Was ist neu

Kleiner Gedankengang

Mitglied
Beitritt
23.08.2003
Beiträge
2

Kleiner Gedankengang

Lange bin ich auf dem Gras balanciert, barfuss. Feucht, kühl, struppig unter den Füßen. Habe dabei immer wieder geübt, nicht herunterzufallen; mal auf die eine Seite geschwankt, mal auf die Andere, hier das Nichts, dort die Verrücktheit. Als ich letztendlich stillstand, fühlte ich es, wie einen roten Schleier: die Traurigkeit. Sie legte sich über mich wie ein Hauch aus Rot. Über mich gefallen, heruntergefallen; rotes Gras, rote Bäume, die Wolken rot wie blutende Schiffe am Horizont. Mein Ohr war verstopft mit dieser Farbe und ich hörte jetzt rote Musik. Die Töne fielen wie Sommerschnee herunter, strauchelten und überschlugen sich im Gras. Zuerst waren es Töne, immer lauter, immer mehr, ein rotes Sommerschneegetöse, dann kamen die Worte. Ich hielt mir die Ohren zu mit roten Händen, aber die Worte hämmerten dagegen. Hagelwortgeschütze knallten auf mich nieder und ich schrie den Mund voller Rot. Dann kam die Stille. Sie klang nach Abfall, gefallenem Klang, Wortfetzen keuchten nur noch leise auf, ohne Geräusch. Es war vorbei. Betäubt fühlte ich das Gras unter den kalten Füßen. Regen platschte auf mich; ein Gewirr aus Regen, Laub und Wind. Ich beugte meinen Rücken und sammelte so viele Worte, wie in meine Hände passten. Dann ging ich in mein Haus, setzte mich und ordnete sie, bis ich meine Füße daran wärmen konnte.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Jokina, herzlich Willkommen auf kg.de!

Der Titel Deines Textes trifft es für mich auf den Punkt: ein Gedankengang, der bevor er vergehen konnte, zu Papier gebracht wurde - so scheint es für mich. Eine Geschichte ist es wohl nicht. Wohl schaffst Du es, Bilder vor dem geistigen Auge erstehen zu lassen, wovon mir die meisten ausnehmend gut gefallen (blutende Schiffe am Horizont, Sommerschnee, gefallener Klang, etc); andere sind mir zu überladen und wirken so, als sollten sie für die Atmosphäre passen ... gepresst werden. So z.B. 'mein Ohr war verstopft mit dieser Farbe' - ich kann mir vorstellen, wie das in das Gesamtbild passen soll, aber es ist irgendwie zu viel. Ich will nicht sagen, zu kitschig, denn das trifft es nicht, aber teilweise würden schlichtere Worte meiner Meinung nach mehr erreichen. Zu viele Bilder, zu wenig Geschichte. Eben der Gang einer Gefühlsregung. Wegen der schönen Bilder und Wortspiele habe ich den Text gerne gelesen und mich kurz in das Rot sinken lassen. Aber mir fehlt der Rahmen drumherum: warum z.B. die Traurigkeit?

Nun ja, ich glaube, von Dir könnten noch viele schöne Geschichten folgen - wenn Du Dich mehr auf den Aufbau derselben einlässt. Vielleicht findest Du ja auch noch zu diesen Bildern eine Geschichte, die ihnen gebührt.

Gruß, baddax

Nachtrag:

Was ich noch sagen will: es ist nicht so, als erscheine Dein Text sinnleer. Wenn man zwischen den Zeilen liest, findet man einiges. Zuerst dachte ich an einen Sterbenden, der sich mit einer Krankheit auseinander setzt (wg. des Blutes, des kalten Regens und so), dann kam es mir in den Sinn, das hier jemand nach das Gute und Schlechte einer Sache gefühlsmäßig bewertet und sich es dann zu seinem eigenen Wohlsein zunutze macht (sich die Füße daran wärmt). Würde mich interessieren, was Du beim Schreiben gedacht hast - oder ob es tatsächlich einfach ein schöner, kurzer Gedankengang war...

 

Hi, baddax
Hab mich riesig über Deine Meinungsäußerung gefreut!
Was ich dabei gedacht habe? Tatsächlich war es ein Gedankengang in echter Traurigkeit und ich habe diese Trauer "aufgeräumt" und mich hinterher an ihren Resten gewärmt... also: ein Gefühl umgewandelt und es später positiv verwendet.
Werde mich in Zukunft stärker um Handlung bemühen!

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom