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Langer Abgang

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14.08.2008
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Langer Abgang

Sie kamen zu zweit, an einem Samstagmorgen um halb zehn, sieben Stunden vor der Geburt meines ersten Kindes. Ich hatte eben meinen auf Tomatengröße zusammengedrückten Magen mit Gulasch vom Vortag beruhigt, und wollte wieder zu Adam unter die Decke kriechen, als sie klingelten. Zwei dunkelblau uniformierte Schatten vor dem Milchglaseinsatz der Haustür, die nicht den Eindruck machten, als ließen sie sich abwimmeln, wenn man sie ignorierte.
Also schlurfte ich zur Tür, ohne eine Jacke über den Pyjama zu ziehen. Sollte wer auch immer ruhig sehen, dass er störte.
Auf dem Tritt vor dem Eingang standen eine Frau wie ein Berg, hinter ihrem Rücken halb versteckt ihr junger Kollege, der mit den Schuhen den Schnee von der Treppe schob und die Hände in den Taschen zu Fäusten geballt hatte. Der erste Luftschwung senkte sich hinter meinen nackten Füßen auf die Fliesen, und umklammerte meine Fesseln mit Eishänden. Danilo schnaufte unwillig im Hundekorb.
„Frau Mareike Seliger?“
Ich nickte wortlos, während die Frau ein paar Lederhandschuhe von einer in die andere Hand weiterreichte, und, wohl ein unbewusster Tick, die zu kurzen Ärmel der Uniformjacke über den Handgelenken zurecht zupfte. Polizei am frühen Morgen, das konnte nichts Gutes bedeuten.
Als ahnte das Kind etwas, begann es, Milz und Leber mit Tritten zu traktieren. Die Polizistin bewegte den Mund, doch ich hörte nichts mehr. Das Wasser schoss mir in die Augen, ich musste mich am Türrahmen festhalten.
„Alles in Ordnung? Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr Mann …“
Ich legte die Linke knapp über den Nabel, das Kind schien sich ihr entgegenzudrehen und verharrte, den Rücken gegen die Bauchdecke gepresst, in meine Hand gebettet. Es ist alles gut. Bald bist du ganz bei uns.
„Mir geht es gut. Warum sind Sie hier?“
„Es geht um Ihren Vater, Jürgen Roth. Können wir kurz hereinkommen?“
So beginnen sie immer, die schlechten und die guten Nachrichten. Mit etwas Banalem wie Schmelzwasserlachen von fremden Schuhen in der Diele, und dem Geruch von Hundefutter in einer unaufgeräumten Küche.
„Kaffee?“ Beide verneinten, und die Polizistin, deren Namen ich nicht verstanden hatte, drang nochmals darauf, dass ich mich setzen und Adam kommen solle.
Der schläft noch, wollte ich sagen, als seine Schritte die Treppe herunter tapsten, während die Fingerkuppen der Rechten sacht übers Geländer strichen.
„Schatz, wir haben Besuch!“, rief ich völlig unnötig, er hatte es längst gehört.
Im Vorbeigehen tastete er auf der Telefonkonsole am zusammengeklappten Blindenstock vorbei nach dem Brillenetui, im nächsten Augenblick stand er in Schlafanzughose, Norwegerpulli und Sonnenbrille in der Küche und nickte kaum merklich zum Fenster, wo niemand stand.
„Morgen.“ Er erriet mich neben der Anrichte und drückte seine Stirn an meine, unser Morgenritual seit Jahren. Dabei strichen seine Hände über meinen Bauch, als würde er mich durch das Kind ein zweites Mal berühren, glückselig anders.
„Die Polizei ist da.“
„Weswegen?“
„Es geht um den Vater von Frau Seliger, Jürgen Roth“, ergriff die Polizistin wieder das Wort. „Er wurde heute Morgen tot in seiner Wohnung aufgefunden. Es tut uns leid.“
Die Stille sackte in die Küche wie der Geruch eines verwesenden Tieres. Adam legte einen Arm um meine Schulter, doch ich wand mich zur Seite und schob mich auf einen Stuhl, der unter der Last ächzte.
Endlich ist es vorbei. Keiner mehr, der nachts anruft und ins Telefon schweigt. Keine weinschweren Umarmungen, in denen er Trost sucht. Die Erleichterung wollte sich nicht einstellen, stattdessen eine graue Leere, Gefühlsasthma.
„Es tut uns leid“, sagte die Polizistin noch einmal. „Sehen Sie sich denn in der Lage, uns ein paar Fragen zu beantworten?“
„Wie ist das passiert? Ich meine, weiß man schon, woran er…“ Adam nestelte an einem lose vom Ärmelbund hängenden Wollfaden, stieß mit dem Ellenbogen gegen die halbvolle Teekanne vom Vorabend, die in die Spüle stürzte und auslief.
„Im Augenblick ist alles offen. Ihr Vater wird von einem Rechtsmediziner untersucht werden. Danach wissen wir mehr. Es kann sein, dass sich die Kriminalpolizei bei Ihnen melden wird, im Fall einer … eines nicht natürlichen Todes.“
„Sie meinen Selbstmord.“
„Wie kommen Sie darauf, Frau Seliger?“, mischte sich nun auch der junge Beamte ein. Er hatte eine weiche Stimme und näselte. Die Finger hielt er unter den Achseln, wie um sie zu wärmen, dabei war die Küche gut geheizt. Vielleicht schämte er sich für seine kleinen Hände.
Ich warf einen raschen Blick zu Adam, der sich inzwischen den letzten freien Stuhl genommen hatte. Danilo drückte sich zwischen unseren Beinen hindurch zum Fressnapf, als die Polizistin ihn streicheln wollte, wich er aus.
„Er lässt sich ungern von Fremden anfassen“, entschuldigte ich, doch sie winkte ab.
„Warum denken Sie, Ihr Vater könnte sich umgebracht haben?“, hakte der Beamte nach.
„Er hat es immer wieder gesagt. Ich habe es nicht ernst genommen. Er kam andauernd mit solchen Sprüchen, es würde mir noch leidtun, wenn er mal tot ist und so … wenn er seinen Kopf durchsetzen wollte.“
Die Locken seiner Kollegin wippten, als sie bedächtig nickte. Ich wollte nicht wissen, was sie dachte.
„Wann haben Sie ihn zuletzt gesprochen?“ Ihre Blicke scheuchten meine in die Ecke. Adam würde es sofort hören, wenn ich log.
„Vorgestern. Ich war kurz bei ihm, bevor ich meinen Mann von der Arbeit abgeholt habe.“
„Wie wirkte er da auf Sie?“
„Wie immer. Er war betrunken.“
„Gibt es noch andere Angehörige, die man benachrichtigen müsste, Frau Seliger? Weitere Kinder, oder eine Partnerin?“
„Meine Mutter. Aber die lebt seit Jahren in Italien.“ Zumindest war der letzte Brief vor einem halben Jahr aus Rimini gekommen, von der Adresse eines Claudio Macarella. Vielleicht ihr Lebensgefährte oder eine weitere platonische Liebe, vielleicht auch nur irgendjemand, der ihr auf der Reise zur Selbstfindung für ein paar Wochen einen Schlafplatz bot. „Ich kümmere mich selbst darum. Danke, dass Sie gekommen sind.“ Damit erhob ich mich, eigenartig, wie schnell man sich alt fühlen konnte, der Rücken schmerzte und die Gelenke knackten, als habe mich die Nachricht siebzig Jahre gekostet. Dabei dachte ich immer, nun müsse das Leben erst anfangen.
„Keine Umstände, wir finden allein hinaus.“
Adam begleitete die Beamten bis zur Tür, sie redeten noch lange miteinander; leise, als müsste man mich vor dem Leben schützen. So war er immer. Ein Ritter, soviel reifer und stärker als ich, dabei war er drei Jahre jünger.

„Gehen wir eine Runde führfrei?“, fragte Adam, nachdem er die Polizisten verabschiedet hatte.
Ich drehte noch immer die Karte in den Händen, die Polizeiobermeisterin Bachmann dagelassen hatte. Die Einladung war unmissverständlich. Er würde sich bei mir einhaken, während Danilo an der langen Leine lief. Anfangs würde ich schweigen, ihn nur auf überfrorene Pfützen und tief hängende Äste hinweisen, doch spätestens an der Pferdekoppel, wenn keine Hindernisse mehr zu erwarten waren, würde ich reden. Adam hatte eine Art zu schweigen, die dazu einlud. Doch heute wusste ich nicht, ob ich das wollte.
„Geh mal allein. Ich glaube, ich will lieber für mich sein.“
„Mareike … es tut mir leid.“
Nicht er auch noch!
„Ich weiß, es war nie einfach mit deinem Vater …“
„Adam, ich will nicht darüber reden, ja? Später vielleicht.“, setzte ich nach, als ich sein betretenes Gesicht sah.
Er strich mir sacht über die Schulter, als er die Küche verließ, und ich zwang mich, es zuzulassen, ohne auszuweichen. Dankbar dafür, dass er nicht fragte, was ich bei Jürgen gewollt hatte, nachdem ich den Kontakt doch angeblich abgebrochen hatte.
Alte Nachbarn erzählten seit langem, er saufe sich zu Tode. Er sei krank, frühverrentet, schlurfe Sonntagmorgens in Badeschlappen und einem dreckigen Mantel zur Tankstelle, und kaufe Schnaps. Er rief nachts an und atmete in den Hörer, morgens, wenn Adam in der Praxis war, und fragte, warum ich ihn nicht besuchte. Sein einziges Kind, dass er zudem noch allein großgezogen habe, und es kümmere sich nicht um ihn.
Adam kehrte in Jeans und Daunenjacke in die Diele zurück, er tastete neben dem Führgeschirr nach dem Blindenstock und pfiff nach Danilo. „In einer halben Stunde bin ich wieder da.“
Er meinte immer noch, Jürgen nie begegnet zu sein. Ich hatte nur so viel angedeutet, dass er nicht nach meiner Familie fragte.
Ich wartete, bis die beiden am Sportplatz angekommen sein mussten, dann suchte ich im Schlafzimmer die verstreuten Kleider zusammen, nahm von der Garderobe die letzte Jacke, die noch passte, und schlüpfte in die Turnschuhe, die ich längst nicht mehr aufknotete.

