auf der Bühne mit einer letzten Zuckung von Fatimas Fleisch endgültig verlischt, habe ich nicht mal gewagt zu blinzeln. Jetzt komme ich langsam wieder halbwegs zu mir, erstaunt darüber, dass sich die Kerle, die etwas näher an der Bühne sitzen, nicht zuckend auf dem Boden wälzen.
Ich hab mich soeben verknallt. In den verdammt noch mal unanständigsten Frauenkörper, den ich je gesehen habe.
Natürlich hätte ich keine Chance bei ihr. Nicht, solange ich mich nicht auf der Stelle von einem vorzeitig verbitterten Systemprogrammierer in einen muskelgestopften babylonischen Fruchtbarkeitsgott mit lastwagengroßem Gemächt verwandle. Und natürlich passiert nichts dergleichen, weil die persönliche menschliche Thermodynamik typischerweise nur in eine Richtung funktioniert: von »noch halbwegs erträglich« nach »total beschissen«.
Ich stürze meinen Longdrink in einem Zug runter und bekomme nur am Rande mit, wie Winnie von wo auch immer er zwischenzeitig gewesen ist zurückkommt, an jedem Arm eine Frau.
Er schiebt mir eine dezent überschminkte Brünette ins Blickfeld. Sie sagt mir irgendeinen Namen. Ich bin zu spitz und zu betrunken, um sie wirklich zu registrieren. Sie kommt wahrscheinlich aus dem unerschöpflichen Pool an Sekretärinnen, Frisösen und Steueranwärterinnen, den das Universum für solche Gelegenheiten bereit hält. Nicht der korrekte Aufruf für meine Funktionen. Sie ist nicht Fatima und damit noch uninteressanter als die durchgefickten Luftmoleküle im erhitzen Dunkel über dem Bühnenboden ...
Winnie hingegen ist im siebten Himmel. Sein Frauengeschmack lässt sich notfalls auf eine einzige Codezeile komprimieren: »Hauptsache willig!« Eine Zeit lang hat er sich mal mit seinem ähnlich konstruierten Schwager zusammen eine kleine Wohnung direkt in der Innenstadt gemietet, damit sie es im Fick-Fall nicht so weit zu fahren haben. Muss man eigentlich mit solchen Leuten befreundet sein, nur weil der eigene Lebensinhalt aus graphischen Oberflächen besteht?
Die Brünette setzt sich auf den Hocker neben mir und bestellt zwei Drinks. Ich nehme abwesend einen Tequila Sunrise entgegen und tue dann das einzig sinnvolle: Ich schalte meine Wahrnehmung auf Leerlauf und saufe einfach weiter.

Ich bin nicht sturzbetrunken. Das hab ich inzwischen hinter mir. Ich bin absturzbetrunken. Jenseits davon. Schon lange abgestürzt - und scheinbar am Boden des Universums mit dem Gesicht in einem Peepshowkabinenteppich angekommen. Zumindest schmeckt das Dasein zum Messzeitpunkt, als müsste es dringend mit einem Wischmop desinfiziert werden.
Die Frau neben mir ... wie war nochmal ihr Name? Sie nickt hin und wieder und lächelt. Mein Kleinhirn hat offenbar schon vor einer ganzen Weile synchron mit ihrem einen speziellen Prozess gestartet, einen Geschwätz-Daemon, der sie eigenständig mit irgendwelchem belanglosen Zeug zulabert und automatisch nickt und lächelt, wenn sie irgendwelches belangloses Zeug labert. Der Rest von mir ist tief im Fusel-Trauma und wahrscheinlich nur noch über einen Hardware-Reset wieder aufzuwecken. Das einzige, das mich noch wirklich beschäftigt, sind der Ständer in meiner Hose und der Wunsch nach einem Glas Wasser.
Wasser krieg ich natürlich keines, statt dessen einen weiteren Tequila Sunrise. Und der verdammte Ständer geht auch nicht weg. Seit der Tanznummer nicht mehr. Fatima Gorgonzola hat sich wie ein Trojaner in mein System gefressen und sorgt dafür, dass ich trotz Total-Suff von Minute zu Minute geiler werde. Dass ... wie auch immer sie heisst ... sich eifrig bemüht, die entsprechenden Teile ihres Gehäuses regelmäßig in mein Blickfeld zu halten, macht es nicht unbedingt besser.
Jetzt legt sie ihre Hand auf mein Knie, und noch bevor ich es verhindern kann, habe ich auch schon ihre Zunge in meinem Hals. Ich mache mit, weil mir alles andere im Augenblick viel zu kompliziert erscheint. Jetzt sieht sie mich mit diesem Blick an. Irgendwann wusste ich mal, was der bedeutet. Sie sagt irgendwas, nimmt meine Hand, zieht mich von meinem Barhocker. Führt mich in Richtung auf eine Tür.
Eigentlich müsste ich spätestens jetzt mißtrauisch werden. Immerhin habe ich den ganzen Abend mit ihr geredet, die meiste Zeit davon, ohne mir selbst zuzuhören .... und die will trotzdem mit mir vögeln? Ich finde, man kann nicht eindringlich genug vor den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums warnen ...
»... Puff? ... nich soviel Geld ...«, höre ich mich murmeln.
Ihre Zungenspitze in meinem Ohr gibt mir zu verstehen, dass ich mir darüber wohl keine Sorgen machen soll. Ich bin sowieso zu blau für Diskussionen. Eingabe akzeptiert.

