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Leseratte

cwb

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20.10.2008
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Leseratte

Ein neues Buch. Gierig öffne ich es, verschlinge die ersten Sätze. Der Protagonist ist sympathisch, auch wenn die Handlung noch zu wünschen übrig lässt. Also lese ich weiter. Nach einer Weile, dreißig Seiten oder so, merke ich langsam, wie ich müde werde. Gefährlich. Ein schlechtes Zeichen. Was hat sich der Autor dabei nur gedacht? Er soll doch den Leser fesseln. Vielleicht auf den nächsten Seiten.
Angeschmiert. Auch nach fünfzig Seiten noch keine Spannung, keine Richtung. Schwer seufzend lege ich das Buch aus der Hand. Welch eine Zeitverschwendung!
Das nächste Buch, ein neuer Versuch. Die Hauptperson, ein zerrissener Charakter, erlebt schon auf den ersten Seiten eine haarsträubende Situation nach der anderen. Völlig unglaubwürdig, aber amüsant zu verfolgen. Ehe ich mich versehe, habe ich es fast zur Hälfte durch. Die Handlung wird immer absurder. Aber auch immer lustiger. Je weiter ich vordringe, desto häufiger halte ich beim Lesen inne, weil ich herzhaft lachen muß. Ein tolles Buch!
Langsam merke ich, wie ich müde werde, aber jetzt abbrechen und das Buch weglegen? Um keinen Preis der Welt! Endlich erreiche ich die letzten Seiten. Meine Augen brennen, seit Stunden sitze ich nahezu bewegungslos in meinem Sessel, steif durch die andauernde Reglosigkeit. Trotzdem, jetzt nur nicht aufhören! Es fehlen ja nur noch ein paar Sätze.
Es ist vorbei. Ich fühle mich eigenartig. Mein Körper gehört nicht mehr mir. Alles tut mir weh, ich kann mich kaum noch rühren. Aber in meinem Kopf sind immer noch die Bilder, die die Worte in mir erzeugt haben. Herrlich. Welches Genie hat das bloß geschrieben? Weiß es um die Wirkung auf mich?
Ich stehe auf. Ok, ich versuche es. Beim dritten Anlauf habe ich es geschafft. Ich stehe. Blind und taub für meine direkte Umgebung wanke ich durch den Raum. Erst als ich an der Küche vorbeigehe, merke ich, wie hungrig ich bin. Ich gehe zum Kühlschrank und sehe nach, was dort noch an Essbarem vorhanden ist. Nichts. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, daß alle Geschäfte schon seit Stunden geschlossen sind. Fluchend verlasse ich die Küche und gehe hungrig zu Bett.
Es dauert lange, bis ich schließlich einschlafe. In meinen Träumen verfolgen mich wirre Bilder der Geschichte, die ich gelesen habe. Am nächsten Morgen wache ich zerschlagen auf. Bei der Morgenroutine, duschen, rasieren, Zähne putzen, Toilette aufsuchen, werde ich langsam munter. Erfrischt und mit einem mordsmäßigen Hunger verlasse ich das Haus, gehe zum Café. Ich bin Stammgast dort. Die Hostess, Melanie, serviert fast jeden Morgen. Deshalb steht ein großer Becher Kaffee vor mir, kaum daß ich sitze. Wenig später erscheint sie mit meinem englischen Frühstück. Hungrig falle ich über die Köstlichkeiten her, aber in Gedanken bin ich schon wieder in meinem bequemen Sessel, sehe mich mit dem nächsten Buch dort sitzen. Ich werde unruhig. Hastig schlinge ich die Reste meines Mahls herunter, stehe auf und verlasse das Café. Zahlen brauche ich nicht, der Verlag, bei dem ich als Lektor arbeite, begleicht am Monatsende alle meine Rechnungen, auch die im Café.
In meiner Wohnung angekommen greife ich sofort nach dem nächsten Buch. Eine Liebesgeschichte diesmal. Hmm. Nicht so mein Ding. Trotzdem fange ich an zu lesen. Der Held, natürlich, wie könnte es anders sein, ein Mann, neben dem Adonis vor Neid erblassen würde. Die Heldin, welch eine Überraschung, eine Mischung aus Mutter Theresa und der Playmate des Jahres. Angewidert werfe ich das Buch nach zehn Seiten in die Ecke. Welcher Idiot schreibt so einen Schrott?
Das nächste Buch ist schon besser. Ein Krimi diesmal. Die Handlung so lala, aber gut geschrieben. Gut zu lesen. Zufrieden lasse ich mich tiefer in den Sessel sinken und lese weiter. Plötzlich klingelt das Telefon. Mein Chef. Er fragt mich, wie weit ich mit meiner Arbeit bin. Ich arbeite dran, antworte ich ihm, wohl wissend, daß mein kleines Wortspiel bei ihm völlig fehl am Platze ist. Korinthenkacker! Wieso lässt er mich nicht in Ruhe? Nach endlosen Minuten endet das Gespräch. Melde dich, sobald du fertig bist, sagt er noch und legt auf. Ich lege den Hörer beiseite und lese weiter. Plötzlich, unvermittelt, ist das Buch Zuende. Ich hefte eine kleine Notiz an das Manuskript und greife zum nächsten. Wieder ein Krimi. Nach ein paar Seiten lege ich es beiseite, nicht etwa, weil es schlecht wäre, sondern weil ich mich nach Abwechslung sehne.
Die nächste Geschichte, eine psychologische Studie. Mein ersten Eindruck. Gelangweilt arbeite ich mich durch die Seiten, merke dabei nicht, daß die Geschichte unmerklich in mich eindringt. Erst als ich vor Kälte erschauere, halte ich inne. Erstaunt schüttele ich den Kopf. Die Kälte in meinen Gliedern ist beißend, ich werde sie einfach nicht los. Warum? Verwirrt fange ich noch einmal von vorne an, lese konzentriert Wort für Wort. Langsam begreife ich. Die Hauptperson, ein Lektor, von seiner Arbeit besessen. Lebt allein. Arbeitet Zuhause, keine Freunde. Einsam. Einsam? Ich fühle mich nicht einsam!
Ich lese weiter. Wie kommt der Autor auf die Idee, daß der Lektor anderer Leute Leben zerstört? Er macht doch nur seinen Job. Zitternd lasse ich die Seiten sinken. Nach einem Augenblick hebe sie wieder an. Ich kann nicht anders, ich muß weiterlesen. Unvermittelt Szenenwechsel.
Der Autor. Sitzt in seiner Kammer und schreibt wie ein Besessener. Reiht Wort an Wort und verflucht dabei die Welt. Dem Wahnsinn nahe. Kämpft sich weiter, eine Seite nach der andern. Sehr plastisch.
Erneut lasse ich das Manuskript sinken und erschauere. So habe ich mir das Schreiben nie vorgestellt. Nach einem Augenblick lese ich weiter.
Immer noch der Autor. Sein dritter Roman bereits. Die beiden ersten abgelehnt. Er weiß, wenn es jetzt nicht klappt, wird es nie klappen. Verbissen hämmert er auf die Tastatur, vergisst dabei die Zeit. Hört erst auf, als er vor Erschöpfung die Buchstaben nicht mehr erkennt. Leidet Qualen, weil er nicht mehr schreiben kann.
Alkohol!
Dieser Gedanke zieht durch sein müdes Hirn. Hilft, die Erschöpfung zu vertreiben, bringt ihn dazu, weiterzuschreiben.
Ich unterbreche kurz, stehe auf, öffne eine Flasche Wein, lasse ihn atmen. Dann, der erste Schluck. Herrlich weich und warm rinnt der Rebensaft durch meine Kehle. Getränk der Götter, denke ich, setze mich wieder hin und lese weiter.
Auch der Autor trinkt Wein. Beschreibt, wie ihn die rote Flüssigkeit beflügelt. Wie von selbst reihen sich die Buchstaben aneinander. In einem Nebensatz, unauffällig, fast hätte ich es überlesen, die Weinsorte, die er trinkt.
Kein Zweifel möglich, derselbe Wein, den ich gerade trinke. Erschrocken halte ich inne. Zufall, denke ich und schüttele den Kopf. Ich nippe an meinem Wein und lese weiter. Immer noch der Autor. Halb betrunken jetzt, aber sein Kopf arbeitet auf Hochtouren. Er kommt kaum mit dem Tippen nach, so schnell erscheinen die Worte vor seinem geistigen Auge. Wieder Szenenwechsel.
Der Lektor. Sitzt zusammengesunken auf seinem Sessel und liest. Nippt hin und wieder an einem Glas Wein, wie ich. Sein Telefon klingelt. Ich greife zum Hörer, verärgert über die Störung, höre aber nur ein Freizeichen. Erst als ich den Hörer wieder auf die Gabel lege, dämmert mir, was ich eben getan habe. Der Lektor in dem Buch, ein Spiegelbild meiner selbst. Wieder kriecht die Kälte meinen Rücken herauf. Fahrig greife ich nach meinem Glas und trinke einen Schluck. Jetzt erscheint er mir leicht säuerlich. Seltsam, wie sich der Geschmack ändert. Ich greife nach dem Manuskript, lese weiter. Der Autor beschreibt die Verwirrung des Lektors, schildert, wie sich sein Unbehagen langsam steigert. Als könnte er mir in die Seele sehen, denke ich, lese aber unverdrossen weiter. Szenenwechsel, genauso abrupt wie die Andern.
Der Autor. Kämpft mit seinen inneren Dämonen. Dieses Mal muß es klappen! Mittlerweile völlig betrunken, so berauscht, daß er nur noch mit Mühe die Buchstaben auf der Tastatur erkennt. Schließlich erkennt er die Sinnlosigkeit seines Tuns, bricht ab und wankt ins Bett.
Am nächsten Morgen, er ist kaum wach, drehen sich seine Gedanken wieder um sein Buch. Er kann es spüren, diesmal klappt es. Dieses Buch wird sein Durchbruch. Eine wohltuende Ruhe überkommt ihn, während er schreibt. Satz auf Satz erwacht zum Leben. Angenehm zu lesen. Ich gönne dem Autor seinen Erfolg. Plötzlich wird der Text wirr. Die Sätze, zuvor geschliffen und präzise, werden unübersichtlich. Seine Gedanken zerfasern. Wie soll er ... Warum nur erkennt niemand ... Wenn doch nur jemand ... Was, wenn er scheitert? Wieder scheitert, wie die Male zuvor? Er weiß, dieses Buch ist gut. Wird ihn ein unbedeutender Lektor zerstören? Ein Mann, der in seinem Leben keine zwei Sätze mit Sinn geschrieben hat? Wie kann er einen solchen Mann bestrafen? Indem er ihn ... Unvermittelt Szenenwechsel.
Der Lektor. Sitzt immer noch in seinem Sessel, liest die Geschichte, greift hin und wieder zu seinem Wein, trinkt einen Schluck, liest weiter. Jetzt gerade greift er wieder zu seinem Glas, stellt fest, daß es leer ist, will sich nachschenken, aber auch die Flasche ist leer. Ich greife zu meinem Glas. Es ist leer. Ich will nachschenken, aber auch die Flasche ist leer. Grauen packt mich. Woher weiß der Autor, was ich tue? Fröstelnd gehe ich in die Küche, hole mir eine neue Flasche Wein. Lasse ihm kaum genug Zeit, sein Aroma zu entfalten, schenke mir ein und nehme einen tiefen Schluck. Besser. Ich setze mich wieder und greife erneut zum Manuskript. Ich will nicht weiterlesen, aber es wie eine Sucht.
Immer noch der Lektor. Man spürt seine Unruhe, seine innere Zerrissenheit. Er weiß nicht, wie spät es ist, es interessiert mich auch nicht. Ich will wissen, wie es weitergeht. Wie im Fieber lese ich weiter, lese, wie der Autor genau meine Lage beschreibt. Szenenwechsel. Unvermittelt wie alle andern.
Der Autor. Beschreibt Gewaltfantasien, schildert minutiös, wie er schießen lernt. Wie er sich eine Waffe kauft. Wie sein Hass auf den Lektor wird immer größer wird. Wie er sich nach außen hin wieder seinem normalen Leben zuwendet. Arbeiten geht, „nine to five job", wie die Amerikaner sagen. Seine Freunde, wie sie aufatmen, nachdem er sich eine zeitlang von allem zurückgezogen hat. Sogar eine Freundin legt er sich zu. Nur nicht auffallen ist seine Devise. Aber in seinem Inneren kochen seine Gefühle, sein Hass. Mehr und mehr fokussiert er ihn auf den Lektor. Dieser nichtsnutzige Wurm, der sein Leben ruiniert. Erkennt er nicht die Genialität dieser Zeilen?
Meine Angst, vorher nur latent vorhanden, bricht langsam durch. Ich will das Buch beiseitelegen, kann es aber nicht. Wird er ...? Unvorstellbar! Mit einer Mischung aus Grauen und Faszination kämpfe ich mich weiter. Wort für Wort, Satz um Satz. Immer noch der Autor. Beschreibt gerade, wie er den Lektor ausspioniert. Seine Gewohnheiten in Erfahrung bringt. Sein morgendliches Frühstück in einem Café. Er beschreibt mein Leben! Ich kann nicht anders, ich werfe die Geschichte von mir, atme tief durch. Schaue aus dem Fenster. Nacht. Der Wein schmeckt mittlerweile wie Essig. Hat der Autor nicht auch das ...? Obwohl ich es nicht will, greife ich nach dem Text. Richtig, da steht es.
„Der Wein schmeckte wie Essig."
Nur ein kleiner Satz, kaum der Rede wert, aber da steht er, Schwarz auf Weiß. Als wenn es brennt, werfe ich das Manuskript von mir, unsicher, was ich machen soll. Ich beschließe schlafen zu gehen.