Vor drei Tagen dachte ich, es endlich an der Zeit, über meinen Schatten zu springen. Meine Lust auf Adam war so groß wie schon lang nicht mehr, groß genug, die Übelkeit zu überwinden, die mich immer anfiel, wenn er Wein trank. Er hätte mir zuliebe auch ganz darauf verzichtet, doch das wollte ich nicht. So setzte er sich an diesen Abenden ans andere Ende des Tisches, verkorkte die Flasche wieder sorgfältig, nachdem er sich eingegossen hatte, drehte mir später den Rücken zu und atmete an die Wand.
Vor drei Tagen wollte ich mehr. Adam hatte über dem Wein eine neue Wirtschaftsordnung entworfen, abgeleitet aus der Psychologie in Andersens Märchen und den Regeln der Sternenbewegung. Ich hatte ihn einen Spinner genannt, er sagte, ich sei zu fantasielos für die Realität.
Er hatte meinen Verstand gevögelt, ich wollte unbedingt noch seinen Körper spüren. Nackt schlüpfte ich unter die Decke, umfasste seine Hüften, roch Burgunder, griff dennoch tiefer, er knurrte ins Kissen und schob mich mit dem Hintern zurück.
„Das ist unfair.“
Sein Haar gerade lang genug, um es voll zu fassen, zog ich seinen Kopf zu mir, hauchte warm in sein Ohr. "Ich brauch dich jetzt, unbedingt."
"Morgen früh?"
"Jetzt."
Mit der Handkante fuhr ich durch die Leistenbeuge, drückte sein Geschlecht, er ließ sich mit erstauntem Seufzen auf den Rücken gleiten. Süßer Weinatem wölkte über seinem Gesicht, doch als ich ihn tief küsste, schmeckte ich nur Adam. Wie so oft suchte er neue Umwege über meine Haut, ich fasste seine Hände, zwang sie über längst einstudiertes Terrain, in dieser Nacht wollte ich wissen, was mich erwartete.
Während ich mich über ihn schob, schaltete ich die Nachttischlampe an, sah ihm beim Vögeln unverwandt in die Augen, die Iris dunkelbraun, fast schwarz, noch immer zu ahnen unter den Hornhautnarben. Die Lider flatterten, als habe sie etwas Unerwartetes berührt, und während unsere Körper sich wanden, schwamm sein Blick unsicher hinter der undurchdringlichen Wand. Dann zuckte er jäh nach hinten weg, Adam bäumte sich auf und drückte mir die Kehle entgegen, während er kam.
Mein Höhepunkt pulste kurz und flach zwischen den Beinen, erreichte kaum die Schenkel, dennoch schob ich Adam weg, als er mich mit den Fingern weitertreiben wollte. Aufgewühlt und verwirrt, dass ich es trotz des Alkoholgeruchs so sehr genossen hatte, hielt ich es kaum aus, dass er zärtliche Worte in meine Halskuhle flüsterte.
Wir drehten uns zum Schlafen ineinander, als lägen wir das erste Mal beisammen.
Im Wegdämmern träumte ich, die alten Gefühle scharrten an einer türlosen Mauer entlang, ich hörte ihre Nägel im Putz brechen, und war doch auf der anderen Seite unerreichbar, sicher.
Am nächsten Morgen gegen vier rief mein Vater an, sein schwerer Atem blies Eis in meine Magengrube bis ich auflegte, seine Präsenz wie einen Widerhaken im Nacken.

Wäre mir beim Einkaufen nicht die Taube in die Quere gekommen, wäre ich trotzdem nicht zu Jürgen gefahren.
Sie hüpfte mit Schlagseite vor mir her, mitten auf dem Gehsteig, zwang mich, in den Schneematsch auszuweichen oder auf die Straße. Ich hätte am liebsten nach ihr getreten. Als hätte sie es gespürt, wandte sie sich um, und kauerte sich zusammen. Das Gefieder pfludrig wie eine alte Zahnbürste, die rotgrünen Spiegel auf den Schwingen vom Dreck erblindet, blinzelte sie mich trübe aus einem Auge an, während sie einen verstümmelten Fuß dicht unter den Bauch zog. Ich warf die Einkäufe in den Kombi und schämte mich mit einemmal, dass er so neu roch.

Jürgen war betrunken, wieder einmal, hatte mich weinend umarmt und all seine Fehler bereut. Seine Arme konnten mich längst nicht mehr umfassen.
„Warum hast du angerufen?“
„Darf ich nicht einmal meine Tochter sehen? Komm doch rein – setz dich, Kind, wärm dich auf!“
Es war wie immer kalt im Wohnzimmer, obwohl Jürgen sich meist dort aufhielt, sogar in einen Teppich eingewickelt auf der Couch schlief. Andere Räume zu heizen lohnte nicht. Er räumte hastig Flaschen beiseite, wischte mit dem Ärmel Tabakkrümel und Asche auf den Boden. „Ist halt alles nicht mehr wie früher, seit deine Mutter nicht mehr da ist.“
„Papa, das ist zwanzig Jahre her.“
Zwanzigeinhalb, im Juli nächsten Jahres würden es einundzwanzig Jahre. Das Foto vom Amalfiurlaub hing immer noch überdimensional vergrößert und fest hinter Glas verklebt über dem Fernseher. Eine Strandbar, flaschenweise Wein des Hauses, den Jürgen und Maria ein letztes Mal gemeinsam tranken. Das wusste er damals aber noch nicht.
„Ich fahre nicht mit zurück. Ich bleibe hier.“
Er verstand nicht.
„Das ist einfach nicht mehr mein Leben. Ich komme kaum noch vor. Ich will kein Automat sein, ich will mich wieder fühlen können.“

Als er begriff, war es zu spät, wie immer, wenn Mutter sich einmal entschlossen hatte, zu reden. Sie stritten, zum Schluss flogen Flaschen auf den Boden, Kellner mussten eingreifen. Süßherber Weingeruch dampfte aus den Ritzen im Pflaster und legte sich wie ein Tuch über den letzten Streit.

Jürgen goss sich Sprudel ein, eine seit langem angebrochene Flasche, in der längst keine Kohlensäure mehr perlte.
„Ich brauche nicht viel zum Leben, weißt du. Das bisschen Essen, die zwei, drei Klamotten. Das wichtigste sind doch Freunde. Menschen, auf die man sich verlassen kann. Die nicht einfach weggehen, nachdem man sich für sie krummgelegt hat. Das alles hier“, er deutete mit fahriger Geste im Raum herum, „weißt du, wie viele Überstunden da drinstecken? Aber Madam war das ja nicht genug.“
Er verbarg sein Gesicht in den Händen, die Wangen zu den Jochbögen hochschiebend, die Augen versanken hinter rotgeäderten Hautfalten. Er kippte seitlich gegen mich, ließ einen Arm schwer auf meine Schulter sacken, ich versteifte unter der Last, die mich wie eine Krabbenschere an seine breite Brust zog. "Sag mir, was hab ich falsch gemacht? War ich so ein schlechter Vater? So ein schlechter Mann?"
Mir wurde unbehaglich, ich rutschte ab. „Ich muss gehen, Papa. Adam wartet.“
Er schnaubte vor sich hin, zitterte nach dem Glas und warf es um. „Wir hatten es doch schön miteinander. Komm, trink noch einen Schluck mit mir!“
Ich quälte mich aus dem durchgesessenen Kunstleder hoch und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er griff nach den Haarsträhnen, die vor seinem Gesicht schaukelten, und ich bereute, die Mütze abgenommen zu haben.
„Wie deine Mutter.“ Er zog das Haarbüschel vor seine Nase und sog tief ein. „Du bist so schön, genau wie deine Mutter.“
Im Korridor stolperte ich über Mülltüten, die Wohnungstür schlug ich so hastig zu, dass das Namensschild abfiel.

Der bemalte Salzteigwulst, den ich Maria vor Amalfi zum Muttertag geschenkt hatte, lag noch immer zwischen den Schuhen auf der Matte. Ich kratzte mit zwei Fingern am Polizeisiegel, pellte es am Rand ab, es löste sich in weißen Streifen wie das Etikett eines Marmeladenglases. Im rechten weißen Turnschuh, vorgerutscht in die Spitze, lag der Zweitschlüssel, den ich vorgestern hineingeworfen hatte. Ich hatte mir geschworen, nie mehr wieder zu kommen. Sollte er doch in seinem Dreck verrecken!
Ich musste tief in den Schuh fassen, der Schlüssel hatte sich durch ein Loch im Innenfutter gemogelt und am Ballen, wo die Zwischensohle fast vollständig durchgetreten war, in den Gummi gebohrt. Ich wühlte und würgte, in der Hoffnung, in Jürgens Bad Seife zu finden. Endlich hielt ich den Schlüssel zwischen spitzen Fingern.
In der Wohnung roch es genauso nach altem Schweiß und verstopften Abflüssen wie eh und je. Auf der Anrichte in der Küche lag ein Zettel, der die jährliche Heizungsablesung ankündigte. Im Falle von Nichtanwesenheit solle man eine Nachricht hinterlassen, bei welchem Nachbar ein Schlüssel hinterlegt sei, ansonsten werde der Hausmeister die Tür öffnen. Der Termin war an diesem Samstag, ab acht. So also hatten sie ihn gefunden. Beckmann tat mir leid. Der Hausmeister war großes Kind, das ständig einen Blaumann trug, stotterte und Kaugummi aufblies. Er hatte das nicht verdient.
Ich suchte nach einem sauberen Platz um meine Handtasche abzustellen, fand keinen, bereute, sie, ein Geschenk Adams, überhaupt mitgenommen zu haben. Als könnte sie von den Ausdünstungen dieser Wohnung infiziert werden.
Ich drückte und schob am Fernsehtisch, doch er hatte sich zu tief in den Teppich gefressen, dicke Staubfinger waren wie Schweißnähte zwischen seine Beine und den Schlingenflor eingefugt. Ich zog einen Stuhl heran, trat auf den Sitz ohne die nassen Schuhe auszuziehen, aufgeschreckte Krümel spritzten vom Polster.
Amalfi war breit und schwer, fast stolperte ich mit dem Rahmen vom Stuhl, das Bild entglitt mir und schlug auf dem Boden auf. Das Glas brach, doch es splitterte nicht. Ich streckte die Sperrholzplatte übers Knie, lehnte mich mit dem Oberkörper darüber, doch sie bog sich nur, kleine Glasstücke platzten heraus. Ich presste und keuchte, der Geruch nach abgestandener Kälte und ungewaschenem altem Mann durchseuchte meine Lungen und versumpfte den Kopf, ich würgte, Speichel stieg in unkontrollierten Mengen aus dem Rachen hoch, mein Magen eine Quelle von Übelkeit, der Bauch krampfte unkontrolliert. Ich schleppte mich zum Fenster, vier Stockwerke tiefer versanken die leeren Fahrradständer in einer vereisten Pfütze, aus einem offenen Kellerfenster dampfte Waschmaschinenluft.
Das Bild taumelte in die Tiefe wie ein gefrorener Schmetterling, gleichzeitig wallte Schmerz unter dem Nabel auf. Die Wände rückten näher, die Tür unerreichbar fern. Ich tastete mich den Korridor entlang, erreichte das Treppenhaus wie einen Luftschacht. Der Schmerz ließ nach, nur um wieder heranzurollen wie eine träge Welle.
Zehn Minuten später hockte ich auf einem Pflanzkübel zwischen den Splittern von Amalfi, zwischen meinen Beinen Wasser und Blut, und über allem schwebte wie ein guter Geist Weichspüler der Duftnote Aprilfrische.

