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Lebensabriss

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07.06.2017
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Lebensabriss

Es fiel mir schwer, mich auf das Spiel zu konzentrieren. Aber Michi ließ mir kaum Raum, meine Gedanken zu ordnen. Genau wie in dem Zimmer, überall die Schmutzwäsche verstreut, sah es in mir drinnen aus. Die Gaukelbilder in meinem Kopf passten nicht zusammen, wie die Socken an Michis Füßen. Einer grün, einer rot.
Schau, mein neues Matchbox-Auto!“ Er fuhr mir mit diesen Mini-Gummireifen quer über das Gesicht und rubbelte anschließend mit dem Vehikel an meinem Hinterkopf. Dabei verhedderten sich meine Haare mit der Achse. Als er mitbekam, dass sein funkelnagelneuer Bolide an meinem Kopf festsaß, fummelte er mit seinen Knubbelfingern an mir herum und versuchte ihn zu befreien.
„Aua!“ Er zog und zerrte und ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich konnte uns in dem Spiegel beobachten, der an der Wand gegenüberstand. Der war schon blind, aber noch lange nicht so, dass er nicht den hochroten Kopf meines jüngeren Halbbruders einfangen konnte, der das Nest auf meinem Kopf immer schlimmer machte. Vor lauter Anstrengung kaute er auf der Unterlippe.
„Ich geh Mama holen“, sagt er.

Durch die geschlossene Kinderzimmertüre drangen Schreie.

„Nein. Lass nur.“ Ich robbte auf allen Vieren über den Socken und Unterhosenberg zu dem Schreibtisch und kämpfte mich durch Zeichenpapier, Uhu und abgebrochenen Buntstiften zu der Kinderschere durch. Michi kauerte vor dem Bett, beobachtete mich und drehte eine seiner blonden Locken um den Zeigefinger.
„Was machst du?“
„Ich schneid’s runter.“
Michi schnappte seinen Teddy und presste ihn sich auf den Mund. Das Fell am Ohr des Bären war schon ganz verklebt und pampig von Spucke, Rotz und Himbeersaft.

Das Geschrei im Wohnzimmer wurde lauter.

Ich spürte das Gewicht des hängenden Spielzeugautos und ertastete es mit meiner linken Hand. Meine rechte verrenkte sich unnatürlich nach hinten und mit einem schnellen „Schnipp“ hielt ich ein Metallauto in einem grässlichen Gelbton in den Händen. Um meine Frisur war es nicht schade, seit meine Oma meinte, sie müsse mir die Haare selber schneiden, um Geld zu sparen.
Michi sah schnell zu der geschlossenen Tür und lief dann in meine Richtung. Seine Stirn runzelte sich und er schaute kummervoll auf das Haarbüschel, das sich hartnäckig um die Reifen schlängelte.

Plötzlich wurde die Kinderzimmertüre aufgerissen.

„Zieht auch an. Wir gehen!“, schrie mein Vater ins Zimmer. Mein Herz pumpte wie verrückt und ich hatte das Gefühl, das, wenn man nur genau hinsah, beobachten konnte, wie es gegen den Brustkorb pochte.
„Komm.“ Ich nahm Michi bei der Hand und wir gingen in das Vorzimmer. Das Schluchzen aus dem Wohnzimmer lenkte mich ab und mein Versuch, ihm die Schuhe zu binden, wollte mir einfach nicht gelingen. Unbeholfen nestelten meine Finger an den Schuhbändern herum. Vater stand neben mir, sah auf mich herab und schrie, dass ich mich beeilen solle. Aber je lauter er wurde, desto nervöser wurde ich und so stopfte ich die Bänder schnell in Michis Socken. Als ich ihn ansah, bemerkte ich, dass ihm Tränen die Wangen hinunter kullerten.
„Ich nehme Senta mit, sie beschützt uns“, sagte ich zu ihm. Die Schäferhündin musste ich unter der Bank hervorziehen, um die Leine, eine schwere Hundekette, anlegen zu können. Mein Vater packte mich beim Genick und schubste mich aus der Wohnung.

Michi nahm den Hund, stapfte hinter uns her, und ein paar Minuten später fanden wir uns in dem abgefuckten Kaffeehaus wieder. Rauchschwaden hingen in der Luft, es roch nach alten Erbrochenen, Aschenbechern und literweise verschütteten Bier. Eine Handvoll Männer und zwei Frauen saßen um den Tresen. Mein Vater bestellte sein übliches Getränk, das aus weißem Wein und Sprudelwasser besteht.
„Leg dich!“ Senta kauerte sich unter eine Bank. Sie sah mich an, als ob sie alles verstand und wusste. An der Bar fing Papa eine Unterhaltung mit einer der zwei Frauen an. Sie trug einen schwarzen Minirock und ich dachte, dass sie jünger war, als sie aussah. Aber was wusste ich schon?

Der Wirt klimperte mit Kleingeld und drückte mir ein paar Münzen in die Hand. Mit seinem Kinn deutete er in die Richtung des Zauberautomaten und zwinkerte. Michi bekam von mir eine Münze, den Rest stopfte ich in meine Hosentasche. Ein Geldstück nach dem anderen wanderte in den Computerautomaten, der aussah, wie ein kleiner Tisch mit Bildschirm. Nach unzähligen zerstörten UFOs griff ich in meiner Hosentasche ins Leere. Inzwischen bildete ich mir ein, dass die Musik immer lauter und es im Lokal immer dunkler wurde.

„Mir ist langweilig.“ Um meinen Halbbruder zu beschäftigen, nahm ich die Bierdeckel und versuchte damit, ein Kartenhaus mit ihm zu bauen. Aber die Untersetzer waren gewellt und aufgeweicht und unser Gebäude fiel in sich zusammen.

Mein Vater bestellte und redete und bestellte und redete. Ich beobachtete seine tätowierten Hände, wie er deutete, wenn er versuchte, etwas zu erzählen. Drei Punkte, unterhalb des Daumens. Eine nackte Frau auf der Innenseite des Unterarms. Einen Anker, irgendeinen Freiheitskämpfer an der Außenseite.

