Kurze Momente der Ekstase
Nieselregen. Gut, dass nur ein paar Leute vor der Tür anstehen. Nur ein paar Minuten warten, schon betrat Stefan den Club, gab seine Jacke an der Garderobe ab, warf einen kurzen Blick in die Diskothek, während er auf die Marke wartete. Es war kurz vor zwei, der Laden schon recht voll. Ein, zwei vertraute Gesichter, Martin unter anderem an der Bar. Den hatte er zu Semesteranfang in der Studiengruppe kennen gelernt und später in der Szene getroffen. Richtig netter Kerl. Er hob die Hand zum Gruß und lächelte, immer noch etwas angespannt.
Merkwürdig, dachte er, dass man immer noch diese anfängliche Aufregung spürt, in den ersten Minuten, wie ein Nachhall des ersten Mals. Draußen ist es dunkel und kühl, die Stadt scheint zu schlafen, und dann tritt man durch eine Tür und die Leute sind nicht nur hellwach, nein, mehr noch, sie scheinen für eben diesen Moment zu leben, diese Stunden hier völlig auskosten zu wollen, der ganze restliche Tag war bloßes Vorgeplänkel. Alle Sinne sind geschärft und werden bombardiert, die Musik treibt die Beine, der Alkohol das Blut, und die Jungs, die man hier zu sehen bekommt, erhöhen deinen Puls. Ein Ritus.
Er trat auf Martin zu, der ihn schon an beim Hereinkommen gesehen hatte.
„Hey Stefan, alles fein?“
„Jau, alles super. Wie läuft’s bei Dir?“
„Gerade nen bisschen Stress an der Uni wegen Prüfungen. Aber lass uns doch trotzdem mal wieder abends auf nen Film treffen!“
„Na gern doch – entspanntes Hirn lernt leichter!“
Er begann seine erste Runde durch den Club, schob sich durch die Massen, ließ den Blick schweifen, auf der Suche nach etwas, das seine Fantasie beflügelte. Er wurde bald fündig. Der Typ fiel ihm sofort ins Auge, lässig lehnte er gegen eine Säule an der Tanzfläche, im Gespräch mit zwei anderen. Was für eine geile Fresse, dachte Stefan nur, was für eine geile Fresse. Leuchtende, wache blaue Augen, kurze dunkle Haare, markantes, kräftiges Kinn. Spitzbübisches Grinsen und doch ganz Mann, kräftig trainiert, der Bizeps drückte gegen den Bund des engen schwarzen T-Shirts. Stefan spürte, wie sich dieses Gesicht ihm ins Gedächtnis brannte. Ein zehrendes Gefühl loderte in ihm auf, ein Verlangen, ein Hunger.
Er wurde sich seiner Nervosität bewusst und ging für ein paar Minuten bewusst auf Abstand. Er plauderte mit ein paar Bekannten an der Bar, schaute aber zwischendurch immer wieder nach hinten, um sich zu vergewissern, dass dieser Kerl immer noch in Sichtweite war. Solange er ihn im Blick hatte, schien noch alles möglich, konnte sich alles ergeben.
Der Typ begann mit seinen Freunden zu tanzen, bewegte sich sexy aus dem Becken heraus. Als er sein Hemd auszog, warf Stefan einen Blick auf die kräftige Brust mit der kurzen dunklen Behaarung sah. Haben wollen, durchzog es ihn, einfach nur haben wollen. Es war fast schmerzhaft, immer wieder zur Tanzfläche stieren zu müssen, aber er war hypnotisiert wie das Kaninchen vor der Schlange.
Irgendwann blickte der Kerl auch zu ihm – war ihm Stefans Hinschauen aufgefallen? Aber er schien eher an ihm vorbei zu sehen als ihn wirklich wahrzunehmen. Stefan wandte sich wieder seinen Bekannten zu.
