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Legebatterie

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10.02.2010
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Legebatterie

Herrn Tiedtke geht es nicht so gut. Er meldet sich in der Personalabteilung krank. Sämtliche Unterlagen verteilt er sorgfältig, jedes Schriftstück an seinen vorgesehenen Platz. Er schaut noch einmal nach, ob alles seine Ordnung hat, dann verlässt er seinen Arbeitsplatz und macht sich auf den Weg zum Arzt. Immer wieder ist ihm schwindelig, er kann sich nicht genau erklären, was in ihm vorgeht. An einem Kiosk muss er sich eine Flasche Wasser kaufen. Sein Mund ist ganz trocken. Er entschließt sich zunächst nach Hause zu gehen und sich dort etwas hinzulegen. Seine Wohnung ist nicht weit von dem Kiosk entfernt und seine Knie fühlen sich ganz weich an. Hinter ihm klingelt ein kleines Kind auf seinem Fahrrad, die Stützräder krachen über das Pflaster, die Mutter marschiert im Stechschritt hinterher. Herr Tiedtke hält sich an einem Laternenpfahl fest und trinkt erneut einen Schluck. Er hat es nicht mehr weit.

Vor seiner Wohnungstür versucht Herr Tiedtke sich seine Schuhe abzustreifen, doch als er nach unten blickt, wird ihm schwarz vor den Augen. Gerade noch kann er verhindern, auf seiner Fußmatte bewusstlos zusammenzubrechen. Im sicheren Hafen seiner vier Wände legt er sich auf seine Couch und fällt fast augenblicklich in einen tiefen und intensiven Schlaf.

Er steht an einem Pult und vor ihm wartet eine Menschenmenge. Einige sitzen, die meisten stehen und blicken zu ihm empor. Sie schauen erwartungsvoll auf seine Lippen. Es ist still. Spannung liegt in der Luft. Herr Tiedtke schaut hinunter, auf die Buchstaben, auf das Blatt voller Worte, das vor ihm auf dem Pult liegt. Er räuspert sich, das Mikrofon verstärkt es, es ist widernatürlich laut. Er blickt auf, und er blickt wieder hinunter. Er öffnet seine Lippen und will seinen Vortrag beginnen, da befindet er sich plötzlich in einem Schwimmbad. Der Lärm ist ohrenbetäubend, es sind viele Kinder im Wasser. Er hat den Geschmack von Chlor im Mund. Eine Hand legt sich auf seine Schulter, er fährt herum und sieht eine ältere Frau mit schlechten Zähnen direkt hinter sich. Sie lächelt ihn an und drückt ihn unter die Wasseroberfläche. Reflexartig tritt er um sich, doch seine Füße treffen auf keinerlei Widerstand. Er öffnet seine Augen, um sich zu orientieren, und stellt fest, dass er sich wieder in dem großen Saal befindet. Dort wartet das Publikum auf seine Worte. Sie scheinen noch näher an ihn herangerückt zu sein, er kann ihre Gesichter deutlicher erkennen. Am Boden zu seinen Füßen befindet sich ein Pfütze, er steht mittendrin, ist aber selbst völlig trocken. Er stützt sich mit beiden Armen auf das Pult und taucht aus dem Wasser empor. Er ringt nach Luft, er blickt sich um, sucht nach der alten Frau. Er meint ihre Badekappe auszumachen, eine altrosafarbene mit Röschen, da spürt er einen Schmerz in seinem Rücken und wird wieder unter Wasser gedrückt. Die Menschen stehen nun ganz nah um ihn herum, niemand sitzt mehr, sie kommen immer näher. Herr Tiedtke bekommt es mit der Angst zu tun, die Blicke der Menschen verheißen nichts Gutes. Er fühlt sich fremd in seinem Körper, wenn es denn sein Körper ist und neigt langsam seinen Kopf hinunter zum Mikrofon, da liegt plötzlich ein Mann auf ihm und ihre Lippen berühren sich und er spürt den Atem des Fremden. Herrn Tiedtke schießt eine Fontäne Wasser aus dem Mund und er wird zur Seite gedreht. Dann verändert sich der Traum, die Menschen, die Gesichter, ihre faltigen Konturen, sie alle werden nicht mehr auftauchen, auch nicht das Schwimmbad, nein, nicht einmal mehr Wasser wird auftauchen in den folgenden Minuten seines Traumes. Er befindet sich an einem warmen Ort. Er kann ihn nicht genau beschreiben, denn da ist diese weiße Masse, eine schimmernde und lautlose Watte, es fühlt sich außerordentlich weich und auch behaglich an. Überhaupt ist es hier nicht unangenehm, der Geruch eines gerade geborenen Kindes strömt in seine Nase, er spürt sein Herz schlagen, ganz ruhig. Herr Tiedtke watet durch einen Hain weißer Stämme, er denkt an Weidenkätzchen, an Zuckerwatte, an Kokosraspeln, an Puderzucker. Er geht immer weiter und schon bald hat er das Schwimmbad und das Rednerpult vergessen.

Herr Tiedtke erwacht aus seinem Traum. Es ist dunkel geworden. Ein Blick auf seine Uhr bestätigt ihm, dass er nahezu zwölf Stunden geschlafen hat. Es scheint ihm besser zu gehen. Er geht in die Küche und schmiert sich ein Butterbrot. Dazu trinkt er einen Schluck Milch. Die Bilder seines Traumes verblassen und kümmern ihn nicht weiter. Er geht hinüber in das Bad und macht sich frisch. Es ist dreiundzwanzig Uhr und zwölf Minuten an diesem Dienstag. Nachdem er zweimal in alle Programme seines Fernsehers hineingeschaltet hat, macht er ihn wieder aus. Wenn ich morgen so fit bin wie gerade, dann gehe ich wieder zur Arbeit. Ihm gehen einige seiner Aufgaben durch den Kopf, während er in seinen Schlafanzug steigt und sich mit einem Buch über ökologische Philosophie ins Bett legt. Wenig später fallen ihm die Augen zu und er löscht das Licht. Er träumt scheinbar nicht in den nächsten Stunden.

In der Straßenbahn liegt eine Packung Eier auf dem Boden, alle sechs sind kaputt gegangen und Dotter und Eiweiß verteilen sich an Schuhen und Hosenbeinen. Ein Kind schreit, so laut es nur kann, die Mutter sitzt mit hochrotem Kopf daneben. Eine alte Frau stürzt beinahe, als sie versucht, sich näher am Ausgang zu positionieren. Zwei Jungs machen sich an ein Mädchen heran, sie sind in ihrem Verhalten auffällig aggressiv.

Herr Tiedtke schaltet seinen Computer ein und rückt den Ablagekorb mit den Pressemitteilungen etwas näher an sich heran. Er überfliegt die wichtigsten Meldungen, ein neuer Gesetzesentwurf hier, eine Gegenkampagne von Greenpeace und den Grünen da. Er bringt sie alle in eine Ordnung. Frau Warenfeldt schaut herein und erkundigt sich nach seinem Befinden. Er trinkt einen Pfefferminztee und isst dazu zwei Kekse. Am Abend hat er seinen verlorenen Tag so gut wie aufgeholt und nach einer Überstunde verlässt er das Büro.

Zuhause angekommen bereitet Herr Tiedtke sich ein kleines Mahl und macht es sich auf seiner Couch bequem. Die Kissen liegen noch genauso wie am Vortag, sie zeigen jedoch keinen Abdruck des fiebrigen Traumes. Herr Tiedtke öffnet eine Flasche Bier und schaut sich eine Reportage über die Tuaregs an. Als er auf dem Weg zum Bad an seinen Schuhen vorbeikommt, stellt er fest, dass etwas braune Eierschale an der Sohle klebt. Er nimmt den Schuh mit ins Bad und reinigt ihn mit einem angefeuchtetem Tuch. Nach der Abendtoilette sitzt er aufrecht in seinem Bett und liest weiter in den Betrachtungen von Elmar Treptow über ökologische Ästhetik.

Es geht ihm schlecht. Er befindet sich in dieser weißen Landschaft, dichter, pelziger Bewuchs auf den Stämmen um ihn herum, ihm steht der Schweiß auf der Stirn. Der Boden ruckelt und wackelt, er hat Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Ein weiteres heftiges Beben und Herr Tiedtke geht in die Knie. Seine Hand fährt über den Boden, er fühlt Wärme an seinen Handflächen, aber auch etwas Raues, Schuppiges. Die Oberfläche ist keineswegs eben, sie ist gewellt und hügelig und es scheint kleinere Verwerfungen und auch Krater zu geben. Ein Wind streift durch den Hain, es ist abgestandene, sauerstoffarme Luft. Herr Tiedtke richtet sich auf und hält sich an dem nächstgelegenen Stamm fest. Es fühlt sich an, als bewege sich unter ihm ein riesiger Körper, er fühlt die Bewegungen unter der Oberfläche, wie riesige Muskeln, er spürt den Luftwiderstand, eine Strömung, einen Sturm. Er muss sich festhalten, er droht fortgerissen zu werden, immer stärker bricht es über ihn herein. Der Stamm entgleitet seinen Fingern, er rutscht ab und plötzlich ist er unter Wasser, durch seine Nase versucht es sich einen Weg in seinen Körper, in seine Lunge zu bahnen. Er ist verzweifelt, es wird ganz schwarz um ihn herum, da greifen zwei starke Hände nach ihm, er klammert sich an sie, spürt, wie er emporgezogen wird und sein nächster Atemzug fühlt sich an wie der beste Atemzug seines Lebens. Er öffnet seine Augen und da sind sie wieder, diese Menschen, die er nicht kennt, die aber anscheinend gekommen sind, um ihn reden zu hören, was auch immer er zu sagen hat. Sie stehen weiter weg von ihm, und ihre Augen glänzen voller Erwartung. Herr Tiedtke schaut hinunter auf sein Manuskript und beginnt mit seiner Rede. Doch statt der Worte auf dem Papier kommen nur Schreie, unbändige, gequälte, markerschütternde Schreie aus seinem Mund. Es sind die Schreie eines Tieres, unartikuliert, wie ein Kind, dem die Sprache fehlt um auszudrücken, dass es etwas überhaupt nicht, auf den Tod nicht ausstehen kann. Die Menschen kommen näher, halten sich die Ohren zu und kommen immer näher, eine stumme Menge, mit weit aufgerissenen Augen, Augen wie Münder, voller spitzer Zähne.

Die nächsten Wochen kommt und geht dieser Traum. Mal startet er im Schwimmbad, dann wieder ist er nur in dieser fantastischen, weißen Welt, die unter und mit ihm pulsiert, als sei sie selbst ein Lebewesen, und immer wieder diese Menschen, die gekommen sind, ihm zuzuhören, und jedes Mal das Versagen, der unterschwellige Zorn der tumben Masse. Ansonsten verlaufen seine Tage wie gehabt, er arbeitet mal länger, mal verlässt er seinen Tisch pünktlich. Seine Leistung leidet nicht unter den Umständen seines Traumes. Herr Tiedtke hat sich daran gewöhnt und Psychoanalyse und Traumdeutung lässt er keinen Platz in seinem Kopf. Er liest mittlerweile ein anders Buch und wäscht, da sie nun öfter durchgeschwitzt ist, seine Bettwäsche zweimal die Woche.

Am Samstag im Supermarkt, in seinem Einkaufswagen liegen kleine Portionen, er wird zum Beispiel die Hälfte der Butter einfrieren, trifft Herr Tiedtke auf Frau Warenfeldt. Am Abend kommt es erst zu einigen romantischen Stunden mit gediegenem Essen und Trinken. Anschließend kehren sie bei Frau Warenfeldt, Annika, bitte, ein und um einiges später liegen beide ausgezogen in ihrem Schlafzimmer auf dem weichen Flokati. Es ist für Herrn Tiedtke seit langer Zeit wieder das erste Mal, dass er mit einer Frau schläft. Sie bittet ihn, über Nacht bei ihr zu bleiben, und gemeinsam schlafen sie beide ein. In dieser Nacht gibt es keinen sich wiederholenden Alptraum.

Zum Frühstück macht Annika Herrn Tiedtke, Gerhard, bitte, ein Tortilla Española. Er isst mit Genuss und beide berühren sich, so oft sie nur können. Annika muss allerdings noch etwas erledigen, deshalb ist keine Zeit für weitere romantische Stunden und etwas später sitzt Herr Tiedtke in der Bahn. Er will nur schnell nach Hause, um sich frische Sachen anzuziehen und dann mit einem Buch bewaffnet von seinem Balkon die Welt an sich und Annika in ihr zu feiern. Doch es kommt ganz anders. In der Bahn sind einige junge Leute und die stören sich an einer älteren Frau. Außer Herrn Tiedtke ist niemand da, der die Szene beobachten könnte und als ein Mann der Frau von hinten gegen den Kopf schlägt und die anderen um sie herum auch aggressiver werden, steht Herr Tiedtke auf. Er denkt gar nicht lange darüber nach, sondern geht einfach auf die Menschen zu, er geht durch sie hindurch, durchbricht ihren Zirkel und packt die ältere Frau am Arm. Er zieht sie aus dem Gefahrenkreis. Es wird lautstark geschimpft, wütende Tiraden werden Herrn Tiedtke und seiner Begleitung nachgerufen. Herr Tiedtke achtet nicht darauf, was über sie gerufen wird. Die Bahn stoppt. Es steigen weitere Fahrgäste ein. Die ältere Frau schenkt Herrn Tiedtke einen dankbaren Blick und verlässt das Abteil in Richtung Park.

Vor seiner Haustür stehend hört er ein Geräusch hinter sich. Im nächsten Augenblick liegt Herr Tiedtke auf dem Boden und Blut tropft aus einer Verletzung an seiner Stirn. Es tritt aus der Wunde aus und tropft auf den Bürgersteig. Da sammelt es sich. Es dauert, bis er gefunden und ein Rettungswagen verständigt wird. Währenddessen träumt Herr Tiedtke von einer Welt ohne Größenvorstellungen. In seinem Traum, in seiner Welt ist er in der Lage, über sämtliche Maßeinheiten zu gebieten, er gibt die Länge einer Strecke vor, er bestimmt die Höhe einer Fläche, er schrumpft und wächst im Verhältnis zu seinen eigenen Vorstellungen der Welt. Seine Arme umspannen den Planeten, seine Beine tragen ihn durch das Universum. Er ist der Herr jeglicher modi operandi. Er schwebt von Grashalm zu Grashalm, er sinkt herab wie eine Feder. Er steigt hinauf wie eine Trägerrakete.

Herr Tiedtke ist aufgewacht. Neben seinem Bett, auf seinem Schrank stehen eine Flasche Wasser und ein hübscher Blumenstrauß in einer weißen Vase. Es ist dunkel, nur eine Lampe am Kopfende seines Bettes beleuchtet den sterilen Raum, er hört die wichtigen und die weniger wichtigen Maschinen in die Nacht hinein atmen. Die Erinnerung kehrt langsam zurück in seine Gedanken. Er steht vor seiner Tür, da spürt er einen stechenden Schmerz von seinem Hinterkopf ausgehend durch den ganzen Körper jagen. Die Welt schwarz, und rot. Er sinkt zurück in einen traumlosen Schlaf.

Nach einer Woche kehrt Herr Tiedtke an seinen Arbeitsplatz zurück. Annika hat ihn im Krankenhaus besucht, auch die Blumen sind von ihr gewesen und im Büro kommt es zu zärtlichen, kleinen Berührungen. Herr Tiedtke lädt sie zu sich ein, sie verbringen ihre gemeinsame Zeit am liebsten draußen, bei langen Spaziergängen. Einmal sitzen sie auf einer Parkbank und küssen sich gerade, da stürzt ein kleines Kind direkt vor ihnen mit dem Rad und schürft sich die Haut an beiden Ellenbogen auf. Die Mutter kommt herbeigestürmt und nimmt ihr kleines Küken behutsam in den Arm.

Herr Tiedtke steht am Rednerpult und eine riesige Menschenschar hat sich vor und um ihn herum versammelt. Alle blicken ihn erwartungsvoll an. Er schaut hinunter und entdeckt, dass da kein Manuskript, keine Zeilen, keine Silben, keine Lettern vor ihm liegen. Die stumme Masse wogt und brandet hin und her, sie alle schauen ihn aus Augen an, die wissend und traurig und wunderschön, aber gequält aussehen. Sie tragen den Ausdruck von Hühnern in sich, gefangen, lebend in einer Legebatterie, nur dass diese Hühner nicht länger gefangen sind. Herrn Tiedtke stockt der Atem. Über ihn bricht eine Welle herein, er wird von etwas am Kopf getroffen und sinkt tiefer und tiefer. Dies ist nicht das Schwimmbad, dies ist kein Chlorwasser, das hier ist das Meer und es ist grundlos, uferlos. Herr Tiedtke geht unter. Er bekommt keine Luft mehr, er ist sich sicher zu ersticken. Ein letztes Aufbäumen, die Kälte des Wassers zieht unüberwindlich an seinem Selbsterhaltungstrieb, dann ist es vorbei. Er rutscht hinab, wird fortgeweht, bekommt einfach keinen Stamm mehr zu fassen. Die weiße Welt rauscht um ihn und an ihm vorbei, weich wie eine Feder ist jede Berührung. Herr Tiedtke fällt weiter, und fällt und verliert sich in Schlieren weißen Lichtes, weißer Substanz, weißer Masse.

Es kann so nicht weitergehen, hat Annika zu ihm gesagt. Mit diesen Alpträumen. Du musst der Sache auf den Grund gehen. Du musst dir helfen lassen. Doch Herr Tiedtke ist dazu nicht bereit, er will sich niemand weiterem anvertrauen. Er meint, dies sei ein Geheimnis. Es kommt zu einem Streit, in dessen Folge Frau Warenfeldt die Wohnung von Herrn Tiedtke verlässt. Sie wird sie nur noch einmal betreten.

Es ist etwas geschehen.

Am nächsten Montag wartet Herr Tiedtke vergeblich auf eine Bahn, es ist zu einem Unfall mit Personenschaden auf genau seiner Strecke gekommen und deshalb geht er heute zu Fuß ins Büro. Es ist immer noch Sommer. Herr Tiedtke hat beschlossen, nicht länger Teil dieser Welt zu sein. Er betritt das Büro der Personalabteilung und in einem viertelstündigem Gespräch einigt man sich äußerst schnell über die Bedingungen einer vorzeitigen Vertragsauflösung. Es gab nur einen eigenartigen Moment in dieser Besprechung. Als Herr Tiedtke scheinbar etwas sagen wollte, es aber nicht tat.

Herrn Tiedtke verlassen diese Bilder nicht mehr. Er hat sich die repetitiven Momente seiner Träume genauestens aufgeschrieben.:

Menschen, Wasser, Weiße Welt

Stummheit, Untergang, unnahbare Fremde

Viele, Wenige, Nur Ich

Augen, Verzweiflung, Geborgenheit

Entkommen, Rettung, Kontrollverlust

Herr Tiedtke verlässt seine Wohnung nun immer seltener. Er kauft sich keine neuen Bücher mehr, er lässt sich schlechtes Essen kommen, er verliert die Ordnung, die ihn immer ausgezeichnet hat. Herr Tiedtke will träumen. Er will seinen Traum zu Ende träumen, mittlerweile ist er überzeugt, dass die weiße Welt die Lösung, seine Lösung verborgen hält und er, sei es durch einen Zufall, sei es durch irgendeine Fügung, er der einzige sei, der Held auf einer dramatischen Suche, der den Untergang dieser Welt noch aufhalten könne. Er sieht sich als Konquistador, mit Schwert und Schild im Auftrag ihrer Majestät, durch weiße Wälder hindurch.

Als Annika klopft, öffnet er die Türe nur einen Spalt. Sie bittet ihn, sie fleht ihn an, doch er schließt nur langsam diese Pforte und hört ihr Weinen nicht. Moriturus te salutat, denkt er.

Herr Tiedtke bekommt nun seine Medizin.
Herr Tiedtke ist schwer krank.
Herr Tiedtke ist den Anforderungen dieser Welt nicht mehr gerecht geworden.
Herr Tiedtke konnte nicht einmal durch Liebe gerettet werden.
Herr Tiedtke wird ruhig gestellt.

Damit er von einer Lösung träumen kann …

 
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Moikka tierwater,

das ist eine ganz fiese Geschichte, und ich meine das als Lob!

Erstmal finde ich - wie v.a. bei der Geschichte mit dem Ara - Deine Erzählstimme sehr angenehm, nämlich spannend eigentümlich-individuell und dabei herb-alltäglich. Die Mischung ergibt eine surrealistische Atmosphäre, selbst in den Szenen, in denen nichts Ungewöhnliches passiert.

Was mir hier gut gefällt, ist zudem, daß der Text sehr rund ist, einen guten Spannungsbogen hat - nicht zu viel nicht zu wenig erzählt, sie wirkt sauber durchkonstruiert. Du spielst schön mit Erwartungen: man erwartet schon, daß mit diesen Eiern was ist, aber der tatsächliche Übertritt in die Realität
(> Schuheputzen) kommt verzögert, wenn man nicht mehr damit rechnet. Ich habe Gänsehaut bekommen, das Beiläufige hier ist wirklich gruselig.