Keine Ahnung, wie viel Zeit bereits vergangen war, aber es dauert mir zu lange. In meiner Magengegend dehnte sich ein Ballon aus und ich verspürte Übelkeit.
„Papa, können wir bitte nach Hause gehen?“
„Gleich. Spielt noch, wir gehen gleich.“
Michi ließ den Kopf und die Schultern hängen und sah aus wie eine Marionette, die gerade keinen Auftritt hat.
Wir saßen uns an einen der leeren Tische und ich versuchte, mich zu konzentrieren und eine Geschichte zu erzählen.
Michi nahm einen Zahnstocher und pullte damit den Dreck aus der Ritze, wo zwei Tische aneinander standen.
„Ich bin müde.“
„Ja, ich auch.“
Ich überlegte, ob es klug wäre, noch mal den Vater darum zu bitten, gehen zu dürfen. Ich entschied, dass es wahrscheinlich nicht vernünftig aber notwendig wäre, denn ich hatte auf einmal das Gefühl, es keine Minute länger dort auszuhalten. Meinen ganzen Mut zusammen nehmend, schlurfte ich an die Bar. Meine Stimme klang so tattrig, als hätte eine alte Frau gesprochen. Die Knie fühlten sich weich an und sie konnten jeden Augenblick nachgeben.
Die Antwort meines Vaters fiel so aus wie zuvor, konträr zu seinem Verhalten. Er grinste mich an und tätschelte mir mit seiner riesigen Pranke den Hinterkopf, dort wo ein fünf Zentimeter langes Haarbüschel abstand. Plötzlich merkte ich, dass ich mich nicht mehr länger beherrschen konnte und lief auf die Toilette. Wimmern und Schluchzen entstanden in meiner Brust und drang an die Oberfläche. Die Tränen rannen und ich konnte überhaupt nichts an dieser Situation ändern. Die Frau in dem Mini betrat den Waschraum und sah mich traurig an. Unter ihren Augen klebte etwas schwarze Wimperntusche und als sie mich ansprach, glänzte der rote Lippenstift auf ihren Zähnen.
„Wieso weinst du? Willst du nach Hause?“
Ich nickte nur und einen bescheuerten Moment lang hoffte ich, dass sie uns helfen würde. Sie nahm mich in den Arm und ihre Duftwolke drang in meine Nase. Eine Mischung aus Alkohol, Zigaretten und Veilchen. Michi tauchte hinter ihr auf. Mit seinen Patschhänden versuchte er, meine Wangen abzutrocknen.
„Nicht weinen.“
Aber das er sich Sorgen um mich machte, brachte mich nur noch mehr zum Heulen. Langsam gingen wir über die grünstichigen Fliesen hinaus und über den dunkelbraunen, mit grauen Dreckspuren überzogenen Teppich, zurück in die verrauchte Bude. Die Frau hatte noch immer einen Arm um mich gelegt und Michi hielt sich an meinem rechten Bein fest, als wir zur Bar stolperten.

Mein Vater spendierte gerade fremden Leuten ein Getränk und meinte zum Wirt, er solle „anschreiben“, als meine Stiefmutter in die Spelunke kam. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn ich dachte ehrlich, sie würde uns abholen.
Doch sie schrie, ging auf meinen Vater zu, riss ihm sein Glas aus der Hand und leerte ihm den Rest des Weines ins Gesicht. Er griff ihre Hand und schleuderte sie weg, das Glas fiel ihr aus der Hand und krachte klirrend gegen die Theke. Scharenweise ergossen sich kleine Splitter auf dem braunen Teppich.

Sie glitzerten im schalen Licht wie kleine Diamanten.

Der Wirt kam hervor und zerrte die beiden aus dem Lokal. Endlich löste sich meine Starre und ich schnappte Michi, die Leine, und rief meine Hündin. Wir folgten meinem Vater und meiner Stiefmutter hinaus auf die Gasse. Der frische Wind wehte um meine Nase. Es war bereits stockdunkel und roch nach Nebel.
Der Supermarkt war gerade am Zusperren und viele Hausfrauen verließen hastig mit riesigen Einkaufssäcken das Geschäft. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, als mein Vater die Hundekette aus meiner Hand riss. Automatisch zuckte ich zusammen, denn ich dachte, dass ich jetzt etwas abbekommen würde. Aber er ging zu meiner Stiefmutter und schlug mit der Kette auf sie ein. Er holte aus und sie zischte, wie die Peitsche, die in seinem Schlafzimmer hing. Immer und immer wieder. Sein Mund verzerrte sich und seine Adern traten an Hals und Schläfe hervor. Die Menschen liefen vorbei, schauten und tuschelten, aber es half uns niemand.
Als Michi zu schreien anfing, drückte ich sein Gesicht in meine Jacke, sodass er nichts mehr sehen konnte, und führte ihn weg. Nachdem wir so zweimal um eine Ecke bogen, merkte ich, dass meine Schäferhündin weg war und Michi nur mehr einen Schuh anhatte. Das war meine Schuld, weil ich ihn nicht richtig zubinden konnte.
„Ich muss dich tragen.“
Michi stieg auf eine Parkbank und hüpfte mir auf den Rücken. So wankten wir herum und ich suchte nach Senta. Meine Stimme war brüchig, weit entfernt und ich hatte eine Scheißangst, dass ich sie nicht finden würde, aber wenigstens hörte Michi auf, zu heulen. Er trat mir mit seinem schuhlosen Fuß in die Seite und spielte, dass ich sein Pferd bin.

Verloren stand ich an einer Kreuzung und mein Blick schweifte auf die gegenüberliegende Straßenseite. Dort sah ich meine Hündin. Sie blieb ruhig sitzen und wartete auf mich. Erleichtert strich ich über ihre Samtohren und hielt sie an ihrem Flohhalsband fest. Ich wusste nicht, wohin wir nun gehen sollten und ärgerte mich, dass ich alle Münzen in den bescheuerten Automaten geworfen hatte, so konnte ich nicht mal Mama anrufen.

Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Watte vollgestopft und weil mir nichts weiter einfiel, ging ich mit dem Kleinen am Rücken und meinem Hund an der Seite wieder zu der Wohnung meines Vaters. Ich hatte die Hoffnung, dass er vielleicht nicht zu Hause wäre oder bereits schläft und nur meine Stiefmutter öffnet. Ich klopfte leicht an der Wohnungstüre. Als sich nichts tat, drückte ich kurz die Klingel. Trotzdem schrillte diese viel zu laut.
„Ist Mama nicht zu Hause?“ Michi hatte ich inzwischen auf der Türmatte abgesetzt. Er gähnte und seine Lider hingen auf Halbmast.
„Doch, ich höre Schritte.“
Die Tür öffnete sich einen kleinen Spalt und ich atmete tief durch, denn meine Stiefmutter lugte hervor. Ihre aufgeplatzte Lippe hatte bereits eine leichte Kruste, und als sie Michi aufhob und hinein trug, sah ich die Blutergüsse auf ihrem Unterarm.
„Ist Papa da?“
„Nein. Er ist noch weggegangen. Ihr geht am besten gleich schlafen.“
„Darf Senta ins Zimmer?“
Meine Stiefmutter nickte und schickte uns Zähne putzen. Michi zog seinen Pyjama, mit den bunten Autos darauf, an und schlüpfte in sein Bett. Ich lag am Boden auf der Matratze und meine Hündin lag neben mir, mit ihrem Kopf auf meinem Bauch. Später in der Nacht wurde ich wach, weil es im Wohnzimmer klopfte und knallte. Michi schlief neben mir und ich deckte ihn mit meiner Decke zu.