Die nachfolgende halbe Stunde oder so habe ich eine Art farbengesprenkelten, musikdurchfluteten Systemhänger. Zu hell für einen Blackout, aber alles verzerrt, schwankend, raschelnd, wie ein Fiebertraum, alkoholinduziertes Wachkoma mit einem von Marilyn Manson gestalteten Bildschirmschoner. Zahllose Treppenstufen, immer abwärts, abwärts, bis unter die Hölle, in den Vorratskeller des Nirgendwo. Bunte Lampen, Halbdunkel, eine Höhle tief unter der Erde. Ein Wirrwarr von Frauenlippen, meine Hände unter einem apricotfarbenen Strecht-Top, Fingerspitzen an der rauhen Zartheit einer Brustwarze. Angenehm warme Finger an meinem Schwanz. Woher zum Teufel weiß ich, wie Apricot aussieht? Und wie sieht es hier überhaupt aus? Zwischen den gierigen Küssen und Fingern von ... ihr Name wird wohl auf ewig vergessen bleiben... versuche ich Details wahrzunehmen. Mich zu orientieren. Wenigstens einen Fuß wieder auf den Boden zu bekommen. Es klappt nur bedingt. Was dabei abfällt, ist eine verschwommene Reminiszenz an die 70er Jahre, ein Kaleidoskop aus nackten Titten, orangefarbenem Plüsch, Wänden aus Nietenstahl und seltsamen Handfeuerwaffen. Russ Meyer im Todesstern.
Handfeuerwaffen?
Plötzlich bin ich allein. Ein Raum aus abwaschbarem Edelstahl. Ich stehe nackt mittendrin. Soviel registriert mein minimal ernüchertes Hirn inzwischen. Ein noch halbwegs zuverlässiger Teil meines Verstandes sichtet hektisch die Logfiles der letzten Dreiviertelstunde und schickt ein paar Fragen an meine interne Schnittstelle: Wohin ist Wieauchimmersieheißt verschwunden? Warum wächst genau vor mir ein riesiges Andreaskreuz aus dem Boden? Warum stehe ich in einem Raum, der aussieht, als hätten Theresa Orlowski und der Innenausstatter von ›Raumschiff Orion‹ zusammen ein Tierversuchslabor aufgemacht? Und wo zum Teufel sind meine Hosen abgeblieben?
Ich will gerade mein Sprachzentrum soweit sortieren, um wem auch immer zu erklären, dass ich sowas eigentlich nicht mache, also das mit dem Kreuz und womöglich noch Peitschen oder so, also bei aller Liebe, so betrunken sei ich nun auch wieder nicht, obgleich Frauen in Leder natürlich in aller Regel ziemlich rattenscharf aussehen, und, naja, vielleicht ließe ich ja über das eine oder andere mit mir reden, solange ich dabei ein wenig die Hosen anbehalten darf, apropos, wo sind eigentlich meine verdammten Hosen, ich hab´s ganz gerne, wenn ich weiß, wo mein Zeug ist und so ...
Aber sinnvolle Einwände sind seit jeher dazu da, von den Ereignissen schamlos über den Haufen gerannt zu werden.
Eine Hand berührt mich und ich fahre herum: Fatima! Sie steht vor mir, noch immer in ihrem Tänzerinnenoutfit, und verschwitzt Pheromone, die sogar der Mumie von Ramses II. noch zu einem Ständer verholfen hätten.
»Arghl...« ist demzufolge alles, was ich artikulieren kann. Soviel zum Thema Neokortex.
Fatimas Fingerspitze berührt mein Kinn, ihr ernster, wollüstiger Blick bohrt sich in mein Hirn, das Rückgrat runter, bis direkt in meine Eier. »Leg dich hin!« befiehlt sie.
Ich drehe mich um, sehe zu dem Andreaskreuz, dann wieder zu ihr.
»Da ... drauf?«
Sie legt den Kopf schief und sagt nichts. Nur ihre Augenbrauen ziehen sich mißbilligend zusammen. »Dämliche Frage!« sagt der Blick. Ich spüre den Stich bis in die Gliedspitze. Ich mache ein, zwei Schritte rückwärts, bis ich Metall an meinem nackten Arsch spüre. Das Andreaskreuz schimmert matt im Licht der Neonröhren, kühl, massiv, groß genug, um einen erwachsenen Mann aufzunehmen und gerade so hoch, dass eine Frau in Reiterstellung bequem darüber stehen kann. An den Ecken sind mit Samt ausgeschlagene Fesseln angebracht.
»Wird´s bald?« Wieder die Augenbrauen.
Ich tue einfach, was sie sagt. Dies ist definitiv nicht der Augenblick für Diskussionen. Wenn eine Frau wie Fatima von einem verlangt, nur unter Einsatz der Sackbehaarung den Nordpol neu zu streichen, dann fragt man nur noch, in welcher Farbe.
Plötzlich sind da zwei andere Frauen, die meine Hände und Füße in den Schellen festmachen, so dass ich mich kaum noch bewegen kann. Nur meine Hüfte hat jede Menge Spielraum. Gut mitgedacht, das muss ich sagen. Die beiden Frauen tauchen an der Tür auf, beziehen links und rechts davon Stellung, jede mit einer Art Waffe im Anschlag, die aussieht, als hätte Beathe Use eine Star Trek-Lizenz eingekauft – rosa, knubbelig und auf alberne Art und Weise gefährlich.
»Die da... zugucken?« Zumindest diese Frage gestatte ich dem nüchternen Rest in meinem Arbeitsspeicher.
Fatima ignoriert den Einwand mit brutalster Laszivität, in dem sie sich wortlos das Top über den Kopf zieht und sich dabei reckt und streckt wie eine einsachtzig große Zibetkatze.
Und dann wird mit einem Schlag mein ganzes bisheriges Leben ad absurdum geführt, all die kühlen Nächte in einem leeren Bett, die endlosen Tage vor Computerbildschirmen, jenem zuverlässigen natürlichen Abwehrzauber gegen jede Form erotischer Abenteuer. Hier und jetzt geschieht das Unfassbare, macht das Klischee meines Daseins einen Satz und kriegt von der Wirklichkeit einen höhnischen Tritt in den Arsch. Denn Fatima taucht in meinem Blickfeld auf, völlig nackt, ihre betonharten Nippel wichtigtuerisch vorgereckt wie winzige UN-Botschafter, die in ein Krisengebiet einreisen.
»Und halt die Klappe dabei!« knurrt sie. Dann ist sie über mir, und dreißig Sekunden später geht in meinem Unterleib die Sonne auf ...