Auch ein bißchen gruselig, daß dieser Äffären-/Beziehungsanfang so ganz unspektakulär geschildert wird, weil der Prot halt schon mit den Gedanken ganz außerhalb dieser Welt angekommen ist.

Gemeine Traumbilder, die mich packen, ohne daß sie mir in ihrer Eigenartigkeit aufgezwungen werden - Du nimmst Leser zwar schon 'an der Hand', aber läßt immer genug Spielraum für eigene Phantasie.

Ich hab nur einen einzigen Tipper gefunden (und ein paar Kommata fehlen ab & an):

Pfefferminztee und ist dazu zwei Kekse.

Zwei Vorschläge:
durch seine Nase versucht es(KOMMA) sich seinen Weg in Herrn Tiedtkes Körper, in
In dem Satz würde sich erst einen dann seinen besser anhören, das holpert mit dem Namen hier.

Am Schluß bricht der Erzählton zu heftig in eine nüchterne Erklärung, und nimmt mir hier die Freiheit, die der Text mir die ganze Zeit ließ. Fühlt sich an wie los, fühl das jetzt nach! So isses! Du erklärst damit zu sehr, was Du selbst als Autor zeigen wolltest. Das schwächt die Wirkung, das können - und wollen - wir uns selbst denken. Finde, so wäre es viel stärker:

Als Annika klopft öffnet er die Türe nur einen Spalt. Sie bittet ihn, sie fleht ihn an, doch er schließt nur langsam diese Pforte und hört ihr weinen nicht. Moriturus te salutat, denkt er.

Herr Tiedtke wird ruhig gestellt. Damit er von einer Lösung träumen kann…

Toller letzter Satz ansonsten!
(Leerzeichen vor und nach ... übrigens, wenn Du nicht mitten im Wort abbrechen willst).

Was ich sehr schön fand:
Die gesamten ersten beiden Absätze, weil sie dieses Körpergefühl ausgesprochen gut wiedergeben. Man kann auch die ganze Hilflosigkeit fühlen, diese Distanz zur Umwelt, die man in so einem Zustand hat.

Überhaupt ist es hier nicht unangenehm, der Geruch eines gerade geborenen Kindes strömt in seine Nase, er spürt sein Herz schlagen, ganz ruhig. Herr Tiedtke watet durch einen Hain weißer Stämme, er denkt an Weidenkätzchen, an Zuckerwatte, an Kokosraspeln, an Puderzucker.
Schön und irgendwie auch schrecklich zugleich, toll verknüpft.
Es sind die Schreie eines Tieres, unartikuliert, wie ein Kind, dem die Sprache fehlt um auszudrücken, dass es etwas überhaupt nicht, auf den Tod nicht ausstehen kann.
Anschließend kehren sie bei Frau Warenfeldt, Annika, bitte, ein
Jo, das erklärt eine Situation, für die viele mehrere Zeilen brauchen, und das noch in einem hübsch beiläufigen Tonfall. Der sie gleich umfassend mitcharakterisiert. (Ich glaube allerdings, einkehren nimmt man nur bei Restaurants/Kneipen.)
Währenddessen träumt Herr Tiedtke von einer Welt ohne Größenvorstellungen.
'Währenddessen' ist eigentlich so ein sperriges Wort, aber gekonnt eingesetzt gibt es dem Satz einen tollen, unweltlichen und doch nüchternen Klang.
die Kälte des Wasser zieht unüberwindlich an seinem Selbsterhaltungstrieb, dann ist es vorbei. Er rutscht hinab, wird fortgeweht,
Ein schönes, eigentlich widersprüchliches Bild von Wasser auf Wind, ohne daß das Bild gebrochen wird, sondern eine ganz harmonische (naja, stilistisch :)), folgerichtige Logik entsteht. Unaufdringlich poetisch.
Es kann so nicht weitergehen hat Annika zu ihm gesagt. Mit diesen Alpträumen.
Schöner Rhythmus, mit der Aufteilung auf zwei Sätze.

Sehr schön. Ich lese sowas gern, weil es die Leichtigkeit, Lebendigkeit und auch das angenehme Unwohlsein auslöst, wie es sonst nur die klassische surrealististische Literatur kann.

Hoffe, Du kannst mit meinen Eindrücken was anfangen.
Herzlichst,
Katla

P.S.
So mit einem Gedanken an den Titel überlege ich grad, ob die "Realität" hier überhaupt die tatsächliche Wirklichkeit ist, oder ob die story drei Ebenen hat ... möglich, es so zu lesen wäre es. Letztlich verändert es aber nichts am Eindruck.

 

Hej Tierwater,

hat mir gut gefallen!!!

Herrn Tiedtkes Zusammenbruch gleicht einem Stranden, man kann praktisch zusehen, wie er noch eine Weile hin und zurück gespült wird und der Ausgang scheinbar ungewiss ist.

Die Alte-Frau-Szene in der Bahn und die anschließende Verletzung habe ich so verstanden, dass ihm jemand nachgegangen ist und ihn vor seiner Haustür zusammenschlägt.
Und obwohl es irgendwie passt, dass gerade in diesem Moment alles total schief geht, lenkt es mich auch ab und ein wenig aus der Geschichte raus. Diese Gewalt von außen - wenn ich das denn richtig verstanden habe - ist ein weiterer ungeheuerlicher Vorgang und hat nach meinem Empfinden in den zwei Absätzen zu wenig Raum um entsprechend zu wirken.

Herr Tiedtke bekommt nun seine Medizin.
Herr Tiedtke ist schwer krank.
Herr Tiedtke ist den Anforderungen dieser Welt nicht mehr gerecht geworden.
Herr Tiedtke konnte nicht einmal durch Liebe gerettet werden.
Herr Tiedtke wird ruhig gestellt.

Diese Wiederholungen passen für mich nicht zum Rest der Geschichte, sie wirken ganz im Gegenteil zu sonstigen Stil wenig elegant, vielleicht ist das Deine Absicht, so ein Bruch, aber auf mich wirkt das irgendwie ungeschickt.

Zwei Kleinigkeiten:

Er geht in die Küche und bereitet sich ein Butterbrot zu.
Klingt irgendwie überkandidelt bis falsch: "Ich ging in die Küche und bereitete mir ein Butterbrot zu."
Schmiert sich ein Butterbrot. Macht sich ein Butterbrot.

doch er schließt nur langsam diese Pforte und hört ihr weinen nicht.
Weinen groß

Viele Grüße
Ane

 
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Hi Katla,

vielen Dank, für Deine Kritik und auch für Deine Vorschläge und Anmerkungen.
Ich habe schon einige berücksichtigt.

Aber am schönsten ist, dass sie, meine Geschichte des Herrn Tiedtke, Dir gefallen hat!

Das Ende, und das muss ich zugeben, ist in der tat ein ziemlicher stilbruch, aber ohne die Aufzählung am Ende wäre es nicht dasselbe.

und mir kommen etwas zu oft Begriffe wie "es scheint ..." und so darin vor, aber vom Rhythmus her ist sie rund und der ist mir fast am wichtigsten!

nochmal danke schön!


Hallo Ane,
auch Dir Dank für Deine Worte!
Ich habe das "zubereiten" zu "schmieren" verändert und auch das Weinen editiert.
Der Schluss ist mir immer noch nicht ganz geheuer, ich habe daran rumgedoktort, noch ein paar Sätze eingebaut, sie dann aber wieder gestrichen. mhmmm, mal schauen, was mir da noch zu einfällt, nur grad halt nicht so viel...
merci beaucoup

 
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Moi tierwater,

kennst Du das Prinzip kill your darlings? Manchmal glaubt man als Autor, einige Sätze / Wörter seien ganz wichtig, dabei ist für Fremdleser die Wirkung sehr viel stärker ohne sie. Weil Leser lieber etwas eigenständig fühlen, als es auf's Brot geschmiert zu bekommen. Und oft betrifft das halt was, von dem wir uns besonders ungern trennen. Aber: Du mußt letztlich glücklich mit Deinem Text sein; Du bist der Autor. ;)

Ich wäre wirklich sehr interessiert ob Du nicht mal Lust hättest, eine Horrorgeschichte zu schreiben. Es gibt da ja nicht nur Blut-spritz und Zombies, sondern auch abstruse Gedanken, die Abgründe menschlicher Psyche ... und Horror kann nicht nur irreale, sondern auch surrealistische Elemente haben.
Naja, nur so eine kleine Herausforderung an Dich, es gibt so viele Facetten des Grusel, die hier auf der site noch nicht (genügend) erforscht wurden.

Herzlichst,
Katla

 

Salve tierwater,

für mich war das eine Geschichte auf den zweiten Blick. Anfangs hat mich der nüchterne, berichtartige Stil gestört, die Distanz, die Du zwischen Protagonisten und Lesern aufbaust, die scheinbare Zusammenhanglosigkeit der Szenen.
Aber je länger ich gelesen habe, umso mehr dachte ich, dass es genau so und nicht anders geschrieben werden musste; durch den Stil vermittelst Du sehr schön, wie Herr Tiedtke den Bezug zu sich und seiner Umwelt verliert, so dass nicht einmal extreme Erlebnisse wie der Überfall einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen.
Aber vielleicht ist es auch genau das, was ihn aus der Bahn wirft: ein für eine psychische Erkrankung disponierter Mann wird von stark beeindruckenden Erlebnissen (erste Beziehung seit langem, Überfall) vollends aus der Bahn geworfen.

Wenn die Szene mit den zerbrochenen Eiern in der Straßenbahn als Traumszene gedacht war, müsstest Du das (zumindest für mich) allerdings deutlicher hervorheben - ich habe sie als reales Ereignis gelesen.

Was mich in mehrfacher Hinsicht stört, ist der Schluss ab "Herr Tiedkte bekommt nun seine Medizin."
Erstens drängt sich der Erzähler hier unangenehm dominant in den Vordergrund. Durch den Berichtstil spielt er ohnehin eine wichtige Rolle, diese sozialkritisch wertenden Sätze, die das noch verstärken, empfinde ich als Leser als Gängelung.
Außerdem ging es die ganze Zeit um Herrn Tiedtke und sein Erleben, nun wird er zum Objekt, aber eben nicht nur zum Objekt psychiatrischer Behandlung (Medizin, ruhiggestellt), sondern zum Objekt des Erzählers.
Wenn Du seine Zukunft anreißen möchtest, würde ich mir wünschen, es geschähe stilistisch anders.

