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Leben und Tod

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05.05.2004
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Leben und Tod

Was war das?, dachte Eris vielleicht zum hundertsten Mal an diesem Tag. Ebenso wie die neunundneunzig Mal davor war es nichts, nichts von Bedeutung. Ein harmloses Tier womöglich, ein kleiner Steinschlag vielleicht, ausgelöst durch Wind und Wetter, wie es hier im roten Karstgebirge ständig geschah. Wahrscheinlich aber war es Einbildung. Ihre Phantasie spielte ihr Streiche und nährte sich von der Nervosität, die an der Innenseite ihrer Haut durch ihren Körper kroch. Oder konnte man es Angst nennen? Ja, das musste man wohl.
Vor kurzem waren ihre Tage noch unbeschwert gewesen. Sie hatte wie die anderen Novizinnen im Tempel Elelas ein behütetes Leben geführt. Sicher, immer wieder hatte sie den Schmerz gesehen, das Leid der Kranken, der Aussätzigen, die kamen, um die Gnade der Guten Göttin zu erflehen. Sie hatte den Kummer gespürt, der diesen Menschen entströmte wie krankhafte Ausdünstungen, und hatte das Mitleid gefühlt, das deren Anblick in ihr auslöste. Und sie hatte sich geschämt für das Glücksgefühl, nicht an deren Stelle sein zu müssen, für den Gedanken, alles sei halb so schlimm, solange es nicht sie selbst betraf. Aber dann hatte Eris auch die Erleichterung miterlebt, die Dankbarkeit, wenn diejenigen, die zum Tempel hereingekrochen waren, ihn aufrechten Schrittes wieder verließen. Sie hatte eindrucksvolle Demonstrationen von Elelas göttlicher Macht bestaunt. Sie hatte erkannt, dass die Mutter aller Dinge, die Spenderin allen Lebens keines ihrer sterblichen Kinder leiden ließ, wenn sie sie nur darum baten.
Und Eris wusste, dies galt auch für sie selbst. Ihre mittellosen Eltern, die sie vor vielen Jahren der Obhut des Ordens anvertraut hatten, hätten niemals so gut für sie sorgen können, wie die Himmlische Mutter, die ihre schützende Hand über ihre Dienerinnen hielt.
Doch dann waren die Gorns gekommen, schreckliche Wesen, mehr Tiere als Menschen, die wie Heuschreckenschwärme über die Welt zogen. Die meisten Leute kannten sie nur aus den Geschichten, die die Alten erzählten, doch sie waren Wirklichkeit. Zum ersten Mal seit langer Zeit waren sie aus den fernen Steppen gekommen, um die Länder der Menschen zu plündern. Die Gorns hatten keine Pläne und keine konkreten Ziele. Sie nahmen, was sie fanden. Und der Hohepriesterin war klar geworden, dass sie auf keinen Fall in den Besitz des Orb gelangen durften, der unzerstörbaren, kristallenen Kugel, die sie für einen Schatz halten mussten. Und das war sie auch, wenngleich auf andere Art, als die Gorns wohl glauben würden. Durch den Orb konnten die Priesterinnen die Macht der Guten Göttin zur Erde holen, auf dass die Ernten wuchsen, die Herden gediehen und die Kinder stark wurden.
Der Orb war eines der wichtigsten Objekte des gesamten Reiches. Doch die Ritter des Königs waren in Kämpfe mit den Horden der Gorns verwickelt und sie konnten den Tempel nicht beschützen. Deshalb hatte die Hohepriesterin eine Gruppe ausgesandt, um ihren wichtigsten Besitz an einen sicheren Ort zu bringen. In das Hoheitsgebiet der Kriegerpriester, die Arkon verehrten, den Gott des Lohnes und der Strafe. Sie waren treue Diener des Reiches und boten jedem Verfolgten Zuflucht. Und jeder Verfolger hatte guten Grund, ihre Macht zu fürchten.
Hätte Eris sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet? Wohl kaum. Sie hatte zu große Angst, seit das Unheil zum ersten Mal mit solcher Gewalt in ihr junges Leben eingedrungen war. Außerdem hielt sie sich nicht für würdig genug – und auch nicht für stark genug, den Orb auf seinem Weg zu begleiten. Daher war sie ebenso überrascht gewesen wie die anderen Nonnen, als das Orakel ausgerechnet sie, die sechzehnjährige Novizin, zu einer der sechs Frauen bestimmt hatte, die sich auf den Weg machen sollten. Auf den einzigen halbwegs sicheren Weg, der sie nun bereits seit Stunden durch die zerfurchten, staubigen Schluchten führte, in denen abwechselnd die Sonne auf sie brannte und die schweren Schatten sie zu Boden drückten.
Was war das?, dachte Eris erneut. Doch diesmal war es kein Hirngespinst. Diesmal bewegten sich eindeutig rasche, vorsichtige Schritte auf sie zu, begleitet von geflüsterten Lauten, die nicht nach menschlichen Stimmen klangen.
Ein Gorn sprang hinter einem Felsen hervor und blieb keine zwei Meter vor ihnen stehen. Hinter ihnen tauchten wie aus dem Nichts zwei weitere auf. Die Nonnen kreischten und drängten sich eng zusammen. Nur Eris blieb bewegungslos und stumm, voll ungläubigem, fassungslosem Erstaunen, wie ein Kind, das unter seinem Bett nach Monstern suchte, aber niemals erwartet hätte, tatsächlich eines zu finden.
Der erste Gorn gab etwas von sich, das halb wie Lachen und halb wie Blöken klang. Er amüsierte sich offenbar über die Wehrlosigkeit der gefundenen Beute. Im nächsten Moment zerschmolz sein Lachen zu wirrem Gurgeln, als ein Axthieb ihm den halben Kopf vom Rumpf trennte.
Ein junger Mensch rannte an dem Getöteten vorbei. Ein Mann in Kilt und staubigem Wams, mit langen, geflochtenen Zöpfen und vor allem mit einer doppelköpfigen Streitaxt in den Händen. Die Gorns erstarrten, und für einen Moment schien jeder bedrohliche Ausdruck aus ihren Gesichtern gefallen zu sein. Doch gleich danach fletschten sie wieder ihre Zähne und einer davon schoss einen Pfeil auf den Angreifer ab. Er verfehlte sein Ziel, obwohl sich der Mann kaum zur Seite gewandt hatte, als hätte er gar nicht damit gerechnet, getroffen zu werden. Er holte weit aus und erschlug den Schützen.
Der dritte Gorn ging mit einem Speer auf den Menschen los. Der Krieger machte einen Satz zurück und schlug den Schaft in zwei Hälften. Dann fuhr er herum, als er einen weiteren Angreifer kommen hörte, schwang seine Axt und traf den Ankommenden, bevor dieser wusste, wie ihm geschah.
Der letzte Gorn benutzte die Reste seines Speeres wie einen Knüppel und schlug von hinten auf den Menschen ein. Der Getroffene stolperte ein paar Schritte weiter und verlor seine Waffe. Als er sich umdrehte, war der Gorn direkt vor ihm, mit einem langen Knüppel und einem Dolch bewaffnet.
