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Kurze Straße 19

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11.07.2021
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Kurze Straße 19

“Ich will damit sagen, dass wir zum Schreiben bisweilen nicht von Büchern, die wir sehr mögen, sondern von solchen, die wir überhaupt nicht mögen, angeregt werden können.” Natalia Ginzburg - Vorwort zu dem Sammelband "Fünf Romane"


Dieser Sommer, der letzte Kindheitssommer bei den Großeltern mit meiner Cousine, in dem unsere Freundschaft verlorenging, ist für mich untrennbar verknüpft mit diesen seltsamen Büchern aus dem Schrank meiner Tante.

Heute frage ich mich manchmal, warum da eigentlich nichts sinnvolles dabei war. Vielleicht tue ich den drei Tanten unrecht, von denen zwei schon nicht mehr unter uns weilten, und sie haben die Autoren, die bei der Bücherverbrennung dabei waren, aus ihrem Schrank genommen, als die Nazis an die Macht kamen.

Wahrscheinlicher ist aber, dass sie, drei kleinbürgerliche, unverheiratete Frauen, die älter waren als unsere Großeltern und nur die Tanten genannt wurden, wirklich nur schwülstigen Quatsch lasen und mit guten Büchern nichts anzufangen wussten.

Da gab es neben dem, über die junge Sängerin, die sich in einen Dirigenten verliebt und ihr Gesangsstudium aufgibt, um nur für ihn da zu sein - Sie wollte es nicht wie ihre Mutter machen, die ständig auf Tourneen war und die Familie vernachlässigte. - Eine Antiemanzipationsgeschichte. “Wovon lebt sie, wenn er sich scheiden lässt?”, dachte ich skeptisch. -

auch das Buch von dem Mädchen, das als Dienstmädchen nach Berlin geht, obwohl sie einen treuen Verehrer hatte. Dort verliebt sie sich in einen Hochstapler und ist kurz davor, auf die schiefe Bahn zu geraten. Im letzten Moment macht sich der solide Peter in die Hauptstadt auf und bewahrt sie vor dem Verderben, indem er sie heiratet und nach Haus zurückbringt. Vor Berlin wird gewarnt. Worauf ich aber nicht gehört habe...


Verblüfft fand ich mich mit einem Mal allein wieder zwischen lauter russischen Armeelastwagen. Es müssen Dutzende gewesen sein. Beim Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus der ehemaligen DDR waren sie überstürzt zurückgelassen worden. Was hatte ich da verloren?

Ich war die East Side Gallery entlanggelaufen. Eine japanische Touristengruppe drückte mir eine Kamera in die Hand. Ich schoss von ihnen ein Foto mit der Mauer im Rücken.

Mit einem Mal sprach mich jemand an. “Hallo Frieda. Was treibst du hier so ganz allein?”. Wir kannten uns von früher, als er noch keine Rastas trug, und sein Haar nicht grün sondern schwarz war. Er wurde Lerche gerufen. “Komm doch mit. Ich wohne hier.” Wie kletterten durch eine unscheinbare Öffnung in der Mauer. Dahinter befand sich die Wagenburg. Ich staunte, wie groß sie war.

Im Gespräch musste ich unbeabsichtigt irgendwas geäußert haben, was ihm nicht passte, denn plötzlich ließ er mich einfach stehen. Damals war die Wagenburg an der East Side in allen Zeitungen. “Weist du was über die Knochenfunde?”, hatte ich ihn gefragt. Die Bewohner hatten wohl unter sich ausgemacht, vor Fremden nichts über interne Ereignisse zu äußern, und meine Frage musste ihm aufdringlich vorgekommen sein. Er fand wohl, dass mich das nichts angeht.

Vielleicht wollte er sich an mir rächen, weil ich nie was von ihm wollte. In dem Moment muss ihm klargeworden sein, dass er für mich nur ein Kumpel war und immer sein würde.

Ich brauchte eine Weile, bis ich die schmale Öffnung in der Mauer wiederfand, durch die wir eingestiegen waren.

Ich glaube, er fühlte sich unbewusst zu mir hingezogen, weil er aus dem selben kleinen Städtchen in Mecklenburg entsprungen war, aus dem auch meine Mutter kam. Die beiden hatten sogar die selbe launische Gemütslage. In der Kurzen Straße 19, wo das Haus meiner Ahnen stand, war ich oft zu Besuch. “Der Architekt vom Rathaus ist ein Verwandter von mir”, hatte ich Lerche erzählt, woraufhin er mich bewundernd anblickte.

Einmal hatte ich ihn am Ostbahnhof getroffen. Er wollte gerade zu seinen Eltern fahren. “Komm doch einfach mit”, sagte er zu mir. Wir übernachteten bei seiner Familie, und ich erfuhr endlich mal seinen Vornamen. Am Morgen ging ich zu meiner Oma in die Kurze Straße 19. Wahrscheinlich hatte er sich mehr erhofft. Immer, wenn einer was von mir wollte und ich nichts von ihm, kam ich mir richtig schuldig vor.

Er hatte nicht in diese Stadt gepasst. Im Innersten war er aber genauso wie die Leute dort. Einmal war er bei mir zu Hause. “Was ist das denn?”, fragte er entsetzt und zeigte auf ein großes Glas, das auf dem Fensterbrett stand. Darin hatte ich die Scherben einer Suppenterrine aus Porzellan, die mir zu Bruch gegangen war, malerisch drapiert. Wahrscheinlich sah er mich jetzt dem Untergang geweiht oder so etwas in der Art.

