Kimberley
Thomas hatte sich gerade rasiert und das Bad verlassen, als das Telefon läutete. Schnell hastete er ins Wohnzimmer, stolperte über seine Jeans, die er sich noch nicht angezogen hatte, und riss den Hörer hektisch vom Telefon.
„Thomas Fitschen“, sagte er.
„Guten Morgen“, sagte die angenehme Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ich habe Ihre Annonce im Tagesanzeiger gelesen. Sie suchen eine Drei-Zimmer-Wohnung?“
Thomas verschlug es fast die Sprache. Es war gerade mal halb acht am Morgen, und schon rief jemand an, der auf sein Inserat antwortete.
„Ja, die suche ich.“ Er war etwas überrumpelt, obwohl er mit einem Anruf hätte rechnen müssen.
„Sitzen Sie?“
„Noch nicht“, sagte Thomas. Er freute sich, dass die Stimme so freundlich und hell klang. Wie ein Engelchen. Welch Balsam auf seiner geschundenen Seele. „Muss ich denn?“
„Oh, ich denke, das sollten Sie. Ich habe nämlich eine echte Topwohnung in einer super Lage.“
Thomas lachte auf. Er freute sich darüber, dass es anscheinend so schnell klappte mit der neuen Wohnung. In den letzten Wochen, nachdem Janina ihn verlassen hatte, hatte er nicht mehr an solch ein Glück geglaubt. Im Gegenteil. Er hatte sich verkrochen und gedacht, das Glück wäre auf und davon. Es hätte sich von ihm gelöst und die Flucht ergriffen. Ciao, alter Knabe Thomas, auf nimmer Wiedersehen! Doch jetzt lockerten sich die Wolken am Horizont. Janina war ausgezogen, Thomas begann ein neues Leben mit neuer Wohnung.
Er setzte sich auf den Sessel nahe dem Fenster.
„Wo liegt die Wohnung denn?“, fragte er grinsend und etwas außer Atem.
„Nahe dem Stadtweiher. Im Park. Sie haben eine tolle Aussicht, und das alles auf großzügigen fünfundneunzig Quadratmetern.“
Thomas nickte langsam.
„Und das alles … ich meine, zu dem Preis, den ich bereit bin zu zahlen?“ Thomas konnte sich das kaum vorstellen. Eigentlich waren die Wohnungen dort unten überteuert.
„Was dachten Sie denn, Herr Fitschen? Ich rufe doch nicht an, wenn mein Angebot nicht auf Ihre Annonce zutrifft.“
Thomas drückte die Daumen. Eine Wohnung am Stadtweiher. Im Grünen. Ruhe. Nach all dem Stress, den Streitereien mit Janina.
„Ich möchte nicht indiskret sein.“
„Was möchten Sie wissen?“, fragte Thomas, der sich von der sanften Stimme einlullen ließ.
„Darf ich fragen, warum Sie eine neue Wohnung suchen?“
Thomas runzelte die Stirn und nahm den Telefonhörer in die andere Hand.
„Ähm, natürlich. Obwohl ich nicht weiß …“
„Oh, Sie brauchen es mir nicht zu sagen.“
Thomas biss die Zähne zusammen. Das war nicht die richtige Antwort gewesen. Schließlich wollte er diese Wohnung, unbedingt. Warum sollte er es nicht erzählen? Es war kein Geheimnis. Und Geheimnisse waren kein gutes Fundament für ein neues Mietverhältnis. Er wollte in diese Wohnung am Stadtweiher.
„Tut mir Leid“, sagte Thomas. „Das war nicht nett von mir. Ich habe mich von meiner Freundin getrennt. Besser gesagt … sie sich von mir.“
Am anderen Ende Schlucken. Dann: „Oh, das tut mir leid. Wie lange waren Sie denn zusammen?“
Thomas runzelte wieder die Stirn. Was zum Teufel sollten diese absurden Fragen?
„Vier Jahre“, antwortete er dennoch. Er sah sich schon in jener hellen Wohnung im Park sitzen, vom Balkon schauen, draußen frühstücken.
„Waren diese Jahre schön?“
„Ja. Zum größten Teil.“ Thomas dachte zurück. „Bis auf das Ende war es eine tolle Beziehung.“ Er nickte stumm, die Augen leer und mit seinen Gedanken weit, weit weg.
„In allen Belangen würden Sie sagen, Herr Fitschen? Oder darf ich Sie Thomas nennen?“
Thomas schreckte aus seinen Gedanken auf. Was war nun mit dieser Wohnung? Er wollte nicht unhöflich werden, doch allmählich spürte er das Blut in seinen Schläfen pulsieren.
„Darf ich?“
„Von mir aus gerne“, erwiderte Thomas und rang sich ein gequältes Lächeln ab. Er wurde ungeduldig.