Bei seiner nächsten Kontrolle der Tanzfläche konnte er den Typ nicht mehr sehen. Aus dem beiläufigen Blick wurde ein intensives Abscannen – aber da waren nur noch dessen Freunde, das Objekt seiner Begierde schien hingegen verschwunden zu sein.
Gegangen sein kann er doch wohl nicht, dachte er, dafür hätte er an mir vorbeilaufen müssen, das hätte ich mitgekriegt.
Er wurde unruhig, fast panisch, und entschuldigte sich bei seinen Freunden, „muss gerade mal aufs Klo“, log er. Lief durch den Laden nach hinten, schaute noch mal über die Tanzfläche, aber nichts. Er ging die Stufen hinunter, zum Darkroom im Keller, wo auch die Toiletten waren.
Als er ihn am Durchgang zum Darkroom stehen sah, überkam ihn eine Mischung aus Erleichterung und Panik. Jetzt oder nie, dachte er, lang genug gewartet hast Du. Er ging auf den Kerl zu, dessen geweitete Pupillen fassten ihn ins Visier.
„Hi, hast Du vielleicht ne Zigarette über?“ fragte er ihn.
Der grinste breit, kramte in seiner Hosentasche, fingerte aus der Schachtel zwei Zigaretten heraus, gab Stefan die eine, steckte sich die andere selbst in den Mund und suchte nach seinem Feuerzeug.
„Ich heiße übrigens Stefan.“
„Sven.“ Noch so ein Grinsen. Ihm wurde schwach in den Knien.
Sie kamen ins Gespräch, aber Sven war offenbar nicht wirklich nach Reden zumute. Nach dem üblichen „wie lange schon in Berlin“-Austausch packte er Stefan, zog ihn kräftig an sich heran, schaute ihm fest in die Augen, drückte seine Lippen auf die seinen und küsste ihn so leidenschaftlich und fordernd, dass Stefan darüber fast das Luftholen vergaß.
„Los, lass uns hier reingehen“, zog er Stefan hinter sich in den Darkroom, keinen Widerspruch duldend.
„Ich würde das echt lieber zuhause mit Dir machen.“
„Geht nicht, bin in Begleitung“, stieß er ihn gegen die Wand, zog seinen Kopf zu sich und erstickte jeden Widerspruch in einem einnehmenden Kuss.
Es war heiß und stickig in diesem dunklen Raum, und bald zog Sven Stefans T-Shirt über dessen Kopf und presste seinen Körper an ihn.
Als Stefan fünf Minuten später mit den letzten kräftigen Stößen kam, zitterte er am ganzen Körper und war völlig durchnässt.
Sven atmete tief und schnell. Sie umarmten sich noch einmal. Sven gab ihm einen leichten Klopfer auf die Brust und sagte: „Jetzt muss ich erst mal nach meinem Freund sehen.“ Mit der noch heruntergezogenen Hose blieb Stefan im Dunkeln stehen.
Fast drei Monate vergingen, bevor er ihn wieder sah.
„Wieder mit Deinem Freund unterwegs?“
„Sind nicht mehr zusammen – bin ne alte Drecksau, und damit kann er nicht umgehen.“
Svens Blick war fest wie ein Anker. Alle Vorsätze, die Stefan davon abhalten sollten, ihm wieder zu folgen, lösten sich in Dunst auf. Das gleiche Begehren, das gleiche Ziehen in ihm. Oder war es sogar stärker als beim ersten Mal? Und Sven war jetzt solo – Stefan spürte, wie seine Vorstellung sofort auf Achterbahnfahrt ging.
Es dauerte keine Minute, bevor sie in eine Toilettenkabine verschwanden und Sven ihn dort fickte, aggressiver und härter als beim ersten Mal. Zwischendurch zog er ihn zu sich, gab ihm eine Ohrfeige, spuckte in seinen Mund und küsste ihn wild, als wollte er ihn gefügig machen und seine Dominanz beweisen. Dann drehte er ihn um und fickte ihn erneut, solange, bis er spürte, dass Stefan kurz davor war zu kommen. Er erhöhte die Frequenz und kam zeitgleich mit Stefan auf drei genussvoll langsamen Stößen.
