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Kochen mit Yvonne Catterfeld

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01.03.2004
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Kochen mit Yvonne Catterfeld

Im Fernsehen schaue ich mir am liebsten Kochsendungen an. Am meisten gefallen mir jene, in denen Prominente Speisen zubereiten. Mein Bruder Miguel schüttelt über diese Angewohnheit den Kopf und eigentlich hat er damit recht, denn ich koche gar nicht gern. In meinem Kühlschrank befinden sich nur Dinge, die sich schnell und einfach zubereiten lassen. Tiefkühlpizzen, Fertiggerichte aller Art, vorgekochte Nudelgerichte, Joghurts und Puddinge. Ich mag es, wenn ich Dinge einfach nur in den Ofen zu tun brauche und nach 10 Minuten sind sie fertig. Das spart Zeit, die schon vor dem Fernseher verbringen kann. Kaffee kann ich gut kochen und dafür nehme ich mir auch richtig Zeit. Miguel sagt , mein Kaffee sei der Beste der Stadt. Er kommt gerne vorbei, um an meinem Küchentisch einen zu genießen. Die Bohnen mahle ich immer frisch. Ich liebe das Brodeln meiner alten Espressokanne aus Aluminium auf dem Herd. In der Zwischenzeit koche ich H-Milch im Topf und schäume sie anschließend mit einem Stab. Zum krönendem Abschluß streue ich Schokoflöckchen auf den Schaum. Miguel legt immer beide Hände um das warme Glas und guckt ganz versunken, bevor er den ersten Schluck nimmt.

Ich weiß nicht, warum ich Kochsendungen so mag. Vielleicht, weil es dort so ordentlich und beschwingt zugeht. Munteres Geplauder, während Hände geschickt Fleisch und Gemüse zerkleinern, saubere Töpfe und Pfannen, die glänzen. Ich betrachte gerne diese geschäftige Aufgeräumtheit. Noch nie habe ich beobachtet, daß einer der Prominenten sich bekleckert hat oder vollgespritzt wurde. Als ich selbst vor längerem mal einen der wenigen Versuche startete etwas nachzukochen, schnitt ich mir prombt in den Finger und die Küche war voller Blut. Ich habe die Sachen in den Mülleimer geworfen und mir eine Pizza bestellt.

Neulich war Yvonne Catterfeld in einer Sendung, das fand ich besonders schön. Diese junge Frau sieht aus, als würde sie stets nach reifen Pfirsichen duften, als könne sie niemals ins Schwitzen geraten, als gäbe es in ihrer Welt gar keinen Gestank. Ihr Seitenscheitel ist schnurgerade gezogen, kein Haar sitzt nicht an seinem Platz. Auf ihren Hüften befindet sich kein überflüssiges Pfund. Ich habe mich bemüht ein Staubkorn oder eine Fussel auf ihrer Kleidung zu entdecken, es ist mir nicht gelungen. Ihren Song habe ich mal im Radio gehört. Ich fand ihn etwas aufgesetzt, konnte mir nicht vorstellen, daß diese Frau jemals verlassen worden ist. Wer würde eine Frau verlassen, die derart vollkommen wirkt? Wer könnte einem Klimpern ihrer hübschgeschwungenen Wimpern widerstehen? Wer würde beim leichtem Öffnen ihres vollen Mundes nicht erstarren und ins Stottern geraten? Ihre Sendung mochte ich auch gern. Wie hieß sie noch gleich? Verbotene Liebe? Gute Zeiten, schlechte Zeiten? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls wurden dort Probleme immer angegangen und schnell gelöst und die Liebe kam auch nie zu kurz.