Die Nacht ist unruhiger als die anderen. Liegt es an dem Wein oder an der Geschichte? Ich weiß es nicht. Der nächste Tag, ich flüchte mich in Routine. Morgentoilette, Frühstück im Café. Wieder Melanie. Nichts hat sich verändert. Ich bin dankbar. Zurück in meiner Wohnung greife ich nach dem Manuskript, lese weiter. Immer noch der Autor. Hat sich scheinbar beruhigt, aber ich traue dem Frieden nicht. Immer wieder halte ich inne, schaffe nur ein paar Sätze. Bekomme Angst. Nein. Angst ist nicht das richtige Wort. Entsetzen trifft es besser. Seine Fantasien sind unglaublich. Beschreibt Haushaltsgegenstände, ein kleines Messer, Salz, Streichhölzer, Stecknadeln. Detailliert schildert er, wie er den Lektor damit quält. Entsetzliche Szenen reihen sich aneinander. Plötzlich ein Bruch. Er beschreibt die Hostess im Café. Melanie. Treffend, wie alles andere. Halte sie da raus! Sie ist nur eine Bedienung, weiß nichts! Kennt nicht die Qualen, die mich heimsuchen. Der Autor kennt keine Gnade. Wort für Wort, Szene um Szene, schreibt er weiter, beschreibt mich, mein Leben. Wieder Szenenwechsel.
Immer noch der Lektor. Sitzt zusammengesunken in seinem Sessel, weiß nicht mehr, was er denken soll. Das Manuskript liegt wie eine Verhöhnung vor ihm. Hat er den Mut, weiter zu lesen? Sich den Vorstellungen des Autors zu stellen? Zitternd blättere ich die Seite um und lese weiter. Es fällt ihm schwer. Satz für Satz kämpft er sich voran, immer wieder unterbrochen von kalten Schauern, die mir über den Rücken laufen. Er wird zunehmend unkonzentriert. Es ist meine Arbeit. Ich kann es mir nicht leisten, aufzuhören. Wenn ihm das passiert, kann ich mir einen neuen Job suchen. Endlich haben die Quälereien ein Ende. Der Lektor, inzwischen mehr tot als lebendig, ist zu kaum noch einer Bewegung fähig. Nur das Umblättern der Seiten, gelingt mir noch. Seine Augen irren haltlos über den Text, nehmen nur Fragmente wahr. ... erholt sich ein wenig ..., ... Kraft kehrt ..., ... wie ausgedörrt ..., ...Wein! Ich springe auf und hetze in die Küche. Da steht sie, die halbvolle Flasche von gestern Abend. Ich setzte die Flasche an und leere sie gierig auf einen Zug. Besser. Langsam setzt mein Verstand wieder ein. Spiele mit dem Gedanken, das Manuskript zu verbrennen. Wie wird der Autor darauf reagieren? Lieber nicht riskieren. Widerwillig gehe ich zurück zu meinem Sessel und lese weiter. Szenenwechsel. Noch nie war ich so glücklich.
Wieder der Autor.
Ist fertig. Freut sich wie ein kleines Kind. Sein Kopf wird wieder klar. Packt das Manuskript ein und bringt es zur Post. Wartet. Weiß, daß die Bearbeitung dauert.
Wochen vergehen, keine Antwort. Wird nervös. Wieder Gewaltfantasien, noch grauenerregender als zuvor. Ich lese doch schon so schnell wie es geht! Er hört mich nicht, wird immer wieder von Versagensängsten geplagt, verliert zusehends die Kontrolle über sich. Schlägt im Streit seine Freundin. Sie schreit ihn an, verlässt ihn.
Allein. Keiner, der ihn bremsen kann. Trinkt, um sich zu betäuben. Lesend gehe ich in die Küche, hole mir eine Flasche Wein. Schmeckt wie Essig. Wechsele zu Wodka. Besser. Schließlich hält er es nicht mehr aus. Schnappt sich seine Waffe, eine kleine Tasche mit ..., oh nein, er nimmt die Haushaltsgegenstände mit! Wo will er hin? Steigt in ein Taxi, nennt dem Fahrer eine Adresse. Das kann nicht sein. Eine Querstraße von mir entfernt! Wodka. Ein tiefer Schluck aus der Flasche. Er steigt aus, geht die Straße entlang. Wo will er ...? Es klingelt. Ich zucke zusammen. Es klingelt erneut.
Am ganzen Körper zitternd gehe ich zur Tür, schaue durch den Spion in den Flur hinaus. Vor meiner Tür steht ein Mann mit einer kleinen Tasche in der Hand. Irrer Blick. Unter seiner linken Achsel wölbt sich der Anzug. Unmöglich! Das kann nicht ... erneut klingelt es ... sein. Mir wird schwarz vor Augen. Himmel, wie kann er ...

