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Leiche aus dem Sack

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16.12.2004
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Leiche aus dem Sack

Leiche aus dem Sack

Die Geschichte, die ich euch jetzt erzählen möchte wurde den Kindern in unserer kleinen Stadt gern als Gute-Nacht-Geschichte erzählt. Dabei ließen die Alten natürlichen einige Dinge aus, beschönigten vieles und ließen es romantisch wirken. Ich jedoch, war ein lebendiger Teil der Geschichte, habe leider alles miterleben müssen und so wie ich sie euch jetzt gleich erzählen werde, ist sie alles andere als eine Gute-Nacht-Geschichte.

Es begab sich zu einer Zeit ewiger Fäulnis und allgegenwärtiger Verdammnis. Der Tod war ein ständiger Begleiter. Kalter Wind kreischte über die Leichenfelder der Schlachten und durch die kahlen Gänge in den Burgen. Die Könige auf ihren hohen Stühlen vergreisten in ihrem eigenen Unrat. Das Volk siechte auf den Straßen dahin. Schwert und Blut, Krankheit und Kot wohin man sah. Für jede dunkle Ecke war man dankbar, damit man wegsehen konnte.
Zu eben dieser Zeit streifte eine Junge, von gerade mal 10 Lenzen, durch die Wildnis. Sein Leib war ausgehungert, die Kleidung zerrissen aber seine Wille voran zu kommen ungebrochen. Woher er stammte, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht war er der Sprössling eines der alten Adelshäuser. Das würde den prall gefüllten Lederbeutel erklären, der klimpernd an seiner Hüfte baumelte. Oder er war nur ein sehr begabter Dieb. Wie auch immer war das Auffälligste an ihm nicht der Sack voll Münzen, sondern das unförmige Bündel, ein in Tierfell gehülltes Etwas, welches größer als er selbst war und das er mit aller Anstrengung durch den Schlamm an einem straffen Strick hinter sich her zog. Ich nannte ihn Eric.
Über Wiesen und Felder, über Staub und Straße überall hinterließ das Bündel einen Streifen im Boden, wie eine Fährte. Mehr als einmal musste der Junge einen Fluss überqueren. Oft war keine Brücke in der Nähe, sodass Eric durch das fließende Gewässer watete und das Bündel, welches zum Teil oben schwamm, nutzte, um sich daran festzuhalten. Am schwierigsten war es dann, die schwere Last wieder aus dem Wasser zu bergen. Nicht selten brauchte er dafür mehrere Anläufe und nicht selten hätten ihn seine Kräfte im letzten Moment beinah verlassen. Einmal hatte ihm der Strom die Fracht entrissen. Panisch war er hinterher geschwommen. Hatte sich die Glieder an spitzen Steinen blutig geschnitten und viel Wasser geschluckt. Dennoch, es mag einem Wunder gleichen, hatte er es immer wieder geschafft sicher ans Ufer zu kommen und seine Reise fortzusetzen. Weiter über viele Ländereien. An steilen Hängen hinauf, wo er zwischen scharfkantigen Felsvorsprüngen nach oben kroch, eine Hand zum Klettern nutzte, während die andere den Strick fest umklammerte. Im strömenden Regen verwandelte sich jede kleinste falsche Bewegung in eine gefährliche Schlammlawine, die den Aufstieg erschwerte. Ich bewundere seinen Willen noch heute.