Männer beim Sex sind wahrscheinlich nicht unbedingt der beeindruckendste Anblick des Universums. Der härteste Kerl wird hilflos wie ein Schaf, wenn eine Handbreit hartgeschwollene Evolution das Kommando übernimmt. Und in den Händen – und Hüften und Schenkeln und Lippen - von Fatima gebärdete sich mit Sicherheit auch Conan der Barbar wie der Tiger von Eschnapur auf Katzenminze – kein schöner Anblick. Insofern ist es nur gut, dass nicht mal ich selbst irgendein visuelles Zeugnis davon gespeichert habe, wie ich mich winselnd, maunzend, schnaufend und zuckend unter ihrer exquisiten Hüftakrobatik winde.
Ihre festen Möpse zittern, hochfrequent wie frierende Yorkshire-Terrier, ihre Möse wirkt wie eine warme, feuchte Extrahand mit hundert kleinen Fingern, die keinen Quadratmillimeter meines Schwanzes ungeknetet lassen. Ich habe alles um mich vergessen, das stählerne Andreas-Kreuz unter meinem Arsch, die bewaffneten Miezen an der Tür, den Alkohol in meinem System. Ich bin jenseits des Suffs, jenseits der Furcht, jenseits aller Geilheit, vielleicht an jenem Ort, den all die kahlgeschorenen Gurus mit jeder Menge Yak-Brause und Schneidersitz zu erreichen versuchen. Ob ich denen mal Bescheid sagen sollte, dass das auch anders geht? Aber vielleicht wissen die das auch längst und lächeln deshalb immer so zufrieden? Und meine Erektion schwillt immer noch weiter an, füllt bereits die gesamte Milchstraße, ist groß genug, das verdammte Tannhäuser Tor zu ficken, bereit, den gesamten Proxima-Nebel zu Klump zu ejakulieren.
Natürlich verschwende ich in diesem Augenblick keinen Gedanken daran, dass sie all den Zirkus nur veranstaltet, um die maximale Spermamenge pro Orgasmus aus mir rauszuholen. Das reime ich mir erst sehr viel später zusammen. Jetzt, in diesem Augenblick, habe ich völlig andere Sorgen: Ich zittere regelrecht vor meinem bevorstehenden Orgasmus, befürchte, seine Wucht könnte wesentliche Teile des Raum-Zeit-Gefüges beschädigen, die Code-Basis des Universums nachhaltig verbeulen. Egal. Was raus muss ...
Nie wieder vorher oder nachher habe ich etwas erlebt, was mit diesem Augenblick auch nur annähernd vergleichbar wäre: Ein Gefühl, als würde mein gesamtes Ich durch meine Samenleiter herausgepresst und aufgeschlürft vom gierigen Unterleib einer fremden Macht, so groß wie die Sonne, so feucht wie der Regenwald, so bodenlos wie die Abgründe der menschlichen Seele. Und ich trudele einfach weg, zucke mich äonenlang dem Licht am Ende des Tunnels entgegen ...