Dass ich diese unsäglichen Seitenhiebe auf psychiatrische Behandlung (ruhiggestellt) nur schwer ertrage, hat mehr mit meiner Profession als meiner Rolle als Leser zu tun - dennoch denke ich, dass diese allseits durchgehechelte Platitüde dem Text schadet, da er sich doch sehr differenziert mit der Wahrnehmung eines (nach meiner Interpretation) pschisch kranken Menschen auseinandersetzt. Auf der einen Seite einfühlsame Auseinandersetzung, auf der anderen Seite Klischees - da beißt sich die Katze selbst den Schwanz ab. (Aber das, wie gesagt, aus der persönlichen Warte.)

LG, Pardus

 

hi pardus,

auch Dir ein Danke schön für Deine Zeilen!
Ich habe das Ende nochmal überarbeitet und es etwas gekürzt, habe quasi Katla´s Tipp vom killing your darlings beherzigt und finde es im allgemeinen so nun auch runder. ob da allerdings:

unsäglichen Seitenhiebe auf psychiatrische Behandlung
drinnen sind, oder nicht liegt mehr an Deiner Subjektivität als an meinem Text. Nicht jeder muss sich da auskennen und auch nicht jede Erzählstimme muss fachlich gerechtfertigt darüber schreiben. gibt genug Menschen, die Angst davor haben!

aber das ist ja auch nicht der springende punkt.

also,

liebe Grüße und bis denn

 

Hallo Tierwater!

Eine tolle Geschichte, die ihren Reiz vor allem durch den Gegensatz des nüchternen Alltags Herrn Tiedtkes und der großartigen Traumsequenzen erhält.

Die Geschichte ist mehr als die genaue Beschreibung einer beginnenden Geisteskrankheit, und genau deswegen solltest du das, was du gestrichen hast, wieder hineinnehmen:

Herr Tiedtke bekommt nun seine Medizin.
Herr Tiedtke ist schwer krank.
Herr Tiedtke ist den Anforderungen dieser Welt nicht mehr gerecht geworden.
Herr Tiedtke konnte nicht einmal durch Liebe gerettet werden.
Herr Tiedtke wird ruhig gestellt.
Da spricht diese entfremdende Macht, dieses Außen, das die Menschen zu Hühnern in einer Legebatterie macht, und der Stil unterstreicht das hier auf eindrucksvolle Weise. Herr Tiedtke soll eben auch wieder in die Legebatterie zurück. Es erinnert in dieser Deutung doch ein wenig an Matrix.
Es bleibt also unentschieden, ob Tiedtke geisteskrank oder der einzig Sehende ist. Und deswegen muss das unbedingt drinnen bleiben.

Es kommen bestimmte Figuren oder Figurengruppen öfters vor: Das Kind auf dem Fahrrad mit der Mutter, die aggressiven Jugendlichen, die ältere Frau. Welche Bedeutung sie genau haben, vermag ich auch nicht zu sagen, aber auffällig ist, dass die Szenen Kind mit Mutter eher bedrohlich wirken, nicht heimelig, das Schreien eines Kindes kommt auch zweimal. Und Eier und Legebatterie legen nahe, dass das Problem der Welt und die Bedrohung darin aus ihrer reproduktiven Macht erwachsen. Dass die Wurzel des Übels schon im sich immer weiterproduzierenden Lebendigen an sich liegt.

Was die Geisteskrankheit betrifft: Tiedtke scheint ja ein typischer Beamter zu sein, ordentlich, diszipliniert, unauffällig, aber auch interessiert und gebildet, er beweist Zivilcourage. Ein perfekter und perfekt funktionierender Mensch eigentlich, nicht zuletzt zeigt sich das auch in der nüchtern beschriebenen Beziehung zu Annika, die eigentlich wie am Schnürchen abläuft, bis auf das Ende natürlich. Und für diesen perfekt funktionierenden Menschen ist diese weiße Welt und das Wasser sowohl Bedrohung (Kontrollverlust) als auch ein Sehnsuchtsort, an dem er sich gehen lassen kann. Vielleicht.