„Also, war die Beziehung in allen Belangen toll?“ Die sanfte Engelsstimme betonte das Wort „allen“.
Thomas zwinkerte nervös mit den Lidern. Dann stand er auf und schaute aus dem Fenster.
„Was meinen Sie?“, fragte er.
„Nun ja … waren auch Ihre sexuellen Erlebnisse einen Preis wert?“
Thomas musste schlucken, und ein unsichtbarer Kloß wanderte durch seine Kehle und verschnürte sie.
„Was … was … zum Teufel … .“ Thomas brach überrascht ab.
„Antworten Sie mir, Thomas. Sie wollen doch diese hübsche, riesige, ruhige und auf Sie zugeschnittene Wohnung. War Janina gut im Bett?“ Eine kurze Pause, ein lautes Stöhnen. „Anders gefragt: Hat ihre Pussi Sie zum Stöhnen gebracht? Hat das kleine Luder es Ihnen ordentlich besorgt?“
Wieder ein Stöhnen, dann ein Knacken in der Leitung.
Thomas stotterte, doch er brachte keinen vollständigen Satz heraus.
„Ich habe wirklich diese Wohnung für Sie, Thomas. Aber ich möchte auch etwas über Sie wissen, verstehen Sie?“
Nein, das verstand er nicht. Ganz und gar nicht. Die Grenze war überschritten. Thomas’ Freundlichkeit zerriss langsam wie ein überlasteter Bindfaden.
„Was erlauben Sie sich?“, fragte er leise.
„Es tut mir leid, wenn Sie meine direkte Art anstößig finden. Aber ich hatte auch schon lange keinen Partner mehr. Ich dachte, wir können uns eventuell austauschen.“
Das musste ein schlechter Traum sein. Dieses Gespräch lief eindeutig in die falsche Richtung.
Thomas fasste sich wieder und sagte mit klarer, ernster Stimme: „Haben Sie diese Wohnung jetzt oder nicht?“
Am anderen Ende Stille. Thomas hasste sich für seine aufkeimende Unfreundlichkeit. Hatte er dieser Stimme doch zuvor seine volle Sympathie geschenkt.
„Ich habe die Wohnung, Thomas. Aber bitte, lassen Sie uns noch etwas reden.“
Thomas schüttelte den Kopf und drückte lächelnd die Augen zusammen. Ein Albtraum. Ein verdammter Tagalbtraum.
Er setzte sich wieder.
„Wenn Sie wirklich Interesse an dieser Wohnung haben, erzählen Sie mir, wie Janina es Ihnen besorgt hat. Bitte.“
Thomas atmete schwer aus.
„Sie nennen mich die ganze Zeit beim Vornamen. Wie darf ich Sie nennen?“
„Kimberley.“
Thomas nickte bedächtig und knabberte an seinem Finger. Offensichtlich ein Fantasiename. So, so. Es sollte ein Spiel sein. Dann spielte er halt mit, immer die Parkwohnung am Stadtweiher vor Augen.
„Janina war eine Granate“, sagte er. Thomas hatte das Gefühl, nicht seine eigene Stimme zu hören. Diese Stimme schien jemand anderem zu gehören. Jemandem, der weit draußen im All schwebte, und dessen Stimme zur Erde hallte und durch seinen Mund drang wie eine sich windende Schlange. „Ja, die ersten Jahre hatten wir viel Spaß miteinander.“
Er machte eine Pause. Kimberley stöhnte.
„Ich möchte Details hören, mein Süßer. Und ich will, dass du dich dabei anfasst.“
Thomas hielt inne.
„Wo?“, fragte er wie ein naiver Schuljunge.
„An der Nase“, sagte Kimberley ironisch. „Kleiner Trottel. Wo wohl?“
Thomas fand es abartig und widerlich. Er machte so etwas zum ersten Mal. Vielleicht sollte er auflegen und auf den nächsten Anrufer warten. Nein, schlechte Idee. Es ging um eine Wohnung am Stadtweiher. Und wenn Kimberley gar keine Wohnung dort besaß?
Und wenn schon. Hier sah ihn niemand, und es hörte ihn niemand. Wenn alles gut lief, würde er bald die Wohnung mieten.
„Dann sage ich es dir halt“, flüsterte die zarte Stimme am anderen Ende. „Öffne deine Hose.“
Thomas schaute hinab. Er saß hier nur in Unterhose.
„Schließe dann deine Augen und höre mir zu. Langsam wandern deine Fingerspitzen unter den Stoff deiner Unterhose.“
Thomas tat es. Warum, wusste er nicht. Schließlich konnte ihn Kimberley nicht sehen.
Aber irgendwie fand Thomas Gefallen daran. In diesem Spiel lag der Nervenkitzel.