Der Mensch wirkte plötzlich völlig entspannt. "Du wirst mich nicht töten", sagte er und verschränkte die Arme. "Das weiß ich ganz genau."
Der Gorn stutzte.
"Ich weiß nur nicht, weshalb. Vielleicht werden dich die Nonnen von hinten überfallen. Das wäre möglich."
Der Gorn machte große Augen und riss seinen Kopf herum. Er sah die Nonnen, die sich nicht regten und ihn voller Angst anstarrten. Seine Augen zuckten wieder zurück, aber es war zu spät. Der Mensch schlang seine Arme um den Hals seines Gegners und riss ihn um. Beide stürzten zu Boden, und man hörte tödliches Knacken aus dem Nacken des Gorn.
Die Nonnen standen immer noch da, machten keine Bewegung und kein Geräusch. Der Krieger keuchte, erhob sich und begann zu sprechen: "Es tut mir Leid, dass ihr das mitansehen musstet. Mein Name ist Karan und ich wurde von den Kriegerpriestern geschickt, um euch zu begleiten."
"Wir danken euch für unsere Rettung", sagte die Oberin und schüttelte langsam ihren Schrecken ab. "Ihr habt großen Mut bewiesen."
"Nein, eigentlich nicht", antwortete der Mann. Er hob seine Axt auf und zum ersten Mal breitete sich die Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht aus. "Ich wusste wirklich, dass mich der Gorn nicht tötet."
Die Nonnen blickten ihn eingeschüchtert an. Ein paar von ihnen mussten sich mit wackeligen Knien auf einen Felsen setzen, doch Karan drängte sie zur Eile: "Lasst uns weitergehen. Wir haben keine Zeit zu verlieren." Er ging mit großen Schritten voran, und die Frauen hatten Mühe, ihm zu folgen.
"Was hat er damit gemeint, er wusste, er würde nicht sterben?", fragte Eris leise die Oberin.
"Ich nehme an, er ist ein Todesseher, mein Kind."
"Ein Todesseher? Dieses Wort habe ich noch nie gehört."
"Es gibt Menschen, die die Götter baten, ihnen eine besondere Gabe zu verleihen. Sie können ihren eigenen Tod vorhersehen."
Eris' Mund öffnete sich voll Staunen und Entsetzen. "Warum sollte denn jemand eine derart furchtbare Gabe besitzen wollen?"
Der Todesseher drehte sich um und schaute Eris ins Gesicht. "Zu wissen, wann man stirbt, bedeutet auch, zu wissen, wann man nicht stirbt. Ich war dem Gorn überlegen, weil ich meinen Tod nicht fürchten musste."
Eris wandte ihren Blick ab. "Ich finde das schrecklich", murmelte sie.
"Ich fände es schrecklicher, wenn dort hinten nun nicht vier Gorns, sondern sechs Nonnen liegen würden. – Aber wir bekommen gleich ein dringlicheres Problem: die alte Hängebrücke."
Die Brücke, die wenig später vor ihnen lag, sah in der Tat aus wie ein Problem. Weit unter ihr zwängte sich ein schmaler Fluss zwischen den Felswänden hindurch, so weit unten, dass es schien, als bewege sich sein Wasser nicht. Eris konnte nicht glauben, dass die verwitterten Bretter und die ausgefransten Seile sie davor bewahren würden, dem Fluss schneller nahe zu kommen, als ihnen lieb sein konnte.
"Hier, Mädchen", sagte Karan und drückte ihr seine Waffe in die Arme, "halt das."
Eris fühlte sich völlig überrumpelt, als sich ihre Finger um den Axtgriff schlossen. Sie hielt zum ersten Mal in ihrem Leben eine Waffe in den Händen, und gleich eine derart schwere. Mühsam und ungelenkt legte Eris sie auf ihre Schulter und sah angewidert aus.
Der Todesseher quittierte ihre Mühe mit einem Lächeln. "Versuch, möglichst niemanden damit zu töten", sagte er, während er seine Hände bis über die Handgelenke in seinen Gürtel zwängte. "Wie heißt du? Jemanden, dem ich meine Axt anvertraue, möchte ich mit Namen kennen."
"Eris", antwortete sie knapp. "Was tust du denn da?"
"Ich weiß zwar, ich werde nicht in diesem Abgrund sterben, aber vielleicht nur deshalb, weil es mir als Einzigem gelingt, mich an den Resten der Brücke festzuhalten, wenn sie einstürzt. Auf diese Art gefesselt, würde mir das aber kaum gelingen. Daher muss der Grund für mein Überleben der sein, dass die Brücke hält. Manchmal muss man das Schicksal ein wenig zwingen." Karan wandte sich an den Rest der Gruppe und ging los. "Kommt jetzt und bleibt direkt hinter mir, dann wird euch nichts geschehen."
Eris lief neben ihm und blickte zweifelnd drein.
"Ich glaube nicht, dass man das Schicksal zwingen kann. Was geschehen soll, wird geschehen. So wie es die Götter für richtig halten."
"Versucht ihr denn nicht, das Schicksal zu ändern? Kommen die Menschen nicht zu euch, damit ihr sie vor schlimmem Schicksal bewahrt? Vielleicht haben diejenigen, die ihr heilt, ihr Leiden verdient. Vielleicht rettet ihr Menschen, die von den Göttern zum Sterben auserwählt wurden."
Eris sagte nichts.
"Ihr und ich, wir haben unterschiedliche Gaben von den Göttern erhalten, aber was die Götter erwarten, dass wir damit tun, können wir nur vermuten."
"Ich würde aber niemals diesen Weg gehen, der sich nur mit Tod und Töten beschäftigt."
"In gewisser Weise beschäftigt sich auch mein Weg mit dem Leben. Ich habe deines gerettet, oder nicht? Und damit auch die Leben aller, die du in Zukunft noch heilen wirst." Karan schaute sie mit überlegenem Lächeln an. Dann befreite er seine Hände und nahm die Axt wieder an sich. Sie hatten das andere Ende der Brücke erreicht, aber Eris hatte das kaum wahrgenommen.
"Danke fürs Tragen, Eris."
Der Krieger drehte sich um und ging wieder voraus. Eris konnte ihn nicht aus den Augen lassen. Sie hatte noch nie einen solchen Menschen kennen gelernt. Nun, wenn sie es recht bedachte, hatte sie außer Nonnen bisher kaum Menschen kennen gelernt. Sie hatte zwar viele Menschen getroffen, sie hatte geholfen, viele zu heilen, aber diese Treffen waren immer kurz und distanziert geblieben. Es war Pflicht, es war Arbeit gewesen, beglückende Arbeit, ja; aber manchmal hatte Eris das Gefühl, diese Menschen zu heilen, wäre nicht anders, als einen kaputten Stuhl zu reparieren.
Ein Luftzug und ein surrendes Geräusch rissen Eris aus ihren Gedanken. Erst eine halbe Sekunde später brachte sie beides mit dem Pfeil in Verbindung, der sie um eine Handbreit verfehlt hatte und der nun neben ihr in der Felswand steckte.
"Hinter mich!", rief Karan und fixierte den Gorn-Bogenschützen. "Stellt euch hinter mich!"
Im nächsten Moment rannte er auf den Angreifer zu, streckte die Arme von sich und machte sich so groß wie möglich. Eris schrie zugleich mit ihm auf, als ein Pfeil sich in sein Fleisch bohrte.