Ein anderes Mal hatte ich einen großen Blumenkohl gekauft. Ein Kumpel verkochte ihn ärgerlicherweise zu einer mehligen Suppe. Um noch etwas zu retten, träufelte ich Zitronensaft darüber. Lerche, der mit uns am Tisch saß, schüttelte mit dem Kopf. Da, wo er herkam, war es unüblich, Speisen auf diese Art und Weise zu verfeinern. Seitdem blickte er mich immer misstrauisch an. Das mit den Scherben und der Zitrone war wohl zu viel für ihn gewesen.

Alles, was er nicht kannte, lehnte er ab. So stur war mein Großvater auch.

Später hörte ich über ihn, dass er Probleme mit Drogen hat.


Ich schreibe eine Kindheitsgeschichte.

Und dabei will ich es mal richtig krachen lassen. Alle werden sich jetzt genervt an den Kopf fassen und: “Bitte nicht schon wieder”, sagen. Da bin ich unerbittlich. Um meine Kindheitsstory kommt keiner drum rum. Ich weiß ja, dass es davon schon massig gibt. Eine immer verlogener als die andere.

Und ich erspare den Lesern nichts, erst recht nicht die unvermeidlichen Einkochautomaten und das Kuchenbacken.

Ich will das volle Vintagefeeling.

Es ist natürlich gefährlich über Kindheit zu schreiben. Viele tappen dabei in die Falle falsche Sentimentalität rein und gluckern damit ab. Das will dann keiner lesen, da man merkt, dass es geheuchelt ist.

Natürlich gibt es auch gelungene Beispiele. Echt umgehauen hat mich "Und fing sich einen Falken" von Barry Hines oder "Ein Engel an meiner Tafel" von Janet Frame? Von beiden gibt es gute Verfilmungen.

Ein total ausgeflippter Film über Kindheit lief mal im Fernsehen, als ich zwölf war. Normalerweise durfte ich abends nicht aufbleiben, aber meine Mutter war bei den Nachbarn. Ich hoffte inständig, dass sie nicht zurückkam, bevor der Film zu Ende war, weil ich so fasziniert von ihm war. Sie kam zwar früher wieder, hatte aber durch ein paar Schnäpschen, die sie dort getrunken hatte, so gute Laune, dass ich weiter kucken durfte.

Nie werde ich das dicke Mädchen vergessen, das den jugendlichen Helden, der bei seinen Großeltern aufwächst, in der Scheune ins Heu zieht. Später traf ich auf ihre Wiedergängerin. Eine mollige Kumpeline, die ich in Berlin traf, sie war übrigens aus der Nähe der Heimatstadt meiner Mutter, erinnerte mich mit ihrer ungezügelten Sexualität immer an sie. Sie kam ja praktisch gar nicht mehr aus dem Bett raus.

Ich wusste gar nicht, wie er hieß und das es eine Literaturverfilmung war. Erst viel später fiel mir ein Buch in die Hände, dessen Handlung mir bekannt vorkam. Auf dem Umschlag stand “Fischkonzert", der Autor war Halldor Laxness.

Und außerdem hatte ich ihn auch noch im Kino gesehen. Im Babylon am Rosa Luxemburgplatz, dem alten Ostjudenviertel, in einem Programmkino, wo ich nachmittags oft wunschlos glücklich fast allein saß.

Währenddessen ich mich hier über meine Kindheit auslasse, habe ich ständig eine Stimme im Ohr, die mir etwas einflüstert. “Du bist eine Pseudointellektuelle, die in leeren Programmkinos Filme kuckt, die außer ihr niemand sehen will”, sagt die Stimme zu mir. “Nicht allein. Ganz alleine war ich nie. Mit mir war immer noch ein Herr da, so alt wie mein Großvater, in einem Jägermantel. Scheinbar ein Filmfreak wie ich. Theater ist mir nie was gewesen”, antworte ich.

“Du willst doch hier nicht etwa behaupten, deine Großeltern, von denen nur dein Großvater mit dir verwandt ist - er, ein Witwer mit erwachsener Tochter hatte eine Frau mit Sohn geheiratet, die durch den Krieg ihren Mann verloren hatte, viele wollten meine Oma, eine Umsiedlerin, heiraten, weil sie sahen, dass sie zupacken konnte - waren wie die aus dem Film.

Kurze Straße 19 war nicht das Brekkukot, wo die Großeltern aus dem “Fischkonzert” eine Arche Noah für alle Gestrandeten errichtet hatten.

Das hättest du wohl gern. Aber leider sind deine Verwandten die größten Spießer unter der Sonne gewesen, kleine enge und keine großen Seelen, und du bist ganz genauso, so sehr du dich auch bemühst, das abzuschütteln. Du hast es im Blut. Dem entkommt man nicht. Da kann man machen, was man will. Es steckt in den Genen”, sagt die Stimme zu mir. “In dir lebt der Geist der Kurzen Straße.”

Sie fragt mich auch: “Und will überhaupt noch jemand in unserer Zeit, wo gerade ein russischer Angriff auf Charkiw stattfindet und bei der Situation im Nahen Osten, etwas über Kindheitserlebnisse lesen?”

Ich erwidere: “Hier geht es eigentlich immer um den Krieg. Wenn ich zu Besuch zu meiner Oma fuhr, wurde ich konfrontiert mit den Schatten der Vergangenheit. Und das war nun einmal der zweite Weltkrieg. “Die schwere Zeit”, nannten mein Oma und mein Opa ihn und die Zeit unmittelbar danach.

Alle Personen, die vorkommen, außer meiner Cousine und mir, haben den Krieg noch erlebt und ihr späteres Handeln wurde von ihm geprägt. Meine Oma hatte acht Verwandte zu beklagen und ihr Haus auf der polnischen Seite der Oder verloren, mein Opa vier, darunter seine Schwester, die sich nach einer Vergewaltigung mit Sohn und Vater in der Peene ertränkte, damals ein Massenphänomen.