In einer kalten und klaren Nacht, die eigentlich viel zu schön und friedlich war für den Schrecken, der sie heimsuchen sollte, kamen der Junge und sein Bündel in unserer Stadt an. Mit gebeugten Knien, erschöpft und das wertvolle Gut über den Boden schleifend erreichte er unser Wirtshaus.
In den geräumigen Winkeln der „Prüden Gans“ waren die Stühle bereits hochgestellt, die meisten Kerzen erloschen und nur ganz vorm am Eingang saßen noch zwei Gäste schlaflos um ein Kartenspiel. Wirtlehrling Knochen war damit betreut, die letzten Einahmen genau zu zählen und den Essbereich für die Nacht vorzubereiten. Er ging gerade die Bücher durch, als sich die Tür öffnete und unser Eric hinein trat. Die drei Männer im Raum unterbrachen ihre Tätigkeit und starrten auf den neuen Gast. Knochen beäugte den Jungen in seinen zerschlissenen Kleidern skeptisch, aber einen noch skeptischeren Blick warf er auf das verdreckte Bündel Tierfell, welches ein widerliches Scharren auf dem Holzboden verursachte.
„Was willst du hier?“, fragte Knochen mit krächzender Stimme. Die beiden Gäste am Tisch, welche nicht schlafen konnten, grunzten leise.
Eric ließ den Strick los. Mit sichtbarer Erleichterung streckte er sich, stöhnte laut auf und ließ die Schultern kreisen. Dann nahm er den Beutel von seiner Hüfte. „Ein Zimmer für eine Nacht, bitte.“ Er legte ein paar silberne Münzen auf die Theke. „Geben Sie mir einfach irgendein Zimmer.“
Knochen war wie vor den Kopf geschlagen. Er starrte auf die Geldstücke vor sich und bekam wässrige Augen. Noch viel mehr jedoch interessierte ihn der Beutel mit dem restlichen Geld.
„Also eigentlich vergebe ich keine Zimmer an Kinder“, brachte Knochen zögerlich hervor. Da ließ der Junge noch mehr Silber klimpern.
Die Gäste regte neugierig die Köpfe.
„Bitte“, sagte der Junge, „ich will einfach nur ein Zimmer.“
Knochen nickte eifrig mit glänzenden Augen. „Natürlich.“ Er nahm einen Schlüssel von der wand hinter sich. „Ich bringe dich zu deinem Zimmer.“ Er umrundete die Theke und bückte sich zu dem Bündel. „Lass dir dabei helfen.“
„NEIN!“
Der Schrei des Jungen stieß Knochen brutal zurück und fuhr ihm tief in die Glieder. Er sah erschrocken hoch. Da nahm Eric schon wieder den Strick fest in die Hand. „Ich trage es allein“, sagte er mit fester Stimme. „Bitte, mein Zimmer.“
Knochen nickte nur wieder und ging voran, die Stufen hinauf. Eric folgte ihm stöhnend und ächzend. Die beiden Gäste sahen begierig hinterher.

In seinem kleinen Zimmer angelangt fiel der Junge augenblicklich ins Bett. Staub wirbelte dabei aus der Decke auf und kitzelte ihn in der Nase. Er nieste ein paar mal, dann schlief er ein. Unter dem Bündel, das schwer am Fuße des Bettes lag, quoll eine schlammige Pfütze hervor.
Als sich die Tür wenige Minuten später leise öffnete schlief Eric noch immer, das Bündel jedoch nicht.

***

Mit donnerndem Lärm rüttelte die Tür in ihrer Halterung, als jemand von draußen energisch dagegen klopfte.
„Öffne die Tür Bursche!“, brüllte eine barsche Stimme. „Hier spricht Hauptmann Slavik der Stadtwache. Öffne sofort die Tür!“
Eric wachte aus scheußlichen Träumen auf. Er verdrängte Bilder von Blut und Tod und blinzelte in die Morgensonne, die durch das verdreckte Fenster matt hinein schien. Noch immer wurde die Tür in ihren Angeln geschüttelt. Es schien, als wollte der Hauptmann sie mit den Fäusten zu Boden ringen.
Eric hörte die Rufe und wusste sofort was geschehen war und kämpfte gegen die Tränen an. Jede Nacht ging das so. Jede Nacht hatte er gehofft, es wäre am nächsten Morgen einfach vorbei. Aber nein, das längliche Bündel lag, wie jedes Mal, vor seinen Augen. Und irgendwo in der Nähe gab es Tote. Eric sah ein, dass er keine Zeit hatte, sich seiner Verzweiflung hinzugeben. Leider hielten sich die Tränen nicht daran und er musste schluchzen, als er seine Flucht plante.

Hauptmann Slavik, hoch gewachsen, mit dichtem schwarzem Haar, strengem Blick und einem schroffen Kinnbart trat einen Schritt von der Tür zurück. Er trug seinen geputzten Lederharnisch und legte die behandschuhte Hand auf den Griff seines Kurzschwertes.
„Er wird die Tür nicht öffnen. Sicher, dass dies das richtige Zimmer ist?“ Die Frage richtete er an die beiden Gäste, welche scheu geduckt am Treppengeländer standen und ihre kreidebleichen Köpfe hoben und senkten. Slavik sah zu der Leiche des Wirtlehrlings. Knochen lag wie zusammengekehrt in der Ecke.
„In Ordnung Männer.“ Seine drei Gefolgssoldaten zogen langsam ihre Schwerter, sichtlich nervös in Anbetracht dessen, dass sie gleich einem brutalem Mörder gegenüber stehen sollten. Auch wenn es nur ein Junge sein sollte. Ihre Erfahrung auf diesem Gebiet war mehr als spärlich.
Ohne ein weiteres Wort trat er brüllend gegen die Tür. Es krachte laut, als das Schloss herausgesprengt wurde. Danach schwang die Tür einfach auf.
Drinnen war zur Verwunderung aller niemand. Aber das Fenster stand sperrangelweit offen. Slavik überwand seine Überraschung schnell und sah hinaus.
„Tapferer kleiner Junge“, sagte er für sich. Er wandte sich seinen Männern zu: „Los nach unten! Er will fliehen.“

Entschuldigt bitte die Unterbrechung. Aber ich finde es nun doch schwieriger, von mir in der dritten Person zu erzählen, als anfangs gedacht. Ich war und bin Hauptmann Slavik, der am frühen Morgen zur „Prüden Gans“ gerufen worden war und in aller Eile nur drei Männer zusammen bekommen hatte. Ich kannte Knochen. Er war nicht unbedingt der Hellste und auch nicht frei von Sünden. Eigentlich war er sogar ein ziemlich linker Kerl, doch zusammengekrümmt in eine dreckige Ecke geworfen, wie ein Stück nutzloser Plunder, mit schreckgeweiteten Augen, das hatte selbst er nicht verdient.
Die beiden fahlgesichtigen Gäste waren wenig hilfreich gewesen. Sie stammelten etwas von einem Geist und dann, was mich aus der Fassung warf, von einem Jungen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Kind zu solch einer Tat im Stande wäre. Aber ich hoffte, er könnte mir einen Hinweis auf den Mörder geben. Heute weiß ich, dass meine Vermutung wohl richtig gewesen wäre. Hätte ich damals doch nur daran festgehalten. Aber lest bitte bis zu Ende, bevor ihr über mich urteilt. Ich wüsste gern, ob ich eine andere Wahl gehabt hatte.

Wir rannten einer Schleifspur folgend in Richtung Stadtrand und schließlich in den Wald außerhalb. Dort verrieten uns umgeknickte Zweige und aufgewühlter Boden den Weg. Auf einer Lichtung mit Bänken und Gebäuderuinen aus verwittertem Stein fanden wir ihn schließlich. Er hatte sich erschöpft niedergelassen, sprang jedoch bei unserem Anblick auf und sah sich nach einem Fluchtweg um.
„Da ist er!“, rief einer meiner Männer heraus. „Komm’ her Junge und lass dir von mir Manieren beibringen“ Ich hielt ihn zurück: „Beruhigen Sie sich Soldat!“, wies ich den Mann an.
„Er hat meinen Vetter getötet!“ Dem Mann stand der Zorn im Gesicht, als ich ihn gewaltsam an mich zog. „Und ich werde Sie töten“, ermahnte ich ihn, „wenn Sie sich nicht sofort wie ein Soldat verhalten!“
Ich wandte mich den beiden anderen zu: „Der Junge wird vor Gericht gestellt, wo er aussagen kann. Genau so, wie es unser Gesetz verlangt.“ Ich legte allen Nachdruck in meinen Blick und wies an, den Jungen zu mir zu bringen. So weinerlich, wie er dastand und immer noch nach einem Ausweg suchte tat er mir leid. Ich kniete mich zu ihm herunter und legte meine Hand auf seine Schulter.
„Beruhige dich, ganz ruhig“, flüsterte ich ihm zu. „Wir bringen dich zurück in Stadt, dann kannst du uns in aller Ruhe erzählen, was geschehen ist. Dir passiert nichts.“ Er zitterte. „Wie ist dein Name? Frierst du?“
Aber statt mit zu antworten redete der Junge leise vor sich hin, ich konnte ihn kaum verstehen und musste mich ganz nah an ihn heranbeugen.
„...konnte ihn nicht zurücklassen. Er wollte mich doch nur beschützen und nun sind alle tot. Warum lässt man uns denn nicht einfach in Ruhe, ist das so schwer? Ich konnte ihn nicht zurücklassen...“ Er wiederholte die Worte immer und immer wieder. Ich für meinen Teil konnte mir einfach keinen Reim daraus machen.
„Was machen wir hiermit Hauptmann?“, ertönte die Stimme eines meiner Soldaten.
Ich erhob mich und war froh, mich nun doch einige Schritte von dem Kind entfernen zu können, welches mir ein wenig unheimlich geworden war.
Der Soldat, der mich anrief, stand vor dem merkwürdigem Bündel.
Ich besah die liederlich zusammengenähten Tierfelle, die von Schmutz und Dreck verkrustet waren und einen unförmigen länglichen Körper umwickelten. Für mehr Halt war das Bündel mit kreuz und quer geschnürten Stricken versehen. Irgendetwas an diesem Bild schreckte mich ab und jagte mir eiskalte Schauer über den Rücken. Aber vor meinen Männer durfte ich in keinem einzigen Moment Schwäche zeigen. Ihre Loyalität beruhte auf meiner Stärke. So sehr ich dieses Prinzip auch immer unterstützt haben mochte, an diesem Tag war mir mulmiger zumute, als mir selbst lieb war.
„Dann sehen wir mal nach“, sagte ich mit frischem Tatendrang beseelt, der wohl nur meine Ängste kaschierte. Ich bückte mich herab und begann das Bündel an einem Ende zu öffnen. Mit einem Ruck zerriss die Naht und gab einen schockierenden Anblick frei.
Meine Männer brüllten. „Ich bring dich um, Sohn einer räudigen Hündin“, schrie der Soldat ohne Vetter und schlug Eric ins Gesicht. Darauf zogen alle drei ihre Schwerte und durchbohrten den Jungen gleichzeitig.
Er starb im Stehen, gestützt von den Klingen in seinem Leib, beide Hände zu Klauen verkrampft gen Himmel gestreckt und das Gesicht schmerzverzerrt. Sein Schrei hallte lange in den Ästen der Baumkronen.
Mir fehlte die Luft als ich in das totenbleiche Gesicht eines alten Mannes vor mir starrte.

Wir begruben die Leiche des Mannes aus dem Bündel auf unserem Friedhof. Als Opfer hatte er dies verdient. Der Junge hingegen galt als Mörder und bekam daher kein Begräbnis. Wir ließen seinen Leichnam auf der Lichtung verrotten. Die Natur nahm sich in jeder krabbelnden, schlurfenden und kriechenden Form seiner lechzend an.

***

In der ersten Nacht danach starben die beiden letzten Gäste der „Prüden Gans“ auf nicht natürliche Weise. Man fand sie tot über ein Kartenspiel gebeugt. Sie konnten wohl mal wieder nicht schlafen. Jetzt wollten sie nicht mehr aufwachen.

In der zweiten Nacht traf es meine Soldaten bei der Wache. Sie mussten gerade ihrem Patrouillendienst nachgegangen sein, denn man fand sie verstreut über die Stadt im Rinnstein liegend. Fäkalien plätscherten in ihren offenen Mündern. In dieser Nacht spürte auch ich den eisigen Hauch im Schlaf. Es ließ mich hochfahren und durchs Zimmer wandern. Nach einer Weile blieb ich am Fenster stehen, wo ich mit einem Blick nach draußen jeden vergehenden Moment bis Sonnenaufgang zählte.

