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Lass mich in Ruhe

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04.10.2010
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Lass mich in Ruhe

Lass mich in Ruhe

Nur eine Atombombe konnte die Stadt von dem Moloch befreien. Tommy verließ den Fahrstuhl im zwölften Stock. Die Luft roch abgestanden und das Licht der verstaubten Neonlampen kroch mühsam in die Ecken. Irgendwo hinter den Betonwänden hörte er einen Fernseher. Ein Hund bellte und der Geruch von Essen spähte auf den Flur. Jemand kochte, nicht für Ihn.
Die Schreie einer Frau rissen ihn aus seinen Gedanken. „Lass mich in Ruhe. Ich will das nicht.“ Tommy ahnte woher die Schreie kamen. Er tat es schon wieder. Im Gedanken sah er ihn vor sich. Den speckigen Kerl im schmutzigen T-Shirt mit Schweißflecken unter den Armen, die Hose bis auf die Knöchel herunter gelassen, die abgetragene Boxershort mit einer Beule im Schritt und Flecken von getrocknetem Sperma. Diesmal nicht. Tommy drückte die Klingel mit der Aufschrift „Steuerberater“. Es dauerte eine Weile, dann öffnete ein Mann mit Hochwasserhose die Tür, um seinen dicken Bauch spannte sich eine Gürteltasche, die Füße steckten in Sandalen mit Tennissocken. Er schaute durch eine dicke Brille und schob den fettigen Scheitel zur Seite.
„Was wollen Sie?“, schnaubte der Dicke.
„Jemand hat geschrien. Ich will wissen was los ist.“, sagte Tommy.
„Das geht Sie nichts an.“
„Ich glaube schon, es klang nicht nach einer Steuerrückerstattung.“
„Wir brauchen Ihre Mitarbeit nicht. Verschwinden Sie.“
„Vielleicht sollte ich die Polizei rufen.“
„Tun Sie, was sie nicht lassen können.“, sagte der Dicke, drehte sich weg und machte die Tür zu. Tommy war wieder alleine im Flur. Eine Neonröhre flackerte und strahlte für einen Atemzug auf, um kurz darauf wieder zu erlöschen. Er ging in seine Wohnung. Sie wirkte leerer als sonst, der Papierkorb im Flur quellte über, es roch nach frisch gewaschener Wäsche und durch einen Spalt im Vorhang schien Sonne auf das Laminat. Er ging in die Küche und füllte ein Glas mit Wasser. Durch das Küchenfenster sah er geschäftiges Treiben auf der Kreuzung, Autos verstopften die Straße und eine Bahn schlängelte sich durch den Verkehr, Menschen kamen mit Tüten beladen aus dem Supermarkt und an der Ampel wartete Fußgänger.

Aus dem Flur hörte Tommy etwas, dass sich anhörte als ob Jemand eine Tür abschloss, er schaute durch den Türspion und sah eine junge Frau. Sie trug Jeanshose und Jeansjacke, die Haare zu dünnen Zöpfen geflochten und ihre Haut war dunkelbraun. Sie weinte. Tommy ging ein paar Schritte auf den Flur und lies die Tür offen.
„Alles in Ordnung?“, fragte er.
„Wir hatten nur einen Streit.“, sagte sie und zog die Nase hoch. Er schaute in ihre feuchten Augen, konnte aber keine Angst entdecken, ihr Mund formte ein schwaches Lächeln.

Als er das Gespräch hörte, spiegelte sich das Gesicht des Dicken gerade in der Fahrstuhltür. Er war dabei einem Pickel den Garaus zu machen; mit beiden Zeigefingern quetschte er die Haut am Kinn, bis der Klumpen platzte, und Blut und Eiter gegen das Metall spritzten. Tommy dachte nicht dass er noch in der Nähe war, ihm blieb kurz das Herz stehen, als er um die Ecke bog.

„Ich hab Ihnen doch gesagt, sie sollen sich da raushalten!“, schnaubte der Dicke.
„Ich unterhalte mich nur mit Jemandem“, erwiderte Tommy.
„Unterhalten sie sich mit Anderen“, sagte der Dicke. Seine Augen waren weit geöffnet, sein Körper zitterte, der Scheitel baumelte vor der Brille und Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er wischte sich einen Bluttropfen von Kinn und schaute auf Tommy runter, wie auf eine Fliege, die im nächsten Moment von einer Zeitung zerquetscht wird.