Drei Tage ließ Frau Bachmann von der Polizei mir Zeit, um mich von der Geburt zu erholen, dann suchte sie mich im Krankenhaus auf.
Adam war erst kurz zuvor dagewesen. Er brachte Grüße von den Nachbarn, Selbstgehäkeltes von seiner Mutter und die neueste GEO. Außerdem hatte er eine Spur von Maria ausfindig gemacht, wie er das angestellt hatte, blieb mir schleierhaft. Adam hatte Mittel und Wege, die mir immer verborgen bleiben würden.
Über das Bild und den Bruch des Polizeisiegels schwiegen wir, auch über das, was er von der Bachmann und ihrem Kollegen an der Haustür erfahren hatte. Mit Sicherheit alles, oder das, was die Polizei für alles hielt.
Schließlich sagte ich nur: „Ich habe mich für ihn geschämt.“ Ich dachte, danach müsste ich in Tränen ausbrechen, und mich anschließend leichter fühlen. Stattdessen blieb der Satz im Raum stehen wie eine dritte Person, die sich lange hinterm Vorhang verborgen hatte, und endlich ins Zimmer getreten war. Es hörte hier nicht auf, es fing gerade erst an.
„Können wir irgendwann einmal darüber reden?“ Es war das erste Mal, dass ich Adam darum bat, er nickte nur, dann legte er sein Gesicht auf meine Knie und weinte.

Die Bachmann kam, fünf Minuten, nachdem Adam gegangen war. Sie war höflich; sie fragte, ob sie sich den Besucherstuhl nehmen könne, wartete, bis ich Yella fertig gestillt und sie ihren Milchrülpser ins Spucktuch gehickst hatte. Bewunderte gebührend die Blumen der Nachbarn und das selbstgemalte Bild von Adams Nichte.
„Meine erster Enkel ist auch in diesem Alter: Mama, Papa, die Katze und ich vor unserem Haus, der Himmel ein blauer Strich oben, die Wiese ein grüner Strich unten, und die Sonne ein gelbes Dreieck mit Gesicht in der Ecke.“
„Sie sehen gar nicht nach Enkelkindern aus.“
„Meine Tochter hat früh angefangen. Aber was soll’s, sie sind glücklich.“ Endlich setzte sie sich zu mir an den Tisch.
„Wir haben das Obduktionsergebnis erhalten. Ihr Vater war schwer krebskrank.“
„Das wusste ich nicht.“ Er hatte es wohl selbst nicht geahnt. Er war seit Jahren bei keinem Arzt mehr, egal, was ich sagte. Er traute keinem dieser aufgeblasenen Idioten, wie er sie nannte. Irgendwann ging alles von allein vorbei.
„Eine Metastase hat die Aorta infiltriert. Das Gefäß hätte jederzeit und überall durchbrechen können. Er ist wohl im Schlaf gestorben, ohne lange zu leiden.“
Ich fragte mich, ob ich mich schuldig fühlen müsste, wenn es anders gewesen wäre. Der Kopf sagte nein, doch richtet er meist wenig gegen das schlechte Gewissen aus.
„Was haben Sie eigentlich in der Wohnung gemacht, nachdem Sie das Dienstsiegel aufgebrochen haben?“
„Aufgeräumt.“
„Ihnen war doch sicher klar, dass Sie nichts verändern durften, solange die Ermittlungen liefen. Nun werden Sie mit einem Strafverfahren rechnen müssen.“
Ich zuckte mit den Achseln. Ich hatte geahnt, dass sie nicht verstehen würde.
„Es war wichtig.“
„Frau Seliger, Sie haben ein Kind und einen behinderten Mann. Sie sollten keine solchen Dummheiten machen, Sie werden gebraucht.“
„Adam kommt sehr gut allein zurecht. Weit besser als …“, ich brach ab. Was ging das eine Fremde an.

Im August unseres ersten Jahres waren wir bei Neumond in die Pampa gefahren, weitab jeder Siedlung, wo es so dunkel war, dass ich die Hand auf Adams Schulter gelegt hatte, und wir beide uns von seiner damaligen Hündin hatten führen lassen.
Ich hatte unbedingt einmal den Perseidenregen sehen wollen, während über uns die Sternschnuppen durch den Orbit huschten, erzählte er mir von Laurentius, dem Schutzpatron der Studenten, dessen Tränen auf uns herabregneten.
„Als Kaiser Valerian verlangte, er solle den Kirchenschatz aushändigen, verschenkte Laurentius ihn an die Menschen, und präsentierte sie als wahren Reichtum der Kirche.“
Später rollten wir uns durch die Wiese, bis der Dunst sich kalt ins Gras setzte. Schliefen dann ein paar Stunden, und hielten auf dem Weg zur Uni an einer Bäckerei, um Kaffee und Croissants zu kaufen.
Den Transporter von Jürgens Malerfirma sah ich erst kommen, als es zu spät war. Es muss nichts bedeuten, redete ich mir ein, es konnte jeder seiner Kollegen sein.
„Ist was?“, fragte Adam während das Glöckchen über der Tür im Luftzug zappelte, ich log, ich sei bloß müde. Jürgen starrte uns an, Adams Hand auf meinem Rücken, mein in seinen Hosenbund eingehakter Daumen, sekundenlang stand Entsetzen in sein Gesicht geschrieben, als hätte ich ihn gegen Ramsch eingetauscht.
Dann waren wir an der Reihe, und ich wandte mich von Jürgen ab, ohne ihn gegrüßt zu haben.

Trotz Filzsohlen in den Stiefeln und langer Unterhose kroch die Kälte wie eine Zecke unter die Kleidung und saugte sich in den Kniekehlen fest. Der aufgeworfene Erdhaufen unter dem grünen Netz war über Nacht zusammengebacken, ein paar Klumpen mit Grasnarbe waren auf den Weg gerollt.
Wir begleiteten den Sarg vom Aufbahrungsraum bis zum Grab; keine Rede, keine Kränze, so hatte Jürgen es schon vor Jahren verfügt. Adams Vater hatte den Zettel beim Ausräumen in einem Ordner mit Dokumenten gefunden. Gespenstisch, wie er jedes Detail nach seinem Tod akribisch festgelegt hatte.
Seine Schwester war aus Bamberg angereist, ihre Familie hatte sie dort gelassen. Ein paar Nachbarn kondolierten verhalten, während Adam sich zu mir beugte und flüsterte: „Deine Mutter hat sich nicht mehr gemeldet.“
Als wir zum Parkplatz zurückgingen, kam uns von weitem eine Frau entgegen, lange graue Haare, die bis auf die Hüften wallten, ein orangefarbenes Kleid, das sie mit einer Hand vor den Knien raffte und das hinter ihr schwer durch den Schnee schlappte.
„Lass uns gehen, mir ist kalt, und Yella wird Hunger haben.“
„Einen Moment noch.“ Einen Fuß bereits im Wagen, den Ellenbogen auf das Autodach gestützt, suchte ich in dünnen Erinnerungen nach Merkmalen, die sich in zwanzig Jahren nicht verändert haben konnten, während die Frau sich näherte. Sie rutschte halb in die Grätsche, fluchte und stieß an der Bordsteinkante Schnee von der Schuhspitze. Unsere Blicke verfingen sich kurz, dann ging sie vorbei und drückte mit der Schulter das schmiedeeiserne Tor zum Friedhof auf, eine Fremde, nicht Maria.

 

Hallo Pardus,

um ehrlich zu sein - irgendwas fehlt mir an dieser Geschichte. Ein Konflikt vielleicht? Okay, sie hat da einen, soll sie sich nun schlecht fühlen oder nicht. Aber die Frage drängt sich mir als Leser nicht wirklich ins Gewissen, da sie sich schon vor langer Zeit von ihrem Vater getrennt hat. Warum es einst zu dem Bruch kam, bleibt verborgen - Alkohol ist es großes Thema - aber wie hat es sich damals für sie angefühlt, dass sie sich abwandte? Warum geht sie nachts noch ans Telefon und hört seinem Atem zu? All die Fragen, die in die Tiefe ihres Gewissens gehen, bleiben für mich offen.
Du bringst eine Menge Konfliktpotential ins Spiel - die "ausgestiegene Mutter", der versoffene Vater, der die Trennung nie verwunden hat - sein Tod - seine Krankheit von der sie nichts wusste - ihr Scham für ihren Papa - Geburt und Tod - ein blinder Mann. Aber letztlich liest es sich, wie die Tief- und Höhepunkte eines Lebens (wenn auch einfühlsam geschrieben) aneinandergereiht, die Zwischentöne - die vermiss ich irgendwie. Aus dem was Du dem Leser zeigst, denke ich nur - ja, nun ist er Tod und ihr Leben wird genauso weiterlaufen wie zuvor. Nur muss sie nachts nicht mehr ans Telefon.

Textkram:

Als ahnte Yella etwas, begann sie, Milz und Leber mit Tritten zu traktieren.

Den Satz habe ich überhaupt nicht verstanden. Ich habe wirklich nicht an ein Baby in ihrem Bauch gedacht. Auch die weiteren kleinen Zeichen, die Du setzt - habe ich dezent überlesen, da ich sie nicht zuordnen konnte. Ich hab es wirklich erst kapiert, als sie im Krankenhaus war - das sie da schwanger ist. Das mag jetzt aber auch an mir liegen, mag sein, dass Mütter da wesentlich feinfühliger lesen können.

Die Polizistin klappte mit dem Mund, doch ich hörte nichts mehr. Das Wasser schoss mir in die Augen, ich musste mich am Türrahmen festhalten.
„Alles in Ordnung? Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr Mann …“
„Mir geht es gut. Weswegen sagten Sie, sind Sie gekommen?“

Die Polizistin klappte mit dem Mund - das ist ein schräges Bild - klappte

Dann ist mir der Verlauf nicht ganz klar:
Polizistin redet Stummfilm, sie heult und erst danach kommt die Nachricht vom Tod ihres Vaters.
Ist ihr Heulanfall wieder so ein Schwangerschaftsding? Weil es reicht, wenn zwei Beamte vor der Tür stehen?

