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- Anmerkungen zum Text
Eigentlich dachte ich nach "The Punky Christmas 84" keinen weiteren Weihnachtstext mehr zu schreiben. Aber hier machen so viele mit und sind so gute Texte eingestellt worden, dass ich, einfach um dabei zu sein, auch was hingeschrieben habe.
Kling Glöckchen
i.
Es klingelte an der Tür.
Vor Schreck fiel ihm die fast leere Wodkaflasche zu Boden. Seit sehr langer Zeit hatte niemand bei ihm geklingelt. Beim Aufstehen aus dem Sessel stürzte er und landete auf den Knien. Wieder klingelte es. Und wieder.
Er ächzte und kroch in Richtung Tür, überquerte auf allen Vieren die herumliegenden Flaschen. Dreimal die Klingel.
Er arbeitete sich zum Türgriff hoch und zog die Tür auf – bereits im Rückwärtswiederumfallen. Beim Versuch, sich irgendwo festzuhalten, riss er den Kleiderständer mit um. Er krachte zu Boden und zappelte sich von den roten Arbeitsmänteln frei, in die er sich verwickelt hatte wie ein großer Käfer, der auf den Rücken gefallen war. Dann blickte er zur Gestalt hoch. Sie stand im Eingang und faltete ihre großen Flügel auf dem Rücken zusammen. Langes Haar, große Augen, weißes Nachthemd. Der Bote des Himmels betrat die Wohnung. Diese war kaum größer als das Innere eines Müllfahrzeugs und ließ sich auch hinsichtlich anderer Merkmale nicht eindeutig von einem unterscheiden.
Was wollten sie jetzt von ihm? Es war doch viel zu spät. Ja, es waren ihm Fehler unterlaufen, doch war das ein Grund, ihm einen Fußtritt zu geben? Nach all den vielen Jahren? Wer macht denn keine Fehler?
«Hier …», der Bote des Himmels suchte nach dem passenden Ausdruck und fand ihn nicht, «lebst du also jetzt, Nikolaus. Sind die Ratten in eine vornehmere Gegend gezogen? Ich sehe sie nirgends.»
«Was willst du hier?», lallte Nikolaus. In seinem Kopf war in der Zwischenzeit die Idee entstanden, zum Sessel zurück zu krabbeln – mit dem Plan, sich an ihm hochzuziehen; er konnte sich jedoch nicht mehr daran erinnern, in welcher Himmelsrichtung das lag. Und ob es überhaupt irgendwo lag.
«Ich bin gekommen, um dich zu holen. Ist einiges schiefgegangen. Er möchte dich sprechen. Es ist dringend», sagte der Bote. «Ich helfe dir auf. Und dann mach’ ich dich nüchtern.»
«Ich will nicht mehr nüchtern sein», sagte der Nikolaus und tastete nach dem Arm, den der Bote ihm hinhielt.
«Schon klar», sagte der Bote. «Und jetzt gehen wir.»
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ii.
Die kleine Susi Rückel schaute aus dem Fenster. Ein sternklarer Abend. Alles war schneebedeckt.
Das interessierte sie jedoch wenig. Sie wartete und hoffte, dass er endlich erschien, das Warten ein Ende hatte. Vater hatte natürlich noch einmal einen missratenen Versuch unternommen, alles zu verderben; bloß weil er Pazifist war. Oder Atheist oder Alchemist oder sonst irgendein Mist. Zwar durfte er mitreden, Mitspracherecht hatte er uneingeschränkt, doch die Entscheidungen traf dann Mutter unabhängig davon, was er mitgeredet hatte. So war es und so würde es bleiben bis der Mond nicht mehr um die Erde kreiste. Und Mutters Richtlinien waren vorgegeben. Damit hatte Vater nichts zu tun. Und die Kinder erst recht nicht.
Susis festgelegt kindlicher Meinung nach war es weitestgehend egal, dass es blöd war (wie Vater es bezeichnete); die anderen machten es doch auch. Wer sich an dem Kriterium orientierte, ob etwas blöd war, der konnte außerdem so gut wie gar nichts mehr machen, oder?
«Das ist alles geplant», hatte Mutter zu Vater gesagt. «Wir können da nichts ändern. Das Ritual braucht keinen Sinn zu haben. Es ist der Sinn, verstehst du das nicht?» Und damit hatte sie ihm für den Tag den Stecker gezogen.