In den Augen konnte Tommy den sadistischen Spaß sehen, den der Dicke früher hatte. Im Sommer stand er wahrscheinlich mit einer Lupe im Garten, richtete die gebündelten Sonnenstrahlen auf vorbeitrippelnde Ameisen und sah ihnen dabei zu, wie sie sich krümmten, schwarz wurden und eine Rauchsäule aus den kleinen Körpern aufstieg.

Tommy überlegte ob er irgendwo einen Gegenstand hatte, den er als Waffe benutzen konnte. Sein Blick fiel auf sein Skateboard in der Ecke. Zu lang. Der Wischeimer daneben. Unbrauchbar. Ein faustgroßer Stein auf der Kommode. Bingo. Tommy streckte die Hand nach dem Stein aus und behielt dabei den Dicken im Blick. Der Dicke wollte gerade losstürmen, als sich die Frau mit ausgestreckten Armen gegen Ihn stemmte, ihre Füße rutschten über den Boden, als sie wieder halt hatte, stemmte sie sich mit voller Kraft gegen den Dicken und stoppte ihn. Er blickte auf sie herab und lies sich weiter von ihr zurückdrücken. Sie schob Ihn bis zur Ecke, wie man einen Kohlewagen vor sich her ins Bergwerk schieben würde, dann drehte er sich um und ging von alleine weiter. Tommy hörte wie sie den Fahrstuhl betraten, die Tür ging zu und die Kabine fuhr nach unten. Tommy war wieder alleine im Flur und starrte auf die Wand, wo eben noch sein Nachbar stand. Irgendwo im Haus hörte er eine Tür knallen.

 

Hallo liebe Leute,

ich bin ganz neu hier und schreibe erst seit ein paar Wochen. Ich habe verschiedene Bücher über Literatur gelesen (von James Frey, Sol Stein und Stephen King. Die Bücher aus der Reihe "Elements of Fiction Writing" folgen in den nächsten Wochen) und besuche einen Volkshochschulkurs (ist OK für die paar Euros). Ich lese und schreibe 4 bis 6 Stunden am Tag und versuche mich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Ich möchte mich hier mit Kurzgeschichten der Kritik stellen und soviel wie möglich für mich dabei rausziehen. Ich möchte lernen spannende Geschichten zu schreiben, die die Leser fesseln und einen Bestseller schreiben der mich zum Millionär macht.

Derlei bitte in ein separates Posting.

Aus Alltag ins KC.

 

Lieber Daenjel, ein paar Fehlerchen bzw. Anmerkungen:


Tun Sie, was sie nicht lassen können

,was Sie

Er war dabei einem Pickel den Garaus zu machen; mit beiden Zeigefingern quetschte er die Haut am Kinn, bis der Klumpen platzte, und Blut und Eiter gegen das Metall spritzten.

wirkt ein bisserl zu drastisch, so dass die Glaubwürdigkeit leidet

ob Jemand eine

jemand

Ich hab Ihnen doch gesagt, sie sollen sich da raushalten

, Sie

Unterhalten sie sich mit Anderen“,

Sie

Sie schob Ihn bis zur Ecke

ihn

gegen Ihn stemmte, ihre Füße rutschten über den Boden, als sie wieder halt hatte

ihn; Halt

und lies sich weiter von ihr zurückdrücken

ließ

Also, ein Typ hört einen Schrei, greift ein; später entpuppt sich alles als doch nicht so gefährlich? Vielmehr rettet das Opfer ihn, oder verhindert zumindest die Auseinandersetzung.
Ich muss zugeben, was Du genau sagen willst, raffe ich nicht.

Liebe Grüße und Glückwunsch, dass Du zum Millionärwerden statt auf Investmentbanking aufs Geschichtenschreiben setzt :)

 