Das Universum ist ein echter Party-Pooper. Das Schicksal wahrscheinlich eine von diesen klugscheißerischen Halbbrillen-Schicksen aus dem Marketing, die nie zu irgendwas eingeladen werden. Nur so lässt sich erklären, dass ausnahmslos alle wirklich geilen Sachen unweigerlich einen Kater nach sich ziehen, bei dem man sich wünscht, man wäre nie geboren worden.
Als ich wieder zu mir komme, springt mich Neonllicht an wie eine tollwütige Katze. Besser, das mit dem Augen öffnen auf später zu verschieben. Erst mal hören, was so abgeht. Aber es ist verdächtig still. Das einzige, was ich hören kann, ist das gleichmäßige Atmen einer anderen Person ganz in meiner Nähe. Ich beschließe, doch besser mal nachzugucken.
Als das Licht seine Anspringnummer hinter sich gebracht hat, kann ich erkennen, dass ich in einer Zelle bin. Eine große Gittertür und fleckige Wände aus Stahl. Oder grauem Kunststoff. Oder auch mit Edding bemaltem Styropor. Es ist mir im Augenblick herzlich wurscht.
Winnie liegt einen Meter von mir entfernt auf einer Metallpritsche. Genau wie ich. Er schnarcht hingebungsvoll. Außerdem ist er splitterfasernackt. Genau wie ich. Was zum Teufel geht hier vor?
Die Erinnerung an die vergangene Nacht tröpfelt allmählich in mein Bewußtsein, aber so oft ich die Fakten auch hin und her schiebe, es ergibt einfach keinen Sinn. Die einzig greifbaren Resultate: Ich habe mich volllaufen lassen, hatte anschließend offenbar Sex mit der erotischsten Frau des bekannten Universums und jetzt bin ich zusammen mit Winnie nackt im Gefängnistrakt eines nachgebauten Sternenzerstörers eingesperrt. Ich hätte wissen müssen, dass die Sache einen Haken hat ...
Als mir das Grübeln schließlich zu blöd wird, verpasse ich Winnie einen Tritt, um ihn aufzuwecken. Ich muss letztendlich ziemlich oft und an interessanten Stellen zutreten, um ihn irgendwann wirklich wach zu kriegen.
»Wassenlos ... ey, hör auf mich zu treten, spinnst du?«
»Wach auf, verdammt. Wir sind in Schwierigkeiten!«
Winnie richtet sich auf und sieht sich um.
»Ausnüchterungszelle. So ne Scheiße«, sagt er schließlich. Dann: »Hey, wo sind meine Hosen?«
»Wahrscheinlich am selben Ort wie meine. Kannst du dich an irgendwas erinnern?«
Winnie kratzt sich nachdenklich an den Eiern. »Also ... da war diese Schnecke, die unbedingt Reiterstellung wollte ... «
»Ich meine, irgendwas anderes«, unterbreche ich seinen Gedankengang. »Etwas darüber, was hier los sein könnte?«
»Du meinst, außer der Reiterstellung? War ein ziemlich gelenkiges kleines Luder ... «
»Schon gut, vergiss es.«
In diesem Augenblick höre ich ein Zischen und das leise Sirren von Metall auf Metall. Offenbar öffnet sich außerhalb meines Blickfeldes gerade eine hydraulische Tür. Dann plötzlich steht eine Frau vor der Gittertür: Eine kleine Brünette, deren Gesicht mir vage bekannt vorkommt. Sie trägt ein apricotfarbenes Top, das mir ebenfalls vage bekannt vor kommt.
»Ein Glück, du lebst noch!« sagt sie. Da es wesentlich schlimmere Dinge gibt, die sie sagen könnte, entspanne ich mich ein wenig. Meine Verwirrung lindert es allerdings kaum. Auf meiner Festplatte sind ein paar Blocks ernsthaft durcheinander geraten.
Nach einem scheinbar endlosen Moment, den die Frau dazu nutzt, mich sichtlich amüsiert in meiner Nackheit zu begutachten, gelingt es mir schließlich zu sprechen: »Ich kenne Dich.«
»Das will ich doch hoffen. Immerhin bin ich in dich verliebt. Glaube ich«, fügt sie ein wenig skeptisch hinzu. Sie hält ein Bündel hoch. »Ich habe deine Kleidung mitgebracht. Ich hol dich jetzt hier raus.«
»Das ist wirklich nett, äh ... «
»Josi«, hilft sie mir auf die Sprünge. Naja, angesichts der Situation schlage ich mich dialogmäßig immerhin noch ganz akzeptabel.
»Josi, okay. Äh ... könntest Du mir vielleicht erklären, was hier eigentlich vor sich geht?«
»Wenn es sein muss ... « Und während sie die Zelle öffnet und ich in meine Klamotten steige, erzählt sie mir eine haarsträubende Story von einer außerirdischen, rein weiblichen Superrasse, irgendwelchen Kolonisations-Verfahren, Genetik-Scouts und Brutmüttern, von ihren persönlichen Gewissensbissen, Männer erst leerzuficken und anschließend ihren Planeten zu entvölkern, von dem seltsamen Augenblick am vergangenen Abend, als sie sich plötzlich ihres Hasses auf ihre eigene Rasse und deren Methoden bewusst wurde, während sie mit einem Mann sprach, der so ganz anders war als alles, was ihr bisher so begegnet ist (damit meint sie offenbar mich!) und von ihrem Plan, mich zu befreien und mit mir durchzubrennen - ein Plan, mit dem ich mich spontan einverstanden erkläre. Ansonsten allerdings habe ich wenig bis gar nichts kapiert.
