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Klack

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24.01.2006
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Klack

Klack, Klack, Klack. Da war es wieder! Klack, Klack, Klack. Dieses monotone Geräusch, das mich langsam wahnsinnig machte. Drei Stunden lag ich nun schon wach und lauschte dem Klopfen meiner Heizung. Irgendwann wird es schon aufhören. Nach der Zeit hörst du es nicht mehr, hatte ich mich beruhigt. Von wegen! Sie klopfte immer weiter. Derselbe Rhythmus, wieder und wieder ... Gleich ... Gleich klopft es ... Jeden Moment ...
Stille! Was war los? Wo blieb das Klopfgeräusch? Es kam nicht. Diese Ruhe ... Herrlich! Ich drehte mich um und war bereit, ins Reich der Träume zu gleiten. Noch ein paar Sekunden hätte es gedauert, bis ich eingeschlafen wäre. Klack. Erst ganz leise, dann etwas lauter. Klack. Der Heizkörper schien mich zu verhöhnen. Er hämmerte jetzt zwar nicht mehr so laut, aber genau das machte mich noch rasender. Ich war wieder hellwach. Ich raschelte mit der Bettdecke, rieb mit meiner Handfläche über die Matratze, zerknitterte mein Kissen, nur um ein anderes Geräusch, als dieses entsetzliche Klack zu erzeugen. Nach einer Weile hörte ich damit auf. Vielleicht war es ja inzwischen verschwunden. Lautlos im Bett liegend wartete ich auf das Klopfen. Eine Sekunde ... Immer noch Stille ... Ein weitere Sekunde ... Alles ruhig. Es ist weg. Ja, es ist weg, jubelte ich. Klack, antwortete die Heizung. Ich hielt es nicht mehr aus, schlug mit voller Kraft gegen den Heizkörper und schrie: „Ahhh, du verdammtes Drecksding!“
Den Rest der Nacht verbrachte ich im Wohnzimmer. Als ich am darauf folgenden Morgen erwachte, fühlte ich mich wie gerädert. Mein 1,20 Meter Sofa war viel zu klein für meinen 1,90 Meter langen Körper. Ziemlich zerknittert ging ich zur Arbeit. Wenigstens heute Abend wirst du gut schlafen, tröstete ich mich. So richtig glaubte ich aber nicht daran, denn ich besorgte mir in einem Drogeriemarkt Ohropax.
Um neun ging ich zu Bett. Sofort meldete sich wieder mein Freund, die Heizung. Klack, Klack, Klack. „Schlaf schön“, sagte ich zu ihr und stopfte mir den Schlafanzug in die Ohren. Dieser blieb dort nur, solange ich mich nicht bewegte. Ich versuchte das Geräusch zu ignorieren. Doch je mehr ich versuchte nicht darauf zu achten und nicht daran zu denken, desto lauter wurde das Klopfen.
„Herein“, sagte ich und musste lachen. Wurde ich langsam verrückt? Ich probierte die Ohropax aus. Endlich Ruhe und Frieden, aber da war dieses komische Rauschen, das von den Ohropax kam. Dann lieber das Klopfen, dachte ich und warf die Ohropax in den Müll. Nach vier Stunden lag ich noch immer wach. Die Augen hatte ich weit geöffnet. „2145“, sagte ich leise. „2146 ... 2147“. Statt Schäfchen zählte ich Klacks. Mit jedem Klack wurde ich aggressiver. Ich ließ wieder meinen Frust an der Heizung aus. Ich atmete tief ein und aus und fühlte mich zum ersten Mal in dieser Nacht total ausgeglichen. Gleich darauf flippte ich völlig aus und schlug mehrfach auf die Heizung ein. Ich brach mir die Hand. Die Schmerzen ließen mich das Klopfen vergessen. Einfach traumhaft schön, diese Schmerzen, diese Ruhe. Den nächsten Morgen ging ich zum Orthopäden. Der gipste meine Hand ein und wollte mir Schmerzmittel verschreiben. „Bloß nicht“, sagte ich und erzählte ihm von meiner klopfenden Heizung. Klack, Klack, machte ich, um den Ernst der Lage zu unterstreichen. Er schüttelte nur den Kopf, verzichtete aber auf die Schmerzmittel. Die nächsten Tage schlief ich dank der Schmerzen besser.
Doch leider hören auch Schmerzen irgendwann auf! Nach zwei Wochen und einigen unerholsamen Nächten im Wohnzimmer begann das Spielchen wieder von vorne. Ich oder sie! Wir wählten die Waffen. Sie: akustische Folterung. Ich: buddhistische Ausgeglichenheit. Als Ersatz nominierte ich das Brecheisen. Ich mache es kurz: Sie gewann und ich griff zum Brecheisen. Ich drehte komplett durch, schrie und tobte und riss die Heizung mit dem Brecheisen aus der Wand. Ich krächzte: "Du verdammte Scheißfotze, na wie gefällt dir das? ... Sag schon! Du bist ja auf einmal so still. Es fällt dir wohl nichts mehr ein.“ Überlegen stand ich in meinem Schlafzimmer und lächelte. Ich legte mich in mein Bett und atmete tief ein. Endlich könnte ich in Ruhe durchschlafen. Sicherheitshalber horchte ich noch mal. Nichts. Kein Klopfen. Einfach nur Stille. Zufrieden drehte ich mich herum. In ein paar Minuten bist du eingeschlafen, dachte ich. Eine Stunde später war ich noch immer wach. „Warum kann ich nicht einschlafen?“, fragte ich mich selbst und gab mir gleich darauf die Antwort. „Irgendetwas fehlt.“ Das Klacken. Genau! Ich hatte mich schon so sehr daran gewöhnt, dass ich es jetzt vermisste. Ich schnalzte mit der Zunge, um das Geräusch nachzuahmen. Nein, zu laut. Ich klopfte mit dem Finger auf die Bettkante. Schon eher, aber noch nicht dasselbe. Ich wälzte mich weiter umher. Als ich mich zum zwanzigsten oder dreißigsten Mal umdrehte, fiel ein Tropfen aus dem abgerissenen Heizungsrohr auf den Boden. Platsch. Gleich drauf noch einer. Platsch. Und noch einer. Platsch. Erleichtert schlief ich ein.