Am Morgen vor der dritten Nacht schritt ich über den Friedhof, begleitet von einem feinen Nieselregen. Schlamm gluckste unter meinen Schuhen und ich hinterließ eine Spur im feuchten Gras.
„Grabt ihn aus!“, wies ich ein paar Burschen an, die ihr Brot auf dem Friedhof verdienten. Sie nahmen ihre Schaufeln in die Hand und begannen zu arbeiten.
Ich war kein abergläubischer Mensch. Über meinem Bett hing ein Kruzifix und der Glaube an Gott war dieser Tage das einzige, was uns zum Aufstehen trieb. Ich wusste nicht, woran ich mich sonst halten sollte und wie ich das erklären könnte. Mir fiel einfach nichts anderes ein als das, was uns die Kirche predigte: Teufel und Dämonen.
Ob ich damit das Richtige tat, den Leichnam, wie es für Hexen und Hexer üblich war, zu verbrennen und seine Asche dann im Wald über der Lichtung zu verteilen, weiß ich nicht. Aber es erschien mir immer noch besser, als überhaupt nichts zu unternehmen. Die Menschen hatten Angst ringsum mich. Um es nicht in einem heillosen Durcheinander enden zu lassen musste sie einer führen. Ich handelte auch nur nachdem, was mir zuerst in den Sinn kam. Gesetzte für solch einen Fall gab es nicht.

Ich selbst war es damals gewesen, der die Asche verstreute. Aus einem Tonkrug nahm ich eine Hand voll und ließ sie in einem feinen Strahl, den der Wind immer wieder auffächerte, auf den Waldboden rieseln. Die Überreste des Kindes lagen im modrigen Laub, nur wenige Schritte von meinen Füßen entfernt. Ein feistes Grinsen stach mir aus dem faulenden Fleisch entgegen.
Mir war kalt und glaubt nicht, dass ich in diesem Moment keine Angst gehabt hatte. Doch viel mehr als der Anblick schmerzten mir die Trauer über das Geschehene und der Wahnsinn dessen. Ich konnte nur zusehen, wie die Kadaver verwesten, die Menschen des Redens darüber müde wurden und alles in Vergessenheit geriet. Ich bedauerte die Toten und fand mich lange mit diesem Schicksal ab. Bis ich es euch heute erzählt hatte.
Ich mag euch gegenüber vielleicht nicht ganz ehrlich gewesen sein. Viele Leute, vor allem Eltern gegenüber ihren Kindern, erzählen die Geschichte sicherlich mit einem Stock oder Knüppel, der auf magische Weise aus einem Sack hervorkommt. Nun, Verdrängung scheint für die Meisten ein wirksames Heilmittel für unliebsame Erlebnisse zu sein. Bei mir war und ist es nicht so. Andererseits mag ich manche Dinge auch falsch ausgelegt haben. Vielleicht hat Knochen nie auf das Geld gestiert, vielleicht war die Reise des Jungen eine ganz angenehme gewesen. Vielleicht war er aber auch wirklich nur ein kleiner hinterlistiger Mörder. Ich hoffe es jedenfalls.
Der Irrsinn hat mich ins Gebirge verschlagen, fern von meiner Heimat, mich viel zu schnell altern lassen. Hier in einer abgeschiedenen Höhle, wo es kalt und nass ist, lebe ich nun und möchte mich zur Ruh legen. Noch immer spüre ich des Nachts diesen eisigen Hauch. Und wenn ich dann hochschrecke kann ich den Geist sehen. Einen alten Mann, dessen nacktes weißes Fleisch im Mondlicht schemenhaft flirrt. Er legt seine knochigen Hände um meinen Hals und würgt mich. Ich kann mich dabei nicht wehren. So erscheint es mir in der Nacht und dann schwöre ich mir, nie wieder einzuschlafen. Das müssen meine Männer gesehen haben, kurz bevor sie gestorben sind.
Ich werde weiter suchen. Ähnliche Ereignisse wie in unserer Stadt haben sich auf anderswo ereignet. Ich hoffe, dass wenn ich erklären kann woher der Junge stammt, mich diese grausamen Visionen verlassen.
Ich hasse es zu gähnen.