Der schläft noch, wollte ich (eben?) sagen, als seine Schritte die Treppe ...

Im Vorbeigehen tastete er auf der Telefonkonsole nach dem Brillenetui, im nächsten Augenblick stand er in Schlafanzughose, Norwegerpulli und Sonnenbrille in der Küche und nickte kaum merklich zum Fenster, wo niemand stand.

Und hier kommt großes Fragezeichen Nr.2. Ohne das der Leser bisher eine Ahnung hat, dass Adam blind ist - wirkt die Sonnenbrille in der Küche einfach nur albern.

„Wie wirkte ihr da auf Sie?“

Dankbar dafür, dass er nicht fragte, was ich bei Jürgen gewollt hatte, nachdem ich den Kontakt doch abgebrochen hatte.
Alte Nachbarn hatten erzählt, er saufe sich zu Tode.

Er hatte meinen Verstand gevögelt, ich wollte unbedingt noch seinen Körper spüren. Nackt schlüpfte ich unter die Decke, umfasste seine Hüften, roch Burgunder, griff dennoch tiefer, er knurrte ins Kissen und schob mich mit dem Hintern zurück.
„Das ist unfair.“
Hätte ich ihm sofort ins Haar gegriffen, ihm ins Ohr geflüstert, wie sehr ich ihn brauchte, wäre die Courage vielleicht geblieben. Wenige Sekunden Zögern reichten, und sie verabschiedete sich mit den Worten: „Morgen ist auch noch ein Tag.“

Das ist schön. Da kommt bei mir richtig was an.

Ich wartete, bis Adam schlief, dann fasste ich mich an und stellte mir vor, er würde mich lieben.

fasste mich an - klingt wie: ich trau mich nicht recht zu sagen ...

Es war wie immer kalt im Wohnzimmer, obwohl Jürgen (hielt) sich meist dort aufhielt, ...

Das bisschen Essen. Das wichtigste sind doch Freunde.

Der bemalte Salzteigwulst, ...

Der Wulst - Die Wulst ?

Im rechten weißen Turnschuh, vorgerutscht in die Spitze, lag noch immer der Z(w)eitschlüssel, den ich vorgestern hineingeworfen hatte. Damals hatte ich mir geschworen, nie mehr wieder zu kommen.

Vorgestern verlangt für mich nicht nach damals. Da ist irgendwas ungeschickt.
Vorgestern hat sie den Schlüssel in den Schuh ... und in diesem Moment beschlossen oder (und ich denke ja, dass es so gemeint ist) vor x Jahren hatte sie beschlossen ... denn sie kam ja schon ein Weile nicht mehr.

In der Wohnung roch es (noch) genauso ...

Eine Zeitlang war ich der Meinung gewesen, er müsse Grabowski heißen.

:), wobei mir sich sein Dasein nicht so recht erschließt.

Amalfi war breit und schwer, fast stolperte ich mit dem Rahmen vom Stuhl, das Bild entglitt mir und schlug auf dem Boden auf.

Mir fehlt ein Hinweis darauf, dass sie es abgenommen hat.

Ich streckte das Sperrholz übers Knie, lehnte mich mit dem Oberkörper darüber, ...

Sperrholz übers Knie strecken - darunter kann ich mir gar nix vorstellen.

Zehn Minuten später hockte ich auf einem Pflanzkübel zwischen den Splittern von Amalfi, zwischen meinen Beinen Wasser und Blut, und über allem schwebte wie ein guter Geist Weichspüler der Duftnote Aprilfrische.

Wo ist sie denn nun? Immer noch in des Vaters Wohnung? Und der Gestank wandelt sich in Aprilfrische? Zumal ich (!) ja erst im nächsten Absatz schnalle, dass sie ein Kind in sich tägt :).

"... der Himmel ein blauer Strich oben, die Wiese ein grüner Strich unten, und die Sonne ein gelbes Dreieck mit Gesicht in der Ecke.“

:D - jaaa!

Ich hatte unbedingt einmal den Perseidenregen sehen wollen, während über uns die Sternschnuppen durch den Orbit huschten, erzählte er mir von Laurentius, dem Schutzpatron der Studenten, dessen Tränen auf uns herabregneten.

Sternenklare Nacht oder bewölkter Himmel?

... mein in seinen Hosenbund eingehakten Daumen,

ich bin jetzt kein Grammatikass, aber das klingt komisch

Fazit: Ich bin ein wenig ratlos, was das Thema der Geschichte ist. Wenn es ihre Ambivalenz ist, dann lass sie auch ambivalent sein - so richtig. Sollte ich völlig daneben liegen, dann such Dir aus dem Textkam was raus und vergiss den Rest.

Liebe Grüße Fliege

 

Hej Pardus,

mir ist das ein bisschen viel auf einmal.
Der sterbende Vater, das neugeborene Kind, die durch Adams Blindheit besondere Beziehung des Paares, das ungeklärte Verhältnis zur Mutter … puuuh, das reicht für mehr als nur eine Kurzgeschichte.

Würde mich interessieren, warum Du so viel auf einmal verarbeiten wolltest.
Ich zumindest wäre mit viel, viel weniger zufrieden gewesen.
Zumal ich sprachlich nichts auszusetzen habe.

Sie kamen zu zweit, an einem Samstagmorgen um halb zehn.
Den ganzen ersten Absatz hatte ich Zeugen Jehovas im Kopf. Anschließend war es schwer, mir Polizisten vorzustellen.

Als ahnte Yella etwas, begann sie, Milz und Leber mit Tritten zu traktieren.
Die Tatsache, dass ein ungeborenes Kind schon beim Namen genannt wird, fand ich so ungewöhnlich, dass ich zuerst überlegt habe, ob das nicht doch ein Dackel oder eine Katze ist, die da irgendwie tritt.

So beginnen sie immer, die schlechten und die guten Nachrichten. Mit etwas Banalem, wie einem frühmorgendlichen Besuch in der unaufgeräumten Küche.
Ähem … einen morgendlichen Besuch von Polizisten, auch noch am Wochenende, finde ich alles andere als banal.

Die Polizistin klappte mit dem Mund,
"Klappte" klingt komisch.

„Warum denken Sie,

Er meinte immer noch, nie mit Jürgen zusammengetroffen zu sein. Ich hatte nur so viel angedeutet, dass er nicht nach meiner Familie fragte.
Irreführend formuliert. Das klingt, als wäre Jürgen Adam einmal begegnet, ohne dass der eine von der wahren Identität des andern wusste. In Wahrheit hat Jürgen Adam einmal gesehen, um ein Treffen handelt es sich dabei wohl kaum.

Am nächsten Morgen gegen vier rief Jürgen an, er atmete ins Telefon, bis ich auflegte.

Jürgen war betrunken, wieder einmal, hatte mich weinend umarmt und all seine Fehler bereut.

Hier bräuchte ich eine kurze Überleitung.
Warum geht sie überhaupt?

„Ich fahre nicht mit zurück. Ich bleibe hier.“
Er verstand nicht.
Hier habe ich erst überhaupt nicht geschnallt, dass es sich um ein in der Vergangenheit statt gefundenes Gespräch zwischen den Eltern handelt. Vielleicht kursiv setzen?

Mir wurde unbehaglich, ich rutschte ab. „Ich muss gehen, Papa. Adam wartet.“
Hier frage ich mich wieder, warum sie überhaupt gekommen ist. Schlechtes Gewissen? Sorge? Gewohnheit? Ohne einen Hinweis bleiben beide Figuren verschwommen, ihr Verhältnis wird mir eigentlich bis zum Schluss nicht wirklich klar.

Ich schleppte mich zum Fenster, vier Stockwerke tiefer versanken die leeren Fahrradständer in einer vereisten Pfütze, aus einem offenen Kellerfenster dampfte Waschmaschinenluft.
Jetzt verstehe ich, wo die Aprilfrische herkommt.
Aber warum hockt sie auf einem Pflanzenkübel?
Sie hat das Bild kaputtgemacht, richtig?
Warum?

dann legte er sein Gesicht auf meine Knie und weinte.
Weint er für sie?

„Adam ist nicht behindert!“, brauste ich auf.
Ich weiß nicht … der Vater ist gerade gestorben, sie hat eine Tochter geboren, da sollte sie emotional mehr als gut ausgelastet sein, aber sie sucht sich noch ein neues Thema um "aufzubrausen" - bzw, Du thematisierst noch einen weiteren Aspekt der Geschichte.

Bezieht sich der nächste Absatz darauf, braust sie auf, weil der Vater Adam verachtet hat. Ist das der Grund für ihr mieses Verhältnis? Da wird soviel umrissen, angedeutet, dass es mir schwer fällt, hinterherzukommen.

Für mich entsteht einfach ein deutliches Missverhältnis dadurch, dass ich die Hauptpersonen schlecht zu fassen bekomme (die Rückblenden helfen mir da leider auch nur bedingt) während um sie her die Wellen der Handlung kaum höher schlagen könnten.

Viele Grüße
Ane

 

Hallo Pardus!

Ich überlege ja jetzt schon ne Weile, was ich dir hierzu schreiben will. Und da es nicht nur positiv ist, wollte ich warten, ob noch jemand anderes Ähnliches schreibt.

Auch mir ist es zuviel in der Geschichte. Ambivalenz hin oder her, auf gut die Hälfte der Elemente in der Geschichte hätte man verzichten können. So liest es sich hübsch, vielleicht, weil immer irgend etwas passiert. Aber ich verliere den roten Faden vor lauter Geschehnissen.

Warum zum Beispiel ist der Mann blind? Das alleine hätte eine Geschichte hergegeben. Warum ist sie schwanger? Auch das alleine wäre, in Kombination mit dem Tod ihres Vaters, durchaus eine eigene Geschichte geworden.

Geschichten können zu mager sein, aber sie können auch zu fett sein. Das hier ist, finde ich, wie ein verwürzter Braten, bei dem der Koch einfach mal alles drin haben wollte.

Sprachlich finde ich die Geschichte jedoch wirklich ansprechend. Viel besser als das, was du bisher hier eingestellt hast. Ich mochte die Bilder, die du zeichnest. Und war oft erstaunt und habe mir gedacht: Okay, so macht sie das. Das werde ich mir merken und vielleicht irgendwann ausborgen.