Vor dem Höhleneingang war es pechschwarz geworden. Ohne Fackeln wären sie hilflos in einen Abgrund getappt, und mit Fackeln hätten sie ihren Standort meilenweit verraten. Daher hatten sie sich tief in eine Höhle zurückziehen müssen, selbst wenn nicht einer von ihnen verwundet gewesen wäre.
Karan hatte den Gorn erschlagen, doch zuvor hatte dieser ihn in die Schulter und die Brust getroffen. Er saß am Boden und die Nonnen versorgten seine Wunden.
"Deine Verletzungen sind nicht sehr schwer", sagte eine davon. "Die Götter haben dir viel Glück geschenkt. Ich denke, du wirst morgen wieder laufen können – und auch kämpfen."
Dann wandte sie sich an Eris: "Möchtest du ihn weiter pflegen? Du könntest Erfahrung sammeln. Wir anderen werden inzwischen für seine Genesung beten."
"Ja, Schwester."
Eris tauchte ihre Finger in wundertätigen, geweihten Balsam und schaute den anderen Nonnen aus den Augenwinkeln nach, als sie die beiden allein ließen. Sie strich zögerlich über Karans Brust und ihre Blicke blieben immer wieder an den zahllosen, darauf verstreuten Narben hängen. Ihr war, als könnte sie fühlen, wie Schmerzen aus jeder davon in ihre Fingerspitzen sickerten. Er schien ihre Gedanken zu erraten.
"Ja, ich bin schon oft verletzt worden. Wir Todesseher sehen zwar voraus, ob wir sterben, aber nicht, ob wir verwundet werden. Obwohl – diesmal war es nicht anders zu erwarten."
"Du hast dich nicht einmal geduckt", sagte Eris, ohne ihn anzusehen, "damit er dich trifft, und nicht uns."
"Ja, das ist der unangenehme Teil davon, ein Todesseher zu sein."
"Ich habe mich geirrt. Du bist ein Ehrenmann. Du bist selbstlos und mutig."
"Das kann man auch anders sehen. Vielleicht haben wir Todesseher auch nicht genug Mut, uns unserer Todesangst zu stellen. Ich habe mehr Ehrfurcht vor Menschen, die für ihre Ziele kämpfen, obwohl sie jedes Mal dabei sterben könnten. Und vor Menschen wie euch."
Sie schaute ihn fragend an.
"Ihr Nonnen seid viel mutiger als ich. Ihr habt euch auf diesen lebensgefährlichen Weg gemacht, obwohl ihr völlig wehrlos seid. Besonders du. Du riskierst dein junges Leben, um den Orb in Sicherheit zu bringen."
"Das ist meine Pflicht."
"Was du tust, ist mehr als deine Pflicht."
"Doch, es ist einfach meine Pflicht, sicherzustellen, dass die Macht der Guten Göttin die Menschen erreicht, damit sie der Größe, der Liebe und der Fürsorge ihrer Himmlischen Mutter gewahr werden."
Karan lächelte. "Das klingt, als hättest du es auswendig gelernt. Kannst du nicht mit eigenen Worten sagen, warum du es tust?"
Eris schwieg einen Moment. "Es ist schwer zu erklären. Immer, wenn ich sehe, wie durch das Wirken der Göttin Sterbendes wieder voller Leben wird, dann weiß ich, dass ich als Dienerin Elelas kein schwacher, ohnmächtiger Mensch bin. Ich bin ein kleiner Teil einer unerhörten Macht, die mir die Gnade erweist, mich als Werkzeug zu benutzen, um Gutes zu tun und Glück zu den Menschen zu bringen; in einem Ausmaß, wie es mir alleine niemals möglich wäre. Und als Dank würde ich alles für sie tun."
Eris Augen starrten ins Leere und ein Lächeln hatte sich auf ihrem Mund niedergelassen. Ohne es zu bemerken, hatte sie aufgehört, Karans Wunden zu pflegen.
"Na also", sagte er, "das war doch viel besser."
Eris konzentrierte sich rasch wieder auf ihre Arbeit.
"Du bist es nicht gewöhnt, dass man dir schmeichelt, nicht wahr? Ganz besonders nicht, dass das ein Mann tut."
"Was soll denn das heißen?"
"Du bist eine junge Nonne in einem ausschließlich weiblichen Orden. Du hattest sicher noch nicht viel mit Männern zu tun."
"Das ist überhaupt nicht wahr. Ich habe sogar schon einen nackten Mann gesehen, als wir ihn geheilt haben."
"Oh, ich bin beeindruckt."
"Außerdem bin ich keine Nonne, sondern Novizin. Ich habe noch nicht gelobt, meinen Geist, meine Seele und meinen Körper allein der Göttin zu weihen. Das heißt, ich dürfte sogar – mit einem Mann – zusammen – wenn ich wollte –"
"Ich verstehe. Du darfst es zwar tun, aber du darfst nicht darüber reden."
Sie gluckste. "Du machst dich lustig über mich."
"Ja, aber ich meine es nicht böse."
"Ich weiß", sagte sie schnell.