Meine Opa fand seinen Vater wieder, nachdem er stundenlang die Peenewiesen abgesucht hatte. Die anderen beiden hat man niemals gefunden.

Der Russe marschierte fünfundvierzig in die Stadt ein. Da war meine Mutter zwölf. Es war ein Trauma. Sie verlor ihre Mutter durch Typhus. Freundinnen von ihr wurden vergewaltigt und nahmen sich danach das Leben. Darüber wurde in der DDR nicht gesprochen.

Natürlich traf die Rache der Russen Leute, die nichts dafür konnten.

Früher hatte ich immer den Gedanken: “Ihr seid ja selber schuld gewesen. Warum habt ihr nichts gegen die Judenvernichtung unternommen?” Anne Frank hatte ich ihnen nicht verziehen. Die Achtundsechziger haben den selben Vorwurf ihren Eltern und Großeltern auch gemacht.

Mit steigendem Alter wird man versöhnlicher. Heute glaube ich nicht mehr, dass meine Verwandten irgendetwas gegen die Nazis hätten tun können. Das war eine Diktatur. Vielen in Putins Reich wird es genau so gehen.

Jugendliche sind dafür bekannt, oft hart und ungerecht in ihrem Urteil zu sein.

Aber im Grunde lag ich ja richtig. Mit ihrer Gleichgültigkeit, mit ihrem Wegsehen haben sie alles erst ermöglicht. Ich hätte gerne Antifaschisten wie Käthe Niederkirchner in meiner Familie gehabt, auf die ich stolz sein könnte.

Eigentlich hätte es sich ja angeboten, das beste aus der Situation zu machen und ihre beiden versehrten Familien zu einer zusammenzuschmelzen, und sich als Verwandte zu akzeptieren. Das Gegenteil war der Fall. Die Chance haben sie nicht ergriffen, das gemeinsam durchgemachte Trauma führte zu noch größerer Engherzigkeit.

Sie konnten trotz der ganzen traurigen Geschehnisse nicht über ihren Schatten springen. Um sich als Bruder, Schwester, Onkel, Tanten, Vater, Mutter, Oma, Opa, Nichte, Neffen zu begreifen, waren sie viel zu kleinkariert. Sie hielten an dem fest, was sie kannten, auch wenn die Karten inzwischen ganz anders gemischt worden waren.

Nur wir Kinder - ich, meine Cousine und ihre Brüder - die von dem ganzen nichts ahnten, sahen uns als Verwandte - jedenfalls bis zu diesem Sommer - ungeachtet dessen, dass die Schlange, die sich in den Schwanz beisst, unsere Desoxyribonukleinsäure, unsere DNS nicht übereinstimmte. .

Für ihren Vater dagegen war ich keine Nichte und meine Mutter keine Schwester. Ihre Großmutter liebte nur ihre eigenen Nachkommen und nahm andere nur als notwendiges Übel.

Ich entwickelte eine tiefe Skepsis gegen familiäre Bande.

Kleine Stadt

“Das schmeckt uns Opa, das ist was feines”, sagte meine Oma genießerisch. Er, der sich nicht traute, etwas dagegen zu sagen, verzog das Gesicht zu einem Ausdruck, in den man alles hineininterpretieren konnte und sah neidisch auf meinen Teller mit den gebratenen Eiern.

Ich war mal wieder die Böse, weil ich an dicke Milch nicht rankam, das ultimatives Wundermittel gegen Zellen, die sich vermehrten, wie sie wollten, und dadurch eine Krankheit ergaben, die man nach einem Lebewesen mit Scherenhänden benannt hatte.

Vielleicht ist ja was wahres dran, denn die Dickmilchverehrerin ist weit über neunzig geworden und ihr Ehegesponst, mein Großvater, sechsundachtzig. Wahrscheinlich haben sie so viel dicke Milch gegessen, dass sie den finsteren Gevatter verjagt haben.

Man war übermäßig dem Jenseits zugewandt, obwohl man noch gar nicht so alt war. Alle haben immer nur von Krankheiten geredet, und dass sie es sowieso nicht mehr lange machen. Wenn man den Namen Seiner Grauen Eminenz ständig im Munde führt, vergrault man ihn, und er traut er sich gar nicht mehr, mit seinem knochigen Finger an die Haustür zu klopfen.

Wenn wir beim Abendbrot saßen, die beiden ihre dicke Milch löffelten mit verzückten Gesichtern, und wegen mir extra ein Ei gebraten werden musste, erntete ich böse Blicke von ihnen, und mir wurde nichts mehr und nichts weniger vorgeworfen, als meine Großeltern an den Bettelstab bringen zu wollen. “Sag du doch mal was dazu Willi”, herrschte meine Oma meinen Opa an.

Um von der Extrawurst für mich abzulenken, brachte ich das Gespräch auf die Nachbarn. Ich wusste, bei diesem Thema ereiferten sich die beiden immer so, dass sie alles vergaßen. Bei uns im Hof wuchs ein Apfelbaum, der einen Ast über den Zaun streckte, und im Nebenhaus natürlich abgeerntet wurde.

Das, was dem Begriff Zankapfel eine ganz eigene Bedeutung gab, oder durch die er die Bedeutung bekam, die er schon immer hatte, war der Auslöser für eine jahrzehntelange Fehde. Meine Cousine und ich durften nicht mehr mit den Söhnen dieser Familie spielen, und ihre Mutter und meine Oma lieferten sich gesalzene Wortgefechte über die Hofmauer hinweg.