Susi sah einen Schatten, daraufhin den Schlitten im Garten vor dem Haus landen. Der Schlitten wurde nicht von Einhörnern gezogen – oder von Rentieren oder Nashörnern oder ähnlichen Sachen, wie überliefert; diesbezüglich existierte offensichtlich Raum für Änderungen.
In der Dunkelheit konnte sie es nur schwer erkennen, aber Nikolaus war auch nicht dick wie prognostiziert und mit Bart ausgestattet, sondern schwang sich, schlank, elegant und bartlos vom Sitz und stapfte durch den Schnee auf das Haus zu. Gleich würde es klingeln. Es war das erste Mal für sie alle. Sie rannte zur Tür. Angst hatte sie nicht.
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iii.
Der Polizist knallte den Hörer auf die Gabel.
«Unser Job wird immer sinnloser», sagte er.
«Was ist los, Smykalla?», fragte sein Kollege. «Meldet wieder irgendwer, dass ein bewaffnetes Arschloch in Gladburg rumläuft? Es ist Weihnachtszeit. Warum gewöhnst du dich nicht endlich dran?»
«Das versuche ich ja», sagte Smykalla. «Aber diesmal ist der Nikolaus das bewaffnete Arschloch.»
«Echt? Der Nikolaus ist mit einer Knarre unterwegs?»
«Nein, das nicht.» Smykalla seufzte. «Er hat einen tragbaren Raketenwerfer.» Er runzelte die Stirn. «Es kann doch eigentlich nur so sein, dass diese ganze Stadt ein wissenschaftliches Versuchsprojekt der Regierung zur Herstellung und Aufzucht von Vollidioten ist. So was kann doch unmöglich auf natürlichem Weg entstehen.» Er erhob sich und griff zum Pistolenhalfter. «Was ist los, Hartinger?», fragte er den anderen. «Arbeitest du heute nicht?»
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iv.
«Gleich ist Nikolaus da!», rief Susi nach ihrer Mutter und riss die Tür auf; mit einem Schritt erreichte Nikolaus den obersten Treppenabsatz, blieb stehen und schaute sie einen Moment lang mit strengem Blick an. «Du bist die Susi Rückel mit den Eltern Horst und Helga Rückel und bist sieben Jahre alt. Ist das wahr?», sagte Nikolaus in feierlichem Ton.
Susi nickte.
«Wir putzen das Standardverfahren», sagte Nikolaus. «Daher ist das Erste die Frage, ob du auch immer artig und vollständig schaf gewesen bist, zu allen freundlich, und gebracht hast, was dir geklagt wurde.»
Susi nickte. Mit so viel Text hatte sie nicht gerechnet. War das Programm so?
Nikolaus fuhr fort: «Ich werte dein Klicken als ein Ja. Dann gib mir jetzt die Gelenke.»
Susi öffnete den Mund. Blickte auf die rotbemantelten, weit ausgestreckten Arme. Das war nicht das, worauf sie vorbereitet war. Die Nikolaus-Sätze fanden keine Zustimmung ihrerseits. Deshalb war es mit hoher Wahrscheinlichkeit das Beste, als Nächstes zu erkunden, ob sie alles richtig verstanden und verarbeitet hatte.
«Du meinst: die Geschenke? Ich soll dir die Geschenke geben?», fragte sie schließlich. «Bin nicht ich es, die die Geschenke kriegt? Kriegt die nicht das Kind? Bin nicht ich das Kind? Du bekommst doch nicht die Geschenke!»
«Das muss als Widerstand gewertet werden», sagte Nikolaus. «Die somit eintretende ernste Folge ist das Ultimatum. In der Folge bleiben zehn Minuten Bedenkzeit bis zu den unerfreulichen Ereignissen; diese sollten verschieden werden. Es ist meistens besser, sich in sein Ficksal zu pflügen.»
«Ist eine Sicherung bei Ihnen durchgebrannt?», fragte die Mutter. Sie war hinzugekommen und fasste ihre Tochter von hinten an den Schultern. Dann wandte sie sich um. «Horst!», rief sie. «Komm her! Es ist eine deine Anwesenheit erforderlich machende Situation hier aufgetreten!»