Die nächsten Tage litt ich erneut unter Schlafstörungen. Das Platschen des Wassers beruhigte mich nicht mehr. Mir fehlte mein Klacken. Ein Platsch ist ja schön und gut, aber bei weitem noch lange kein Klack! Ich stellte also das Wasser ab, der Parkettboden hatte sich ohnehin schon gewellt.
Zwei Tage später kaufte ich mir einen Holzspecht mit Gewicht und Feder. Der Specht senkte seinen Kopf immer auf den Boden, als wolle er etwas aufpicken und richtete sich wieder auf. Einmal angeschubst, hörte er nicht mehr damit auf. Freudig erregt stellte ich Willi, so nannte ich den Specht, auf den liegenden Heizkörper und lauschte. Es klackte. Aber war es mein Klack? Passte der Rhythmus? Und wie war überhaupt die Lautstärke? Tagsüber konnte man so etwas unmöglich beurteilen – viel zu viele Nebengeräusche versperrten einem das Gehör. Deshalb musste ich mich bis zur Nacht gedulden.
Ich lag abermals da und lauschte: Schon nach dem zweiten Klack war ich mir sicher: Das passte hinten und vorne nicht. Der Specht hörte sich nicht metallisch genug an und die Abstände zwischen den einzelnen Tönen waren viel zu kurz. Es war zum Verzweifeln. Welche Möglichkeit blieb mir noch? Würde ich jemals wieder durchschlafen?
Ich hatte eine Idee, auf die ich eigentlich viel eher hätte kommen müssen. Die Heizung musste wieder anmontiert werden! Ich rief beim Heizungsbauer an und fragte, ob mal jemand nach meiner Heizung sehen könne. Noch am selben Tag kam ein Installateur vorbei.
„Wieso liegt denn die Heizung abgerissen auf dem Boden?“, fragte er.
„Kleiner Wutausbruch“, entgegnete ich verlegen. „Kriegen Sie das wieder hin?“
„Ja, das ist kein Problem.“
Nach zwei Stunden war alles erledigt und die Heizung hing betriebsbereit an der Wand. Ich rannte zum Thermostat und schaltete auf Stufe eins. Ich kauerte mich hin und lauschte ...
„Alles in Ordnung?“, fragte der Mann.
„Psst“, zischte ich.
„Was ist denn?“
„Können Sie nicht mal Ihre Klappe halten?“
„Also hören Sie mal. Was erlauben Sie sich!“
„Ich will doch nur, dass Sie mal für 30 Sekunden ruhig sind. Bitte!“, flehte ich.
Geräuschlos wartend starten wir die Heizung an. Nichts! Kein Laut. „Nichts, nichts und noch mal nichts!“, schrie ich und trat an die Heizung.
„Sind Sie verrückt. Da hätte ich mir die Arbeit auch sparen können.“
„Das hätten Sie allerdings, Sie Pfuscher. Die Heizung klopft nicht!. Kein Klacken!“
„Natürlich klackt sie nicht. Seien Sie doch froh.“
„Froh? Sie wissen ja gar nicht, was sie da sagen.“ Die Aggression hatte sich in Verzweiflung verwandelt. Ich kniete mich vor ihn, zog an seiner Hose und schluchzte: „Bitte machen Sie doch, dass es wieder klopft. Bitte, bitte, bitte!“
„Ich weiß nicht wie. Das wollte bisher noch keiner von mir“, antwortete er, verabschiedete sich flüchtig und verließ die Wohnung.
Diese Nacht schlief ich überhaupt nicht. Ich dachte fieberhaft nach, wie ich dieses Problem lösen könnte. Als ich am nächsten Morgen die Zeitung las, wusste ich es.