Dass sie schwanger ist, hat sich mir auch erst beim zweiten Lesen erschlossen. Ebenso das mit der Brille. Man liest eine Geschichte eben nur einmal zum ersten Mal - das ist das Problem, wenn man sie selber schreibt. Weil man die Figuren ja im Kopf hat. Für dich ist klar, dass sie schwanger und er blind ist. Aber wenn vorher keine Hinweise darauf im Text zu finden sind, weiß es ein Erstlerser nicht und stolpert.

Ich würde mich auf eine Geschichte konzentrieren und mal ... hm, grob auskämmen.

Allerdings, das muss ich noch anmerken, ist mir die Geschichte, seit ich sie gelesen habe, im Kopf geblieben. Und das alleine ist schon etwas.

Bis bald und noch ein schönes Wochenende,

yours

 

Hallo Pardus!

So, nun ist Sonntag und ich starte in aller Ruhe meinen dritten Versuch, diesen Kommentar zu schreiben.
Mein Eindruck wärend des Lesens: Eine faszinierende Geschichte. Ich fühle mich mitten drin in diesem Familiendrama.
Die schwangere (*) Mareike will etwas vor ihrem Mann verheimlichen; "Der schläft noch, wollte ich eben sagen,..." ist der erste Hinweis.
Dann tritt Adam auf. Er ist offensichtlich blind; steht mit Sonnenbrille im Zimmer und spricht zum Fenster, wo niemand steht.
Das Amalfi-Bild; für den Vater ein Erinnerungsstück an bessere Zeiten, das ihn aber zugleich auch quält, für Mareike ein Symbol des Umbruchs, des Niedergangs der Familie. Sie bricht das Polizeisiegel, um endlich dieses Bild zu zerstören.
Die Bäckerei-Szene, wo Mareike Adam die Anwesenheit ihres Vaters verschweigt. Und auch Jürgen schweigt. Er ist aus Mareikes Sicht entsetzt über ihren Freund. "Als hätte ich ihn (Jürgen) gegen Ramsch eingetauscht" Ich vermute, ein wenig schämt sich Mareike wegen Adams Blindheit. Das wird auch hier deutlich: „Adam ist nicht behindert!“, brauste ich auf...

Mareike muss sich in diesem Dreieck sehr unwohl gefühlt haben. Mit dem Tod des Vaters müsste sich ihre innere Situation eigentlich lockern. Seltsamer Weise ist das nicht der Fall.
Und damit komme ich zu dem für mich zentralen Knackpunkt in der Geschichte, der mich am Ende dann etwas ratlos zurückgelassen hat:

Schließlich sagte ich nur: „Ich habe mich für ihn geschämt.“ Ich dachte, danach müsste ich in Tränen ausbrechen, und mich anschließend leichter fühlen. Stattdessen blieb der Satz im Raum stehen wie eine dritte Person, die sich lange hinterm Vorhang verborgen hatte, und endlich ins Zimmer getreten war. Es hörte hier nicht auf, es fing gerade erst an.
„Können wir irgendwann einmal darüber reden?“ Es war das erste Mal, dass ich Adam darum bat, er nickte nur, dann legte er sein Gesicht auf meine Knie und weinte.
Gut, hier ahne ich, dass bei Mareike ein Knoten geplatzt ist. Zum ersten Mal wünscht sie eine Aussprache. Nur worüber eigentlich? Da gibt es für mich mehrere Möglichkeiten, die ich aber nur vermuten kann.
Mareike sagt: „Ich habe mich für ihn geschämt.“ Das müsste Adam doch klar gewesen sein, denn er sagte Anfangs: „Ich weiß, es war nie einfach mit deinem Vater …“
Worüber also will Mareike reden?
Über die Sucht ihrs Vaters?, den Zustand seiner Wohnung?, dass sie sich für Adams Blindheit ebenso schämt wie für Jürgens Sucht?, oder gar über die Tatsache, dass Jürgen zumindest hin und wieder versucht hatte, sich ihr auf ungehörige Weise zu nähern? - siehe hier:
Er griff nach den Haarsträhnen, die vor seinem Gesicht schaukelten, und ich bereute, die Mütze abgenommen zu haben.
„Wie deine Mutter.“ Er zog das Haarbüschel vor seine Nase und sog tief ein. „Du bist so schön, genau wie deine Mutter.“
Ist das vielleicht die "dritte Person" hinter dem Vorhang, die nun ins Zimmer tritt?
Da hängen für mich die losen Fäden herum. Weil ich nicht weiß was Adam bis dahin wußte, weiß ich auch nicht, worüber Mareike mit ihm sprechen will.
Ich kann auch nicht annähernd erahnen, warum Adam ihr die Knie feucht heult. Welche ungesagten Dinge ahnt er in dem Moment? Oder heult er nur, weil Mareike sich zum ersten Mal von sich aus ihm öffnen will?

So, ich hoffe, ich liege nicht völlig daneben und du kannst mit meinem gestoppele was anfangen.

(*) Kurz zurück zur "schwangeren" Mareike.

Als ahnte Yella etwas, begann sie, Milz und Leber mit Tritten zu traktieren. Die Polizistin klappte mit dem Mund, doch ich hörte nichts mehr. Das Wasser schoss mir in die Augen, ich musste mich am Türrahmen festhalten.
„Alles in Ordnung? Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr Mann …“
„Mir geht es gut. Weswegen sagten Sie, sind Sie gekommen?“
Absolut starke Prügelszene und hinterher die coole Frage: Weswegen sagten Sie, sind Sie gekommen?“ :D
Da solltest du noch etwas dran feilen.

Liebe Grüße

Asterix

 
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Hallo ihr Lieben,

zuerst mal zu den Punkten, die ihr alle bemängelt:
Die Schwangerschaft und Adams Blindheit werde ich von Anfang an klarer darstellen. Wahrscheinlich hat yours recht, und ich war einfach zu nahe an den Figuren dran.

Vielleicht kämme ich auch bei Mareikes "Problemen" durch, obwohl mir natürlich jedes einzelne Element am Herzen liegt.
Auch sehe ich weder die Schwangerschaft noch Adams Blindheit als problematisch. Beides sind häufig vorkommende Zustände, die nur in der Literatur meist als Problem thematisiert werden. Meiner Meinung nach hatte ich sie als Selbstverständlichkeit geschildert, aber vielleicht sind gewisse Situationen noch so vorbelastet, dass das nicht geht. Muss ich mal drüber nachdenken.

Diese Ambivalenz, das in der Luft hängen, war genau das, was ich schildern wollte. Mareike erwartet, dass, wenn ihr Vater einmal tot ist, die Last automatisch von ihr abfällt. Aber nichts löst sich von allein auf. Wahrscheinlich wird sie erst mit Adam reden (endlich), später irgendwann psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Aber das ist eine neue Geschichte.

Auf jeden Fall danke euch allen für die ausführliche Auseinandersetzung. Ich hoffe, ich komme die Tage noch zum Überarbeiten, werde Eure Anregungen aber auf jeden Fall aufnehmen, auch wenn es ein wenig dauern mag, bis ich sie umsetze.

LG, Pardus


Im Einzelnen:

@Fliege:

Aber die Frage drängt sich mir als Leser nicht wirklich ins Gewissen, da sie sich schon vor langer Zeit von ihrem Vater getrennt hat.
Da ist mir ein Fehler unterlaufen. Sie hat sich vom Vater getrennt, aber später den Kontakt wieder aufgenommen. Das mus ich inhaltlich ausbessern.

Bei dem Scham und Ekel, die sie dem Vater gegenüber empfindet, dachte ich an emotionale Inzest - die Tochter wird auf den Platz der Mutter geschoben (hat nichts mit körperlich vollzogenem sexuellem Missbrauch zu tun).
Mal sehen, wie ich das deutlicher darstellen kann.

Dann ist mir der Verlauf nicht ganz klar:
Polizistin redet Stummfilm, sie heult und erst danach kommt die Nachricht vom Tod ihres Vaters.
Ist ihr Heulanfall wieder so ein Schwangerschaftsding? Weil es reicht, wenn zwei Beamte vor der Tür stehen?
Ohne auf eigene Erfahrung zurückgreifen zu können, vermute ich, dass der Fußtritt eines Kindes kurz vor der Geburt so schmerzhaft sein kann, dass einem das Wasser in die Augen schießt.
fasste mich an - klingt wie: ich trau mich nicht recht zu sagen
Ist mir aber lieber als Knospe, Perle, Pfirsich, Schnecke, Blütenblätter, Fotze oder Möse ...
wobei mir sich sein Dasein nicht so recht erschließt.
Hier verstehe ich nicht, was Du meinst. Grabowski ist einer der vermuteten Namen des Maulwurfs (den tschechischen finde ich süß, hab ich aber gerade vergessen). Dass sie an den Hausmeister so detailliert denkt, sollte zeigen, dass sie emotional aus der Situation flüchtet, wie eigentlich all die Jahre.
Sternenklare Nacht oder bewölkter Himmel?
"Laurentiustränen" ist neben "Perseidenregen" eine andere Titulierung der Meteoritenerscheinung im August.

RS-Fehler, Wortstolperer und -unschönheiten bessere ich natürlich aus.