»Wie war das?« frage ich, als sie fertig ist.
Winnie, der die ganze Zeit schweigend zugehört hat, beweist nun, dass auch durch den Konsum von RTL-Spätfilmen erworbene Bildung nicht vollkommen nutzlos ist: »Sie sind mutierte Killer-Lesben vom Jupiter, die die Erde erobern wollen«, fasst er Josis Erzählung in einem Satz zusammen. »Könnte ich vielleicht auch eine Hose bekommen?«
»Tatsächlich? Vom Jupiter?« Mein Vermögen, sinnvolle Fragen zu wichtigen Sachverhalten zu formulieren, ist offenbar am Abend zuvor an der Innenseite eines Longdrinkglases kleben geblieben.
Josi hebt skeptisch die Augenbrauen. »Etwas weiter«, sagt sie dann. »Ist das jetzt wirklich wichtig?«
»Ähm ... nein, eigentlich nicht. Und du bist wirklich in mich verliebt?« Ich habe beschlossen, die absurdesten Teile der Situation zuerst zu klären.
Josi legt den Kopf schief und sieht mich lange an. »Schätze schon«, sagt sie dann. »Zumindest fühlt es sich genau an wie das, vor dem uns die Instruktorinnen immer gewarnt haben. Ich meine: Ich sah dich und Fatima und war ... eifersüchtig. Das hat was zu bedeuten, stimmt’s? Ich kenne mich da nicht so aus.«
»Äh ... ja! Auf jeden Fall!« Mein Gefühl sagt mir, dass jede andere Antwort uns in noch größere Schwierigkeiten bringen würde. Und sie scheint eigentlich gar nicht mal so übel zu sein.
»Hallo«, meldet sich Winnie dazwischen. »Ich? Hosen?«
Josi bedenkt ihn mit einem zutiefst abschätzigen Blick. »In dich bin ich nicht verliebt.«
»Ähm ... «, mische ich mich ein, »er ist ein Freund, also wäre es schon nett, wenn wir ihn mitnehmen könnten.«
Sie zögert. Ich tue Winnie aus mir selbst nicht ganz plausiblen Gründen den Gefallen und füge hinzu: »Bitte. Mir zuliebe.« Dabei setze ich meinen charmantesten Blick auf, der eingedenk meines Zustandes zu diesem Zeitpunkt eigentlich in etwa den gleichen erotisierenden Effekt haben dürfte, wie ein pelziger Joghurt und eine Flasche warmes Pils zum Frühstück - wider Erwarten scheint es trotzdem zu funktionieren.
»Na gut, wenn dir so viel daran liegt. Warte einen Moment.«
So ist das also, wenn eine Frau in einen verliebt ist. Offenbar reduziert das Gefühl tatsächlich die optischen Fähigkeiten.
»Süßer Käfer«, meint Winnie, während er ihr hinterherstarrt, »netter Arsch.«
»Sie ist gerade dabei, unsere Ärsche zu retten, also zeig gefälligst ein bisschen Respekt!«
»Jaja, schon klar. Glaubst du wirklich, die kommen von einem anderen Planeten?«
»Was weiß ich? Vielleicht nur irgendeine durchgeknallte Sekte oder sowas.«
»Naja, in der Reiterstellung sind sie jedenfalls unschlagbar.«
»Du bist absolut unmöglich, weißt du das?«
»Und du bist einfach total verklemmt. Ich kann ja verstehen, dass die Schicksen mein Sperma wollen, aber was sie an dir finden, ist mir ein Rätsel.«
»Drohnen-Material«, sagt Josi, die unvermittelt wieder im Türrahmen aufgetaucht ist, in der Hand einen Lumpen, bei dem es sich offenbar um eine Art Arbeitshose handelt. »Intelligent und gefügig.« Sie wirft Winnie den Lumpen zu. »Anziehen!« kommandiert sie. »Wir haben nicht viel Zeit.«
»Intelligent, soso«, wiederhole ich grinsend und deute in einem Anfall von Gehässigkeit, den ich mir einfach nicht verkneifen kann, auf Winnie. »Und was wollt ihr dann von ihm?«
Josi grinst zurück: »Soldaten-Material. Die haben wir gerne dumm und gefügig.«
»Was fürn lausiger Fetzen«, beschwert sich Winnie, der wie üblich nichts mitgekriegt hat, als er nach Einstieg in das ihm zugedachte Kleidungsstück an sich herabsieht. »Dabei war meine Jeans eine echte Diesel. Miese Weltraum-Luder, einem Mann einfach seine Hose zu klauen ... «
»Ich bin saufroh, dass du nicht ausgerechnet ihn als repräsentativ für mein Geschlecht betrachtest.«
»Oh, er ist schon ziemlich repräsentativ«, erwidert Josi, »aber bis gestern war mir nicht klar, dass es auch Ausnahmen gibt. Allerdings hab ich ehrlich gesagt die ganze Propaganda nie so wirklich geglaubt.«
»Propaganda?«
»Naja, dass Männer alle von einem urzeitlichen Wurm im Kleinhirn symbiotisch gesteuert werden. Angeblich seid ihr alle nicht viel mehr als sprechende Fleischklumpen.«
»Eure Oberindianerinnen sind nich besonders gut auf Jungs zu sprechen, was?« Winnies übliche, aus amerikanischen Action-Filmen destillierte Stressbewältigungsstrategie bestand seit jeher darin, zu allem einen blöden Spruch abzulassen. Josi kneift argwöhnisch die Augen zusammen. »India...was?«
»Vergiss es. Er ist halt eins von den Wurmexemplaren. Kannst Du uns jetzt vielleicht hier rausbringen?«