Als Fräulein Catterfeld dort im Studio stand, hatte ich erst Angst, sie könne sich vielleicht schneiden oder ihren schönen Pullover versauen.Denn, wenn ich ehrlich bin, sieht sie auch nicht gerade aus, als hätte sie in ihrem Leben schon viele Gerichte selbst zubereitet, doch sie erwies sich, als überaus geschickt. Ihre schmalen Hände schnitten flink Zucchini in feine Scheiben. Sie brauchte dafür nicht länger als der ihr zur Seite gestellte Koch. Ich bewunderte ihre Fähigkeiten und lauschte ihrem Geplauder. Während ich auf dem Sofa saß, Chips knabberte und Bier trank, sah ich mit wachsender Begeisterung der Fertigstellung des Auflaufes zu. Es versprach ein schöner Abend zu werden, als es an der Tür klingelte. Komisch, ich erwartete überhaupt niemanden. Vor der Tür stand Miguel. Er sagte, er habe nicht viel Zeit müsse bald zur Arbeit, aber auf einen Kaffee wollte er noch reinschauen. Im Wohnzimmer maulte er sofort über das Programm, während ich in der Küche den Kaffee mahlte. Was für einen Scheiß ich mir da wieder anschauen würde, die blonde Schnepfe könne doch kein Mensch ohne den vorherigen Genuß von Drogen ertragen. Auf Pro 7 liefe doch ein toller Actionstreifen. Ich schrie von der Küche aus, er solle die Glotze ausmachen und in die Küche kommen. Einwenig bedauerte ich den Abend nun ohne Yvonne verbringen zu müssen, aber Miguel ist mein 18-jähriger Bruder und ich liebe ihn, schließlich ist er der Einzige, den ich noch habe auf der Welt seit unsere Mutter vor zwei Jahren verstarb. Auch wenn ich mit vielem in Miguels Leben nicht einverstanden bin, dem zum Beispiel, was er seinen Beruf nennt. Ich habe Sorge, daß er meinen Bruder kaputtmacht. Das kann nicht gut sein mit den vielen Männern. Er sagt, es mache ihm nichts, er würde einfach an was anderes denken, er könne seine Seele gut auf Reise schicken und die Bezahlung sei schließlich nicht schlecht. Immerhin habe er sich eine schicke Wohnung davon einrichten können und sei letztes Jahr nach Thailand geflogen. Ich solle doch mal schauen, wo ich immer noch sei mit meinem klapprigem Fahrrad und meinem Verkäuferingehalt.

Zumeist vermeiden wir es darüber zu sprechen, was er so macht. Nur meine Furcht, er könne eines Tages tot im Strassengraben gefunden werden, will nicht verschwinden. Das wird sie wohl nie. Wenn wir Kaffetrinken reden wir meist wenig und wenn dann über unverfängliche Themen. Wie wir als Kinder immer auf die höchsten Bäume geklettert sind , wie wir Comics geklaut haben im Supermarkt und sie dann heimlich mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen haben und welche Filme wir uns angeschaut haben. Wir sitzen uns am Küchentisch gegenüber. Miguel umklammert die Kaffeetasse, löffelt den Schaum genüßlich ab. Neulich am Catterfeld-Abend sah er blass aus und noch dünner. Ich suchte nach Schatten unter seinen Augen und ertappte mich dabei ebenfalls nach Einstichwunden an seinen Armen zu suchen, fand aber keine. Während wir schwiegen, mußte ich an den Abend vor 3 Wochen denken, wo ich mit einer Freundin am Bahnhofsviertel lang lief. Wir wollten uns im Kino den neuen Meg Ryan- Streifen anschauen. Da erblickte ich ihn auf der anderen Strassenseite an eine Strassenlaterne gelehnt rauchend. Scham trieb mir die Röte ins Gesicht und ich bekam Angst meine Freundin könne ihn bemerken. Schnell griff ich sie am Arm und zerrte sie in eine andere Richtung. Sie sah Miguel nicht und ich war erleichert. Den gesamten Film über hasste ich mich selbst und nachher täuschte ich Übelkeit vor, um mit meiner Freundin nichts mehr trinkengehen zu müssen.

Ich betrachtete am Küchentisch sein hübsches Gesicht. Wenn er wüßte, daß ich ihn verleugnete, würde er mich dann hassen? Miguel schlürfte den Rest seines Kaffees und stand auf. „So, ich muß jetzt los! Danke für den Kaffee!“ sagte er und war auch schon zu Tür raus. Ich ging hastig zurück ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein, wo Yvonne Catterfeld ein letztes Mal in die Kamera lächelte, bevor der Abspann kam. Ob sie wohl auch einen Bruder hatte? Sicher nicht! Ich schnappte mir das Fernsehprogramm und blätterte, ob irgendwo noch eine andere Kochsendung lief. Ich hatte Glück und lächelte selig.