Am Morgen saßen wir bei einem Butterbrot, als das Telefon läutete.
„Du sollst gleich runter kommen, deine Mutter wartet gleich unten an der Ecke im Auto auf dich“, sagte meine Stiefmutter, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte.
Michi sah mich nicht an. Schon den ganzen Morgen sprach er nur mehr mit seinem Teddy und das Kinderzimmer war für mich verbotene Zone.
Aber als ich bei der Tür stand und gehen wollte, kam er doch und klammerte sich wieder an mein Bin.
„Warum gehst du?“
„Weil ich nach Hause muss.“
„Kann ich mitgehen?“
„Ich weiß nicht.“
Meine Stiefmutter pflückte Michi von mir runter: „Dein Vater schläft noch. Wir sehen uns. Machs gut.“
„Okay. Tschüss.“

Mit Senta an der Leine, verließ ich so schnell ich konnte, die Wohnung und stieg in den Aufzug, der mich fünfzehn Stockwerke nach unten brachte. Der blaue Golf meines Stiefvaters stand an der Ecke, meine Mutter am Beifahrersitz. Ich ließ meine Hündin auf die Rücksitzbank und setzte mich daneben. Als wir losfuhren, war ich so erleichtert, dass ich zum Weinen anfing, wie ein Schlosshund. Verwundert stellte ich fest, dass überhaupt noch Tränen in mir waren. Meine Mutter beugte sich nach hinten und fragte, was los sei. Nicht sicher, ob ich alles erzählen sollte, entschied ich mich lieber für eine Kurzversion, mehr brachte ich auch nicht über die Lippen.
„Du musst nicht mehr zum Papa, wenn du nicht magst.“
„Aber was ist dann mit Michi?“
„Ich weiß nicht. Du kannst es dir ja noch überlegen. Aber wenn du nicht mehr hingehen willst, dann ruf ihn an und sag es ihm.“

In der Nacht konnte ich kaum schlafen. Immer wieder wurde ich wach und dachte an Michi und was mit ihm passieren würde, wenn ich die Besuche einstelle. Trotzdem hatte ich tief in mir ein starkes Gefühl, dass ich kaputt gehe, wenn ich den Schritt der Ablösung nicht schaffen würde. Mein ganzer Körper zitterte, obwohl mir nicht kalt war. Ich zog mir die Decke über den Kopf, so wie ich es immer mache. Nur ein kleines Luftloch zum Atmen brauchte ich. Wie ein Sturm wütete es in mir. Wie schlecht bin ich, wenn ich ihn dort zurücklasse? Aber am Morgen stand meine Entscheidung fest.

Ich nahm den Hörer und wählte die Nummer meines Vaters.

 

So, ich hab noch mal überarbeitet und dabei den Tipp von Fliege befolgt und lediglich den letzten Tag beschrieben. Ob es jetzt besser ist, weiß ich nicht (auf alle Fälle ist es aber länger geworden :Pfeif:;))
Keine Ahnung, ob da jetzt nochmal wer den Nerv und die Zeit hat, die Story nochmal zu lesen, würd mich aber freuen.
Liebe Grüße Sabine

 

Hallo Sabine,

also ich kennen nur die Version von heute und bin ziemlich erschlagen. Mich hat es mitgenommen und das ist ein großes Plus für dein Handwerk. Habe erst im Nachhinein die Kommentare überflogen und war überrascht, dass es ja ziemlich viel Kritik gab. Also entweder hast du noch mal ordentlich dran rumgewickelt, oder ich stehe dem Thema zu nahe. Vielleicht eine Mischung aus beidem.

Also ich denke, hier kann schon noch frisiert werden, aber für mich sind das Kleinigkeiten.

Die Einstiegsszene finde ich gut.

Genau wie das Zimmer, indem überall die Schmutzwäsche verstreut herumliegt, sieht es in mir drinnen aus. Einzelne grüne und rote Socken, passen nicht zusammen, wie die Gaukelbilder in meinem Kopf.
Dieses Innen und Außen-Bild, das mag ich. Allerdings würde ich überlegen, ob du hier ein bisschen runterfährst. Muss es wirklich Dreckwäsche sein?

abgebrochenen Bundstiften
hrhr

„Ich geh Mama holen“, sabbert er gerade, als durch die geschlossene Kinderzimmertüre Schreie dringen.
hm, das würde ich zeitlich trennen, die Schreie und das Hilfeholen
Unruhe schon vorher

halte ich ein Metallauto in einem grässlichen Gelbton
das klingt, als hätte der Gelbton etwas mit dem Abschneiden zu tun. Umstellen
generell hast du einen Hang zu gelb, oder? Die Fliesen in der Bar sind auch gelblich, und war da nicht noch etwas gelb? Oder habe ich nur eine gelbe Brille auf? :schiel:

Rauchschwaden hängen in der Luft, es riecht nach alten Erbrochenen, Aschenbechern und literweise verschütteten Bier. Eine Handvoll Männer und zwei Frauen sitzen um den Tresen. Mein Vater bestellt sein übliches Getränk, das aus weißem Wein und Sprudelwasser besteht.
„Leg dich!“ Senta kauert sich unter eine Bank. Sie sieht mich an, als ob sie alles verstehen und wissen würde. An der Bar fängt Papa eine Unterhaltung mit einer der zwei Frauen an. Sie trägt einen schwarzen Minirock und ich glaube sie wirkt älter, als sie eigentlich ist. Aber was weiß ich schon.
Also diese Einleitung der Bar ... Auch hier würde ich wieder den Fuß vom Pedal nehmen.
Das ist sehr klischeehaft. Zumal du am ende des Absatz zu recht sagst: was weiß ich schon?
Der schmuddlige Eindruck sollte nicht so mit dem Hammer kommen. Beschreibe lieber wie es da aussieht

Nach unzähligen zerstörten Ufos greife ich in meiner Hosentasche ins Leere. Inzwischen bilde ich mir ein, dass die Musik immer lauter und es im Lokal immer dunkler wird.
schön, wie du das mit den Ufos einstreust. Aber der letzte Satz ist murks. Inzwischen impliziert ja, dass es etwas ist, dann kann es nicht werden. Naja, kann man schon in Situationen so anwenden, hier aber, wacht sie ja quasi aus ihrer Ablenkung auf und stellt eine Veränderung fest

Ich spring mal zum Ende

Wie ein Sturm wütet es in mir. Wie schlecht bin ich, wenn ich ihn dort zurück lasse? Ich bin erst zwölf Jahre alt, warum lädt man mir eine solche Verantwortung auf? Aber am Morgen steht meine Entscheidung fest.
Das bricht aus der Erzählperspektive. Bisher ist es dir gelungen, dich mit Wertungen zurückzuhalten. Hier stößt du in meinem Empfinden sehr unangenehm auf.

Dann will ich dir noch die Überlegung mit auf den Weg geben, wie es wohl wäre, die Geschichte mit dem Anruf zu beenden. Also bevor die Entscheidung ausgesprochen wird.