Die Nachbarin musste aber auch Haare auf den Zähnen haben, denn sie hatte es nicht einfach. Ihr Mann und ihr ältester Sohn waren immer abwechselnd im Knast. Später erwischte es auch die beiden jüngeren, die früher für mich und meine Cousine Spielkameraden waren. Ein Mädchen, ein Nachkömmling, wurde von allen verwöhnt. Ich denke aber, ihre Familie war dermaßen verrufen in der Kleinstadt, dass sie dort keinen vernünftigen Mann gefunden hat, sondern nur wieder so einen wie ihre Brüder.

Wohingegen wir, eine ordentliche Familie, sich von ihnen wohltuend abhoben.

Ihr Sohn, der Vater meiner Cousine, hatte extra einen Teil seines Urlaubs geopfert, um mit einem Kumpel aus seinem Betrieb die Mauer linkerhand zu erhöhen, so dass kein Blickkontakt zwischen uns und den beiden freundlichen Nachbarinnen in ihrem Alter, die Oma auch nicht leiden konnte, mehr bestand. Die Apfeldiebe wohnten leider rechterhand in einem zweistöckigen Haus, so dass sie immer in unseren Hof sehen konnten, egal wie hoch die Wand war.

Am Küchentisch wurden Mordkomplotte geschmiedet. Vergebens versuchte sie, meinen Opa dazu aufzustacheln, rüberzugehen und mit der Faust auf den Tisch zu hauen, was seinem Blutdruck gar nicht gut tat.

In unserem Garten, der in einer Gartenkolonie lag, waren wir ebenfalls mit den drei angrenzenden Gärten verfeindet, und ich durfte dort die Nachbarn nicht grüßen und mit den Kindern von ihnen nicht spielen. Wenn meine Oma mich dabei erwischte, wie ich mit diesen Leute redete, war was los. Alle Besitzer der Gärten, die an unseren grenzten, konnte sie nicht leiden.

Es wurde gespart. Meine Oma stand über den dampfenden Kessel gebeugt und schrubbte die Wäsche auf den Waschbrett. Im Flur versperrte ein Automat, der sich seit Jahren im Karton langweilte, den Durchgang. Den zu kaufen, hatte ihr Sohn sie überredet, der hoffte, dass seine Mutter dann weniger Arbeit hat. Auch eine Schleuder wurde nicht benutzt. Mein Opa bzw. ich fassten an dem einen Ende an und sie an dem anderen. So wrangen wir das Laken aus.

Ich werde auch die eine Woche, wo wir nur Spinat gegessen haben, weil es den im Garten so reichlichgab, und den ich heute übrigens sehr gern mag, damals leider nicht, nie vergessen.

Wenn meine Oma mir Süßigkeiten schenkte, durfte ich den Kindern auf der Straße davon nichts geben. Wenn sie durch mich durch die Gardine dabei beobachtete, wie ich es doch tat, erwartete mich ein Donnerwetter. Der schnöde Geiz, den man mir einhämmerte, löste natürlich genau die gegenteilige Reaktion in mir aus, und ich entwickelte einen Hang zur Großzügigkeit. Dort haben sie mir ständig Egoismus gepredigt.

Sie und ich diskutierten politisch, wenn sie aus dem Westen kam, wo sie ihre Schwester besucht hatte. “Drüben liegt Papier zwischen den einzelnen Käsescheiben”, sagte meine Oma und mühte sich die verklebten Käsescheiben aus der Packung voneinander zu lösen. “Dafür gibt es bei uns keine Arbeitslosigkeit”, erwiderte ich. Damals war ich von unserem Sozialismus vollkommen überzeugt.

Meine Cousine, die die Tochter von ihrem Sohn war und ich hatten uns im Verlaufe eines endlosen Sommers, den wir beide bei den Großeltern verbrachten, grundlos zerstritten. Ein nichtiger Anlass führte dazu, dass unsere Freundschaft zu Ende war. Das lag bestimmt auch daran, dass wir beide um die Gunst unserer Großmutter konkurrierten.

Natürlich stand meine Cousine meiner Oma näher. Die beiden liebten sich, und sie konnte mit ihr viel besser als ich. Das kristallisierte sich wohl besonders in diesem Sommer heraus. Es waren die Großen Ferien, nach denen wir beide in die achte Klasse kamen. Ich sah sie nur noch ein Mal wieder, mit Anfang Zwanzig, bei Opas achtzigstem. In der jungen Frau mit der albernen, affektierten Stimme fand ich meine Kindheitsgespielin nicht mehr.

Wir wuschen uns andauernd die Haare und ließen sie in der Sonne auf dem Hof trocknen, da kein Fön vorhanden war. "Bewegung ist die Hauptsache, sagt meine Mutter immer", sagte mein Cousine und schüttelte solange ihren Kopf, bis er trocken war. Immer, wenn ich mir die Haare trockne, habe ich diesen Satz wieder im Ohr. Wenn unsere Haare uns dann locker und flockig auf den Schultern lagen, spazierten sie und ich im kurzen Rock durch die Stadt und hofften, dass uns Jungs nachschauen.

Am Nachmittag sahen wir oft das Ferienprogramm. Meist kamen sowjetische Kinderfilme. Meine Oma hasste die Russen. Sie warf ihnen vor, dass sie ihre Verwandten verloren hatte. Das wir Deutschen es waren, die in andere Länder einmarschiert sind, hat sie sich nie eingestanden. Und außerdem hasste sie auch den Polen, weil er sie vertrieben hatte.

Ihr Sohn hatte sie mit dem Auto bis zu ihrem alten Haus gefahren. Dort wohnten jetzt Einheimische drin. Mir war das alles unerklärlich. Ich wusste nichts davon, dass in Polen mal so viele Deutsche gelebt hatten. Meine Mutter dagegen hatte die Landkarte noch anders in Erinnerung.