@ane

Den ganzen ersten Absatz hatte ich Zeugen Jehovas im Kopf. Anschließend war es schwer, mir Polizisten vorzustellen.
:aua: Zeugen Jehovas - das trifft mich hart. Das muss geändert werden!
Die Tatsache, dass ein ungeborenes Kind schon beim Namen genannt wird, fand ich so ungewöhnlich
Das lag vielleicht daran, dass ich Mareikes Zustand nicht deutlich gemacht hatte. Ansonsten fände ich es eher seltsam, wenn man ein Kind kurz vor der Geburt nicht beim Namen nennt.
Ähem … einen morgendlichen Besuch von Polizisten, auch noch am Wochenende, finde ich alles andere als banal.
Hab ich unglücklich formuliert. Ich meinte: dass man sich schämt oder ärgert, weil die Küche nicht aufgeräumt ist, wenn Fremde reinkommen.
In Wahrheit hat Jürgen Adam einmal gesehen, um ein Treffen handelt es sich dabei wohl kaum.
Vielleicht mache ich ein Treffen draus, oder ich ändere den Satz.
Hier bräuchte ich eine kurze Überleitung.
Warum geht sie überhaupt? ... Schlechtes Gewissen? Sorge? Gewohnheit?
Von allem etwas.
Sie hat das Bild kaputtgemacht, richtig?
Warum?
Weil Amalfi an allem Schuld ist, bzw die Tatsache, dass der Vater nicht darüber wegkam.
Das ist ärgerlich, wenn dem Leser so vieles unklar bleibt, allerdings mag ich auch nicht alles dezidiert erklären. Solche Zusammenhänge zwischen den Zeilen spürbar zu machen muss ich wohl noch üben.
Weint er für sie?
So hatte ich es mir gedacht. Sensible Menschen drücken ja öfter die Gefühle aus, die andere nicht ausleben können oder wollen.
Ich weiß nicht … der Vater ist gerade gestorben, sie hat eine Tochter geboren, da sollte sie emotional mehr als gut ausgelastet sein, aber sie sucht sich noch ein neues Thema um "aufzubrausen"
Eben - dass die Polizistin es anspricht, bringt das Fass zum Überlaufen. Bisher hat sie ja alles gut kaschiert und verschwiegen. Es ist das erste Mal, dass sie explodiert, von der Zerstörung des Bildes abgesehen.
Für mich entsteht einfach ein deutliches Missverhältnis dadurch, dass ich die Hauptpersonen schlecht zu fassen bekomme (die Rückblenden helfen mir da leider auch nur bedingt) während um sie her die Wellen der Handlung kaum höher schlagen könnten.
Genau das wollte ich zeigen: eine diffuse Mischung aus Ekel, Scham, Wut, Schuldgefühlen, die die Protagonistin nicht sortiert bekommt und deshalb verdrängt. Wenn der Vater "weg" ist, hofft sie, löst sich alles von allein auf (was es aber nicht tut).
Du kannst also davon ausgehen, dass nicht das eine oder andere von dem da ist, das Du vermutest, sondern alles auf einmal.


@yours

Und da es nicht nur positiv ist, wollte ich warten, ob noch jemand anderes Ähnliches schreibt.
Ich schätze auch begründete Einzelmeinungen. Meit hat ja nicht dieser oder jener Recht, sondern beide sprechen einen wahren Aspekt an.
Ich würde mich auf eine Geschichte konzentrieren und mal ... hm, grob auskämmen.
Auf eine Geschichte konzentrieren nein, das ist mir zu wenig. Da fürchte ich, ich komme beim derzeitigen Stand meiner Fähigkeiten nicht genug in die Tiefe.
Auskämmen mit Sicherheit.
Sprachlich finde ich die Geschichte jedoch wirklich ansprechend. Viel besser als das, was du bisher hier eingestellt hast. ... Allerdings, das muss ich noch anmerken, ist mir die Geschichte, seit ich sie gelesen habe, im Kopf geblieben. Und das alleine ist schon etwas.
:gelb:

LG an euch alle, Pardus

 
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Moikka Pardus,

das ist ein verdammt starker Text. Du hast einen sehr eigenen Stil, der einen zwingt, ganz langsam zu lesen, und jetzt am Ende habe ich das Gefühl, ich tauche aus einem Roman auf. Das lösen nur ganz wenige Texte aus.

Langsam lesen übrigens durch die - teils themenfremden - Einschübe mitten im Satz; vllt gibt es dafür eine schlaue Bezeichnung, die ich nicht kenne.

Was mir ausnehmend gut gefallen hat, ist die Gewichtung von Problemen, Katastrophen, Erinnerungen, Traumata, Alltäglichkeiten. Das wirkt sehr unmittelbar, nah am realistischen Empfinden, diese schwer zu beschreibende Absurdität. Fast hab ich vom Ende noch einen Kloß im Hals - Drama ohne Drama, das ist wirklich gekonnt, Hut ab!

Mir gefällt schon der Anfang, hier habe ich aber das Gefühl, eine Trennung auf zwei Sätze würde stärker wirken, das zerfasert sich, grad wo die Worte an sich gut wirken.

als sie klingelten; zwei dunkelblaue Schatten vor dem Milchglaseinsatz der Haustür, die nicht den Eindruck machten, als ließen sie sich abwimmeln, wenn man sie ignorierte.
Schwanke zwischen der Stelle, an der Du schon ein Semikolon hast, und dem Punkt nach der Haustür. Die Unsicherheit, um wen es sich handelt, habe ich als gelungenen Kunstgriff gelesen.

Die Schwangerschaft ist mir fast komplett durchgegangen, und daß das ungeborene Kind mit Namen benannt wird, hat mich dreimal lesen lassen - dann hat mich Dein Antwortkomm aufgeklärt. Da würde ich zustimmen, das wäre toll, eine kleine Erklärung zu bekommen. Bei der Blindheit fand ich es gerade sehr angenehm, daß das Thema wie nebenbei eingeflochten wird, dabei dennoch intensiv. Da wünschte ich nun wieder, Du würdest gar nix ändern. :)

P.S. Grad gesehen: Die Fliesen im Hausflur mit s statt ß.

Was mir besonders gefällt:

Er strich mir sacht über die Schulter, als er die Küche verließ, und ich zwang mich, es zuzulassen, ohne auszuweichen.
Er hatte meinen Verstand gevögelt, ich wollte unbedingt noch seinen Körper spüren. Nackt schlüpfte ich unter die Decke, umfasste seine Hüften, roch Burgunder, griff dennoch tiefer, er knurrte ins Kissen und schob mich mit dem Hintern zurück.
„Das ist unfair.“
Ich kratzte mit zwei Fingern am Polizeisiegel, pellte es am Rand ab, es löste sich in weißen Streifen wie das Etikett eines Marmeladenglases.
Zehn Minuten später hockte ich auf einem Pflanzkübel zwischen den Splittern von Amalfi, zwischen meinen Beinen Wasser und Blut, und über allem schwebte wie ein guter Geist Weichspüler der Duftnote Aprilfrische.
Puh, so schön, so fein beobachtet, da bekomme ich fast Gänsehaut.

Bestimmt ein Text, den ich nicht so schnell vergesse - nicht nur, weil der Vater der Protagonistin mit meinem Vater Vornamen wie Alkoholismus teilt.

Ich hoffe, ich wiederhole nicht zu viel, habe nur Deinen Antwortkomm gelesen. Als einzige Irritation hätte ich noch, daß der Vater als erstes mit Vornamen erwähnt wird. Ich dachte erst, es geht um einen Seitensprung.

Viele Grüße - bitte nicht zu viel bearbeiten. ;)
Katla

 
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Hallo Pardus,

nach deinen ersten Änderungen sind einige Dinge verständlicher geworden, bei denen ich auch zuerst gestolpert bin. Besonders positiv in dieser Erzählung sind mir schöne, kleine Details aufgefallen, die den Text lebendig und für den Leser interessant machen, wenn auch das Sujet eher trübsinnig ist.

Ein wenig hat mir die Vorfreude auf das Kind gefehlt, das in keiner Silbe erwähnt wird - so könnte man auch interpretieren, dass sich die Protagonistin noch nicht so recht mit dem Gedanken an ein Kind anfreunden kann. Ist das Absicht? Wenn nicht, würde ich da mal nachlegen. Es würde reichen, wenn Adam einmal über den Bauch streicht und sie einen kurzen Glücksmoment dabei verspürt oder so ähnlich.

Mir haben in der ersten Version die Zeichen gereicht, die du gesetzt hast, um die Blindheit wahrzunehmen - aber die deutlicheren Worte machen es nun auch nicht schlechter.

Sehr gut finde ich auch dieses Alltägliche, das du hier in eine Handlung packst, ohne, dass Dramen passieren. Das sind die Kurzgeschichten, die mir immer am meisten zusagen. Also insofern ein Lob an diesen Text, der aber natürlich noch besser werden kann :D. Gedanken dazu folgend:

Sie kamen zu zweit, an einem Samstagmorgen um halb zehn, sieben Stunden vor der Geburt meines ersten Kindes, als ich auf nichts sehnlicher wartete als die Wehen.
Das ist nun besser gelöst mit der Schwangerschaft, aber die sieben Stunden und auf das Warten der Wehen würde ich so nicht beschreiben. Oft hat Frau schon wochenlang vorher Wehen und das Kind macht noch keine Anstalten, endlich rauszukommen.

Wie wäre denn sowas wie: Sie kamen zu zweit, an einem Samstagmorgen um halb zehn. Der Termin der Geburt meines ersten Kindes war am Donnerstag und ich wartete auf nichts sehnlicher als die Wehen.

Als ahnte Yella etwas, begann sie, Milz und Leber mit Tritten zu traktieren.
Für mich, die zwei Kinder geboren hat, ist es trotzdem ungewohnt, das Kind schon beim Namen zu nennen, solange es noch im Bauch ist. (Manche wissen ja auch nach der Geburt noch nicht, wie sie es nennen sollen :D) Aber das händelt wohl jede Frau anders.

Die Stille hing in der Luft wie der Geruch eines verwesenden Tieres.
Dieser Vergleich finde ich nicht so gelungen, da ein Teil für Hören, der andere für Riechen steht und ich das nicht gut zusammenbringe.

Adam legte einen Arm um meine Schulter, doch ich wand mich weg und schob mich auf einen Stuhl, der unter der doppelten Last ächzte.
weg ist mir in dem Zusammenhang zu umgangsprachlich, vielleicht: zur Seite?
Doppelte Last ist auch etwas übertrieben und irritiert erstmal - eine Frau nimmt im Schnitt ca. 8-15 kg zu, extreme Fälle 20-25 kg.
Ich suchte nach einem sauberen Platz um meine Handtasche abzustellen, fand keinen, bereute, sie überhaupt mitgenommen zu haben. Ich wollte ohnehin nicht lange bleiben.
Was hat die Mitnahme der Handtasche mit der Länge des Aufenthalts zu tun?


Ich zog einen Stuhl heran, trat auf den Sitz ohne die nassen Schuhe aszuziehen, aufgeschreckte Krümel spritzten vom Polster.

Ich hatte manchmal etwas Mühe mit dem Wechsel der Szenen, um mich dann in der neuen Situation zurechtzufinden, da auch die Chronologie fehlt. Gerade beim Abschnitt Turnschuhe anziehen, dann der Rückblick die drei Tage davor, dann der Anfang mit der Taube - das ist mir fast etwas zu verschachtelt und läßt einem manchmal den roten Faden verlieren.

Bei dem Titel würde ich doch fast erwarten, dass der Vater mal genüßlich Wein (Fusel) trinkend beschrieben wird und von einem guten Abgang spricht.


Liebe Grüße
bernadette

 

Hey Pardus,

ich noch mal ;). Ich finde, die Geschichte hat gewonnen. Die eingefügt Taubenszene; das Foto, dass aus dem Fenster segelt, zeigt viel mehr von der inneren Wut, Ohnmächtigkeit Deiner Protagonisten und auch drängt sich mir nicht mehr so auf, dass sie sich bereits vor Jahren von ihrem Vater getrennt hat.