Ich nehme den Hörer wähle die Nummer meines Vaters.
das sollte das Ende sein

Dann geht der Film beim Leser schon allein weiter. Und die Motivation deiner Protagonistin wird auch nicht Frage gestellt.

So viel von mir
ein erfolgreiches 2018 wünsch ich dir

grüßlichst
weltenläufer

 

Liebe Sabine P

Ich habe beide Versionen deiner Geschichte gelesen. Mit der ersten konnte ich nichts anfangen, da ging es mir wie vielen der Kommentatoren - aber jetzt muß ich sagen: Wow! Da hast du aber wirklich rangeklotzt, Wahnsinn. :thumbsup:
Die erste Version war ja wirklich mehr oder weniger eine ledigliche Aufzählung schlimmer Lebensumstände, jetzt hast du dir eine einzige Begebenheit daraus genommen und sie so bildhaft und echt beschrieben, dass ich immer noch Herzklopfen habe. Also echt, ich bin begeistert.

Wie weltenläufer ist mir genau dieser Satz am Ende unangenehm aufgestoßen - den hat es überhaupt nicht nötig.

Ich bin erst zwölf Jahre alt, warum lädt man mir eine solche Verantwortung auf?

Wenn du das Alter der Prota irgendwo unterbringen möchtest, findest du bestimmt eine bessere Stelle.

Ich habe leider im Moment keine Zeit, Flusen zu suchen, und auch nicht, dir die Stellen zu nennen,
die ich besonders gut finde, aber du kannst sicher sein: es gibt viele (gute Stellen ;) ).
Das wollte ich dir nur mal schnell sagen.

Viele Grüße und ein gutes neues Jahr wünscht dir Raindog

 

Hey Sabine,

nur ganz kurz, ich habe hier auch noch so viele Baustellen offen. Aber!, ich finde, die Geschichte komplett neu aufzusetzen hat sich gelohnt. Das ist soooo viel besser, dafür :thumbsup:

Zwei Dinge noch, über die Du mal nachdenken kannst. Ich lese hier schon eine relative Distanz der Protagonistin zum Geschehen. Auch eine Reflektion zwischen den Zeilen, zu der das Mädel in diesem Alter kaum fähig ist. Von daher, denk mal drüber nach, das ganze in die Vergangenheit zu setzen, also alles einmal ins Präteritum zu schupsen. Und ich würde auch an dem Punkt schließen (wie weltenläufer es empfohlen hat), wo sie am Telefon steht, vielleicht sogar noch früher, wie sie mit sich hadert, diesen Schritt auch endgültig zu gehen, sie darüber nachdenkt, die Zahlen zu wählen. Dann lässt Du den Leser schön allein mit dem Dilemma, in dem sie feststeckt. Er spürt es selbst, er muss ebenfalls eine Entscheidung treffen. Dieses ganze wertende, erklärende da, dieser Absatz, der fällt so raus aus dem Erzählton, der macht nichts Gutes ;).

Aber das show statt tell, das ist Dir wirklich gelungen. Die Kneipenszene ist wirklich stark.

Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Weltenläufer,

Freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Oi...die Bundstifte:lol:
Stimmt...irgendwie hab ich es mit "Gelb"...finde die Farbe in den Zusammenhang irgendwie grauslich.
Ich nehme mir den Text noch mal vor. Mal schauen, was ich an der Kneipenszene noch ändere. Den Tipp von dir, den Schlussstrich zu ziehen, als sie den Telefonhörer in die Hand nimmt, finde ich gut. Ich war da selber unschlüssig, wo ich enden soll. So werde ich deinen Rat einfach befolgen. Danke dafür!

Hallo Raindog,

ich bin echt froh, dass es sich offenbar gelohnt hat, die Story nochmal komplett zu überarbeiten. Danke, dass du dir 2x die Mühe gemacht hast, sie zu lesen. Das Ende, wie es Weltenläufer und du angesprochen haben, werde ich dahingehend ändern.

Hallo Fliege,

danke dir fürs nochmalige lesen! Da bin ich echt glücklich, dass es jetzt funktioniert hat. Danke deines Ratschlags! Ich habe auch viel darüber nachgedacht, ob ich jetzt in der Gegenwart oder Vergangenheit erzähle und habe mich letztendlich für die Gegenwart entschieden. Aber da deine Ratschläge bis jetzt sehr gut waren, werde ich den Text nochmal in das "Präteritum schupsen". Vielleicht gefällt es mir ja dann auch besser. Ende wird geändert.

Liebe Grüße Sabine

 

Hallo Sabine,

wow, das hat sich gelohnt hier nochmals reinzuschauen!

Ich hatte deine Geschichte anfangs gelesen und es ging mir wie vielen anderen, dass ich erschlagen war von den vielen aufgezählten Schrecknissen. Jetzt habe ich sie glücklicherweise nochmals gelesen und bin total überrascht und beeindruckt, was du daraus gemacht hast. Das ist eine völlig neue Geschichte von ganz anderer Qualität, da sind so viele Details, die sie lebendig machen.Und es läuft so klar auf einen Konflikt hinaus, anstatt sich zu verzetteln. Auch finde ich es gut, dass man erst am Ende erfährt, dass es für deine Protagonistin eine Fluchtmöglichkeit gibt und was das für den kleinen Bruder bedeutet. Im Grunde ein ähnliches Grundthema wie in meiner Geschichte, Trennung, Besuch beim Vater am Wochenende, das Ende im Bett beim Einschlafen, der Hund, aber viel schlimmer das Milieu und die Gewalt. Die Szene in der Kneipe ist herzzerreißend.

„Aua!“ Er zieht und zerrt und ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich kann uns nämlich in dem Spiegel beobachten, der an der Wand gegenüber steht.

Da von nebenan schon Geschreie herüberdringt, glaube ich gar nicht, dass ihr nach Lachen zumute ist, auch nicht, wenn sie sich im Spiegel sieht. Dann würde ich auch das "nämlich" weglassen. Sonst finde ich das eine toll beschriebene Situation, die das Verwahrloste, Trostlose zeigt.

Ich spüre das Gewicht des hängenden Spielzeugautos und ertaste es mit meiner linken Hand. Meine rechte verrenkt sich unnatürlich nach hinten und mit einem schnellen „Schnipp“ halte ich ein Metallauto in einem grässlichen Gelbton in den Händen.

Sehr gut beschrieben. Du hast das mit dem "Show" insgesamt super umgesetzt.

ein paar Minuten später finden wir uns in dem Kaffeehaus wieder.

"Kaffeehaus" hat mich überrascht, ist das nicht eher eine Kneipe?