Während sie Hosen und T-Shirts wieder anzogen, startete Stefan einen erneuten Anlauf: „Würde das gern mal privat wiederholen.“
„Kannst mir gern Deine Nummer geben. Ich ruf die Tage mal durch, wenn ich geil bin.“
Die Leidenschaft, mir der sie Sex hatten, ließ ihn glauben, dass er wirklich bald von ihm hören würde. Das kann doch nicht sein, dachte er, dass es für ihn nicht ähnlich intensiv gewesen ist? Und wenn es so intensiv war wie für mich, oder auch nur annähernd, dann muss er sich doch melden?
Ob er meine Nummer verlegt hat?
Es dauerte einige Wochen, bevor er ihn wieder sah – auch diesmal im Club.
Sven grüßte am Anfang nur beiläufig, war mit jemand anderem im Gespräch. Erst viel später sah Stefan ihn wieder, unten im Keller, am Durchgang zum Darkroom.
„Alles klar bei Dir?“
„Immer.“ Und schaute ihn herausfordernd an. Stefan spürte, dass Sven nicht von sich aus auf ihn zugehen würde. Das war ein Spiel, und er war die Beute, das Opfer, das willig auf den Jäger zukam. Sven lächelte unverschämt, und Stefan nahm wahr, wie sein Schwanz hart wurde. Er trat einen Schritt auf Sven zu.
„Warum nur hier? Warum rufst Du nicht mal durch, und wir machen das gemütlich zu Hause?“
Sven schaute nur grinsend nach unten. Diese Augen, diese Arme. Stefan öffnete wie ferngesteuert seine Hose und zog seinen Schwanz heraus.
„Warum zuhause? Ist doch geil hier, oder?“ Seine Hand gab Stefans steif erigiertem Schwanz einen Klaps, irgendwo zwischen Lust und Schmerz. Spuckte drauf, verrieb den Speichel, massierte ihn fest. Drehte Stefan danach um, ging auf die Knie, leckte ihm sein Loch aus.
Stefan spürte, wie Svens Schwanz an seiner Ritze entlang glitt, vor und zurück, fast spielerisch, nur um jeden Moment sachte in sein Loch einzufahren.
Ich sollte das nicht tun, dachte er noch. Die fette Eichel überwand den ersten Widerstand und presste sich langsam und rhythmisch weiter nach vorn. Stefan schloss die Augen, stellte sich Svens Gesicht vor, versuchte jede Empfindung abzuspeichern. Er wusste, dass er dies nie wieder erleben würde. Erinnerungen für die Ewigkeit.
Danach stand er wieder allein im Dunkeln, mit heruntergezogener Hose. Er spürte warmes Sperma an seinem Hintern kleben. Jemand, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte, fasste nach ihm. Unwirsch drehte er sich um und schob die fremde Hand weg.
Gedankenversunken ging er die Stufen hinauf und trottete an der Bar vorbei, auf dem Weg nach draußen. Martin stand da. Er nickte ihn müde an, mehr war nicht drin.
„Stefan, alles fein?“
„Alles super.“ Er schaute Martin an, fixierte seine Augen. „Um ehrlich zu sein: Nichts ist super.“
Er wollte sich erklären, aber spürte nur einen festen Kloß in seinem Hals. Martin schaute ihn tröstend an, schloss die Arme um ihn und zog ihn zu sich.
„Männer sind Scheiße, oder?“
Stefan nickte bloß.
„Aber ich hab Dich gern, Mensch. Vergiss das nicht.“ Streichelte mit einer Hand über Stefans Kopf, massierte mit den Fingern seine Kopfhaut. „Und ich sage das nicht bloß, weil ich gerade auf E bin.“