Horst Rückel erschien, mit tropfendem Kochlöffel in der Hand. Doch Nikolaus war schon weg. Susi sah die Gestalt hinter der Hecke verschwinden. Der Schlitten stand im Schnee. Sie war verwirrt. Was passierte da?
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v.
Der für Gladburg zuständige Weihnachtsbeauftragte goss sich ein Glas Wein ein, nachdem er die Lage geschildert hatte. Zum Glück hatte sein Bote den alten Nikolaus auftreiben können. Links von ihm am Konferenztisch saß Holzer, der für die IT sprechen würde. Ihm gegenüber befand sich eine Art Mensch; sein Kopf erschien viel zu klein für den massigen Körper und den großen Mund, aus dessen Unterkiefer hauerartig links und rechts gelbe Eckzähne bis über die Oberlippe ragten. Er sah aus wie etwas, das lebende Kinder frühstückt.
Der Nikolaus war längst nüchtern – vorhin auf der Toilette hatte er zum ersten Mal seit Wochen wieder das Gefühl gehabt, das bärtige Gesicht im Spiegel von irgendwoher zu kennen.
«Und das heißt, ich krieg den Job wieder? Wenn ich nach unten gehe und den Schlamassel in Ordnung bringe?», sagte er.
«Genau», sagte der Beauftragte. «Leider müssen wir eingestehen, dass sich die Situation nicht mehr voll und ganz unter Kontrolle befindet.»
Holzer lachte auf. Der Nikolaus nickte. Das hieß, dass eine Katastrophe bevorstand. Natürlich, ohne dass jemand Fehler gemacht hatte.
«Die Zeit ist knapp», sagte der Weihnachtsbeauftragte. «Unsere VAWE, die 'Vollautomatische Weihnachtseinheit', hat bereits neunzehn Familien das Ultimatum gestellt. Sieben davon sind zu dem Entschluss gekommen, ihm die Geschenke zu geben und wurden nicht ausgelöscht. Leider können wir schlecht das Engelgeschwader runterschicken, um die VAWE zu vernichten – das geht ausdrücklich nur, wenn eine ganze Stadt vernichtet werden muss; dann gibt es auch keine Zeugen mehr, aber hier – auch Kinder könnten da zuschauen.»
«Und wie konnte das passieren?», fragte der Nikolaus.
«Holzer, würden Sie das kurz erklären? So, dass es jeder hier verstehen kann?»
«Sie meinen, jeder?», fragte Holzer und schaute sich in der Runde um.
«Egal», sagte der Beauftragte. «Erklären Sie es irgendwie. Es reicht, wenn es einige der beiden da verstehen. Beeilen Sie sich.»
«Also, nachdem ‘Vollautomatische Weihnachten‛ gestartet war, wurde der Spracherwerb der Einheiten, um Zeit und Geld zu sparen, phonetisch organisiert. Dazu ist es in der Datenbank einiger Einheiten zu Fehlern gekommen. Wir haben das simuliert. Im Fall der Gladburger Einheit ist es so, dass ...»
«Phonetische Fehler?», fragte der Nikolaus. «Sie meinen, er hat was falsch verstanden? Und bringt jetzt die Leute um?»
«Es. Es hat falsch verstanden. Nun, es gibt … ähnlich klingende Silben, sodass die Bedeutungen der Wörter– in manchen Punkten – geringfügig voneinander abweichen.»
«Geringfügig voneinander abweichen?», fragte der Nikolaus.
«Ja. Zum Beispiel kann man flöten leicht mit töten verwechseln, phonetisch, und die falsche Definition laden, die dafür hinterlegt ist. Der Auftrag heißt: Geschenke bringen. Verstanden wurde: Geschenk erzwingen. So viel Unterschied ist da nicht.»
Tatsächlich, Holzer lachte. «Leider haben wir keine Einsicht in die Projektdaten», fuhr der Programmierer fort, «befugt ist ausschließlich die ‘Abteilung für Romantische Verbesserung der Welt‛ von Coca-Cola; wir wissen schlicht nicht, was zu erwarten ist, wenn er Bring mir rohe Glieder hört – statt Sing mir frohe Lieder –»
«Allerdings», unterbrach ihn der Nikolaus, «macht meine Ethik es mir unmöglich, Gewalt anzuwenden. Selbst dann nicht, wenn es mir auf einmal doch in den Kram passt. Ich kann den Roboter nicht töten. Ich stehe nur unbegrenzt-friedlichen Lösungen zur Verfügung.»