Natürlich ist die unterirdische Zentrale ein absolut undurchschaubares Labyrinth, in dem selbst erfahrene Laborratten irgendwann anfangen würden, Karten zu zeichnen und den Schöpfer zu verfluchen. Insofern ist es dramaturgisch zwingend, dass wir uns früher oder später verfranzen und an einer der zahllosen Wegkreuzungen einer Patrouille in die Arme laufen, in diesem Fall zwei stinkwütenden und schwer bewaffneten Killerlesben unter der Führung von Fatima persönlich. Bei ihrem Anblick kann ich spüren, wie meine Eier anschwellen.
Nicht jetzt, Jungs! Das hier ist wichtig!
»Sieh an, was wir da haben«, schnurrt Fatima im arrogantesten Tonfall westlich von Alpha Proxima. »Zweimal Gene und eine Verräterin.«
Eigentlich ist dies der Zeitpunkt für dramatische Wortduelle, die den Konflikt herausarbeiten und das anschließende Gemetzel, das die Helden anrichten, moralisch rechtfertigen. Zum Glück hält Josi nicht viel von pulikumswirksamem Geschwafel, sondern ist von einem nahezu erotischen Pragmatismus beseelt.
»Wenn es soweit ist, lauft durch die linke Tür«, zischt sie durch den Mundwinkel, während Fatima irgendwas aus der »Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!«-Schublade vor sich hinschwafelt.
Ich will gerade fragen, woran wir merken, dass es soweit ist, als es auch schon unmißverständlich so weit ist: Josi unterbricht die dramatische Routine und springt direkt zum Showdown, indem sie unvermittelt das Feuer eröffnet, noch bevor die momentane Arroganz der Patrouille in Wachsamkeit oder etwas ähnlich unbequemes umschlagen kann.
Das Chaos ist perfekt. Rauch quillt aus allen möglichen Ecken, Glas- und Metallsplitter fetzen auf entschieden mörderische Art und Weise durch den Raum. Fatima taucht blitzschnell ab, die beiden Killerlesben lösen sich indes in qualmende Einzelteile auf. Alles versinkt in Trümmern aus aufgescheuchtem Gestein und zerschossener Inneneinrichtung.
Ich folge treu der letzten Anweisung, renne auf die linke Tür zu und tauche in den Gang dahinter ab. Ein Blick über die Schulter verrät mir, dass Josi soeben dem total desorientierten Winnie einen Tritt in den Hintern verpasst und ihm die Richtung anzeigt.
»Immer geradeaus«, höre ich sie rufen. »Da geht es zu einem Notausgang.«
In der Tat erreiche ich wenig später einen Raum mit einer großen Tür am fernen Ende, die über und über mit verschiedenen Symbolen und wichtigtuerischen Querstreifen zugekleistert ist. Neben der Tür prangt ein großer roter Knopf. Ein Schild direkt darüber erklärt in für mich unverständlichen Schriftzeichen offenbar die Bedienung. Typisch. Offenbar gibt es überall im Universum Anwender, denen man wirklich alles erklären muss. Ich hebe die Hand. Noch ein paar Sekunden, dann sind wir hier raus ...
»Nicht drücken!« brüllt Josi und schubst mich beiseite, bevor meine Hand den Knopf erreichen kann.
»Nicht?«
»Auf keinen Fall!«
Das provoziert einige wirklich pfiffige Fragen: »Warum nicht?«
»Damit permutiert man die kongruente Hyperdilatations-Matrix oder sowas.«
»Damit... was ... man die was
»Was weiß denn ich? Ich bin Genetik-Scout, keine Ingenieurin. Die haben uns nur immer wieder gesagt, wir sollen auf keinen Fall den Knopf drücken. Unter gar keinen Umständen.«
»Weil sonst furchtbare Dinge geschehen, stimmt's?«
»Ja, ich glaube, das war der Grund.«
»Clever«, knurre ich, »einen Knopf zu konstruieren, der niemals, unter gar keinen Umständen, gedrückt werden darf. Und ihn dann direkt neben einem Notausgang anzubringen. Was soll das sein? So eine Art Idiotentest der besonderen Art?«
In diesem Moment stolpert Winnie durch die Tür, begleitet von einigen Rauchschwaden und dem Echo weit entfernten Lärms, der darauf hindeutet, dass sich die Damen des Hauses soeben einen Weg durch die Trümmer bahnen.
»Ah, endlich! Der Notausgang!« Er taumelt zwei Schritte nach vorne und wirft sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Knopf ...
Ein paar Sekunden lang geschieht gar nichts.
Dann passiert noch eine Weile nichts.
Schließlich hat die Weile eine Länge erreicht, die vermuten lässt, dass auch weiterhin nichts passieren wird. Winnie hämmert mit der typischen Ungläubigkeit eines durchschnittlichen Homo Sapiens beim Anblick eines Aufzugs mit einem großen »Defekt«-Schild auf der Tür noch ein paar Mal wütend gegen den Knopf. »Das Scheißding ist kaputt!«
Josis Gesicht, in das allmählich das Blut zurückkehrt, verzerrt sich zu einer verärgerten Grimasse. »Die haben uns angelogen ... «
Ich kann mir ein sarkastisches Seufzen nicht verkneifen: »Was für eine Überraschung. Und wie kommen wir jetzt hier raus?«
Josi sieht mich an. In ihrem Blick lodert eine unheimliche Entschlossenheit. »Es gibt noch etwas anderes, von dem man uns gesagt hat, wir sollten es auf keinen Fall tun. Würde mich interessieren, ob das auch gelogen war.«
»Und das wäre?«
»Den Hauptgenerator überlasten. Angeblich ist das schlecht. Unter anderem, weil dann ... « Sie grinst. Aus irgendeinem Grund wirkt es so dermaßen wild, gefährlich und sexy, dass ich unvermittelt einen Ständer bekomme. » ... die Türsteuerung ausfällt.«
»Hört sich gut an«, ertönt Winnies Stimme über das näher kommende Getrappel von schweren Killerlesben-Stiefeln auf Metall. »Der Knopf da hat's ja nich so gebracht.«
»Natürlich fliegt dann auch der Stützpunkt in die Luft«, ergänzt Josi, immer noch grinsend. »Ihr solltet also besser schnell verschwinden, sobald die Tür offen ist.«
Irgendwo in mir zwickt etwas, von dem ich nicht mehr wusste, dass ich es noch habe. »Und du?«
»Ich werde mich wohl auch beeilen müssen.« Sie zieht mich an sich und gibt mir einen Kuss.
»Danke«, sagt sie als Letztes. Dann hebt sie in eindeutiger ›Denen zeig ich's!‹-Geste ihre Waffe und rennt ohne ein weiteres Wort in den Gang zurück. Man hört gedämpftes Geballer, ein paar Schreie, das Klirren von Metall. Dann eine lange Stille.
Als ich gerade denke, dass die Zeit für immer in diesem eingefrorenen Zustand verharren wird, zerreisst eine Sirene die Stille. Offenbart hat Josi den richtigen Knopf erwischt. Ein paar Sekunden später rumpelt es unter unseren Füßen. Winnie stöhnt genervt: »Hört das denn nie auf?«
Aus der Tiefe des Ganges hört man eine erstickte Explosion, die offenbar eine Menge Metall in ihrem Weg zerfetzt, denn das Klingeln und Kreischen mißhandelten Stahls überdauert den Knall. Das Licht flackert und geht aus. Für ein paar Sekunden sind wir von absoluter Finsternis umgeben, bevor winzige batteriegetriebene Notlichter einen schwachen grünlichen Schein verbreiten. Es ist das typische Erdbeben-und-totale-Zerstörung-Szenario: Das spärlich ausgeleuchtete Bild wackelt ständig, undefinierbarer Lärm, noch mehr Rauch, der aus dem Gang zu uns rein weht. Und dann - mit einem kaum hörbaren Zischen gut gewarteter Hydraulik - öffnet sich die Tür. Mechanische Notfall-Automatik. Gepriesen sei der universal gültige Mechanismus von Schadensersatzklagen und daraus resultierenden Sicherheitsvorschriften. Er hat wieder ein paar Leben gerettet. Hoffentlich.
Beeil dich, Josi! Sonst wird das die kürzeste Affäre der Weltgeschichte ...
Ich verpasse Winnie einen hilfreichen Tritt, um ihn aus seinem Lamento aufzuwecken, dann renne ich los.

