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Leidende Liebe
„Aber letztes Mal war das doch noch nicht, oder?“ fragt er verunsichert. Man merkt, dass es ihm kalt den Rücken runterläuft. „Doch, es war beim letzten Mal auch schon so. Es tut mir so leid!“ „Ja, dann ändere es doch, verdammte Scheiße!“ Aus seinem linken Auge läuft eine Träne über die Wange, an seiner Nase entlang, bis zur Oberlippe. Ihm bleibt gar nichts anderes übrig, als die Träne mit der Zunge zu entfernen. Der salzige Geschmack scheint ihn fertig zu machen, jedenfalls schluchzt er jetzt einige Male. Fünf-, sechsmal vielleicht. Niemand zählt es. Er dreht sich zur Seite und visiert die Haustür an. Wie oft hat er davon geträumt, hier zu stehen? Wie oft hat er nachts wachgelegen und daran gedacht, ihr in die Augen zu blicken? Auch das zählte niemand. Warum auch? „Ich glaube... Es ist besser...
Geh’ jetzt bitte!“ zwängt sie aus sich heraus. Wortlos hebt er die rote Rose, die er ihr schenken wollte, wieder auf. Sie fiel ihm aus der Hand, nachdem sie ihren Freund erwähnte.
Er hält die Rose vor seinen Augen, einige Zeit. Auch sie gewöhnt sich an das Standbild. Mit einem Mal beginnt er, die Blume zu zerpflücken, zu zerreißen. All seinen Frust scheint er hineinzustecken. Beide Blicke wenden sich dem Boden zu. Was für ein Anblick! Über den ganzen Flur verteilt liegen die Pflanzenreste, bis auf den Kopf. Den steckt er sich in den Mund, kaut zweimal fest darauf und spuckt ihn in ihre Richtung. Er trifft sie nicht. Das sah aber nicht gut aus, hätte er sich sparen können. Er verlässt das gemütliche Haus, knallt die Tür ganz laut zu. Sie sackt auf den Boden und fängt an zu heulen. „Er ist der Bessere. Aber jetzt hat er es sich vermasselt. Er ist so niedlich, selbst wenn er wütend ist. Jetzt kann ich den Boden wischen. Vor zwei Wochen wäre es ein besserer Zeitpunkt gewesen.“ Diese Gedanken spurten nun durch ihren Kopf. „Sie weiß doch gar nicht, was sie tut. Schlampe! Statt an sie zu denken, hätte ich schlafen können. Die Rose hat 2 € gekostet. Ich liebe sie doch.“ Diese Gedanken spielten sich hinter seinen gläsernen Augen ab. „Hey, warte mal!“ ruft sie ihm hinterher. Er läuft weiter. „Warte!“ schreit sie nun. Er bleibt stehen, blickt aber nicht zurück.
„Ich habe keinen Freund!“, lügt sie. „Und ich möchte keine Freundin, die mich belügt!“ erwidert er und geht die Straße entlang, vorbei am Lebensmittelladen und Friseur. Sie rennt ihm hinterher und tritt ihn mit Schwung in den Rücken, sodass er hinfällt und ihm wieder eine Träne, diesmal rechts, über die Wange kullert. „Du hast keine Wahl!“, sagt sie schmunzelnd. „Geh’!“ schreit er sie an. „Du hast einen ganz anderen Humor!“ „Oh, diesmal hab ich es vermasselt.“, denkt sie sich. Sie kehrt um in Richtung Zuhause und beginnt den Boden zu schrubben, um seine letzten Spuren zu verwischen.