Niemals habe ich erlebt, dass die Kriegsgeneration, die Bekannten und Verwandten meiner Großeltern und auch sie selber, sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat und auch mit ihrer Schuld, weggesehen zu haben und Bücher oder Filme zu dem Thema sahen oder lasen. Das tat ich dafür um so mehr. Sie nahmen den Krieg mehr wie eine Umweltkatastrophe oder ein Erdbeben und verdrängten die Ursachen.

Wenn sie in die Stube kam, wo wie vor dem Fernseher saßen und hörte, dass unsere Altersgefährten im Film sich mit Wolodja und Irina anredeten, schaltete sie sofort den Apparat aus, und wir konnten nicht erleben, wie die Abenteuer im Pionierlager Artek weitergingen. Übrigens ein Traumort von mir, wo aber nur die allerbesten hindelegiert wurden.

Meine Cousine, die in ihrer Stadt an der Oder Westfernsehen empfangen konnte, hatte mir den Mund wässrig gemacht, als sie mir von der “Shiloh Ranch” vorschwärmte. Da konnte ich nur von träumen. Bei uns hatte weit und breit keiner Empfang.

Meine Cousine war verliebt, das heißt, sie lebte in einer eingebildeten Beziehung. In den zahlreichen Ferien, die sie bei ihrer Oma verbrachte, hatte sie sich mit einem Jungen angefreundet, der auch in einem Haus in der Kurzen Straße wohnte und ein oder zwei Jahre älter war als wir. Er war aus dieser Stadt. Die Wohnung seiner Eltern war zu klein, deshalb lebte er bei seiner Oma. Wie meine Cousine hing er sehr an ihr. Er war ein sogenanntes Omakind. Vielleicht verband sie das.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich zwischen ihnen so was in der Art wie eine zarte Kinderliebe. Einmal hatte er ihr sogar einen Zettel geschrieben, auf dem stand, dass er sie mag. Daran hielt sie sich fest. Das war aber schon eine Weile her. In diesem Sommer hatten sie sich noch nicht gesehen, obwohl er nur ein paar Häuser weiter wohnte. Sie redete von nichts anderem als von ihm. Wie alle Verliebten, war sie davon überzeugt wiedergeliebt zu werden.

Sie machte gerade eine schwere Zeit durch. Ihre Eltern hatten sich scheiden lassen. Ich hatte sie um ihre Familie und um ihre Brüder immer beneidet. Ihr Vater, ein extrem gutaussehender Typ, war ein Rock´n Roller gewesen. Er verehrte Elvis. Mit seinen Freunden und der Mutter von ihr, meine Tante mit Petticoat und Pferdeschwanz, hatte er früher die Gegend unsicher gemacht und mit Witz und Charme die Herzen erobert, seinen besten Kumpel, der noch drei Mal lustiger war als er, immer neben sich.

Jetzt war er siebenunddreißig, und manchmal blitzten noch Überbleibsel aus dieser Zeit, als Freundschaft und Solidarität das wichtigste für ihn waren und er die Musik geliebt hatte, in seinem Wesen auf. Mit zunehmendem Alter wurde er seiner engherzigen, kleinbürgerlichen Mutter immer ähnlicher.

In diesem Sommer zeigte mir meine Cousine stolz einen Aufsatz über ein ein freies Thema, den er für sie geschrieben hatte und für den sie im Deutschunterricht eine Eins bekommen hatte. Soviel Fantasie hätte ich meinem Onkel nicht zugetraut. Das war wohl einer, dieser immer seltener werdenden Momente, in denen er wieder der alte war.

Die Geschichte spielte in Amerika. Ein schwarzer Junge, der ein talentierter Musiker ist, sieht sich sehnsüchtig in der Auslage von einem Musikgeschäft eine Trompete an, die er sich nicht leisten kann. Schließlich schlägt er die Scheibe ein, nimmt die Trompete an sich und rennt davon.

Ich staunte. Mein Onkel musste einmal ein anderes Leben gehabt haben.

Diese ersponnene Liebe zu dem Nachbarsjungen war wohl ihr Mittel, um die Geschehnisse zu verarbeiten. Ich wollte meiner Cousine unbedingt helfen. Ständig animierte ich sie dazu, mit mir am Fenster seines Hauses vorbeizuspazieren.

Er hatte bestimmt schon mitbekommen, dass sie in diesem Sommer wieder da war. Das wussten alle Leute in der Straße, denn dort gab es keine Geheimnisse. Ich wollte eine Situation herbeiführen, wo sich die beiden begegnen konnten. Er war, wie alle Jungen in der Stadt, begeisterter Fußballer und immer am Sportplatz anzutreffen. Dahin wollte ich sie lotsen. Aber sie widerstand allen meinen Überredungskünsten. Es kam mir so vor, als wenn sie ihn eigentlich gar nicht sehen wollte. Es schien ihr zu genügen, dauernd über ihn zu reden.

Einmal schickte meine Oma sie in die Steinstraße, wo die große Halle war, zum einkaufen. “Ich habe ihn getroffen”, erzählte sie mir. “Und?”, fragte ich sie. Sie zuckte nur mit den Schultern. Warum kriegt man die Liebe nicht, wenn man sie braucht? Wahrscheinlich hatte sie von Anfang an gewusst, dass sie sich einer Illusion hingab und wollte sich nicht mit der Realität konfrontieren, um sich ihre Träume nicht zu zerstören.

Er, der vierzehn oder fünfzehn war und ein niedlicher Junge, hatte zwar noch keine feste Freundin aber in der Zwischenzeit bestimmt schon etwas konkretere Beziehungen zu Mädchen aus seiner Stadt aufgenommen. Mit dem Kapitel Kindheit war für ihn auch die Freundschaft mit ihr abgeschlossen.