Der Wirt klimpert mit Kleingeld und drückt mir ein paar Münzen in die Hand. Mit seinem Kinn deutet er in die Richtung des Zauberautomaten und zwinkert. Michi bekommt von mir eine Münze, den Rest stopfe ich in meine Hosentasche. Ein Geldstück nach dem anderen wandert in den Computerautomaten der aussieht wie ein kleiner Tisch mit Bildschirm. Nach unzähligen zerstörten Ufos greife ich in meiner Hosentasche ins Leere. Inzwischen bilde ich mir ein, dass die Musik immer lauter und es im Lokal immer dunkler wird.

Ich finde es gut, dass du auch ruhigere Momente drin hast, jemanden der freundlich ist. Der letzte Satz hat viel Atmosphäre.

Ich überlege, ob es klug ist, nochmal den Vater darum zu bitten, gehen zu dürfen. Ich entscheide, dass es wahrscheinlich nicht vernünftig aber notwendig ist, denn ich habe auf einmal das Gefühl, keine Minute länger hier auszuhalten. Meinen ganzen Mut zusammen nehmend, schlurfe ich an die Bar. Meine Stimme klingt so tattrig, als würde eine alte Frau reden.

Das ist sehr berührend. Wie sie versucht klar zu denken, ihre Angst und Verzweiflung über ihren Kopf zu kontrollieren. Aber irgendwie irritiert es auch, das Fettgedruckte klingt ein bisschen gestelzt, erwachsen. Ich bin hier unsicher, mir fällt die Stelle nur auf. (Der Satz mit der Stimme ist übrigens toll!) Am Ende hast du nochmal sowas:

Trotzdem habe ich tief in mir ein starkes Gefühl, dass ich kaputt gehe, wenn ich mich nicht löse.

Auch das empfinde ich als sehr erwachsene Ausdrucksweise.

Die Antwort meines Vaters fällt so aus wie zuvor, konträr zu seinem Verhalten. Er grinst mich an und tätschelt mir mit seiner riesigen Pranke den Hinterkopf, dort wo ein fünf Zentimeter langes Haarbüschel absteht.

Ich schätze das Mädchen so zehn/elf? Der Ausdruck "konträr" ist da ungewöhnlich, auch diese Beobachtung und Bewertung. Vielleicht werden solche Stellen glaubhafter, wenn du den Text in Vergangenheit setzt, wie du das vorhast. Dann erzählt die Erwachsene im Nachhinein. Als Autorin zu zeigen, dass der Vater die Kinder wieder abweist und dabei so scheißfreundlich tut, dass finde ich sehr gut.

Sie glitzern im schalen Licht wie kleine Diamanten.

Wow, was für ein Kontrast! Tolles Bild.

Automatisch zucke ich zusammen, denn ich denke, dass ich jetzt etwas abbekomme. Aber er geht zu meiner Stiefmutter und fängt an, mit der Kette auf sie einzuschlagen. Er holt aus und sie zischt, wie die Peitsche, die in seinem Schlafzimmer hängt. Immer und immer wieder. Sein Mund verzerrt sich und seine Adern treten an Hals und Schläfe hervor.
Die Menschen laufen vorbei, schauen und tuscheln, aber es hilft uns niemand.

Und das ruft niemand die Polizei? Das ist schon echt hart.

Nachdem wir so zweimal um eine Ecke gebogen sind merke ich, dass meine Schäferhündin weg ist und Michi nur mehr einen Schuh anhat.

Toll, dass du nochmal den Schuh aufgreifst.

Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er mit Watte vollgestopft und weil mir nichts weiter einfällt, gehe ich mit dem Kleinen am Rücken und meinem Hund an der Seite wieder zu der Wohnung meines Vaters.

Und das ist eben die bittere Situation von verwahrlosten, misshandelten Kindern. Gut, dass du vorher deutlich machst, warum sie nicht die Mutter anrufen kann.

„Du sollst gleich runter kommen, deine Mutter wartet gleich unten an der Ecke im Auto auf dich“, sagt meine Stiefmutter, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte.
Michi sieht mich nicht an. Er nimmt es mir übel, dass ich ihn wieder allein lasse. Schon den ganzen Morgen sprach er nur mehr mit seinem Teddy und das Kinderzimmer war für mich verbotene Zone.

Den Satz würde ich weglassen, das erschließt man sich selber und das ist noch härter, wenn man plötzlich ahnt, warum er sich so verhält. Dass er an diesem Morgen nur mit seinem Teddy spricht, ist ein ganz heftiges , glaubwürdiges Bild.

Meine Mutter beugt sich nach hinten und fragt, was los sei. Nicht sicher, ob ich alles erzählen soll, entscheide ich mich lieber für eine Kurzversion, mehr bringe ich auch nicht über die Lippen.

Da tut sich natürlich noch ein Thema auf. Warum sie der Mutter gegenüber nicht ehrlich ist. Und ich finde, die Mutter reagiert sehr cool.

Da hast du ein schweres Thema bearbeitet, was mit Geschwistern in so einer Situation passiert. Und es endet mit einem schier unlösbaren Dilemma für deine Protagonistin, ein Dilemma, welches nur die Erwachsenen lösen könnten. Leute, die mitbekommen, was da abläuft und sich kümmern.

Hut ab, Sabine, wie du dich da nochmal reingekniet und alles umgesetzt hast!

Herzliche Grüße von Chutney

 

Hallo Sabine P,

das ist ja eine ganz neue Geschichte. Jetzt bin ich ganz nah an bei den Kindern in ihrer verzweifelten Situation. Diese Erfahrungen in der Familie sind schrecklich, um so mehr, als sie, wie du am Anfang geschrieben hast, auf wahren Begebenheiten beruhen.

Ich weiß gar nicht, ob es angebracht ist, hier von Lust am Schreiben zu sprechen. Jedenfalls hast du, und das ist als Kompliment gemeint, die Ratschläge in den Kommentaren sehr gut umgesetzt. Die Geschichte ist ein schönes Beispiel dafür, was eine Challenge hier im Forum bewirken kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn es noch weitere Geschichten von dir gäbe.

Es sind noch ein paar kleinere Satzzeichen- und Rechtschreibfehler im Text. Leider habe ich im Augenblick nicht die Zeit, sie herauszusuchen. Ich mache das gerne, wenn die Challenge zu Ende ist, falls du das haben willst und nicht ein anderer diesen Part übernimmt. Es ist leider so (auch bei mir), dass man für den eigenen Text „blind“ wird.

Nochmals Glückwunsch für die konsequente Neufassung.

Herzliche Grüße

wieselmaus

 

Hallo Sabine P,

da hat sich aber mächtig was getan! Eine berührende Geschichte mit einer authentischen kindlichen Erzählstimme. Mir ist gerade noch mulmig vom Lesen.

Aber Michi lässt mir kaum Raum, meine Gedanken zu ordnen. Genau wie das Zimmer, indem überall die Wäsche verstreut herumliegt, sieht es in mir drinnen aus.