Eris wachte auf, und das erste, was sie sah, war Karans nackter Oberkörper. Sie setzte sich rasch auf. "Ich bin neben dir eingeschlafen."
"Keine Sorge, Novizin. Du bist nicht die erste Frau, die neben mir geschlafen hat. Und ich habe mit keiner etwas getan, was sie nicht selbst gewollt hätte."
Frau? Niemals zuvor hatte jemand Eris als Frau bezeichnet. Und plötzlich fühlte sie sich, als wäre sie das von einem Tag auf den anderen geworden. Sie starrte Karan an, als er aufstand. Etwas in ihr drängt sie, seine Brust nochmals mit dem Balsam einzucremen.
Karan betastete die Wunde in seiner Brust und wirkte verunsichert, zum ersten Mal seit Eris ihn kannte.
"Hast du noch Schmerzen?"
"Nicht der Rede wert", antwortete er abwesend. "Aber – heute bin ich mir beim Aufwachen zum ersten Mal nicht sicher, dass ich diesen Tag überleben werde."
Er bemerkte Eris entsetzten Blick, die ihn mit offenem Mund anstarrte.
"Keine Angst, wahrscheinlich bedeutet das gar nichts. Lasst uns jetzt gehen. Die Gorns werden immer zahlreicher."
Eris dachte nicht einen Moment an die Gorns, als die Gruppe wieder durch die Schluchten zog. Alles, woran sie dachte, alles, worauf sie achtete, war Karan, als könnte sie ihn mit ihren Blicken und Gedanken einhüllen und so vor Gefahren schützen. Hätte er ihr bloß nichts gesagt. Sie wollte nicht, dass ihm etwas zustieß, sie würde es nicht ertragen, diesen Mann sterben zu sehen, den sie gestern früh nicht einmal gekannt hatte. Vielleicht bedeutete seine Ahnung wirklich nichts, aber war eben diese Ahnung nicht seine göttliche Gabe? Konnte sie denn einen Fehler begehen?
Eris wünschte, sie könnte etwas tun. Aber sie konnte nur hoffen, dass er sich irrte. Sie konnte nur hoffen, dass die tödliche Gefahr ihn verschonte, dass sie jemand anderen traf, ganz egal wen, wenn nur nicht ihn, wenn es sein musste, sogar eine der anderen Nonnen.
Eris lief ein eisiger Strom über den Rücken. Was hatte sie im Orden des Lebens verloren, wenn sie fähig war, jemandem den Tod zu wünschen? Den Frauen, die sie aufgezogen und ihr alles beigebracht hatten. Müsste sie sich nicht eher wünschen, selbst zu sterben, wenn ihn das retten könnte? Hatte sie nicht gestern behauptet, sie täte alles für die Göttin des Lebens? Beinhaltete das nicht auch, zur Opferung des eigenen Lebens bereit zu sein, so wie Karan dazu bereit gewesen war, an dem Tag, an dem die Götter ihn zum Todesseher gemacht hatten? Gestern hatte Eris gesagt, es sei schrecklich, sich mit dem Tod zu beschäftigen. Nun erst wusste sie, wie Recht sie gehabt hatte.
Karan hustete. Er lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Eris fiel erst jetzt auf, dass er den ganzen Tag über viel langsamer gegangen war als gestern.
"Alles in Ordnung?", fragte sie voller Angst vor der Antwort.
"Ich fürchte nicht", murmelte er. Dann hustete er eine kleine Menge Blut aus. Seine Stirn zerfurchte sich und seine Knie gaben nach. Er fiel Eris in die Arme und stieß sie beinahe um.
"Helft mir!", schrie Eris. "Er stirbt!"

Diesmal hatten sie sich am lichten Tag in einer Höhle verstecken müssen. Karan konnte keinen Schritt mehr laufen. Die Wunde in seiner Brust war offenbar weit schlimmer, als die Nonnen erkannt hatten, und ihre Zauberkräfte konnten nicht genug zu deren Heilung beitragen. Eris war keine große Hilfe gewesen. Sie war hektisch und fahrig wie noch nie.
"Verzeih uns, Karan", sagte die Oberin. "Wir haben deine Verletzung falsch eingeschätzt. Und unsere Kräfte möglicherweise ebenfalls. Ich fürchte, in unserer momentanen Lage können wir dich nicht heilen. Es kann nicht mehr weit bis zur ersten Festung der Kriegerpriester sein. Dort könnten wir dir viel besser helfen. Wir könnten versuchen, sie ohne dich zu erreichen und jemanden zu dir zu schicken, der dich tragen kann."
"Nein", antwortete Karan. "Das ist zu gefährlich für euch. Es gibt hier schon viel mehr Gorns, als alle dachten. Bleibt hier bei mir. Ich fühle, dass ich nicht in dieser Höhle sterben werde, und so wehrlos, wie ich momentan bin, kann das nur bedeuten, dass wir hier nicht überfallen werden."
"Aber wir können nicht mehr lange warten. Unser Proviant reicht höchstens noch für den morgigen Tag."
"Ich weiß. Gebt mir nur Zeit, mich zu erholen. Ich werde versuchen, morgen wieder weiter zu marschieren."
Eris starrte ihn mit großen Augen an. Sie wusste, Zeit allein würde ihm nicht helfen.
Der Todesseher versuchte erneut, das Schicksal zu zwingen und ließ sich an den Eingang der Höhle legen, wo er das erste Opfer eines Eindringlings wäre. Die Nonnen setzten sich im Inneren der Höhle im Kreis und beteten. Mehr konnten sie nicht mehr tun.
Eris jedoch blieb bei ihm.
"Ich werde etwas anderes versuchen", sagte sie und kniff ihre Augen zusammen, damit ihnen keine Tränen entkommen konnten. Sie kniete sich neben ihn und drückte die Fingerspitzen ihrer Hände gegeneinander. "Du wirst vermutlich gleich einschlafen."
"Was hast du vor?", murmelte Karan und im nächsten Augenblick schlief er und hörte nicht mehr, wie Eris Zauberworte flüsterte.

Als Karan aufwachte, war es bereits frühe Nacht und der schwache Widerschein des Feuers strich über seine Wangen. Er spürte sofort, dass die Schmerzen in seiner Lunge beinahe verschwunden waren. Er setzte sich rasch auf und fühlte einen Teil davon zurückkehren. In Ordnung, er durfte es nicht übereilen, aber es ging ihm unvergleichbar besser.
Eris kniete immer noch neben ihm. Sie riss die Augen auf, schnappte nach Luft und erzitterte von Kopf bis Fuß. Karans Bewegung schien sie aus einer tiefen Trance gerissen zu haben. Sie sah ihn fragend an. "Wie geht es dir?"
"Ich bin – geheilt", sagte er immer noch verblüfft. "Was hast du getan?"
Eris starrte ihn noch immer an, nicht mehr fragend, sondern voller Glück in den Augen. "Ich habe gezaubert." Sie setzte sich und rieb ihre geröteten Knie.
"Und nur du junge Novizin kanntest einen derart mächtigen Zauber?"
"Nein", sagte sie und blickte zu Boden. "Jeder in meinem Orden kennt ihn. Aber er ist nicht in jeder Situation gleich wirkungsvoll – und nicht von jeder Person gesprochen." Sie hörte auf, ihre Knie zu massieren. "Er bezieht seine Kraft aus der – Zuneigung, die der Zaubernde für das Ziel empfindet."
Karan war nicht fähig, darauf zu reagieren.
"Ich bin jetzt müde", sagte Eris langsam. "Darf ich mich zu dir legen?"
"Pass bloß auf, junge Novizin. Wag dich nicht irgendwohin, wo du gar nicht hin willst."
Eris zitterte. Offenbar aus anderen Gründen als zuvor. "Ich würde es auch wollen", flüsterte sie, "wenn ich sehen könnte, dass es meinen Tod bedeutet."

