Koist
Koist wachte auf. Die Predigt war noch nicht zu Ende, denn die Gemeindemitglieder saßen alle noch brav auf ihren Plätzen. Einzig der Pfarrer fehlte. Die Leute schienen auf ihn zu warten. Nach einer kurzen Zeit der Stille kam ein Junge, ein Kirchendiener, auf die Kanzel. Er trug Koists Hut. Der Hut wirkte albern auf dem Kopf des Jungen. Er war ihm viel zu groß. Die Leute kicherten. Es schien, hier würde ein Streich auf seine Kosten gespielt, dachte Koist. Das verärgerte ihn. Er schaute sich um und versuchte zu jemandem Blickkontakt herzustellen, um ihn dann zur Rede stellen zu können. Aber die Leute kicherten nur und es vergingen Minuten, ohne dass auch nur ein Einziger in seine Richtung blickte. Sie schauten alle den Jungen auf der Kanzel an, der angefangen hatte den Hut auf einem Finger kreisen zu lassen und dabei Grimassen zu schneiden. Es ärgerte Koist und so stand er ungeduldig auf und lief in großen Schritten zügig zur Kanzel. Als er einen Blick zurück in die Kirche warf, bemerkte er, dass ihn immer noch keiner ansah. Alle starrten hoch zur zum Jungen. Er stieg die Kanzel empor und schnappte dem Jungen den Hut vom Finger. Als dieser jedoch immernoch das Gesicht verzog und ihn keines Blickes würdigte, stieß Koist ihn mit einer kurzen, heftigen Armbewegung über das Geländer. Der Junge knallte auf den steinernen Boden und stöhnte leise auf. Sofort kamen einige andere Kirchendiener angelaufen und halfen ihm aufzustehen. Die Gemeinde war verstummt. Koist versuchte mit hastigen Armbewegungen etwas Rätselhaftes auszudrücken. Es sah aus als wolle er sein Handeln rechtfertigen und gleichzeitig grobe Beschimpfungen an die Gemeinde richten. Niemand regte sich. Vor lauter Zorn schnappte er sich einen goldenen Kandelaber und schleuderte ihn einem alten Mann in der ersten Reihe an den Kopf. „He, was soll das“, schrie ein junger Mann neben dem Alten. „Das würde ich sie gerne fragen“, entgegnete Koist von der Kanzel aus, „Das kommt eben davon, wenn man einem friedlich Schlafendem den Hut klaut. Und überhaupt, was sind sie eigentlich für eine schwachsinnige Gemeinde, dass sie hier alle so artig sitzen, kichern und diesen dummen Jungen seine Spielchen treiben lassen? Ich werde jetzt gehen und sie können ihre Witze dann mit jemand anderem machen! Und falls sie denken, sie könnten mir etwas anhängen, wegen dieser Handgreiflichkeiten, dann haben sie sich geschnitten. Denn immerhin bin ich das Opfer ihrer Spielchen gewesen! Außerdem kennen sie nicht einmal meinen Namen!“ Koist streckte seine Zunge in die Kirche, ging die Kanzel hinunter und schritt zwischen den Bänken dem Ausgang entgegen. Kurz vor der Tür stolperte er über eine winzige Stufe und fiel. Hinter ihm brach die Gemeinde in lautes Gelächter aus. Koist stand auf, drehte sich nicht um, stieß die Tür auf und verschwand. Sein Hut lag auf der Kanzel.