Hier ist ein bisschen Kuddelmuddel rund um das Zimmer. Wenn du hinter ‚herumliegt‘ einen Punkt machen würdest, wäre alles okay, weil du das Zimmer mit Michi vergleichst. Aber leider geht es weiter und das, was folgt, ergibt keinen Sinn, denn es müsste heißen: Genau wie in dem Zimmer, ... sieht es in mir drinnen aus. You know what I mean?

„Ich geh Mama holen“, sabbert er.

Ob sabbern wirklich eine Lautäußerung ist, im Sinne eines Redebegleitsatzes? Ist ein bisschen grenzwertig, oder?

und ich glaube sie wirkt älter, als sie eigentlich ist.

Glauben und wirken - das ist zu viel. Es würde reichen: ‚und ich glaube, sie ist jünger, als sie aussieht‘ oder etwas in der Art.
Wirken geht eigentlich gar nicht, weil die Erzählstimme es nicht weiß.

Michi lässt den Kopf und die Schultern hängen und sieht so aus wie eine Marionette, die gerade keinen Auftritt hat.

Schöne Stelle!

und sie zischt, wie die Peitsche, die in seinem Schlafzimmer hängt

Woah!

Er tritt mir mit seinem schuhlosen Fuß in die Seite und spielt, dass ich sein Pferd bin.

Top! So realistisch von Michi, in der Situation noch zu spielen!

Dort sehe ich meinen Hund. Sie bleibt ruhig sitzen

Dann besser: meine Hündin (wegen dem nachfolgenden sie)

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Chutney, Wieselmaus,

danke, dass ich euch nochmal "darüber gewagt" habt. Ich bin auch froh, dass es jetzt doch besser geworden ist.
Kurz möchte ich auf eure Kommentare eingehen.
Chutney: Danke für deine Tipps. Ich werde den Text dahingehend nochmal überarbeiten. Ja, es ist eines dieser "abgefuckten" Kaffeehäuser, die es in Wien häufiger gibt ;) bzw. GAB.
Freut mich, dass du einige gute Stellen gefunden hast. Bin schon gespannt, wie der Text in der Vergangenheit wirkt. Bin noch dabei.
wieselmaus:

Danke auch dir! Ich bin dabei die Geschichte in die Vergangenheit zu setzen, vielleicht fallen mir da auch noch einige Fehler auf. Leider lese ich meistens drüber. Also falls du später mal Zeit hast...gerne :shy:

Liebe Grüße Sabine

 

Hallo Anne,


Genau wie in dem Zimmer, ... sieht es in mir drinnen aus. You know what I mean?
Stimmt, danke für den Hinweis.

Auch deine restlichen Tipps werde ich überdenken bzw überarbeiten.

Danke, dass du nochmal vorbeigeschaut hast.

Muss mich sputen und noch die letzten Geschichten lesen, die mir noch fehlen.

Liebe Grüße Sabine

 

So, der Text wurde nun von der Gegenwart in die Vergangenheit gesetzt. Ich kann nicht sagen, was mir besser gefällt...hab auf alle Fälle beide Versionen gespeichert ;)

LG Sabine

 

Moin Sabine P,

was für eine Veränderung. Auch ich hatte die Geschichte kurz nach dem Einstellen angelesen, aber das Handtuch geworfen, Angesicht der Fülle an Inhalt und Not. Manchmal schafft man es nicht.
Aber jetzt wollte ich endlich einen Kommentar da lassen und wohl oder über noch einmal lesen. Wow! Ich kenne jetzt nur die Vergangenheitsversion, kann also keine direkten Vergleich geben, aber ich kann Dir wie viele Vorkommentatoren bestätigen - es hat sich gelohnt, sehr!

Deine beiden jungen Prots kommen mir sehr nahe, die Szene zu Hause ist bereits erschreckend, im Kaffeehaus und folgendes noch viel mehr. Ich bin mittendrin und so soll es ja sein. Und ich finde das Ende wirklich toll, da kommt wohl kein Leser drum rum, sich sein Ende zu denken, seine Entscheidung zu treffen und mit ihr zu kämpfen, Angesicht der möglichen Konsequenzen. Ich freue mich auf alle Fälle schon auf weitere Geschichten von Dir.

Beste Wünsche
witch

 

Hallo Sabine P,

nun komme ich auch mal kurz zu Deiner Geschichte und schreibe mit, was mir so auffällt:

Genau wie in dem Zimmer, indem überall die Schmutzwäsche verstreut herumlag, sah es in mir drinnen aus.

Mal abgesehen davon, dass das "indem" nach dem Komma "in dem" heißen muss, finde ich die Wiederholung unschön.

Einzelne grüne und rote Socken passten nicht zusammen, wie die Gaukelbilder in meinem Kopf.

ich finde es immer schwierig, wenn man einen Vergleich "verkehrtherum" aufzieht, so wie Du es hier machst. Du vergleichst ja die Gaukelbilder in dem Kopf mit den nicht zusammenpassenden Socken (wobei ich den Vergleich auch nicht so wirklich gut finde).

„Ich geh Mama holen“, sabberte er.

Das "sabberte" passt nicht, finde ich.

Um meine Frisur war es nicht schade, seit meine Oma meinte, sie müsse mir die Haare selber schneiden, um Geld zu sparen.

Hier wird erst klar, dass die Geschichte aus Sicht eines Kindes geschrieben ist. Die bisherige Sprache passt aber nicht zu einem Kind.

Ab dort habe ich nur noch überflogen.

Was soll ich sagen, der Inhalt hinterlässt natürlich einen Kloß im Hals, aber so richtig warm werde ich mit Deinem Text nicht.

ich glaube auch nicht, dass es Dir hilft, wenn ich durch den Text in der Genauigkeit wie am Anfang gehe.

Mein Rat ist, den Text längere Zeit liegen zu lassen, Dir zu überlegen, wohin Du mit dem Text willst, was Du mit ihm erreichen möchtest und ihn dann anhand dieser Prämisse noch einmal überarbeitest.

Der Mensch ist übrigens ein merkwürdiges "Tier". Wenn wir lesen, dass bei einer Tsunami hunderttausend Menschen ums Leben gekommen sind, dann lässt uns das kälter, als wenn sich der Partner die kleine Zehe bricht. Die tiefere Erkenntnis dahinter ist, dass ein Text nicht deswegen automatisch betroffener macht, weil er viele Katastrophen oder Schicksalsschläge enthält, die in keinem Zusammenhang miteinander stehen und für die Prämisse nicht wichtig sind.

Vielleicht nimmst Du Dir eine Szene raus und versucht da näher bei Deinem Prota zu sein.

Mehr Tipps habe ich gerade nicht für Dich.

Gruß
Geschichtenwerker

 

@ witch:

Danke, dass du dich nochmal der Geschichte angenommen hast. Freut mich, dass die Überarbeitung funktioniert hat.
Geschichtenwerker:

Die Doppelung "in dem" habe ich ausgebessert. Ist mir so gar nicht aufgefallen. Danke für den Hinweis.

Ab dort habe ich nur noch überflogen.