Am nächsten Morgen brachen sie früh auf. Karan war beinahe wieder im Vollbesitz seiner Kräfte und führte die Gruppe auf den letzten Abschnitt ihrer Reise, der weniger als einen halben Tagesmarsch dauern sollte. Eris hielt sich ein paar Schritte hinter ihm, obwohl sie sich am liebsten an ihn festgeklammert hätte. Sie blickte ihn in Sekundenabständen an, war aber froh, dass er ihre Blicke nicht erwiderte.
Sosehr sie sich wünschte, das Karstgebirge hinter sich zu lassen, sosehr fürchtete sie sich auch davor. Denn das bedeutete, dass Karan wieder aus ihrem Leben verschwinden würde. Obwohl ein kleiner Teil von ihr vermutete, dies sei wohl besser für alle, fühlte sie sich wie ein Todesseher. Sie konnte deutlich voraussehen, dass dieser Moment für sie so schlimm sein würde wie der Tod.
Nach einigen Stunden erreichten sie einen Felsdurchbruch, der sich in einen Talkessel öffnete. Vor ihnen teilte sich der kaum erkennbare Pfad und schlängelte sich auf der rechten Seite über bröckelige Felsterrassen nach unten, während er links dem nahen Gipfel entgegenkletterte.
"Das ist die letzte Weggabelung", sagte Karan abwesend, als denke er über etwas völlig anderes nach." Die Kriegerpriester sind nur noch einen Steinwurf entfernt. Jeder der Pfade führt in ihr Gebiet. Zum Teil verlaufen sie fast parallel."
"Welchen Weg sollen wir gehen?", fragte die Oberin, ohne eine Reaktion zu erhalten. "Karan?"
Er schaute stumm ins Tal.
"Ich werde den rechten Weg nehmen."
"Gut, dann lasst uns keine Zeit verlieren."
"Wartet," sagte er, als die Frauen dazu ansetzten, sich nach rechts zu wenden. "Ich werde nach unten gehen. Ihr nehmt den anderen Pfad."
Eris wurde eiskalt. "Warum?", fragte sie, obwohl sie die Antwort kannte.
"Weil ich dort unten sterben werde. Und was immer mich tötet, wird euch nicht erreichen, wenn ihr den anderen Weg nehmt."
"Nein!", schrie Eris und scherte sich nicht darum, ob die Gorns es hörten. Sie packte mit beiden Händen seinen Arm.
"Eris, sei ruhig! Sie werden uns finden!"
"Nein!", rief sie kaum leiser. "Vielleicht irrst du dich. Gestern hattest du auch dieses Gefühl, und du hast den Tag überlebt."
"Das war nur eine Ahnung, eine Ahnung, die mich auf heute vorbereitet hat. Jetzt ist es eine Gewissheit."
"Aber, wenn du weißt, dass du auf diesem Weg sterben wirst, musst du doch nur den anderen nehmen. Dann wird es vielleicht nicht geschehen."
"Nein, Eris, du hast mir doch selbst gesagt, man kann das Schicksal nicht zwingen. Irgendetwas wird dafür sorgen, dass ich den Weg nehme, der mir bestimmt ist. Und wenn ihr dann bei mir seid, bringt euch das alle in Gefahr. Bisher bedeutete bei mir zu sein, zu überleben, aber ab jetzt bedeutet es den Tod."
"Nein, nein, nein, nein!" Hysterisch sprudelte es aus Eris Mund. Tränen und Rotz liefen über ihr Gesicht. "Wir können dich nicht alleine sterben lassen. Ich kann doch mit dir gehen."
Karan nahm ihren Kopf in beide Hände. "Eris, hör auf! Du kannst mir nicht helfen. Und du würdest völlig sinnlos sterben. Dann hätte ich dein Leben vorgestern umsonst gerettet."
"Aber ich will bei dir sein!", schrie sie völlig außer sich.
"Gebt mir den Orb!", sagte er zu den anderen Nonnen und streckte die Hand aus.
"Hier, Eris." Er zerrte ihre Finger von seinem Arm und drückte ihr die Kristallkugel in die Hände. "Erinnerst du dich nicht, weshalb du eigentlich hier bist? Weshalb wir beide hier sind? Der Orb muss in Sicherheit gebracht werden, damit das Leben weitergeht, damit die Ernten wachsen und die Kinder stark werden. Und wir werden beide dafür sorgen, jeder auf seine Art. Wir beide sind ein kleiner Teil einer Macht, die uns als Werkzeug benutzt, um Glück zu den Menschen zu bringen. So wie du es gesagt hast. Aber das wird nur funktionieren, wenn ihr euch jetzt von mir fernhaltet."
Eris sagte nichts mehr. Sie zitterte nur wie Spinnweben im Wind.
"Leb wohl, Eris", sagte Karan und küsste sie auf die Stirn. Dann drehte er sich um und ging.
"Komm, wir müssen weiter, Eris", sagte die Oberin und packte sie am Arm. "Es tut mir so Leid."

Karan stieg die Terrassen hinunter und folgte den Serpentinen des Weges. Fast mit jedem Schritt wurde seine Vision klarer. Ein Gorn sollte ihn töten. Nun, das hatte er auch nicht anders erwartet. Doch es mit Bestimmtheit zu wissen, war etwas völlig anderes. Er hatte gedacht, seine Jahre als Todesseher hätten ihn darauf vorbereitet, aber nichts in der Welt hätte ihn auf dieses Gefühl vorbereiten können. Unsichtbare Hände schienen an ihm zu zerren und ihn zurückzustoßen. Es kostete ihn seine ganze Kraft, dem Drang zu widerstehen, umzukehren und mit Eris zu gehen.
Doch dafür war es zu spät. Vier Gorns tauchten fünfzig Schritte vor ihm auf. Was nun? Sollte er einfach still stehen und es geschehen lassen? Nein, das wäre zu einfach gewesen. Außerdem hatte jeder Gorn, den er tötete, keine Gelegenheit mehr, Eris und die anderen zu finden.
Karan hob seine Axt und rannte brüllend auf sie zu. Die Gorns liefen ihm entgegen. Sie waren in der Überzahl und siegessicher. Als die ersten beiden vor Karan ihre Waffen schwangen, fühlte er, dass diese ihn nicht töten würden. Er duckte sich unter den Hieben weg und erschlug die Angreifer mühelos.
Plötzlich wusste Karan ohne Zweifel, dass ein Speer mit einer schwarzen Feder ihn durchbohren würde. Der Gorn, der gerade auf ihn zustürmte, hatte einen krummen Säbel. Also auch dieser nicht, dachte Karan und zertrümmerte den Brustkorb des Gorn. Er wandte sich um zum letzten der Gruppe und erschrak wie nie zuvor in seinem Leben.
Der Gorn hielt einen Speer mit einer schwarzen Feder in den Händen. Er tänzelte nervös hin und her und wartete auf den richtigen Moment. Karan wich zurück. Der Gorn setzte ihm nach und stach nach ihm. Karan wehrte den Stoß mit seiner Axt ab und machte einen weiteren Schritt nach hinten, so unsicher wie nie zuvor in einem Kampf. So unsicher, dass er über einen Stein stolperte.
Er ruderte mit den Armen und fiel. Einen Moment lag er ungeschützt da, mit weggestreckten Armen, verletzlich wie ein Käfer auf dem Rücken. Der Gorn stieß zu. Karan rollte sich zur Seite und hörte, wie die Speerspitze hinter ihm den Boden traf. Ohne hinzusehen schwang er die Axt hinter seinen Kopf.
Der Todesseher sprang auf. Er starrte auf den Gorn, der tödlich getroffen am Boden lag und den Speer unter sich begraben hatte. Karan stand still und lauschte. Kein Geräusch deutete auf einen weiteren Gegner hin. Er drehte sich im Kreis und sah sich um. Konnte das sein? Hier war nichts mehr, was ihm gefährlich werden konnte. Niemand, der den schwarzen Speer dazu benutzen konnte, ihn zu töten. Er verbot sich, es zu denken, aber wie sollte er diese Sache ignorieren, die nicht sein konnte, nicht sein durfte, doch die selbst ein Todesseher sich wünschte wie nichts anderes? Karan lebte.

