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Kopfschuss
Dunkle Wolken verdüstern den Himmel, als ich den Weg zu dem Wohnblock gehe, in dem sie wohnt. Die Sonne war heute Morgen blitzartig von den massiven Wolkengebilden verdrängt worden. Ich halte meine Hände in meinen Jackentaschen, in der Linken halte ich einen schweren, kalten Gegenstand. Mein Geschenk an sie. Es gibt mir Kraft, und ich habe sie dringend nötig, denn der Wohnblock ragt dunkel, wie eine schwarze Festung, vor mir auf. Ich atme tief durch und betrete das Gebäude.
Als sie die Tür öffnet legt sich sofort ein Ausdruck purer Verachtung über ihr Gesicht. Dies überrascht mich nicht, schliesslich bin ich gekommen um etwas gegen diesen Ausdruck zu tun.
Sie trägt schwarz, wie immer. Auf ihrem T-shirt ist ein verworrenes Zeichen, ich weiss nicht was es bedeutet.
"Was willst du, Paul?", fragt sie mich, mit einer Stimme, klar wie ein Gletscherbach, einer Stimme, die ich so vermisse. "Ich habe dir alles gesagt, was ich sagen wollte, also verpiss dich endlich aus meinem Leben!"
Der Ausdruck der Verachtung wechselt in den der Wut und mein Herz bröckelt unter ihrem erbarmungslosem Blick.
"Ich habe noch etwas bei dir vergessen", sage ich und meine Stimme klingt stark und fest. Kein Zittern ist in ihr zu hören, kein Anzeichen von der Lüge, die sie enthaltet.
Sie blickt mich noch kurz an, dann macht sie die Tür frei und ich trete ein.
In ihrer Wohnung schlägt mir der Geruch von Kaffee entgegen. Sie trinkt in gerne schwarz, das weiss ich noch. Sie verschwindet in der Küche, da die Kaffeemaschine pfeift, und ich nutze den Moment und sehe mich noch ein letztes mal in ihrer Wohnung um. Den Gegenstand halte ich immer noch in der Hand. Das kühle Metall spendet mir Sicherheit. Ich blicke das grosse Kruzifix an, das über ihrem Sofa hängt und höre dem Geklapper in der Küche zu. Auf Christus Gesicht schien ein Ausdruck des Vorwurfes zu liegen, aber als ich nochmal hinblicke, war dieser Ausdruck weg. Ihm ist alles egal!
Ich stehe an das grosse Fenster, und schaue hinaus. Draussen hängen immer noch schwere, schwarze Wolken und verdunklen die Sonne. Ich muss lächeln und höre, wie sie ins Wohnzimmer kommt. "Bitte geh jetzt Paul." Ich sehe sie an und erblicke einen neuen Ausdruck in ihrem Gesicht. "Sie kann meine Anwesenheit nicht mehr ertragen", denke ich verzweifelt und sehe, wie ihre Augen glitzern, doch sie weint nicht. Ich trete an sie heran und küsse sie ein letztes mal, die Zeit steht still, kein Geräusch ist zu hören. Mein Herz rast, mein Puls klopft in meinem Schädel. Dann stösst sie mich weg.
Nun weint sie tatsächlich, Tränen kullern ihre Wangen hinunter und landen auf ihrem T-shirt. ich nehme die Hand aus meiner Jackentasche, der richtige Zeitpunkt ist da. Ihr Blick füllt sich mit Angst, als sie den Revolver erblickt. Glänzend silbrig mit weissem Griff ziele ich auf sie, während ihre Hand wie in Zeitlupe vor ihren Mund fährt.
"Paul...nicht", stottert sie und hält die andere Hand wie als Schutz vor die Waffe. Es knallt, sie wird zurück geschleudert, Blut spritzt auf das Kruzifix und bleibt an Christi Gesicht hängen. Der Knoten in meiner Brust löst sich, mein Herz wird wieder langsamer. Ich trete zu dem Fenster und sehe, wie die Sonne durch die Wolken bricht und die graue Landschaft in helles Licht tunkt. Dann wende ich mich ab und halte die Waffe an meine Schläfe
Es ist vorbei!