 
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Tach Scharker,

ich finde die Geschichte eigentlich ganz gut.
Du hast einige schöne Formulierungen benutzt.

Hier ein Beispiel:

Wir ließen seinen Leichnam auf der Lichtung verrotten. Die Natur nahm sich in jeder krabbelnden, schlurfenden und kriechenden Form seiner lechzend an.
Ich finde den Satz sehr gelungen.

Ich nannte ihn Eric.
Meiner Meinung nach, hättest du diesen Satz weglassen können.
Ich finde, das hätte der Geschichte an Atmosphäre gut getan, wenn der Erzähler den Jungen nur mit "Junge" angesprochen hätte und auch mit diesem Wort über über ihn berichtet. Immerhin weiß der Mann den Namen des Jungen nicht und wieso sollte er sich einen ausdenken?

Was ich schade fand, das du nur sehr kurz beschrieben hast, was denn nun im Beutel ist, gut die Überschrift sagt eigentlich schon alles und man kann es sich auch denken, aber dafür das du die ganze Zeit von dem Lederding erzählst, hast du nur einen Satz gebraucht um zu schreiben, das es ein alter Mann ist, der sich darin befindet.

Das ein 10jähriger eine Leiche mit einer Hand einen Abhang raufträgt ist nicht wirklich realistisch, gut, aber das nur nebenbei.

von Blut und Tod und blinzelt in die Morgensonne,
bei "blinzelt" fehlt wohl ein "e".


Was ich nicht ganz verstehe, der Erzähler berichtet von Dingen bei denen er gar nicht anwesend war, am Ende sagt er noch, das er sich auch geirrrt haben könnte und alles ganz anders gewesen sein hätte können, wieso erzählt er denn dann überhaupt das, was er nicht sehen konnte.
Überhaupt fand ich, dass das Ende der restlichen Geschichte nicht gerecht wird. Das der Typ jetzt Einsiedlermäßig in den Bergen wohnt und den Moralapostel spielt, das die Menschen schreckliche Erreignisse vergessen, ist meiner Meinung nach lahm. Mir kommt es im letzten Absatz so vor, als ob der Erzähler den Menschen vorwerfen würde, das sie alles verdrängen, aber wenn sie es so wie der Erzähler machen täten, müssten sie dann nicht alle in feuchten Höhlen im Gebirge leben?
Der letzte Satz ist (für mich!) nicht gut genug, um die Geschichte zu beenden.
Ein gutes Ende zu finden ist schwer, es soll natürlich kein 0815-Ende werden, bei dem der Typ am Ende doch noch von dem "Monster?" getötet wird, aber das er sich bei dem Jungen entschuldigt obwohl er sich doch nicht sicher ist das der Junge unschuldig ist, ist merkwürdig.
Er sagt es selbst, das der Junge ebenso gut ein hinterlistiger Mörder sein könnte und dann würde ein Hauptmann doch wohl kein Mitleid haben, oder verstehe ich was falsch?

Irgendwo hast du glaube ich noch "wand" klein geschrieben, was glaube ich groß gehört, weiß aber nicht mehr wo.

Die Überreste des Kindes lagen im modrigen Laub nur wenige Schritte von meinen Füßen entfernt.
Zwischen "Laub" und "nur" gehört glaube ich ein Komma.

„Ich bring dich um, Hurensohn“
Ich habe nichts gegen harte Sprache in Geschichten, aber irgendwie passt das Wort "Hurensohn" nicht wirklich in den Sprachgebrauch deiner Charaktere.

Ich muss dich für die Formulierungen loben, die sind dir meiner Meinung nach echt gut gelungen wie bereits erwähnt.