Eris hatte aufgehört zu weinen. Niemand sagte ein Wort. Ab und zu hatten die Nonnen ihr tröstend eine Hand auf die Schulter gelegt, jetzt aber konnten die anderen ihr kaum noch folgen. Mit dem Orb in den Händen führte sie mit raschen Schritten die Gruppe an, so wie Karan es getan hatte. Sie wollte diese schreckliche Aufgabe endlich hinter sich bringen. Der Weg wand sich wie ein zerteilter Wurm, und Eris schien, er führte sie nur endlos im Kreis. Doch von einigen Stellen hatten sie bereits einen Wachturm sehen können. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis sie das Territorium von Arkons Dienern erreichten. Außer, sie trafen auf ein Hindernis.
Schlurfende Schritte klangen ihnen von der nächsten Biegung entgegen, begleitete von einer Sprache, die sie mittlerweile kannten. Die Frauen stöhnten auf, weniger vor Angst, als vor Enttäuschung, so knapp vor dem Ziel noch zu scheitern.
"Harrh!", knurrte der einzelne Gorn, als er in ihr Sichtfeld trat. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich anzuschleichen. Die Nonnen stolperten Hals über Kopf zurück. Bis auf Eris. Die Härte in ihrem Gesicht stand jener des Gorn um nichts nach. Er war direkt vor ihr und drohte mit wilden Gesten seinen hilflosen Opfern.
Was sollte das denn nun? Hatte Eris all das auf sich genommen, um jetzt von diesem Gorn getötet zu werden? Wozu hatten die Götter ihnen dann Karan geschickt? Damit sie alle gemeinsam starben? Aber sie starben ja noch nicht einmal gemeinsam. Karan war bestimmt inzwischen tot, allein und ohne Trost gestorben. Vielleicht hatte ihn sogar dieses hässliche Scheusal getötet. Eris dachte nicht daran, sich ebenfalls von diesem Ungeheuer niedermetzeln zu lassen, das den Tod viel eher verdient hätte als Karan. Und sie wollte auf keinen Fall zulassen, dass der Todesseher umsonst gestorben war. Eris fühlte Wut und Hass in sich aufsteigen. Und damit auch Kraft.
Bevor der Gorn reagieren konnte, warf Eris ihm den Orb ins Gesicht und brach ihm die Nase. Schmerzen und Überraschung füllten seinen Kopf und ließen ihn ein paar taumelnde Schritte rückwärts machen, unfähig daran zu denken, wie wenig Platz hinter ihm war. Der Gorn begann erst zu schreien, als er bereits hinter der Kante des viele Meter tiefen Abgrunds verschwunden war.
Die Nonnen standen dicht an den Fels gepresst und bedeckten ihre offenen Münder mit den Händen. Sie starrten die Novizin mit riesigen Augen an, als wüssten sie nicht, ob sie über diese Rettung erleichtert oder schockiert sein sollten.
Eris konnte ihre Blicke nicht erwidern. Wortlos hob sie den Orb auf und ging weiter. Sie hatte den lebensspendenden Kristall benutzt, um jemanden zu töten. Und sie fühlte keinerlei Reue oder Trauer um dieses Wesen. Im Gegenteil, sie war froh, dass es tot war. Am liebsten hätte sie eine ganze Horde Gorns in den Abgrund gestoßen.
Ja, sie war eine Novizin der Guten Göttin, der Göttin des Lebens. Und sie glaubte an alles, was sie Karan darüber gesagt hatte. Aber das war nur ein Teil von ihr, der einzige, den sie bisher gekannt hatte. In den letzten Tagen hatte sie in ihrer Seele auch andere Seiten entdeckt und sobald sie in Sicherheit waren, würde sie darüber ausführlich nachdenken müssen. Karan hatte ihr Leben nicht nur gerettet, er hatte es für immer verändert.

Karan stand immer noch stumm da. Er konnte es nicht glauben. Die Vision war mehr als deutlich gewesen. So deutlich wie der Schrei, der nun von oben auf ihn herabstürzte. Er hob den Kopf und sah einen Gorn, der aus unerklärlichen Gründen in den Abgrund gefallen war. In seiner Hand hielt er einen Speer mit einer schwarzen Feder.
Schade, dachte Karan, ich hatte schon geglaubt, ich sei eine Ausnahme.

 

Hallo Woodwose,

interessante Geschichte, die du da geschrieben hast. Die Welt ist glaubwürdig, scheint in sich rund, sogar der Titel ergibt im Nachhinein Sinn.
An ein paar Szenen kannst du noch arbeiten, zum Beispiel an der, wo die Eris mit dem heiligen Steindingens das Viech erschlägt. Da kommt überhaupt keine Reaktion von den Priesterinnen, was mich doch sehr gewundert hat. Oder die Gedanken von Karan, als er das Viech mit dem Speer getötet hat, die sind mir zu wenig ausgefeilt.
Abgesehen von den paar Schwachstellen finde ich die Geschichte aber gut gelungen, Kompliment!

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo, Vita!

Wow! Erste Reaktion nach 2 Stunden und 10 Minuten! Und das, obwohl ich bisher kaum Kritiken in "Fantasy" geschrieben habe, um mir das zu verdienen.

Danke für das Lob und auch Danke für die Kritik, die eigene Zweifel nur bestätigt hat. Entkräftet hat sie einen anderen Zweifel:

Die Welt ist glaubwürdig, scheint in sich rund, sogar der Titel ergibt im Nachhinein Sinn.
Schön, dabei war gerade "die Welt" eher ein Schnellschuss. Und ich stehe auf Titel, deren Sinn sich erst im Laufe der Geschichte erschließt.

Im Namen der Priesterinnen der Guten Göttin, der Himmlischen Mutter Elela :huldig: :engel: :huldig: , muss ich allerdings heftig protestieren!
Ist ja in Ordnung, dass du die Gorns als "Viecher" bezeichnest, aber den lebensspendenden Orb ein "Steindingens" zu nennen, ist hochgradige Blasphemie! :D

 

Hi Woodwose,

Hat mir gut gefallen, du hast ein paar nette Ideen eingebaut.
Die Gorns hättest du ruhig etwas detaillierter beschreibe können – sie haben mich an die Orks im Herr der Ringe erinnert. Dieses Volk wird auch dort kaum beschrieben.
Unter "wilden Tieren" kann ich mir nur wenig vorstellen.

"Ich weiß zwar, dass ich nicht in diesem Abgrund sterben werde, aber vielleicht nur deshalb, weil es mir als Einzigem gelingt, mich an den Resten der Brücke festzuhalten, wenn sie einstürzt. Auf diese Art gefesselt, würde mir das aber kaum gelingen. Daher muss der Grund für mein Überleben der sein, dass die Brücke hält. Manchmal muss man das Schicksal ein wenig zwingen. – Kommt jetzt und bleibt in meiner Nähe."
Die Idee mit dem "Todesvisionen steuern" find ich klasse.
ABER: Bei der Brückenszene ist es dem Leser nicht ersichtlich, dass sie die ganze Zeit schon über die Brücke gehen. Das alles liest sich so, als würde dein Todesseher inklusive Gefolgschaft vor der Brücke stehen und über seine Visionen sprechen.