Wenn ich es mir heute überlege, ist es eigentlich schade, dass aus den beiden nichts geworden ist.

Es muss schon verrückt gewesen sein, wenn die beiden sich später mal begegneten, kinderwagenschiebend. “Wenn der mal heute nicht noch in der Kurzen Straße wohnt”, geht mir durch den Kopf. Seine Oma hat ihrem Lieblingsenkel doch bestimmt das Haus überschrieben.

So wie meine Cousine mich mit ihren Schwärmereien langweilte, so ödete ich sie meinerseits mit welchen an, die sich um einen Jungen aus meinem Dorf drehten, der mit seinen Eltern aus Russland gekommen war. Die Sache war noch viel mehr an den Haaren herbeigezogen als die Hirngespinste meiner Cousine. Ich sah ihn zwar jeden Tag in der Schule, hatte aber noch nie ein Wort mit ihm geredet. Als er eines Tages etwas merkte, lachte er mich aus, was meiner Leidenschaft aber keinen Abbruch tat.

In dem Sommer besuchten wir oft eine Großtante, die Rieke gerufen wurde, und die ein paar Straßen weiter wohnte, und liehen uns Bücher aus. Die Bücher in dem großen Schrank mit dem Schnitzwerk waren von vor dem Krieg, und alle noch in der alten Schrift geschrieben, an die ich mich aber schnell gewöhnte. So lasen meine Cousine und ich uns durch die Trashliteratur der Weimarer Republik und der Zeit davor durch.

"Mein Bräutigam ist nach Amerika ausgewandert", erzählt Tante Rieke, die noch vor der Jahrhundertwende geboren worden war, meiner Cousine und mir. "Seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet. Aber manchmal klappert nachts mein Nachttopf. Dann weiß ich, dass er an mich denkt."

Das mit dem Klappern ist natürlich obskur, aber auf eine Art hatte sie vielleicht sogar recht. Man spürt, wenn jemand, zu dem man eine enge Verbindung hatte, und sie waren mal ein Paar, an dich denkt. Wahrscheinlich hat er im höheren Alter sogar noch mehr an seine Jugend gedacht als früher.

Er wird sich nicht mehr gemeldet haben, weil er es in Amerika nicht geschafft hat. Bestimmt saß er, als Abenteurer wider Willen, Angestellter auf dem Postamt seiner Heimatstadt hätte ihm bestimmt gereicht, irgendwo in Chicago oder im Wilden Westen, hatte schon etliche Cheyennes plattgemacht und sehnte sich nach dem Fanglturm, dem Furtsberg und dem Steintor zurück und nach seiner Braut und hätte gern die Zeit zurückgedreht. “Aber wenigstens hat er Ellis Island und die Freiheitsstatue gesehen”, dachte ich neidisch. So blieb die Tante unverheiratet, was zu damaligen Zeiten nicht üblich war. "Vielleicht hat sie immer auf ihn gewartet", fällt mir ein. “Das ist ja wie in “Donna Rosita bleibt ledig” von Garcia Lorca.”

In dem Schrank von Tante Rieke fand ich ein Buch mit einer verzwickten Geschichte. Einer Frau fällt ein Tagebuch von einem französischen Kriegsgefangenen aus dem ersten Weltkrieg in die Hand. Sie macht ihn ausfindig und besucht ihn. Die beiden verlieben sich. Auf einer Spazierfahrt lenkt er, ein Autonarr und Geschwindigkeitsfanatiker, den Wagen plötzlich eine Schlucht runter. Sie überlebt schwerverletzt. Es stellte sich raus, dass er im Krieg ein Trauma erlitten hat, und sich über sie stellvertretend an den Deutschen rächen wollte.

Mein Cousine erzählte mir die Handlung von einem anderen Buch aus dem Schrank der Tanten,. Ein junges Mädchen kommt nach Berlin um Malerin zu werden. Bald verliebt sie sich in einen jungen Maler. Da ist aber noch jemand anderes, der was von ihr will, und dem sie mal für ein Porträt Modell gesessen hat.

Um sich an ihr zu rächen, weil sie seine Gefühle nicht erwidert, montiert er ihr Gesicht auf die Aktstudie von einer anderen Frau. Der junge Maler, der selber auch ein guter Aktzeichner ist, fühlt sich dadurch tief in seiner Ehre getroffen und erschießt sich.

Welch eine Doppelmoral. Ich fand es verwunderlich, dass er sich gleich so angegriffen fühlte, weil ein anderer Maler scheinbar seine Freundin nackt gesehen hatte. Und außerdem hätte ihm auffallen müssen, wenn sie denn schon mal Sex gehabt hätten, was sie nicht hatten, dass das gar nicht ihr Körper ist. Das kommt davon, wenn man damit zu lange wartet.

Und selbst wenn. Er selber malte ja auch Frauen ohne Kleidung. Mit solchem Quatsch stopfen sich die Tanten den Kopf voll, und wir mit unseren dreizehn Jahren auch.

Wie schon gesagt, es war ärgerlicherweise nichts ernsthaftes dabei. Nur einmal fand ich unter den ganzen Schmonzetten ein Buch mit Geschichten, dass wesentlich älter war als die restlichen. Es war weit vor der Jahrhundertwende gedruckt worden und muss den Eltern oder Großeltern der Tanten gehört haben und fiel auch sonst vollkommen aus dem Rahmen. Von allen Erzählungen ging eine tiefe Traurigkeit aus, die ich nie wieder vergaß.