Schade, dass dich der Text nicht packen konnte. Soll vorkommen. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden und so soll es auch sein.
Überarbeitet habe ich die Geschichte schon sehr stark und bin im Moment eigentlich recht zufrieden mit dem IST Stand.

Der Mensch ist übrigens ein merkwürdiges "Tier". Wenn wir lesen, dass bei einer Tsunami hunderttausend Menschen ums Leben gekommen sind, dann lässt uns das kälter, als wenn sich der Partner die kleine Zehe bricht. Die tiefere Erkenntnis dahinter ist, dass ein Text nicht deswegen automatisch betroffener macht, weil er viele Katastrophen oder Schicksalsschläge enthält, die in keinem Zusammenhang miteinander stehen und für die Prämisse nicht wichtig sind.

Vielleicht nimmst Du Dir eine Szene raus und versucht da näher bei Deinem Prota zu sein.

Also...mich hat der Tsunami und seine unzähligen Opfer keines Wegs kalt gelassen. Und im Gegensatz dazu ist es mir auch herzlich wurscht, wenn sich jemand (auch wenn es mein Partner ist) die Zehe bricht. Aber letzten Endes machen mich auch Einzelschicksale betroffen. Und ich bin froh darüber, dass es nach all den Jahren noch immer so ist und möchte das auch nicht missen. Die Katastrophen und Schicksalsschläge in meinem Text stehen sehr wohl in einem Zusammenhang. Das müssen sie auch, schließlich haben sie sich auch zugetragen.

Ich habe bereits sehr gekürzt und die Geschichte an dem Tag des letzten Besuches spielen lassen. Deinen Rat, die Geschichte nochmal liegen zu lassen und dann nochmal "drüber" zu gehen, werde ich sicher befolgen. Ist mir schon oft so gegangen, dass mir nach ein paar Wochen die eine oder andere Änderung wichtig erschien.

Letztendlich hat dich meine Erzählung und vielleicht auch das Thema nicht erreicht, aber das ist in Ordnung. Ich freue mich trotzdem, dass du vorbeigeschaut hast und würde mich freuen, wenn du dich mal wieder über eine meiner Geschichten "wagst".

Liebe Grüße

Sabine

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sabine, Deine Geschichte gefällt mir gut. Ich habe ein paar der Kommentare gelesen, offenbar hast Du viel nachgearbeitet, denn die Kommentare beziehen sich scheinbar auf einen ganz anderen Text. Das ist erstaunlich. Das Überarbeiten von Texten ist sehr mühsam und oft keine besonders erfreuliche Arbeit. Toll, dass Du da so fleißig warst, es hat sich wirklich gelohnt.

Ein paar Kleinigkeiten:

Du hast Absätze mit Leerzeilen, wo keine hingehören. Grundsätzlich empfehle ich Dir, Leerzeilen nur bei Szenenwechseln einzuschalten. So wie es jetzt ist, wirkt der Text merkwürdig zerflattert, also bitte zusammenrücken das Ganze.

Es gibt im Text ein paar Wortkombinationen, die sich merkwürdig anhören, bzw. einen bestimmten Klang erzeugen, der nicht ganz passt. Außerdem sind mir einige Formulierungen aufgefallen, die auf mich verdächtig wirken

- Michi ließ mir kaum Raum
- sah es in mir drinnen aus …
- Einzelne grüne und rote Socken passten nicht zusammen, wie die Gaukelbilder in meinem Kopf. (Der Zusammenhang zwischen roten/ grünen Socken und einer Sinnestäuschung ist fragwürdig.)
- Das Schluchzen aus dem Wohnzimmer lenkte mich ab und mein Versuch, ihm die Schuhe zu binden, ergab nicht den gewünschten Erfolg. (Das kling sehr formal.)
- Langsam gingen wir über die grünstichigen Fliesen hinaus … (Hier ist das langsam zu dick aufgetragen, man sieht, dass die Erzählung Mitleid erzeugen will. Dazu später noch etwas mehr.)
- Ich wusste gar nicht, wie mir geschah … (Abgegriffene Wendung)

Das sind einige Beispiele. Grundsätzlich ist ein Aspekt bei diesem Schreiben aus kindlicher Perspektive, dass es Deine Fähigkeiten, sprachlich anspruchsvoll zu formulieren hemmt. Klar, ein Kind drückt sich nicht aus wie ein Jonathan Franzen. Anfänger nutzen die kindliche Perspektive gern, um ihre Schreibschwächen zu kaschieren. Das ist völlig in Ordnung, denn man kann dabei auf jeden Fall einige grundlegenden Dinge lernen. Aber es ist klar, dass das nur ein sehr kleiner Trainingsraum ist, in dem man sich da bewegt. Wenn Du sprachliche Stärke entwickeln willst, musst Du früher oder später den Kindergarten verlassen und selbst die Jugendperspektive, weil die Möglichkeiten dieser Perspektiven einfach zu gering sind.

Ich lese deshalb Kinder- und Jugendgeschichten eigentlich nicht so gern, weil sie mich sprachlich unterfordern. Trotzdem hab ich Deine Geschichte gern gelesen. Sie hat mich berührt. Damit zum nächsten Punkt. Es gibt zwei Mechanismen beim Schreiben, die relativ simpel funktionieren, nämlich durch Vorenthalten von Informationen Aufmerksamkeit bzw. Spannung zu erzeugen und zweitens Mitgefühl auszulösen, indem man menschliches Leiden zeigt. Obwohl beide Mechanismen menschliche Grundbedürfnisse ausnutzen, gehört einiges Geschick dazu, es auf die richtige Weise zu tun. Ich finde, Du machst das sehr gut.

Es ist die Schlichtheit, mit der die Erzählerin die Ereignisse schildert, die Anteilnahme auslösen. Zumindest geht es mir so. Da bist Du auf dem richtigen Weg. Nicht übertreiben, nicht anklagen, den weinerlichen Ton vermeiden – das alles gelingt Dir wirklich gut.

Eine Gedanke für die Zukunft. Du schilderst eine alltägliche Szene auf authentische Weise, zeigst die Härte und Dunkelheit, die in dieser alltäglichen, grausamen aber eben normalen Welt liegt. Damit ist der Auftrag einer Kurzgeschichte im Grunde schon erfüllt. Dennoch kann man fragen: Und weiter? Kinder werden schlecht von ihren Eltern behandelt. So ist das. Gäbe es jetzt ein Element in dieser Geschichte, die über diese völlig zutreffende und ernüchternde Bestandsaufnahme hinausweist, dann hättest Du den Jackpot geknackt.