"Harrh!", knurrte der einzelne Gorn, der vor ihnen stand, als wäre er aus dem Boden gewachsen.
Ist schon klar, du wolltest den Leser überraschen, aber das alles kommt mir zu plötzlich. Es liest sich so, als würde ein Satz vor diesem fehlen. Ich stimme vita zu: Die ganze Kugelszene hättest du ausbauen können.

Schade, dachte Karan, ich hatte schon gedacht, ich sei eine Ausnahme.
Der Schluss gefällt mir, weil er nicht völlig vorherzusehen ist.

Mehr hab ich nicht zu meckern

Gruß,
131aine

 

Hallo, Blaine,
freut mich, dass es dir gefallen hat.

Bei der Brückenszene ist es dem Leser nicht ersichtlich, dass sie die ganze Zeit schon über die Brücke gehen.
Das tun sie auch nicht, zumindest nicht die ganze Zeit. Erst an dieser Stelle
Kommt jetzt und bleibt in meiner Nähe."
Eris lief neben ihm und blickte zweifelnd drein.
gehen sie los. Das ist zwar schon die zweite Fassung dieser Szene, die diesen Umstand klarer machen sollte, aber scheinbar reicht es immer noch nicht (bei nochmaligem Lesen kann ich es auch verstehen). Werd ich auch noch ändern.

Ich stimme vita zu: Die ganze Kugelszene hättest du ausbauen können.
Na gut, ich stimme euch auch zu.

Der Schluss gefällt mir, weil er nicht völlig vorherzusehen ist.
Ähm, wie hast du diesen Satz gemeint? Weil er im Gegensatz zum Rest wenigstens ein bisschen unvorhersehbar ist oder weil er völlig unvorhersehbar ist? (Lieber wäre mir zweiteres :shy: )

Mehr hab ich nicht zu meckern
Ach bitte, das war doch weit unterhalb der Meckern-Reizschwelle.

Gruß, Woodwose

 

Der Schluss gefällt mir, weil er nicht völlig vorherzusehen ist.

Ähm, wie hast du diesen Satz gemeint? Weil er im Gegensatz zum Rest wenigstens ein bisschen unvorhersehbar ist oder weil er völlig unvorhersehbar ist? (Lieber wäre mir zweiteres)
Deine Geschichte war durchaus vorhersehbar. Wenn ein Todesseher auftaucht, muss er in der Geschichte fast seinen Tod vorhersehen und erleben.
Aber am Schluss ist man sich da nicht mehr so sicher, da der "Speerfeder-Gorn" ja von Eris erledigt wird, und er den Todesseher in diesem Zustand eigentlich nicht mehr umbringen kann. Das er das dann doch tut, war überraschend.

 

Wenn ein Todesseher auftaucht, muss er in der Geschichte fast seinen Tod vorhersehen und erleben.
Aber am Schluss ist man sich da nicht mehr so sicher
Ersteres ist in der Tat kaum zu vermeiden. Dass Zweiteres aber auch geklappt hat, freut mich.

 

Hallo Woodwose!

Ausnahmsweise verirre ich mich mal in diese Rubrik. ;)

Den Einstieg fand ich etwas zäh, aber dann wurde die Geschichte immer interessanter und spannender, sodaß sie mir dann doch recht gut gefallen hat.
Der Schluß war überraschend für mich. Zwar habe ich auch von Anfang an geahnt, daß Karan wohl sterben würde, aber als er den vorletzten Tag überlebt hatte, dachte ich, daß womöglich die aufkeimende Liebe zwischen den beiden seinen Tod irgendwie verhindert, das Schicksal beeinflußt, und es sah irgendwie bis zu den allerletzten Zeilen so aus… Aber das wäre ja auch wirklich zu kitschig gewesen. ;)

Stellenweise hast Du die »dass« recht inflationär verwendet. Vielleicht kannst Du ja einige davon beseitigen, manchmal kommt durch die Suche nach einer Ausdrucksmöglichkeit ohne dass eine viel schönere Formulierung zustande. Am besten findest Du die Stellen, wenn Du mit der Suche (Strg + F) im Word alle dass suchst und markierst. Dann siehst Du die Häufungen gleich optisch. ;)

Nur ein persönlicher Eindruck: Mit »Eris« als Frauenname konnte ich mich nicht so recht anfreunden, irgendwie klingt der sehr männlich.


als ein Axthieb ihm den halben Kopf vom Rumpf trennte
Vielleicht wolltest Du unterbewußt eigentlich eine Horrorgeschichte schreiben? :D

Alles andere wie immer der Reihe nach:

»und hatte das Mitleid gefühlt, das sie in ihr auslösten.«
– das klingt so, als hätten sie das Mitleid vorsätzlich ausgelöst, würde eher schreiben »und sie fühlte Mitleid mit ihnen.«

»Und sie hatte sich geschämt für das Glücksgefühl,«
– das »Und« würde ich streichen

»Sie hatte eindrucksvolle Demonstrationen von Elelas göttlicher Macht bestaunt. Sie hatte erkannt,«
– Vielleicht kannst Du einen Satz davon anders beginnen?

»Die meisten lebenden Menschen kannten sie nur aus Geschichten,«
– »lebenden« könntest Du streichen, bei Toten spricht man ja eher nicht davon, daß sie irgendetwas kennen würden. Falls Du das jedoch so meinst, daß es früher mehr Menschen gab, die die Gorns kannten, dann würde ich das anders als durch »lebende Menschen« ausdrücken.

»Und das war er auch, wenn auch auf andere Art, als die Gorns wohl glauben würden.«
– Vorschlag: Das war es auch, wenngleich auf andere Art, …

»"Was war das?", dachte Eris zum hundertundersten Mal.«
– Nachdem es nicht wirklich hundert bzw. hundertundein Mal waren, würde ich hier die Formulierung nicht wiederholen, wirkt irgendwie nicht so toll; würde einfach schreiben »dachte Eris schon wieder.«

»man hörte tödliches Krachen aus dem Nacken des Gorn.«
– Oder vielleicht doch eher ein Knacken?

»"Es tut mir leid, dass ihr das mitansehen musstet.«
Leid

»"Was hat er damit gemein, er wusste, dass er nicht sterben würde?"«
– gemeint

»Unter ihr zwängte sich ein schmaler Fluss zwischen die Felswände hindurch,«
– zwischen den Felswänden hindurch

»Sie hielt zum ersten Mal in ihrem Leben eine Waffe in den Händen und gleich eine derart schwere.«
– zwischen »und« und »gleich« würde ich ein »dann« einfügen; evtl. »den« vor »Händen« streichen

»"Versuch niemanden damit zu töten, ja?", sagte Karan und zwängte seine Hände bis über die Handgelenke …«
– Versuch, niemanden
– würde »sagte« und »und« streichen: …töten, ja?“ Karan zwängte seine Hände …

»"Eris", antwortete sie knapp. "Was tust du denn da?"«
– Hier hätte ich mir eine kurze Beschreibung gewünscht, was er genau tut. Es geht zwar aus dem anschließend Gesagten hervor, daß er sich fesselt (ganz alleine?), aber ich frage mich zum Beispiel, womit? Viel Ausrüstung dürfte er ja nicht dabei haben, sonst hätte er nicht so mit den Gorns kämpfen können.