«Sie müssen keine Gewalt anwenden. Sie leiten die Aktion nur», sagte der Beauftragte. «Für die Gewalt ist Inymiku zuständig, falls sie unvermeidbar sein sollte; er wird Sie begleiten; im Fall der Fälle können Sie behaupten, ihm eigentlich nur zugesehen zu haben.» Er zeigte auf den fleischfressenden Kinderschreck. «Die Leute kennen den ja, den Krampus, er ist ein christliches Symbol. Und die Leute kennen Sie. Es soll so aussehen, als hätte ein ... Psychopath sich eine Nikolausuniform besorgt, um Unheil anzurichten – und dann kommen Sie, der echte Nikolaus, und greifen ein, der Retter in der Not. Und Krampus hilft mit.» Der Hauerzahn lächelte an dieser Stelle sein Lächeln; man konnte einen Ziegelstein damit zerquetschen. «Leider ist sein Intelligenzquotient noch mal ein paar Punkte gesunken, und der war ja vorher schon ... nur sehr knapp im positiven Bereich. Aber bei ihm macht es nichts aus, wenn er mal hinlangt», sagte der Beauftragte. «Doch Vorsicht, unsere VAWE – der Roboter, wie Sie ihn nennen, die künstliche Entität – hat sich schwere Waffen aus unserem Militärdepot besorgt.»
«Und danach bekomme ich den Job zurück?»
«Mein Wort drauf.»
–
vb.
«Wir zwei», sagte Nikolaus, «mal wieder.»
Sie waren unterwegs in Richtung Schlittengarage.
«Lange her», sagte Inymiku. «Glaubte schon, dich seh‛ ich nie wieder.»
«Ich hoffe, wir schaffen das», sagte Nikolaus.
«Klar», sagte Inymiku. «Du bist ein Tattergreis und ich bin ein Schwachkopf. Was soll schon schiefgehen? Wir sind die Fachkräfte.»
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vi.
Die zehn Minuten sind um. Die Nikolaus-Einheit kommt zur Tür zurück. Sie überbringt die Botschaft, dass das Ultimatum abgelaufen ist und verlangt die Entscheidung. Susis Mutter schüttelt den Kopf, Susi schüttelt den Kopf und Susis Vater sieht so aus, als sammle er noch Daten.
Die Nikolaus-Einheit dreht ab und läuft den Weg wieder zurück.
Die Familie beobachtet, wie sie sich beim Schlitten niederkniet, den Raketenwerfer aufklappt, justiert und auf das Ziel, ihr Häuschen, ausrichtet. Sie beobachtet außerdem, wie ein zweites Schlittenfahrzeug nur dreißig Meter entfernt von ihm landet und zwei Gestalten in den Schnee der Wiese springen. Es handelt sich um einen zweiten Heiligen Sankt Nikolaus, der von einem Monster mit hässlicher Fratze begleitet wird. Nikolaus Nr 2 läuft auf den beim Raketenwerfer knienden Nikolaus zu und ruft irgendetwas, was jenen innehalten lässt; das Monster bleibt in der Nähe der Rentiere stehen; die diplomatischen Bemühungen der beiden heiligen Männer münden schnell in die ersten Handgreiflichkeiten, weil der neu eingetroffene Nikolaus den Raketenwerfer ergreift und an sich reißt; der andere tritt ihn gegen das Schienbein, was dazu führt, dass beide sich erst schubsen, dann gegenseitig am Kragen und an den Haaren packen – was eben sie zu fassen kriegen – und schließlich ineinander verkeilt – krallend und kratzend – zu Boden stürzen.
Vom Lautsprecher des Schlittens ertönt das Lied ‘Kling Glöckchen‛.
Während der Nahkampf im Gang ist, erscheint ein Polizeiauto, hält mit einem Quietschen und spuckt zwei Hüter von Recht und Ordnung aus: Smykalla und Hartinger. Diese zögern keine Sekunde und stürzen sich (Lasst mich ein, ihr Kinder) in den Kampf; Hartinger zieht (als Erstes) seine Dienstwaffe und feuert zwei Warnschüsse in den (S'ist so kalt der Winter) Sternenhimmel; Smykalla holt weit mit dem Schlagstock aus. Offensichtlich will er damit die Kämpfer trennen, trifft aber Hartinger am Arm, der mit seinem dritten, nicht gewollt abgefeuerten Schuss (als Zweites) ein Loch in seine eigene (Öffnet mir die Türen) Schulter ballert und vor Schmerz brüllend zum (Lasst mich nicht erfrieren) Polizeiauto zurück läuft, einsteigt und wegfährt.