Zwei Wochen später – meine Augenringe hingen mittlerweile fast bis zum Kinn – war es soweit.
„Hallo. Bin Olga“, sagte sie nachdem ich ihr die Tür geöffnet hatte. „Wen ich soll pflegen.“
Ich erklärte ihr kurz die Sachlage: „Sie sollen hier niemand pflegen. Ihre Aufgabe ist es lediglich, mich in den Schlaf zu klopfen.“
„Ich nix bin Nutte. Mir reicht. Ich gehe.“. Nein, nein, sie sei natürlich keine Dirne. Ich hätte mich nur unglücklich ausgedrückt. Sie solle das Klopfen nicht falsch verstehen und bitte hier bleiben. Sie blieb und ich zeigte ihr das Gästezimmer.
Am Abend holte ich meinen Werkzeugkoffer und erklärte Olga das sensible Instrument Heizung. Ich sagte, sie solle nacheinander die Werkzeuge durchprobieren, bis der Ton passe.
Ich legte mich ins Bett und Olga griff zum Hammer.
„Nein! Um Gottes willen“, schrie ich. „Viel zu laut.“
Danach versuchte sie ein paar Schraubenzieher. Auch die passten nicht. Nichts passte. Olga hatte schon fast den ganzen Werkzeugkoffer durchprobiert, als Sie zum Schraubenschlüssel griff. „Das klingt gut“, rief ich. „Machen Sie noch mal.“ Sie klopfte erneut gegen die Heizung. „Ja das ist es! Klack, Klack, Klack“, summte ich im Takt mit. Endlich würde ich einschlafen können. Doch leider war Olga sehr grobmotorisch veranlagt und bei weitem keine Virtuosin an der Heizung. „Versuchen Sie doch mal in gleichen Abständen zu klopfen“, herrschte ich sie an. Es gelang ihr, wodurch sie aber lauter wurde. „Nicht so laut“, rief ich sofort.
Jetzt passte es beinahe. Nur noch ein wenig zu schnell. „Spielen Sie mal im Viervierteltakt.“ Olga änderte ihren Rhythmus nicht. „Viervierteltakt! Ist das so schwer zu begreifen? „Klack, Klack, Klack“, sagte ich. Sie wolle es versuchen. Olga spielte genauso weiter wie zuvor. Mir wurde es zu bunt. So untalentiert kann man doch gar nicht sein. Ich sprang auf, machte das Licht an und riss ihr den Schraubenschlüssel aus der Hand und tobte: „Sind Sie so blöd oder tun Sie nur so? Schauen Sie gut zu!“ Ich klopfte den von mir gewünschten Takt in der richtigen Lautstärke und gab ihr den Schraubenschlüssel. Olga schmiss ihn mit voller Wucht auf den Boden. Meine ständigen Kommandos hatten sie anscheinend verärgert. „Mir reicht. Ich gehe. Sauerei so was!“ Ich sagte: „Versuchen Sie es doch bitte noch einmal“, und gab ihr abermals das Werkzeug. „Nein, nix mehr“, schrie sie und warf den Schraubenschlüssel nach mir. Er traf mich genau am Kopf. Ganz kurz wurde mir schwindelig, dann dachte ich sofort: Das ist er! Genau das. Ich rannte Olga nach. Sie war schon an der Haustür und schien sich vor meiner Rache zu fürchten. Ich konnte Sie gerade noch vor dem Verlassen der Wohnung festhalten. Mit Tränen in den Augen flüsterte ich: „Das ist er. Das ist genau mein Klack.“ Ich hielt Olga fest umklammert, da sie immer noch fliehen wollte. Lange musste ich sie überreden bis sie blieb. Dann endlich war sie bereit mir mit dem Schraubenschlüssel sanft gegen meinen Kopf zu schlagen. Augenblicklich schlief ich ein.