Auch sehe ich weder die Schwangerschaft noch Adams Blindheit als problematisch.

Nein, dass erschien mir auch nicht so, gerade weil Du Adam so zeichnest, wie Du es tust, ist er eigentlich kein Problem, was ich sehr schön finde im übrigen.
Mir war ja nur das Ungleichgewicht von äußeren und inneren Konflikten irgendwie in der Schieflage.

Mareike erwartet, dass, wenn ihr Vater einmal tot ist, die Last automatisch von ihr abfällt.

Das scheint mir dann aber doch noch irgendwo unter den Zeilen versteckt.

Aber nichts löst sich von allein auf.

Das dagegen kommt gut raus.

Bei dem Scham und Ekel, die sie dem Vater gegenüber empfindet, dachte ich an emotionale Inzest - die Tochter wird auf den Platz der Mutter geschoben ...

Der Gedanke kam mir tatsächlich. Aber da musste ich schon ganz schön dolle denken ;).

Dass sie an den Hausmeister so detailliert denkt, sollte zeigen, dass sie emotional aus der Situation flüchtet, wie eigentlich all die Jahre.

Ach. Das habe ich nicht so gelesen. Ich hab nur gedacht, warum erzählt sie jetzt von ihm? Und mir kam eher der Gedanke, dass er mit seinen Comicheften ihr eine Art Flucht geboten hat. Aber eben früher - als sie Kind war. Vielleicht hast Du recht und es funktioniert auch in der Übertragung auf Heute - für mich allerdings weniger.
Ich mag auch den tschechischen Maulwurf!

"Laurentiustränen" ist neben "Perseidenregen" eine andere Titulierung der Meteoritenerscheinung im August.

:idee:, wieder was gelernt

So, nun will ich aber genug bemängelt haben. Denn hier steht ein einfühlsamer Text, der sehr schön einen Ton hält und ihn konsquent verfolgt.
Das muss ja auch mal gesagt werden.

Dir frohe Feiertage.
Lieben Gruß Fliege

 
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Salve Asterix,

Die schwangere (*) Mareike will etwas vor ihrem Mann verheimlichen; "Der schläft noch, wollte ich eben sagen,..." ist der erste Hinweis.
Sicher kann man das so interpretieren, meine Absicht war es nicht. Eher, dass Mareike keinen Grund sieht, Adam zu wecken, solange sie nicht weiß, um was es geht.
Dafür freut mich umso mehr, dass Du die Anzeichen für Adams Blindheit sofort entdeckt hast.
Das Amalfi-Bild; für den Vater ein Erinnerungsstück an bessere Zeiten, das ihn aber zugleich auch quält, für Mareike ein Symbol des Umbruchs, des Niedergangs der Familie. Sie bricht das Polizeisiegel, um endlich dieses Bild zu zerstören.
Genau so war es gedacht.
Ich vermute, ein wenig schämt sich Mareike wegen Adams Blindheit. Das wird auch hier deutlich: „Adam ist nicht behindert!“, brauste ich auf...
Hm, eigentlich sollte Mareike ihn eher in Schutz nehmen, da die Polizistin in die gleiche Kerbe zu schlagen scheint, wie ihr Vater.
Ich muss wohl die emotionale Inzest deutlicher darstellen, damit klarer wird, dass Jürgen tatsächlich so denkt.
Gut, hier ahne ich, dass bei Mareike ein Knoten geplatzt ist. Zum ersten Mal wünscht sie eine Aussprache. Nur worüber eigentlich? Da gibt es für mich mehrere Möglichkeiten, die ich aber nur vermuten kann.
Faktisch wird Mareike alle losen Fäden aufdröseln müssen, angefangen von Amalfi bis zu den eigenen Gefühlen. Du kannst also davon ausgehen, das alles, was Du vermutest, zutrifft.
In der Tat geht es in dieser Situation um die erstmalige Öffnung nach außen. Die Koabhängigkeit zwischen Süchtigen und ihren Angehörigen bzw. Missbrauchern und ihren Opfern funktionieren ja nur, solange alle sich nach außen abschotten. Diesen Mechanismus durchbricht Mareike erstmals.

Aber heulen - da muss ich protestieren - klingt nach verzogenem Kind oder Mimose. Adam weint, darauf bestehe ich!

Selbstredend kann ich mit Deinem Gestoppele was anfangen, allzumal Du vieles ganz richtig gelesen hast; und da mir öfter ein Versteckspiel mit Bedeutungen angekreidet wird, bin ich darüber besonders glücklich.

LG, Pardus

Edit: Die anderen Antworten folgen selbstredend.

 
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Salve Katla,

Drama ohne Drama
Das ist genau das, was ich will - hin zu mehr erzählerischer Leichtigkeit, unabhängig vom Thema. schön, wenn es so bei Dir angekommen ist.
Mir gefällt schon der Anfang, hier habe ich aber das Gefühl, eine Trennung auf zwei Sätze würde stärker wirken,
Ist getrennt.
Die Schwangerschaft ist mir fast komplett durchgegangen, - dann hat mich Dein Antwortkomm aufgeklärt.
Das ist natürlich ganz schlecht, wenn erst Antwortkomms für Aufklärung sorgen. Ich werde wohl noch ein paar strukturierende Sätze einstreuen. Vielleicht kann ich mir dann auch das Auskämmen schenken, ohne dass yours mich steinigt.
P.S. Grad gesehen: Die Fliesen im Hausflur mit s statt ß.
:aua: Ich erröte pflichtschuldigst.
Als einzige Irritation hätte ich noch, daß der Vater als erstes mit Vornamen erwähnt wird.
Du verwirrst mich - sagt doch Frau Polizeiobermeisterin Bachmann: „Es geht um Ihren Vater, Jürgen Roth. Können wir kurz hereinkommen?“
Viele Grüße - bitte nicht zu viel bearbeiten.
Ein schöneres Lob kann ich mir kaum vorstellen - werde aber um ein wenig Feinschliff nicht herumkommen ;).

Salve benadette,

Ein wenig hat mir die Vorfreude auf das Kind gefehlt
Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet - ich muss mal nachdenken, wo ich das unterbringe. Spätstens nach der Todesnachricht fände ich es aufgesetzt.
Also insofern ein Lob an diesen Text, der aber natürlich noch besser werden kann .
Ich werde mein Bestes geben.
Oft hat Frau schon wochenlang vorher Wehen und das Kind macht noch keine Anstalten, endlich rauszukommen.
:( How could I forget.
Für mich, die zwei Kinder geboren hat, ist es trotzdem ungewohnt, das Kind schon beim Namen zu nennen, solange es noch im Bauch ist.
Aus durch Erfahrung geadeltem Mund klingt das Argument gleich viel gewichtiger - ich werde es ändern.
Dieser Vergleich finde ich nicht so gelungen, da ein Teil für Hören, der andere für Riechen steht und ich das nicht gut zusammenbringe.
Ich dachte an eine fast körperlich greifbare, bedrückende Stille, die sogar noch nachwirkt, wenn wieder gesprochen wird. Manche Gerüche kleben einem ja ähnlich in der Nase fest, auch wenn das Zimmer stundenlang gelüftet ist und man geduscht, die Kleider gewechselt und sich mit literweise Eau de Toilette besprüht hat.
Ich gebe zu, ich mag synästhetische Vergleiche, aber vielleicht fällt mir noch etwas Geläufigeres ein.
Doppelte Last ist auch etwas übertrieben
Ist das so missverständlich? Ich meinte natürlich Personen, nicht Kilos :D.
Was hat die Mitnahme der Handtasche mit der Länge des Aufenthalts zu tun?
Wenn ich nur kurz mal irgendwo hinhusche, stopfe ich alles in die Jackentasche, ansonsten begleitet mich ein Rucksack oder sonst was. Aber das handhabt sicher jeder und jede anders.
das ist mir fast etwas zu verschachtelt und läßt einem manchmal den roten Faden verlieren.
Eigentlich gibt es nur zwei Rückblenden, die zu den Perseiden, und die drei Tage zurück - da begegnete Mareike auch der Taube. Wo die Taube zeitlich einzusortieren ist, muss ich wohl deutlicher machen.
Bei dem Titel würde ich doch fast erwarten, dass der Vater mal genüßlich Wein (Fusel) trinkend beschrieben wird und von einem guten Abgang spricht.
Eigentlich sollte die Geschichte so enden, dass Mareike an Adams Wein partizipiert (natürlich einer mit langem Abgang) und ihn anschließend verführt. Aber um diese Wendung nicht allzu unglaubwürdig erscheinen zu lassen, hätte ich noch drei Seiten Vergangenheitsbewältigung schreiben müssen, und das wollte ich nicht.
So bleibt der lange Abgang sprichwörtlich - Jürgen stirbt für Mareike ja jahrelang vor sich hin, bis er tatsächlich begraben wird.

Danke jedenfalls für die differenzierte Auseinandersetzung :).

Salve Fliege

Mir war ja nur das Ungleichgewicht von äußeren und inneren Konflikten irgendwie in der Schieflage.
Ehrloch gesagt bin ich immer noch ratlos, ob und wie ich das löse.
Das scheint mir dann aber doch noch irgendwo unter den Zeilen versteckt.
Zumindest an einer Stelle denkt sie explizit, sie habe erwartet, nach Jürgens Tod fange das Leben erst richtig an. Vielleicht lege ich da noch nach.
- die Tochter wird auf den Platz der Mutter geschoben ... Der Gedanke kam mir tatsächlich. Aber da musste ich schon ganz schön dolle denken .
Findest Du? Zum geifernden Schmierentypen wollte ich Jürgen auch nicht stilisieren, mal sehen, wie ich das löse.
Dass sie an den Hausmeister so detailliert denkt, sollte zeigen, dass sie emotional aus der Situation flüchtet, wie eigentlich all die Jahre.
Ach. Das habe ich nicht so gelesen.
Vielleicht reduziere ich den Hausmeister auf ein, zwei Sätze.
Ich mag auch den tschechischen Maulwurf!
Ich habs recherchiert, der heißt Krtek, was wohl nur "kleiner Maulwurf" bedeutet. Eine Schande ist das, immer freundlich und hilfsberit, malocht den ganzen ag mit seinem Spaten, und bekommt nicht einmal einen Namen dafür!

Danke auf jeden Fall, dass Du den Text nach der Überarbeitung nochmals gelesen hast.