»Vor dem Höhleneingang war es Pechschwarz geworden.«
pechschwarz

»Sie meinte zu fühlen, wie Schmerzen aus jeder davon durch ihre Fingerspitzen sickerten.«
– Wenn man fühlt, meint man nicht (meinen ist denken und nicht fühlen): Sie fühlte, wie …, oder auch: Sie hatte das Gefühl, Schmerzen würden … sickern.
– Statt »durch ihre Fingerspitzen« würde ich »in ihre Fingerspitzen« schreiben, dann wird der Satz meiner Meinung nach leichter verständlich

»Ich bin ein kleiner Teil einer unerhörten Macht, die mir die Gnade erweist, mich als Werkzeug zu benutzen, um Gutes zu tun und Glück zu den Menschen zu bringen, in einem Ausmaß, wie es mir alleine niemals möglich wäre.«
– würde nach »bringen« einen Punkt oder Strichpunkt machen

»"Na also", sagte er", das war doch viel besser."«
– Anführungszeichen verrutscht

»Ich denke nicht, dass du viel mit Männern zu tun hast."«
– statt »Ich denke nicht, dass du« wäre besser »Ich denke, dass du nicht«

»Und ich habe keiner etwas getan, ohne dass sie das wollte."«
– die das nicht wollte

»Nun erst, wusste sie, wie Recht sie gehabt hatte.«
– Beistrich nach »erst« ist zuviel

»Diesmal hatten sie sich am lichten Tag in eine Höhle flüchten müssen.«
– ohne sich: hatten sie am … flüchten müssen (man flüchtet nicht sich, man flüchtet)

»Eris hielt sich ein paar Schritte hinter ihm, obwohl sie sich am liebsten an ihn festgeklammert hätte.«
– an ihm

»so sehr fürchtete sich auch davor.«
– sie

»Vor ihnen teilte sich der kaum erkennbare Pfad und schlängelte sich auf der rechten Seite bröckelige Felsterrassen nach unten,«
– würde »über bröckelige Felsterrassen nach unten« schreiben

»"Aber ich will bei dir sein!", schrie sie völlig außer sich."«
– Anführungszeichen nach »sich« ist zuviel

»"Es tut mir so leid."«
Leid

»Er wandte sich um zum letzten den Gruppe«
– der Gruppe

»Der Weg wand sich wie ein zerteilter Wurm und Eris schien, er führt sie nur endlos im Kreis.«
– führte

»Doch hinter ihm war nicht genug Platz für ein paar Schritte.«
– das klingt irgendwie sehr ironisch, ich mußte an dieser Stelle lachen, und so paßt das meiner Meinung nach nicht ganz in die Geschichte, aber das ist vielleicht Geschmacksache

»In den letzten Tagen hatte sie in ihrer Seele auch andere Aspekte entdeckt«
– »Aspekte« paßt als Wort nicht ganz, das ist zu modern, schlage vor »auch andere Seiten«


Habe die Geschichte jedenfalls gern gelesen, obwohl das Genre nicht zu meinen Lieblingen zählt. :-)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi,
danke für deine Verirrung in diese "fremde" Rubrik. Schön, dass es dir trotzdem gefalen hat. Bei den Kritikpunkten und Verbesserungsvorschlägen hast du fast überall recht (Aber das ist ja nichts Neues). Zwei davon muss ich aber trotzdem kommentieren.

Hier hätte ich mir eine kurze Beschreibung gewünscht, was er genau tut. Es geht zwar aus dem anschließend Gesagten hervor, daß er sich fesselt (ganz alleine?), aber ich frage mich zum Beispiel, womit?
Ähm, das hielt ich eigentlich für ziemlich klar. Würdest du dir nicht ziemlich gefesselt vorkommen, wenn deine beiden Hände bis über die Handgelenke in deinem Gürtel steckten? Aber ich nehme an, dich hat das Wort "gefesselt" irritiert und vielleicht hast du sogar Recht damit, dass ich die Bedeutung hier etwas zu übertragen verwende. Ich werd mal schauen, was das Bedeutungswörterbuch dazu sagt. Vielleicht nehm ich auch ein anderes Wort an der Stelle.

Diesmal hatten sie sich am lichten Tag in eine Höhle flüchten müssen.«
– ohne sich: hatten sie am … flüchten müssen (man flüchtet nicht sich, man flüchtet)
Hier muss ich widersprechen. "sich flüchten" ist eine korrekte, wenn auch vielleicht etwas veraltete Form. Ist aber nur in Verbindung mit einer Ortsangabe zulässig. Du hast völlig Recht, dass man nicht einfach "sich" vor einer Gefahr flüchten kann, aber "sich" vor einer Gefahr in eine Höhle flüchten, das geht. (sagt der Duden Band 2 :read: )
»Doch hinter ihm war nicht genug Platz für ein paar Schritte.«
– das klingt irgendwie sehr ironisch, ich mußte an dieser Stelle lachen, und so paßt das meiner Meinung nach nicht ganz in die Geschichte, aber das ist vielleicht Geschmacksache
Ja, das ist was dran. Zynisch soll diese Stelle durchaus sein, aber zum Lachen reizen eher nicht. Muss ich mir noch überlegen, ob ich das ändere.
Habe die Geschichte jedenfalls gern gelesen, obwohl das Genre nicht zu meinen Lieblingen zählt. :-)
Na, wer weiß, was die Zukunft bringt? Nachdem du auch schon eine Horror-Story geschrieben hast, werden wir vielleicht bald Häferls ersten Fantasy-Splatter bewundern können. :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Woodwose. Respekt. Tolle Geschichte, Klassestil. Sicherlich auch nicht neu, aber was macht´s.

Etwas störend wirkt deine "Arithmetik":

dachte Eris vielleicht zum hundertsten Mal an diesem Tag. Ebenso wie die neunundneunzig Mal davor
"Was war das?", dachte Eris zum hundertundersten Mal.

und blieb keine zwei Meter vor ihnen stehen
die sechzehnjährige Novizin

Gruß
marquee

 

Hallo, Marquee,
danke für die Lorbeeren.

Etwas störend wirkt deine "Arithmetik":
Hm, ist mir noch nie aufgefallen. Eigentlich habe ich ein gestörtes Verhältnis zu Zahlen und kann mir nicht einmal die Geburtstage meiner Familie merken. Aber kann sein, dass ich in meinen Aufzählungen ein bisschen zu numerisch bin. Wer darüber sinnieren.

Und irgednwann werd ich auch die ganze Geschichte überarbeiten und auf alle Kritikpunkte eingehen. Aber vorher muss ich noch meinen Roman korrekturlesen. Und den von Felsenkatze. Und vor allem muss ich eine Zeitmaschine erfinden, damit meine Tage 48 Stunden haben.

Gruß, Woodwose

 

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