 
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Einfach toll, wie du belangloses und dramatisches miteinander verwebst!

Beim differenzierten Durchlesen hat man den Eindruck, die Kochsendung hätte denselben Stellenwert in deiner Geschichte wie das "Anschaffen" des Bruders. Das ist ein Stilmittel, das deiner Geschichte Pfeffer verleiht. Auch gut gefällt mir der umgangssprachliche, umschreibende Ton der vorherrscht, er passt sehr gut zur inhaltlichen Begebenheit. Ein toller Text mit viel Charakter und viel Potenzial!

Ich kann eigentlich gar nichts kritisieren, außer ein paar grammatikalische bzw. Ausdrucksfehler:

Das spart Zeit, die schon vor dem Fernseher verbringen kann.
=>Das spart Zeit, die man schon vor dem Fernseher verbringen kann.

schnitt ich mir prombt in den Finger...
=>schnitt ich mir prompt in den Finger...

Wer würde beim leichtem Öffnen ihres vollen Mundes nicht erstarren...
=>Wer würde beim leichten Öffnen ihres vollen Mundes nicht erstarren...

 

Ich kann mich Jingles eigentlich nur anschließen :)

Dadurch das das Anschaffen so nebenher geschieht wie eben eine Kochsendung erscheint mir dieser art von "beruf" noch erniedrigender für den Bruder ...

Was mich etwas störte: Diese Yvonne Dingsda - Jingeles hat mir mittlerweile bestätigt das diese person real besteht (inklusive Link :D ) mich hat es gehörig von der GEschichte abgelenkt da ich die ganze Zeit gegerübelt habe wer das nun ist - nehme entweder einen WIRKLICH bekannten Promi oder erfinde eine hübsche Frau ... sonst sind Leser die Y.C. nicht kennen möglicherweise von der Handlung der Geschichte eher abgelenkt ...

 

hi miamo - und noch einer der sich jingles anschließt.. sehr schön beiläufig handelst du nicht nur ihren bruder, sondern auch ihre eigenen konflikte und verdrängungsstrategien ab...

auf die weise, wie du deine geschichte schreibst, berührt zumindest mich das thema wesentlich mehr, als der x-te junge oder das x.te mädchen tot im strassengraben..

gefällt mir inhaltlich wie stilistisch deine geschichte..

viele grüße, streicher

 
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Bei so viel Lob erröte ich glatt! Dankeschön!

Der Fehler mit dem Nachnamen tut mir leid. Ich bin keine besonders regelmäßige Fernsehkonsumentin und muß gestehen, daß diese Kochsendung von den Bildschirmen bei Saturn flimmerte, als ich dort gestern eine Platte erstand und da kam mir die Idee zu der Geschichte. Außerdem mußte ich im Urlaub auf dem Heimweg immer an einem unheimlichem Jungenstrich vorbei.

Jadzia, ich habe schon bewußt diese Frau gewählt, weil sie für mich keine wirkliche Künstlerin ist sondern ein Abziehbild der Medienindustrie. Du solltest dir ihren Song mal anhören.

Gruß, mia

 

Pardon, wer soll diese Yvonne Catterfield sein?

Es gibt einen kleinen Ort Catterfeld in Thüringen. Es gibt auch eine Pop-Sängerin namens Yvonne Catterfeld, die aus Erfurt stammt, sich aber nach diesem kleinen Ort im Thüringischen benannt hat.

Bezieht sich der Text also auf besagte Yvonne Catterfeld oder ist Yvonne Catterfield ein fiktiver Name einer nicht mit Yvonne Catterfeld aus Erfurt identischen Figur??

 

Murmeltier: Lies mal einen Beitrag über deinem.
Und ich gehe mal davon aus, dass du die Geschichte nicht (gewissenhaft) gelesen hast, sonst wüsstest du, dass es relativ unerheblich ist, ob der Name stimmt oder nicht. Wichtig ist hier die Bedeutung der Person als Darstellung der Belanglosigkeit/heilen Welt, die geht aber auch aus der Beschreibung hervor.

 

Hallo mia.mo,

auch mir hat diese Geschichte gefallen. Besonders stark fand ich den Gegensatz der perfekt inszenierten Medienwelt zur realen Welt.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

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