Selbst unter Hypnose werde ich wahrscheinlich niemals genau erklären können, wie ich tatsächlich da rausgekommen bin. Die engen Treppen hinauf, durch eine weitere offen stehende Stahltür, dann durch die inzwischen menschenleere Bar, die aus irgendeinem Grund an etlichen Ecken in Flammen steht. Vielleicht gehört das einfach zum Programm, wenn man das unterirdische Labor einer menschenfeindlichen Superrasse kaputt macht. Eigentlich fehlen nur noch Praktikanten, die Pappmaché-Felsbrocken auf mich regnen lassen ...
Ich stürze durch die Vordertür hinaus auf die Strasse. Keinen Augenblick zu früh. Hinter mir verwandelt eine Explosion das gesamte Gebäude in einen mächtig heißen Spezialeffekt, der mir Arsch und Hemdkragen versengt, bevor ich auf der anderen Straßenseite hinter einem Volvo in Deckung hechten kann. Dort bleibe ich erstmal eine Weile liegen, atme schwer und versuche einfach nur, nicht zu sterben. Mein Körper fühlt sich Bit für Bit so an, als hätte man die ganze Nacht hindurch die unaussprechlichsten Sachen mit ihm angestellt – was ja auch der Fall ist. Ich muss ihn nur davon überzeugen, dass ein sofortiger Systemausfall trotz allem keine Lösung ist. Es gelingt mir mehr oder weniger. Als ich nach einer kleinen Ewigkeit, während der unablässig Funken und diverse gegrillte Alien-Körperteile auf alles in der Umgebung herabregnen, Feuerwehrsirenen höre, beschließe ich, dass es Zeit ist aufzustehen. In einer Schwerkraft-Umgebung mit immensem Aufwand verbunden, wie ich feststellen muss.
Nachdem ich mich aufgerappelt habe, erlaube ich mir einen Blick auf das rauchende Loch im Boden, das einst das »Purple Hazard« gewesen ist. Beinahe erfasst mich ein bißchen Wehmut bei der Erinnerung an die sexy Alien-Lesben.
Okay, sie waren fies, herzlos und wollten den Planeten unterjochen. Aber die Fickerei war einzigartig! Fatimas Becken in Bewegung, ihre geschmeidige Möse im Schlangentanz auf meinem Schwanz ... allein die Erinnerung daran macht mir noch immer einen Harten. Man sollte ein paar Spezialisten dran setzen, dass sie den Code für diese Beckenbodenmuskulatur auch bei unseren Frauen implementieren. Das wäre mal ein sinnvolles Upgrade!
Dann denke ich an Josi, die inzwischen mit ziemlicher Sicherheit tot ist. Bis ich dieser Tatsache allerdings erlaube, meine volle Aufmerksamkeit zu erringen und entsprechendes Bedauern zu verursachen, liege ich hoffentlich schon sturzbetrunken unter einem Couchtisch voller Wodkaflaschen und kuschele mich an schlecht gepflegtes Baumarkt-Laminat. Für den Augenblick will ich nur noch nach Hause.
Mir auch wurscht, wo Winnie abgeblieben ist. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, ist er einen Meter hinter mir gewesen, er dürfte es also auch geschafft haben, wenn auch mit ein paar beachtlichen Brandblasen am Hintern. Wahrscheinlich hängt er gerade halb bewußtlos über einer Motorhaube und überlegt, wie er das alles in eine möglichst heldenhafte und halbwegs glaubhafte Geschichte für seine Edeka-Azubine – wahrscheinlich die einzige Frau über vierzehn, die nachweislich noch nicht seine Hand in ihrem Schlüpfer hatte - verpacken soll. Ich schleppe mich davon, durch Trümmerstücke, Lesbenüberreste und verbeulte Autos hindurch, zur direkt um die Ecke gelegenen Bushaltestelle. Bloß weg von hier.
Die Illuminaten-Oma vor der West-Reklame am Haltepunkt Gotenstrasse beäugt mich misstrauisch, als ich mich nach einem erschöpften Blick auf den Fahrplan in einen Gittersitz fallen lasse. Der nächste Bus fährt in drei Stunden ...
In einer perfekten Geschichte mit Sinn für poetische Gerechtigkeit hätte Gott in diesem Moment Claudia erscheinen lassen, direkt vor mir auf der Straße, damit ich sie mit einem zufällig gerade rumliegenden Killerlesbenunterarm grün und blau kloppen könnte dafür, dass sie mir diesen ganzen Humbug eingebrockt hat. Naja, oder wenigstens ein paar Beulen in ihren Scheißkombi hauen. Auch eine Abordnung einer dankbaren Regierung, die mich mit kostenlosen Softdrinks und einer Taxifahrt nach Hause überschüttet, käme jetzt durchaus gelegen. Aber nichts dergleichen geschieht.
Statt dessen, das weiß ich genau, werde ich am folgenden Morgen bloß wieder einen lausigen Brief vom Finanzamt in meiner Post finden, in dem man mir berichtet, wie überaus amüsant man die Lektüre meiner letzten Einkommenssteuererklärung gefunden habe und wann ich beabsichtige, die richtige Erklärung zu schicken. Habe ich das verdient, als Retter des Planeten? Ich denke nicht. Irgendwann muss mal Schluss sein. Genug. Buffer Overflow. Reboot Universe ...