Hey daenjel, gefällt mir ganz gut die Szenerie. So ein riesiger Betonblock, in dem sich jeder um seinen Scheiß kümmert, und dann schreit da jemand, und unserem Helden kribbeln die Cojones und er greift ein, nennen wir ihn Tommy, okay.
Tommy klingelt also beim Steuerberater (warum wohnt der in diesem Armenhaus?) und will der armen Frau helfen. Der Steuertyp scheint ja so der klassische Überspießer zu sein, sogar die Tennissocken in den Sandalen fehlen nicht, also die ganze Szene ist nicht sehr neu, aber seis drum, originell kann man ja immer noch werden. Fürs erste die brauchbare Beschreibung eines Fieslings, später noch der tollen Zoom auf seinen Pickel und wie er aufplatzt und so eklige Sachen. Lustig fand ich auch dass Tommy sagt, das klingt nicht nach ner Steuerrückerstattung. Ist zwar wirklich so ein Ami-Spruch, passt zu unserem Tommy, aber nett. Danach wirds konfus. Tommy macht nen Rückzieher, schaut auf die Straße (die schlängelnde Bahn! Versuch dir das mal vorzustellen: Wie soll sie denn auf Gleisen schlängeln?), sucht später nach ner Waffe und tut dann aber wieder nichts. Die Schlussszene hab ich zweimal gelesen aber nicht so ganz verstanden, warum die Frau den Typen wie eine Lore durchs Bergwerk schiebt.

Noch mal kurz zum ersten Satz. Der ist echt wichtig, ich verhau den selbst viel zu oft, deiner ist leider auch nichts geworden.

Nur eine Atombombe konnte die Stadt von dem Moloch befreien.
Moloch ist dieser alte Gott, dem Menschenopfer gebracht wurden. Später personifizierte jemand, ich glaub Heym, die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Moloch. Das wird hier aber beides nicht gemeint sein (können). Gott wird nicht durch Atombomben gekillt und die Stadt will sich ja auch nicht von sich selbst befreien. Und allgemein eine Atombombe als Befreiung zu bezeichnen -> na, da muss man schon ziemlich zynisch sein. Viel bliebe nach einer Detonation nicht mehr übrig, das sich befreit fühlen könnte.
Und ich frage mich halt, was dieser Satz mit irgendwas in der Geschichte zu tun hat. Die Frage gebe ich gern an dich weiter.

Die Luft roch abgestanden und das Licht der verstaubten Neonlampen kroch mühsam in die Ecken. Irgendwo hinter den Betonwänden hörte er einen Fernseher. Ein Hund bellte und der Geruch von Essen spähte auf den Flur. Jemand kochte, nicht für Ihn.

Das finde ich schon stimmungsvoll! Aber in der Form geht es leider nicht. Kriechendes Licht funzt sowenig wie spähender Geruch. Den letzten Satz find ich gut, knapp die Info transportiert, dass er anscheinend allein ist.

Grüße
Kubus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo und vielen lieben Dank, dass ihr Euch die Zeit genommen habt meine Geschichte zu lesen und zu antworten.

Die Geschichte ist mir so, oder so ähnlich passiert (ich war Tommy, nicht der Steuerberater), deshalb fällt mir das garnicht so auf, wenn es nicht ganz stimmig ist.

Die Kohleberwerk Lore sollte einen Metapher dafür sein wenn man etwas großes, schweres, mit gesenktem Kopf und viel Kraftaufwand vor sich her schiebt.

Vielen Dank für die Rechtschreibkorrekturen, lies und ließ, seit und seid, das verhau ich regelmäßig.

Ich hab in erster Linie versucht Bilder und Stimmung zu erzeugen, das hab ich, glaube, ich ganz gut hingekriegt, die Story an sich - naja - Schwamm drüber.

Ich wollte nur das Irgendwer meine Geschichte liest, deswegen wollte ich einen ersten Satz der provoziert, aber im Nachhinein passt der echt mal garnicht.

Gut´s Nächtle.

 

Hallöle.

Ich muss sagen, die Stimmung hat mir gut gefallen. Ich kenne solche Gegenden (und solche Häuser) auch. Mietshäuser in denen eigentlich keiner was vom anderen wissen will. Und da ist es, denke ich zumindest, doch schon eine Geschichte wert, wenn sich mal doch jemand um den anderen kümmert. Das man bei solch einer Gelegenheit nicht gleich zum Superhelden werden kann, entspricht wohl der Wirklichkeit.
Ich habe das Ende auch nicht so verstanden, dass die Frau den Tommy rettet, sondern vielmehr ganz "Frauenlike" ne Klopperei mit ungewissem AUsgang verhindert.
Insgesamt finde ich die Geschichte sehr stimmungsvoll, sie enthält viele schöne Beschreibungen und der Plot ist auch nicht verkehrt.

Grüße

 

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