Der Titel verrät meiner Meinung nach zuviel, "Leiche aus dem Sack" ist ja eigentlich der (zwar im vorraus klarer AHA-Effekt in der Geschichte.
Ich würde den Titel ändern, in etwas nichtssagenderes wie "Der Lederbeutel" oder whatever. Aber das bleibt dir über.
Alles in allem eine unterhaltsame Geschichte.

Es grüßt dich

Jekyll and Hide

FEHLER GEFUNDEN: Habe jetzt das Wandding gefunden,

Er nahm einen Schlüssel von der wand hinter sich
Hier gehört Wand groß...so, jetzt bin ich befriedigt...

 

Hi Jekyll and Hide!

Dankschön für deine im Großen und Ganzen recht positive Kritik. Sowas liest man ja immer gern!:D
Mit dem Ende der Geschichte hast du ganz recht. Ist bei mir immer so, dass ich ein Bild im Kopf habe und dann dazu die Geschichte schreibe und zum Schluss fehlt mir dann ein geeignetes Ende. Vielleicht fällt mir durch Zufall ja doch noch ein besseres ein, ich hoff's jedenfalls:confused:
Mit dem sehr "freizügigen" Titel wollte ich eigentlich von Anfang klar machen, was sich in dem Bündel befindet. das sollte die Vorstellung dessen erleichtern. Dachte, das wär' ne gute Idee...
Zu Anfang sollte der Junge auch einfach nur "Junge" genannt werden. Warum ich mich letztendlich für einen Namen entschied, weiß ich selbst nicht mehr so genau. Sollte persönlicher wirken.

Nochmals Danke und Gruß!

Scharker

 

Hi Scharker.

Also, mir hats gefallen; und zwar uneingeschränkt. Eine tolle kurze Geschichte, in die man sich so richtig schön hinein fallen lassen kann. Liegt vielleicht auch daran, dass ich diese etwas mystischen Erzählungen alter Herrschaften mag.

Fasziniert hat mich ebenfalls, dass du sehr mit der Vorstellungskraft des Lesers spielst. Du kaust ihm nicht alles vor (ich spiele hier auf die nicht vorhandenen "Ekelszenen" an). Der Leser weiß, dass in dem Sack eine Leiche ist, die Menschen tötet (ich hätte mich da ja so richtig ausgelassen :D ); dadurch aber, dass du auf jegliche Beschreibungen verzichtest, wird es beinahe noch heftiger.

Ach ja, ein Manko hat die Geschichte denn doch. Dieser Perspektivwechsel gefiel mir nicht so. Warum stellst du den Ich-Erzähler nicht bereits zu Anfang als Hauptmann Slavik vor? Okay, Geschmacksache.

Diesen Satz finde ich besonders gut:

Zitat Scharker:
Vielleicht fällt mir durch Zufall ja doch noch ein besseres ein, ich hoff's jedenfalls
Alter Schwede, du hast doch noch nie eine deiner Geschichten korrigiert, oder?! :lol:

Den Titel finde ich übrigens gut. Ich denke, der Leser muss nicht im Unklaren sein, was sich da in dem Sack befindet, da hier ja mehr der innere Konflikt des Erzählers im Vordergrund steht.

Hat mir wirklich gefallen.

Gruß! Salem

 

Hi Fellows!

Erstmal, danke für eure Kritkiken.

@ Salem: Zitat: "Alter Schwede, du hast doch noch nie eine deiner Geschichten korrigiert, oder?!" - Was für eine hundsgemeine Unterstellung!:D Ich hab das Ende jetzt doch ein wenig verändert. Is vielleicht nicht sehr viel besser, aber anders. So!
Der Perspektivenwechsel war auch eher eine spontane Idee. Irgendwie wollt ich dem Hauptmann mehr "Gesicht" geben. Halt Geschmackssache.

@ Jacky3: Da kann ich doch nur sagen: Danke!


Freut mich, dass es euch gefallen!


Gruß, Scharker

 

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