LG und schöne Feiertage euch allen,
Pardus

 
Zuletzt bearbeitet:

Moi Pardus,

„Es geht um Ihren Vater, Jürgen Roth. Können wir kurz hereinkommen?“
Sori, Du hast völlig Recht. Mir erschien die spätere Nennung so besonders, daß ich ein neues Thema erwartete - mein Lesefehler. *smiley, das eine Bemerkung unter den Teppich zu kehren versucht *

Herzlichst, Katla

 

Yo große,

habe deine Geschichte jetzt das zweite Mal gelesen. Muss sagen, dass sie durch deine Bearbeitung wesentlich stärker geworden ist. Klarer, nachvollziehbarer.
Dennoch ... irgendetwas, so das letzte Kribbeln, das fehlt mir irgendwie. Hab mich bisher um einen Kommentar gedrückt, weil ich nicht so recht in Worte gekleidet bekomme, was mir denn eigentlich fehlt.
Ein Punkt ist, dass mir die Geschichte insgesamt zu leidend ist. Da fehlt mir ein Gegenpol. Die Beziehung zu Adam könnte das sein, aber für mich kommt da das Glück nicht so recht rüber. Auch diese Verbindung wirkt leidend.
Und dann, klar das ist eine ruhige Erzählung, aber da fehlt mir so der Punkt, der deutlich als Zuspitzung erkennbar ist. An sich ist das ja mit dem EIndringen in des Vaters Bude drin, aber ... Hm, vll liegts am Ton, der sich trotz der Spannungsphase nicht vom generellen leidenden Ton abhebt und dadurch die Spannung niederdrückt.
Ich könnte jetzt die Stellen nciht bestimmen, aber in meinen Augen bräuchte es hier noch STraffung.
Wahrscheinlich schwer mit dem Geschwurbel was anzufangen. Falls mich ein Moment der Klarheit überkommt, melde ich mich noch mal.
Anonsten noch kleene Anmerkungen:

Später vielleicht.“, setzte ich nach
Punkt raus aus der WR
rat auf den Sitz ohne die nassen Schuhe aszuziehen, aufgeschreckte Krümel spritzten vom Polste

gestillt und sie ihren Milchrülpser ins Spucktuch gehickst hatte.
schöne Melodie, aber die passt mal gar nicht in den Text
„Meine erster Enkel ist auch in diesem Alter

grüßlichst
weltenläufer

und: hohoho :xmas:

 

Hi Pardus,

schöne Geschichte und darf ich Dir was sagen? Sprachlich betrachtet ist es für mich die Beste, die ich bisher von Dir gelesen habe. Außerdem hat sie durch Deine bisherigen Änderungen noch gewonnen, ich habe sie nämlich gleich nach dem Einstellen gelesen und da kamen mir manche Dinge noch ein bisschen undeutlich rüber. Beim erneuten Lesen war das nahezu ausgeräumt.

Allerdings kam mir - wie bernadette - die (Vor-)Freude auf das Kind etwas zu kurz. Ich kann Dir jetzt keinen Tipp geben, wo Du konkret was einfügen könntest, aber wenn ich mich in die Situation kurz vor der Geburt meines Kindes zurückversetze, dann war eigentlich alles andere eher im Hintergrund. Auch die schmerzhaften Tritte, die Du beschreibst, habe ich jedenfalls so nicht erlebt. Mir saß mein Kind eher ständig auf der Blase oder hat in der Endphase mit den Beinen den Mageninhalt nach oben gedrückt, was zu Sodbrennen geführt hat. Außerdem konnte ich nicht lange stehen und war dauermüde. Vielleicht hilft Dir das ein bisschen weiter. So etwas würde die körperliche Situation Deiner Protagonistin noch näher beleuchten.

Aber ansonsten, ich will ja eigentlich gar nicht meckern, habe ich die Geschichte gerne gelesen.

Liebe Grüße, frohe Weihnachten und guten Rutsch
Giraffe :)

 

Salve Katla,

zum Glück habe ich einen großen Teppich ;).

Salve Hochverehrtester,

eine leidende Geschichte - mach mich nicht schwach! Das klingt ganz schlimm, nach heulen, Melodram und inflationärem Adjektivgebrauch.
Den plakativ positiven Konterpunkt hätte es zum Schluss noch geben sollen, da sollte Mareike zusammen mit Adam Wein trinken und ihn anschließend verführen - also den Mann, nicht den Wein. Aber das wäre unglaubwürdig geworden, so als ob man schnell noch ein bisschen Gelb und Pink in Munchs Schrei reinklatschen wollte, damit das Bild nicht so trübe wirkt.
Die Beziehung zu Adam sehe ich eher neutral geschildert. Warum findest Du sie leidend? Da steh ich auf dem Schlauch und warte auf einen Gentleman, der mir runterhilft. Genauso, was den Ton betrifft, unter einem leidenden Ton verstehe ich weinerliches Selbstmitleid, und mit Verlaub, dagegen verwahre ich mich *ernsthaft auf den Tisch hau*.

Der Milchrülpser muss übrigens unbedingt bleiben. Der bricht die Situation ironisch, zumindest meiner Meinung nach.

Tatsächlich fehlt dem Text Spitze, Klimax, Wendepunkt, wie immer Du es nennen willst. Das ist diesmal Absicht. Der erzählerische Sinn der Klimax ist ja, dass die Verwicklungen sich lösen, aber hier sollten sie es gerade nicht. Mareike erwartet von dem Tod ihres Vaters ja eine Erleichterung, die sich aber nicht von allein einstellt, nur weil er weg ist. Die Form folgt in diesem Fall dem Inhalt. Eine Bauhaus-Geschichte, quasi.

Salve Giraffe,

Dein Lob freut mich natürlich ungemein.
Die schmerzhaften Tritte habe ich aus einem Mütterforum übernommen. Es sei Dir gegönnt, dass Du sie nicht erlebt hast, aber es scheint sie realiter zu geben.
Deine Anregungen über das körperliche Befinden einer Beinahe-Gebärenden nehme ich gerne auf, vielleicht kann ich das eine oder andere unaufdringlich einflechten, um Mareike noch realistischer empfinden zu lassen.
Falls nicht, merke ich sie mir auf jeden Fall für die nächste schwangere Protagonistin ;).
Über die Vorfreude aufs Kind mache ich mir noch Gedanken. Sicher werde ich sie irgendwie einarbeiten, nur kann es ein paar Tage dauern, bis ich die Zeit dazu finde.

Salve Are-Efen,

Du bist die Erste, die in ihrem Komm bemerkt, dass der Tod des Alten und die Geburt des Neuen zumindest äußerlich zusammenfallen - innerlich wird Mareike noch eine Weile brauchen, um das nachzuvollziehen. Aber es freut mich, dass es jemand realisiert.

Das Fetzchen Gute sehe ich schon - Amalfi aus dem Fenster zu werfen, und sich jemandem zu öffnen, der schon lange gerne mehr Anteil an der Befindlichkeit nehmen würde, sehe ich als erste Schritte dahin. Der Amalfisturz gibt dann ja auch einen Anstoß zur Geburt.

Ansonsten finde ich, es muss genausowenig plakativ Hoffnungsfrohes da sein, wie eine deftige Sexszene, oder ein zynischer Antiheld, oder ein klassischer Bösewicht, oder sonst etwas.
Eine Geschichte ist erst einmal sich selbst verpflichtet, und diese hier funktioniert meiner Meinung nach ganz gut so, wie sie ist.

Danke Euch allen für Eure Kritiken, liebe Grüße und eisfreie Straßen
Pardus

 

Hallo Pardus!

Deine neue Version gefällt mir noch besser. Die Taube; das Bild, welches wie ein gefrorener Schmetterling aus dem Fenster fliegt und zugleich der innere Schmerz aufwallt.
Eine Kleinigkeit hatte ich vergessen:

„Im Augenblick ist alles offen. Ihr Vater wird von einem Pathologen untersucht werden. Danach wissen wir mehr. Es kann sein, dass sich die Kriminalpolizei bei Ihnen melden wird, im Fall einer … eines nicht natürlichen Todes.“
Falls deine Geschichte in Deutschland spielt, (Seliger, Roth) muss es hier Rechtsmediziner oder Gerichtsmediziner heißen.
Pathologen haben andere Aufgaben. Sie arbeiten meist für Krankenhäuser an der Aufklärung der Todesursache von Patienten. Führen also auch Obduktionen durch, aber nur wenn vorher eine natürliche Todesursache festgestellt wurde. Was in deiner Geschichte ja erst noch geklärt werden muss.
Im vorliegenden Fall, es geht um abnorme Zellveränderungen (Krebs), kann innerhalb der Gerichtsmedizin im Laufe der Obduktion durchaus ein Rechtmediziner hinzugezogen werden, der auch Pathologe ist, also das entsprechende Studienfach durchlaufen hat. Aber dennoch lautet seine Berufsbezeichnung Rechtsmediziner.

So, jetzt ist der Krimi-Onkel in mir beruhigt.

Frohe Festtage

Asterix

 

Salve Asterix,

Natürlich hast Du recht, allerdings dachte ich, für Hinterbliebene klingt "Forensischer Pathologe", bei dem rücksichtsvoll das "Forensisch" weggelassen wird, angenehmer als "Gerichtsmediziner" - für den (krimiversierten) Leser ist das natürlich irreführend.

Gruß, Pardus

 

Salve Are-Efen,

schade, dass sich in Deinen Augen psychische und physische Ebene klar voneinander abgrenzen - verschränkt mag ich es normalerweise lieber. Da ist Deine positive Resonanz also meinem schriftstellerischen Unvermögen geschuldet :D.

Danke für die zweite Rückmeldung,
Pardus

 

So - habe versucht, ein bisschen Licht ins Trübsal zu blasen, und Mutterfreuden einzubringen. Ich hoffe, es hat funktioniert.

 

Salve Are-Efen,

in der Beerdigungsverfügung sehe ich eher einen riesengroßen Fatalismus: wem das Leben entgleitet, der nagelt alle Details ums Ableben schon lange vor der Zeit fest. Solche Kandidaten kenne ich bedauerlicherweise persönlich, und sie alle sehen sich mit den zentralen Konflikten des Alltags, v.a. in Beziehungen, rettungslos überfordert.

"Einnehmender körperlicher Aspekt" klingt gut, nur dass ich's nicht versteh. Wenn Du Sex meinst, den gibt es ja jetzt.

Und Henri Coulonges hat unbekannteweise meine Sympathien erworben :D. Wobei ich meine Glanzleistungen doch lieber absichtlich vollbringen will, auch wenn Penicillin und Post-Its durch Lapsi erfunden respektive entdeckt wurden. ;).

LG und ein gutes Neues,
Pardus

 

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