Hollywood macht es häufig so, dass gezeigt wird, was eben nicht normal wäre: aus den vernachlässigten Kindern werden Erwachsene, die es anders machen. Dafür ist in einer KG wahrscheinlich kein Platz, aber es geht mir um den Kontrapunkt. So wie es jetzt steht, vermuten wir Leser, dass es die Kids Deiner Geschichte nicht viel besser machen werden oder sich bestenfalls durchwurschteln. Gerade die Entscheidung am Ende löst Skepsis aus. Die größere Schwester entzieht sich der Tragödie und lässt dabei ihren Bruder im Stich. Das ist sicher realistisch, aber auch frustrierend. Die Geschichte verliert damit den doppelten Boden, in all dem Trübsinn gibt es keinen Anlass für Hoffnung, die Erzählerin steckt auf.

Ich frage mich, ob es dazu eine Alternative gäbe, die nicht gleich ein Happy End sein müsste.

Ich hoffe, Du konntest mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Beste Grüße
Achillus

 

Hi Sabine,

wenn ich mir die ersten Kommentare der anderen durchlese, dann scheinst Du die Geschichte mittlerweile komplett auf links gekrempelt zu haben.

Ich finde die Geschichte so, wie sie mittlerweile geworden ist, sehr gut, aber auch sehr bedrückend. Das soll sie ja sein, also ist dir das gut gelungen.

Sprachlich finde ich kaum etwas auszusetzen, im Gegenteil, du schaffst schöne (bzw. bedrückende) Bilder, die hängen bleiben.

Michi ließ den Kopf und die Schultern hängen und sah aus wie eine Marionette, die gerade keinen Auftritt hat.*

:)

Nur ein Ausdruck scheint mir falsch:

ging ich mit dem Kleinen am Rücken und meinem Hund an der Seite*
...
Der blaue Golf meines Stiefvaters stand an der Ecke, meine Mutter am Beifahrersitz.

Muss das nicht "auf dem" heissen?

Ach und eins noch:

Aber wenn du nicht mehr hingehen willst, dann ruf ihn an und sag es ihm.“

Da bin ich jetzt erstaunt. Würde eine gute Mutter das nicht für die Tochter übernehmen? Oder hat sie selbst so viel Angst vor dem Vater, will ihn nicht noch mal sprechen?

viele Grüße
Philipp

 

Achillus,

danke für dein umfangreiches Feedback. Damit kann ich definitiv was anfangen. Aber es ist auch lustig, einige Anmerkungen/Fragen von den späteren Lesern (letzte Version) wären in der ersten Fassung wohl nicht gestellt worden, da dies in der Erstfassung wahrscheinlich ausreichend beantwortet gewesen wäre. Und vieles von dem wurde von den "frühen" Lesern kritisiert und dann umgearbeitet und auch rigoros gestrichen. Eins kann ich sagen: So ist die Geschichte schon um einiges besser als zuvor aber vielleicht werde ich doch ein paar Szenen der Erstfassung wieder übernehmen.
Einige deiner Anmerkungen werde ich an meinem Text anwenden, danke dafür.
Ich finde, gerade der Schluss lässt das Ende doch offen. Der Leser kann sich entscheiden, welchen Schritt die Prot als nächstes tun wird. Ich finde ihn gar nicht mal so trostlos, da mit der Entscheidung eine Wende in ihrem Leben eintritt. Und weiter? Das ist der Hintergrund der Geschichte. Kinder werden von ihren Eltern schlecht behandelt. Ja, es ist bekannt, dass es solche Familien zu Hauf gibt. Aber mit dem Ende der Geschichte beginnt der Neuanfang. In welche Richtung der geht, bleibt offen, da es den Rahmen der Kurzgeschichte gesprengt hätte und die Leser somit selbst entscheiden können. Menschen können später, gestärkt, aus so schwierigen Verhältnissen heraustreten.
Hm... ich muss überlegen, wie ich diesen Aspekt am Schluss noch deutlicher machen kann... da bin ich im Moment selber ein bisschen ratlos.
Nochmals danke fürs Vorbeischauen!
christianheynk,

Schön, dass du mit dem positiven Aspekten der Geschichte beginnst :)
Die Ich-Erzählerin ist kein kleines Kind mehr. Zum Zeitpunkt der Geschehnisse ist sie ungefähr 13. Da ich mich dann entschlossen habe, in der Vergangenheit zu erzählen, könnte sie so um die 15 sein. Da wird die Sprache schon etwas ausgefeilter. Naja, ich hatte einen Hinweis auf das Alter der Prot im Text, habe es aber, nachdem dies kritisiert wurde, wieder rausgenommen. Ich werde mir durch den Kopf gehen lassen, dass jugendliche Alter vielleicht mittels anderer Hinweise einfließen lassen. Vielleicht Fan von einer Popgruppe oder so...?
Ja, und das dich die Vaterfigur unbefriedigt zurücklässt, verstehe ich. In der ersten Version wurde angedeutet, warum der Vater so ist, wie er eben ist. Das er eben kein schlechter Mensch ist, sondern traurige Umstände ihn so haben werden lassen. Was soll ich sagen? Der Leser fühlte sich leicht "erschlagen" davon. :D Die Entscheidung, nur diesen Tag in eine Kurzgeschichte zu verpacken, lässt allerdings nicht viel Raum für Erklärungen, warum und weshalb. Das wäre dann eher was für einen Roman.
Bei dem Vater deiner Geschichte hätte ich
es interssanter gefunden, wenn er auch zärtlich und liebevoll zu seinen Kindern gewesen wäre.
Tut mir leid, dass ich dich da enttäuschen muss, denn das ist er eben nicht mehr.

Danke dir auf alle Fälle fürs Lesen!
philipp,
wenn ich mir die ersten Kommentare der anderen durchlese, dann scheinst Du die Geschichte mittlerweile komplett auf links gekrempelt zu haben.

Jaaa, habe ich ;)

Muss das nicht "auf dem" heissen?

Tut mir leid, wenn ich dich mit meinem "österreichischem Deutsch" verwirre. Aber "am" ist in dem Fall schon in Ordnung. :D
Seit sich bei uns ein stärkeres Nationalbewusstsein herausgebildet hat, d. h. eine österreichische Identität jenseits der Identität aller Deutschsprechenden, sehen viele die Verwendung von „am“ im Sinn von „auf dem“ nicht mehr als Fehler an, sondern als österreichische Eigenheit. Auch das „Österreichische Wörterbuch“ sieht darin keinen Fehler mehr.
Das ist nicht von mir, aber eine Erklärung dafür.

Da bin ich jetzt erstaunt. Würde eine gute Mutter das nicht für die Tochter übernehmen? Oder hat sie selbst so viel Angst vor dem Vater, will ihn nicht noch mal sprechen?
Ja, würde sie! Es sind in der Vergangenheit Ereignisse vorgefallen, die die Figuren zu dem gemacht haben, was sie jetzt sind. In der ersten Version wurde das mehr erklärt, sprengte aber den Rahmen einer Kurzgeschichte. So bleibt dem Leser nichts anderes übrig, als sich seine Meinung über die Personen selbst zu bilden.

Danke auch dir für deine Kritik!

Euch allen liebe Grüße, Sabine

 

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