Es war ständig vom Ghetto die Rede, ein Begriff den ich bisher nur mit den Nazis in Verbindung brachte. Das Buch war aber noch aus der Zeit davor. Ich nahm erstaunt zur Kenntnis, das als Ghetto früher die Judenviertel in den Städten bezeichnet wurden, und dass das kein Schimpfwort war. Es ging um eine Kleinstadt, Städtele, der ehemaligen Tschechesslowakei.

Eine Geschichte handelt von der Frau, deren Tochter krank war, und die deshalb zum Rabbi nach Prag fahren wollte, um Gebete für sie sprechen zu lassen, und in der Postkutsche plötzlich eine Vision hat. Sie eilt zu ihrer Tochter zurück, die im Fieber die Decken abgeschüttelt hat und deckt sie wieder zu. Durch das dadurch Schwitzen wird eine positive Krise ausgelöst, woraufhin die Gesundung einsetzt.

Oder das mit den beiden, die schon seit ihrer Kindheit ineinander verliebt sind, aber von ihren Familien anderweitig verheiratet werden. Dann werden sie noch durch Kriege auseinandergerissen. Sie treffen sich wieder, als beide über siebzig sind und werden wohl doch noch ein Paar. Ein bisschen spät fand ich.

Die beiden Geschichten, die ich hier erwähnte, waren noch die heitersten. Die anderen waren viel heftiger. Ich überlegte: “Wie geriet nur dieses Buch in den Bücherschrank der Tanten?”

Später waren zu irgendeinem Jahrestag mal Fotokopien von Deportationslisten in der Zeitung abgedruckt. Ich entdeckte darauf meinen Familiennamen, nur ein a war durch ein o ersetzt worden. Ich fragte meine Mutter. Sie wusste nichts. Aber merkwürdigerweise waren trugen fast alle ihre Verwandten, die Tanten, von denen ich die Bücher hatte, übrigens auch, Nachnamen, die ich später irgendwo mit dem Zusatz: der jüdische Theatermann, der jüdische Spätaussiedler, die große jüdische ... wiedersah.

Oder die Radiodokumentation über das alte Judenviertel in Odessa, in der der Name Selzer genannt wurde, was mich sofort hellhörig machte. Von “den Selzers” war bei meinen Großeltern viel die Rede. Meine Mutter, bei der es untertrieben wäre, ihr Gedächtnis als gut zu bezeichnen, sondern die das Gedächtnis selber ist, erklärte mir unser Verwandtschaftsverhältnis.

Als ich “Light my fire” von Pamela des Barres las, in dem sie über ihre Groupiezeit schreibt, und dabei vor Neid erblasste, weil sie all die Typen gehabt hat, die ich immer wollte, fiel mir der Name Chris Hillmann auf, ein jüdischer Musiker, der ein Mitglied von den Byrds war. “Ich kenne doch von irgendwoher diesen Namen”, ging es mir durch den Kopf.

Da fiel es mir wieder ein. Als meine Mutter mal längere Zeit krank war, musste ich bei meiner Oma zur Schule gehen. “In meiner Klasse gibt es ein Mädchen, dass Anke Hillmann heißt. Sie sagt, dass ihr Opa erzählt hat, dass wir Verwandte sind.” Mein Großvater horchte auf: “Der alte Hillmann hat eine Schwester von meinem Vater geheiratet”, erwiderte er.

Last not least: Die Frauen der Familie haben alle ein Faible für schwarzlockige, braunäugige Männer. Ich auch.

Ändert das überhaupt was, wenn man weiß, woher man stammt?

Ich bin aber jetzt für das Thema sensibilisiert, und lese mit großem Interesse Erinnerungen von jüdischen Mitbürgern an ihre Kindheit. Dort ist immer viel von heiler Familie und Bechsteinflügeln die Rede. Bildungsbürgertum eben.

In der Familie des Philosophen Theodor Lessig war das ganz und gar nicht so, wie er in seiner Autobiographie schreibt. Dort regierte der Vater, ein Mann der Wissenschaft, mit der Reitpeitsche. Seine Frau hatte er nur des Geldes wegen geheiratet und drohte damit, sie zurückzubringen, wenn sein Schwiegervater nicht noch was drauflegt. Seine Freundinnen brachte er mit nach Hause.

“Das sind eigentlich ganz normale Menschen, nicht besser oder schlechter als die anderen”, wurde mir klar. Nicht jeder ist so schlau wie Karl Marx oder Einstein und nicht jede Frau so mutig wie Rosa Luxemburg, wobei man aber zugeben muss, dass sie eine extrem hohe Anzahl von Frauenrechtlerinnen hervorgebracht haben.

Ich google nach großen Töchtern der kleinen Stadt, in der Lerche und ich unsere Wurzeln haben. Mal wieder typisch. Die Kirche bot wahrscheinlich die einzige Möglichkeit für begabte Mädchen, sich zu verwirklichen. Eine, von den wenigen, die aufgeführt wurden, hatte ein Erweckungserlebnis, als sie eine Marienstatur betrachtete. Sie verfasste fromme Traktate und Kirchenlieder. Ich hätte gerne anderes als heilige Schriften von ihr gelesen. Vielleicht hätte meine Landsmännin noch mehr in peto gehabt.

Ich überrede meine Mutter mit mir in die Kirche ihrer Heimatstadt zu gehen, die sie wohl seit ihrer Konfirmation nicht mehr betreten hat. “Der Mann, der dort am Eingang steht, war mein ehemaliger Lehrer auf dem Gymnasium”, erzählt sie mir.