 

Servus!

Also wirklich diese Geschichte hat mich umgehauen! Ich habe sehr, sehr selten bei der Lektüre von Kg´s so lachen müssen. Wahnsinn.

"Sie windet sich, bebt und zuckt, fickt sämtliche Luftmoleküle auf der Bühne so gründlich durch, dass man förmlich sehen kann, wie sie sich danach einen Stuhl nehmen und eine Zigarette rauchen müssen."

das ist für mich eine der herrlichsten Stellen. Wirklich sehr gelungen. Kritik habe ich keine, zumal ich mir auch nicht anmaße etwas zu kritisieren, was ich nicht mal im ansatz so hinkriegen würde.

Fazit: bitte mehr davon! :thumbsup:

Grüße Nightwatcher

 

Oha!

Da ist doch mal wieder ein kurzes "Danke, Jungs und Mädels und andere!" fällig! :)

Bin nach wie vor freudig überrascht, welchen Anklang dieses Dingsbums findet - offenbar ist der Markt für Erotik-SF-Action-Trash noch nicht ausgerezit... :D

 

Hach ja! Herrlich!

Endlich hab ich mal Zeit gehabt für Hornis legendäre Killerlesben, nachdem man mir schon mehrmals in dunklen Ecken diesbezüglich ein "Musst du unbedingt mal ..." und "... echt noch nicht gelesen?" zugeraunt hat. :cool:

Und ich hab keine Sekunde bereut - im Gegenteil! "Was, schon fertig? Och nö!" Ich hätte noch bis morgen früh weiterlesen können, wie der Prot seine ganz private Killerlesbe (die natürlich durch ein Wunder und/oder einen Knick im Raum-Zeit-Gefüge überlebt hat) in seinen öden Speicherplatz integriert und mit ihr Volkshochschulkurse zur Beckenbodenoptimierung von Parfümfachverkäuferinnen anbietet ... oder was auch immer - hauptsache in gleichem Stil und gleicher Tonart. :D

Mein absoluter Lieblingssatz:

Wenn eine Frau wie Fatima von einem verlangt, nur unter Einsatz der Sackbehaarung den Nordpol neu zu streichen, dann fragt man nur noch, in welcher Farbe.

Mehr!

kira.

 

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