 

Hab vor dem Posten zwischen Satire, Sonstige und Humor geschwankt. Ich hoffe ich habe mich für die richtige Rubrik entschieden. Hofffentlich viel Spaß damit.

 

Oh, du hast dich doch für Humor entschieden? ;)

Ich hab deine Geschichte ja gestern schon probelesen dürfen, finde sie insgesamt recht witzig und vor allem ihrer Idee wegen ziemlich schräg, aber genau das hat mir gefallen.

Und ich finde, dass sie in Humor eindeutig besser aufgehoben ist ;)

 

Hi Sebastian,

schön, dass du dich noch mal meldest. Und natürlich vielen Dank fürs gestrige Korrekturlesen. Die Pointe ist überigens abgeändert.

lg Daniel

 

Wow, das war aber eine harte Nuss. :D ... klack, klack, klack ...

(wobei ich denke, dass nach diesen drei Punkten klein weitergeschrieben wird ...) wennst mal nachschauen magst.

Satirisch-lustig würde ich das bezeichnen, aber zum Schluss ne harte Nuss mit Olga, die ihm dann wohl irgendwann doch den Schädel ganz einschlägt? :( :D

Klasse Idee, gut umgesetzt.

KaLima

 

Hi Kalima,

auch hier vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Hab mal nach den Punkten geschaut. Bin aber nicht so recht schlau geworden. Es heißt dort § 100 Stehen die Auslassungspunkte am Ende eines Ganzsatzes, so setzt man keinen Satzschlusspunkt.

Daraus würde ich jetzt schließen, dass man danach groß weiterschreibt. Sicher bin ich mir da aber auch nicht.

Klasse Idee, gut umgesetzt.
Schön, dass es dir gefallen hat.

lg neukerchemer

 

Hallo neukerchemer,

Den Schluss fand ich gut, und auch sprachlich gibt es nichts auszusetzen.
Allerdings fand ich die Entwicklung vom Klopfhass zur Klopfabhängigkeit nun arg vorhersehbar. Glaub sogar, mal ne ähnliche Geschichte von Ephraim Kishon gelesen zu haben.

Bie dez

Frenutzer

 

Hi, neukerchemer,
die Auslassungspunkte stehen natürlich für nicht vorhandene Wörter und auch Satzteile. Klar, kann ein Satz damit auch zu Ende gehen. Allerdings fand ich persönlich, dass der Satz weiterläuft und daher auch meine Feststellung, es würde klein geschrieben. Vllt. machst halt wirklich einen festen Punkt und basta?

Derselbe Rhythmus, wieder und wieder ... Gleich ... Gleich klopft es ... Jeden Moment ...

Liebe Grüße
KaLima

 

Hi Benutzerfreund,

vielen Dank auch an dir fürs Lesen und Kritisieren.

Freut mich, dass es dir gefallen hat. Hab so ziemlich alles von Kishon gelesen, aber so ne Geschichte kenn ich nicht. Aber kann dich schon verstehen, wenn du die Vorhersehbarkeit bemängelst, aber ich finde das nicht so schlimm.


Hi KaLima,

ja, normalerweise würde ich da ja auch einen Punkt setzen, aber ich finde so kommt die Wartezeit deutlicher rüber.


Danke euch beiden

lg neukerchemer

 

Hi neukerchemer,

ich hatte bei der Geschichte ein bisschen das Gefühl, du musstest dich erst warm schreiben. Zwar ist sie vom Plot her rund, stilistisch hatte ich aber am Anfang Probleme, weil es mir oft zu nacherzählt klang. Ich könnte dir da keinen genauen Satz sagen, es war mein Gesamteindruck zu Beginn.
Gelungen fand ich, dass du nicht den Weg bis zur endgültigen Verwahrlosung gegangen bist, den solche Texte oft nehmen. Dann bliebe die Heizung kaputt, später wäre auch der Wasserhahn aus der Wand gerissen worden und noch später der Schrank auseinandergekloppt, bis der Prot am Ende das Mädchen umgebracht hätte. Bei dir aber wird die Heizung schönerweise repariert, wenn auch etwas spät, und die Geschichte nimmt eine andere Wendung.

Lieben Gruß, sim

 

Hi sim,

vielen Dank für deine Meinung.

Mit dem Anfang magst du Recht haben. Wollte die Geschichte nämlich zu erst in der Er-Perspektive schreiben und hab mich dann für die Ich-Form entschieden. Vllt war das noch ein wenig im Hinterkopf drinnen. Ich werds mir auf jeden Fall nochmal anschaun, obs mir beim nochmaligen Lesen auch so geht.

Wenn so weiter gehen würde, wärs ja langweilig.

Vielen Dank nochmal.

lg neukerchemer

 

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