Smykalla schlägt dem aggressiven Nikolaus-Roboter mit Wucht (Kling, Glöckchen, klingelingeling) den Kopf ab. Der Geköpfte rollt sich dennoch nicht von seinem Gegner, lässt keineswegs von ihm ab, sondern würgt (Mädchen hört und Bübchen) diesen weiter mit beiden Händen, obwohl Smykalla jetzt versucht, ihn herunter zu zerren, schließlich mit dem Schlagstock gegen seinen (Macht mir auf das Stübchen) Hinterkopf drischt. Die Niederlage des Roboters kann nur eine Frage der Zeit sein, denn sein Kopf (Bring euch viele Gaben) ist nur noch mit Drähten und Gummischlingen am (Sollt Euch dran erlaben) Torso befestigt; der echte Nikolaus schlägt ihn seitlich mit den Fäusten, da kommt dem Roboter unvermittelt die Familie Rückel zu Hilfe. Sie stürzen sich wie (Hell erglühn die Kerzen) nordische Berserker auf die feindlichen Einheiten.
Die vollautomatische Weihnachtsmutter und der vollautomatische Weihnachtsvater haben den redundanten Feind-Nikolaus aus Schlitten zwei gemeinsam an den Füßen gepackt und schleifen (Öffnet mir die Herzen) den inzwischen Bewusstlosen durch den (Will drin wohnen fröhlich) Schnee. Die vollautomatische Weihnachtstochter springt Smykalla von hinten auf den Rücken und verkrallt ihre Finger (Frommes Kind wie selig) in seine Nasenlöcher. Schreie hallen durch Nacht.
‘Kling Glöckchen‛ ist nun fertig, es ertönen die ersten Takte von ‘Stille Nacht, Heilige Nacht‛. Inymiku hat den unbegrenzt-friedlichen Lösungen lange genug zugesehen, er greift jetzt ein.
Seine Karatehiebe setzen sich gegen die vollautomatischen Familienmitglieder und die (mittlerweile kopflos gegen einen Birnbaum kämpfende) Nikolaus-Maschine in wenigen Sekunden durch. Nachdem er alle der Reihe nach niedergehauen hat und sich nichts mehr rührt, kniet er sich neben seinen bewusstlosen himmlischen Partner. Ein Stück weiter sitzt Smykalla zwischen den Trümmern im Schnee und hält sich die blutige Nase. Es ist plötzlich still. Inymiku atmet tief ein, schaut sich um und
bemerkt die anderen Mütter, Väter und Kinder, die mittlerweile zu Dutzenden in den Eingängen der umliegenden Häuser aufgetaucht sind. Sie sind bewaffnet mit Besen, Laubrechen und Schneeschaufeln und glotzen herüber. Dann, wie auf ein Kommando, setzen sie sich in Bewegung und kommen, von allen Seiten, auf ihn zu.
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[Nachdem einige sagten, es fehle ein Ende, das noch ein wenig mehr erklärt: Unten folgt (als Spoiler) der ursprüngliche Schluss, den ich zwischendrin gestrichen hatte. Wer also weiterlesen möchte, weil ihm der Quark sonst zu rätselhaft erscheint, der kann das nun machen; wer nicht, der ist jetzt fertig und darf sich ein Plätzchen nehmen ]
vii
«Danke», sagte der Himmlische Bote. «Das System wurde inzwischen überarbeitet, Coca-Cola hat die Fehler im letzten Patch eliminiert, vor allem in den drei Modulen Besinnlichkeit, Romantik und Fest des Friedens; die neue Version wird unschlagbar gut sein. Bitte geben Sie Ihre Arbeitsmontur im Lager ab. Unergründlich sind die Wege des Herrn. Leben Sie wohl.»
«Leben auch Sie wohl», antwortete Hartinger.
Er drehte sich um und ging.
Hinter unten hatte es begonnen zu schneien.
Das erste Mal in diesem Jahr.
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