Einmal kam im Fernseher eine Dokumentation über einen jüdischen Berliner, der vor den Nazis nach Israel flüchten musste. Da es ein schöner Sommerabend war, fuhr ich noch mit meinem Fahrrad herum. "In dieser Gegend, im sogenannten Scheunenviertel, gingen früher viele jüdische Prostituierte auf den Strich", kam mir in den Kopf. Davon hatte ich mal gelesen.

Auf der Torstraße, in der Nähe dieses Viertels, das bis zur Machtergreifung von Ostjuden bewohnt wurde, kamen mir in der Dunkelheit drei Männer entgegen und lächelten mir freundlich zu.

Einer war gekleidet wie ein Rabbiner, mit Gehrock und Hut, und der kleine Mann, der in der Mitte ging, war merkwürdigerweise derselbe, den ich kurz vorher noch im Fernsehen dabei gesehen hatte, wie er in Israel seine Katzen streichelte. Er stattete wohl seinem Berlin, aus dem sie ihn in den Dreißigern vertrieben hatten, einen Besuch ab.

Falls ich hier doch trash von mir gegeben habe, bitte nicht sauer sein. Vielleicht hat das auch seine Berechtigung: “ ... aber jener Rührung und jenen Tränen, die uns entquellen, während unser Urteil ablehnend bleibt, verdanken wir den Impuls zum Schreiben.” Natalia Ginzburg - Vorwort zu dem Sammelband "Fünf Romane"

 

Hi, @Frieda Kreuz,

ich kommentiere das jetzt mal beim ersten durchlesen, Lob kommt am Ende. ^^

Im Gespräch musste ich unbeabsichtigt irgendwas geäußert haben, was ihm nicht passte, denn plötzlich ließ er, den ich als einen mürrischen Typ kannte, mich einfach stehen.
Da stolpere ich ein wenig. Das markierte ist schlägt einem aus dem Satz. Da weiß ich auch nicht, wie du das meinst. Also, einfach weglassen? Vielleicht komm ich noch dahinter, wie du das meinst im weiteren Lesen.

Sie kam zwar früher wieder, hatte aber durch ein paar Schnäpschen, die sie dort getrunken hatte, so gute Laune, dass ich weiter kucken durfte.
Wird das nicht "gucken" geschrieben oder kann man beide Schreibweisen nutzen?
Nie konnte ich das dicke Mädchen vergessen, das Alfrigmur in der Scheune im Heu verführt.
"Verführte", wenn mich nicht alles täuscht.
Du bist eine Pseudointellektuelle, die in Programmkinos als einzige Filme kuckt, die niemand sehen will”, sagt die
Gleiches, wie oben.
“Du willst wohl nicht etwa behaupten, deine Großeltern - von denen nur dein Großvater mit dir verwandt ist, denn er, ein Witwer mit erwachsener Tochter hatte eine Frau mit Sohn geheiratet, die durch den Krieg ihren Mann verloren hatte, viele wollten meine Oma, eine Umsiedlerin, heiraten, weil sie sahen, dass sie zupacken konnte - waren wie die aus dem Film.
Was ein Wall of Text. Als Leser stolpert man da öfter. Ich würde mehrere kürzere Sätze empfehlen, dass liest sich besser. Und die Anführungszeichen am Ende fehlen irgendwie.
kleine [KOMMA] enge und keine großen Seelen
Ich komm Kopfmäßig nicht so wirklich in die Geschichte. Ich glaube sie denkt die ganzen Sachen nur? Ich weiß es nicht. Irgendwo habe ich wohl etwas nicht mitbekommen oder steht sie immer noch auf der Straße und verliert sich in Erinnerungen? Ich bin verwirrt. Nimm von den angemerkten Dingen, was du brauchst. Ich beende das hier. Hier finden sich bestimmt andere, die deine Geschichte besser verstehen als ich. Der Anfang ist gut, aber gegen Mitte zieht es sich und ich bin verwirrt auch wegen dem vielen verschachtelten, langen Sätzen.

Viel Spaß beim weiteren schreiben.

Liebe Grüße
Aeffchen

 

Hallo @Aeffchen,
ist ja gut, dass ich mal jemanden aus meiner Zielgruppe erreicht habe. Es geht schließlich um Heranwachsende. Die Thematik Oma, Onkel, Cousine ist Dir bestimmt nicht fremd. Bei mir ist das ja schon ein bisschen her.
Ich fand eigentlich zuerst, dass der Anfang gar nichts mit der Geschichte zu tun hat. Jeder erwartet doch etwas über die Wagenburg an der East Gate. Aber das ist ein Thema, das die Leute interessiert. Deshalb habe ich es als Catcher eingesetzt. Eigentlich wollte ich noch schreiben, dass mir dort Angst und Bange wurde, weil die dort alle sehr nach harten Drogen aussahen. Kurz zuvor war da etwas passiert. Deshalb ist die Wagenburg ja auch geräumt worden. Leider ist mein Kumpel dort auch mit reingeraten.

Kucken und gucken geht beides. Kucken ist aber in Norddeutschland gebräuchlich, habe ich gelesen. Und die Handlung spielt ja im Norden.

Ich gebe zu, der Text ist ein bisschen mit der heißen Nadel gestrickt. Es geht um Adoleszens, Abschied von der Kindheit, Forschen nach den familiären Wurzeln. Ich habe soviel Filme und Bücher aufgeführt, da man mit dreizehn ja noch nicht so viel Lebenserfahrung hat und ständig versucht sich irgendwo schlau zu machen darüber, was einen erwarten könnte. Damals habe ich ja gar kein Buch gelesen, wo es nicht um Verliebte ging. Der Rest der Handlung hat mich gar nicht interessiert.

Außerdem hat man auch kein Geld und muss essen, was Oma und Opa einem vorsetzen, und wenn es eine Woche mal nur Spinat ist.
Gruß Frieda

 

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