Sämtliche Unterlagen verteilt er sorgfältig, jedes Schriftstück an seinen vorgesehenen Platz.
das ist ein etwas umständlicher Satz: warum nicht einfach: Jedes Schriftstück legt er auf seinen vorgesehenen Platz?
doch als er nach unten blickt wird ihm schwarz vor den Augen
Komma: blickt, wird ...
bewusstlos zusammen zu brechen
zusammen: zusammenzubrechen
auf das Blatt voller Worte, dass vor ihm auf dem Pult liegt
Blatt ..., das vor ihm ...
Er hat den Geschmack von Chlor in seinem Mund
im Mund ... es ist klar, dass es sein eigener ist
Er öffnet seine Augen um sich zu orientieren und stellt fest
Kommas: Augen, um … orientieren, und …
ist aber selber völlig trocken
selbst
Er stützt sich mit beiden Armen am Pult auf
Er stützt sich mit beiden Armen auf das Pult
Er ringt um Luft, er blickt sich um
er ringt nach Luft - auch deswegen besser, um das doppelte "um" zu vermeiden
und es schießt ihm eine Fontäne Wasser aus dem Mund und er wird zur Seite gedreht
es ist hier unklar, wem das Wasser aus dem Mund schießt und wer zur Seite gedreht wird
es fühlt sich außerordentlich weich, und auch behaglich an
ohne Komma
in alle Programme seines Fernsehers hinein geschaltet hat
zusammen: hineingeschaltet
über ökologische Philosophie in sein Bett legt. Wenig später fallen ihm die Augen zu und er löscht sein Licht
ins Bett ... das Licht
Ein Kind schreit so laut es nur kann
Komma: schreit, so ...
Er trinkt einen Pfefferminztee und ißt dazu zwei Kekse
isst
sie ist gewellt, und hügelig
ohne Komma
und es scheint kleinere Verwerfungen und auch Krater zu geben. Ein Wind scheint durch den Hain zu streifen
Wortwiederholung:scheint
Seine Finger entgleiten dem Stamm, er rutsch ab
das kann man so nicht sagen: Der Stamm entgleitet seinen Fingern - rutscht
sein nächster Atemzug fühlt sich an, wie der beste Atemzug seines Lebens
ohne Komma
Augen wie Mündern
Münder
mit ihm pulsiert als sei sie selbst ein Lebewesen
Komma: pulsiert, als ...
Sie bittet ihn bei ihr zu bleiben, über Nacht und gemeinsam
Kommas: ihn, bei … Nacht, und …
Er ißt mit Genuss und beide berühren sich so oft sie nur können
isst - Komma: sich, so oft
herum auch aggressiver werden steht Herr Tiedtke auf
Komma: werden, steht ...
Die Mutter kommt herbei gestürmt
zusammen: herbeigestürmt
weich, wie eine Feder ist jede Berührung.
eher ohne Komma
Es kann so nicht weitergehen hat Annika zu ihm gesagt
Komma: weitergehen, hat ...
Du musst Dir helfen lassen
klein: dir
Es kommt zu einem Streit in dessen Folge Frau Warenfeldt die Wohnung
Komma: Streit, in dessen ...
Als Annika klopft öffnet er die Türe nur einen Spalt
Komma: klopft, öffnet
er der einzige sei
groß: Einzige

Gruß
Abdrea

 

Hi Andrea,

danke für Deine Zeichensetzungsberichtigungen, da muss ich zugeben, dass ich da richtig schlapp bin! muss mir die Regeln nochmal genauer anschauen!

und Du bist ganz nah dran, an meiner Intention. Aber mehr will ich noch nicht verraten, nur, dass es zwischendurch doch auch immer Ausbrüche aus dem Erzählton gibt, einen auf einmal viel mehr wissenden Erzähler, der auch schon ins Imperfekt greift!

So ganz überzeugt bin ich dennoch nicht von meinem alten Ende, und auch nicht von dem neuen, ich zaudere noch....

nochmal danke und tschö,
tierwater

 

Hallo tierwater

Deine Geschichte habe ich nicht ohne Vergnügen und flüssig gelesen, wenngleich die Füllen an Informationen erdrückend sind. In Herrn Tiedtke konnte ich mich gut reindenken, das Leiden der Albträume, die sein Dasein vereinnahmen, da er einer Behandlung abhold war, letztlich aber von dieser eingeholt wird. Das Absurde ist nackte Realität, das Innenleben einer Krankengeschichte, wie es wirklich vorkommen könnte.

Gruss

Anakreon

 

hallo anakreon,

danke fürs lesen und für Deine antwort.
war Dir das zu viel für eine kurzgeschichte, also an informationen?

liebe grüße,
tierwater

 

Hallo tierwater

Seltsame Geschichte. Noch dazu eine, die einem unter die Haut geht.

Das Laufrad, in dem wir uns alle Tag für Ta, mehr oder weniger bewegen, zeichnest Du gekonnt, wie bedrückend nach. Es gibt viele Geschichten, die das versuchen zu erzählen, doch wo viele scheitern, schaffst du es mit Bravour.
Überzeugend finde ich dabei die Sparsamkeit in Deiner Wortwahl. So gut wie kein Adjektiv färbt einen Satz. Die Sprache ist, wie sich das Leben des Herrn Tiedtke darstellt: grau, leer, eintönig.
Sogar belebende Hinweise, oder Tätigkeiten bleiben farblos. Ein paar Beispiele, wo es mir aufgefallen ist:

er wird zum Beispiel die Hälfte der Butter einfrieren

Farbe: weiß
Gefühl: kalt

In der Straßenbahn liegt eine Packung Eier auf dem Boden, alle sechs sind kaputt gegangen und Dotter und Eiweiß verteilen sich an Schuhen und Hosenbeinen.

Nebenbei bemerkt: ein großartiger Satz!
Farbe: weiß / gelb
Gefühl: leichter Ekel / man versucht nicht hinzusehen bzw. es zu ignorieren und achtet umso mehr darauf. Ganz doofes Gefühl. Kenne ich selber zur Genüge aus den öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn ich versuche die Welt auszublenden.

Er geht in die Küche und schmiert sich ein Butterbrot. Dazu trinkt er einen Schluck Milch.

Und schon wieder die Farbe weiß.

Das ganze Leben des Herrn Tiedtke ist so frei von Schnörkeln, dass es unerträglich scheint. Dieser Mensch wirkt gefühlt alt. Als ob er schon vor der Rente beschlossen hat, sich den Lebensstil eines Altenheim anzugewöhnen.

Als dann die schlimmen Träume anfangen möchte man ihn fast schon beglückwünschen. Weswegen ich das Ende fast als Happy End empfand.

Alles in allem, gerne gelesen.

Grüße

Mothman

 

Hallo Mothman,

danke für Dein Verständnis!
Mehr brauch ich nicht sagen!

liebe Grüße,
tierwater

 

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