„Spürst du ihn in der Hose?“, fragte Kimberley aufstöhnend. „Dann spiele mit seiner Spitze, reibe daran.“
Thomas tat, wie ihm befohlen. Und es dauerte nur Sekunden bis er das Ergebnis seiner Bemühungen unterhalb des Stoffes spürte.
„Oh ja, er wird härter. Ich spüre es durch den Hörer. Aus dieser gelenkigen, weichen Schlange wird langsam ein pochender, strammer Mast, nicht wahr? Sag es mir.“
Thomas keuchte kurz. Ein Kribbeln strömte durch seinen Unterleib, und er bäumte sich kurz auf.
„Ja, er steht. Prall und stramm.“
Kimberley keuchte und lachte kurz.
„Genau“, sagte die Stimme. „Und … pocht er schon? Spürst du das Blut durch die Adern schießen?“
„Ja.“
„Jetzt umschließe ihn mit der ganzen Handfläche. Ja, er füllt deine Hand aus, nicht wahr? Männlich und aufgerichtet drückt er gegen deine Handinnenfläche und scheuert daran auf und ab. Habe ich Recht, Thomas, mein Süßer?“
Wieder bejahte Thomas das Gesagte. Die Wohnung war weit weg, stattdessen strömte die Lust durch seine Gedanken, durch seinen Arm bis in die Hand, die dort unten rieb und sanft drückte. Das machte Spaß. Tatsächlich. Es bereitete ihm ungeheure Lust.
„Jetzt reib auf und ab, spiele ein wenig mit der Spitze.“ Dann ein leiser Aufschrei aus dem Telefonhörer. „Oh, mein Gott, bei mir ist es gleich soweit.“
Thomas rieb. Der Satz von Kimberley stachelte ihn weiter an, erregte ihn.
„Spürst du es bei dir?“, fragte Kimberley.
„Fast“, sagte Thomas und warf sich in den Sessel zurück, während seine Hand ganze Arbeit leistete.
„Stell dir vor, Janina hockt vor dir“, stöhnte Kimberley. „Wie hat sie es dir gemacht, häh? Zieh deine Unterhose herunter und sieh ihn dir an.“
Thomas öffnete die verträumten Augen, zog die Hose am Bund herunter und starrte auf seine Hand, welche dieses unbändige, rote Tier rieb.
„Hatte sie eine spezielle Technik? Sag es mir, bitte.“ Kimberley bettelte und flehte. Die Stimme verzehrte sich nach mehr Informationen.
„Mit dem Mund“, stöhnte Thomas. „Mit der Zunge.“
Kimberley lachte und schrie auf.
„Ich habe es geschafft“, sagte die zarte Stimme, und Thomas hörte einen Hauch von Erleichterung. „Ich bin gekommen. Jetzt du, Thomas. Stell dir vor, Janina umschließt ihn mit den Lippen, ihre Zunge gleitet feucht auf und ab, rutscht wie an einer langen, fetten Zuckerstange. Verstehst du?“
Thomas Hand rieb schneller, fuhr auf und ab. Das Kribbeln seines Unterleibes verstärkte sich, ein leichter Druck baute sich auf, strömte vorwärts und ergoss sich nach einigen kräftigen Stößen in die Handinnenfläche.
Thomas stöhnte, er sah Sterne tanzen, und seine Hand drückte ihr Innenleben kräftig zusammen, presste den Rest heraus, wie den Saft aus einer zerdrückten Orange.
Es entstand eine Pause, während der Thomas sich wieder sammelte. Er zog ein Taschentuch zu Hilfe. Er fühlte sich befriedigt und wohl. Andererseits konnte er es nicht glauben, dass er das eben getan hatte. Es hatte nicht länger als zwei Minuten gedauert.
„Bist du noch da?“ Kimberley klang erschöpft.
Thomas nickte und lehnte sich wieder zurück.
„Ja, das bin ich. Was ist jetzt mit der Wohnung am Stadtweiher?“ Die Erregung war abgeklungen, seine Männlichkeit passte wieder in die knappe Unterhose. Jetzt hatte die Wohnung wieder Vorrang. „Die gibt es gar nicht, habe ich Recht?“, sagte er nickend.
„Du hast Recht“, sagte Kimberley, oder wie auch immer die Person heißen mochte. „Es gibt keine Wohnung. Zumindest besitze ich dort keine.“
Stille. Dann sagte die Stimme: „Aber ich hoffe das war eben trotzdem der Höhepunkt deines Tages. Mir hat es gefallen. Ich mache so etwas öfter.“
„Dann muss ich wohl weitersuchen“, sagte Thomas. Er beugte sich vor. „Eins will ich noch wissen: Kimberley kannst du nicht heißen. Wie ist also dein richtiger Name.“
„Norbert. Meine Freunde nennen mich Nobby. Aber das ist alles, was du von mir erfährst. Schönen Tag.“
Der Mann legte auf.