Auszug aus dem Polizeibericht:
... verständigte der Paketbote sofort die Polizei. Den eintreffenden Beamten erklärte er, daß er nach seinem Klingeln ein Stöhnen und Poltern gehört hätte. Danach nichts mehr. Die Beamten brachen daraufhin die Tür auf und stießen auf den auf dem Boden liegenden Albert H, der offensichtlich einen Herzinfarkt erlitten hatte. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Die Befragung des Boten ...

 

Hallo cwb,

eine Geschichte über Lektoren also. Sie beginnt lasch, man sieht keine Linie. Es kommt keine Spannung auf. Dann, unvermittelt, liest er über sich selbst. Das ist irgendwann, nach drei oder vier Zeilen, klar. Man liest aber fast die halbe Geschichte darüber. Warum so lang?

Die Erklärung am Ende kommt sehr unbeholfen daher, als wäre dir nichts Besseres eingefallen. Erst wirds mystisch, und dann war er doch nur überarbeitet, oder so. Das ist langweilig. Da will man was ausuferndes erfahren, wenn man sich doch durch den restlichen Text gelesen hat.

Insgesamt hats mir also nicht gefallen. Sprachlicht wirkt es jedoch routiniert. Nur der Inhalt wars halt. :)

Schöne Grüße,

yours

 

Hallo ruegaerin, Hallo yours,
danke für die schnelle Reaktion. Diese Geschichte ist in zweierlei Hinsicht eine Premiere für mich. Es ist mein erster Versuch, eine Horrorgeschichte zu schreiben. Ich war am Überlegen, wie ich es am Besten anstelle, deshalb der teilweise distanzierte Stil. Er sollte als zusätzlicher Kontrast zum Lektor stehen. Hat wohl nicht so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe.
Zum Zweiten habe ich zum ersten Mal in der ersten Person geschrieben. Auch das soll als Kontrast dienen, damit sich der Leser eher in den Lektor hineinversetzen kann.
Die Grundidee war, daß der Lektor durch die Lektüre langsam, aber sicher, den Bezug zur Realität verliert bis er zuletzt in einem normalen Paketboten einen Psychopathen zu sehen glaubt und sich deshalb so sehr fürchtet, daß er einen tödlichen Herzinfarkt erleidet.
Hat aber offensichtlich nicht geklappt. :(
Ich werde die Geschichte vorläufg unverändert stehen lassen, mal sehen, was sonst noch für Reaktionen auftauchen.
Bei meinem nächsten Versuch werde ich eure Ratschläge (hoffentlich) umsetzen können.

MfG
cwb

 

Moin cwb!

Im Gegensatz zu ruegaerin und yours hat mir deine Geschichte gefallen. Obwohl der Anfang (schon genannt) eher langweilig ist, und mir ein offenes Ende weit besser gefallen hätte, hat mich ab der Hälfte ein beklemmendes Gefühl ergriffen. Schreibe hier noch ein paar Kleinigkeiten auf:

Ich stehe auf. Ok, ich versuche es. Beim dritten Anlauf habe ich es geschafft.
'Beim dritten Anlauf schaffe ich es.' Da du fortlaufend berichtest, was passiert, passt hier Präsens besser.
Ich stehe.
Das war mir klar als du das Aufstehen beschrieben hast. Solche 'unnötige Sätze' rauben einem Text viel Tempo und Atmosphäre. Würde ich streichen.
Bei der Morgenroutine, duschen, rasieren, Zähne putzen, Toilette aufsuchen, werde ich langsam munter. Erfrischt und mit einem mordsmäßigen Hunger verlasse ich das Haus, gehe zum Café. Ich bin Stammgast dort. Die Hostess, Melanie, serviert fast jeden Morgen. Deshalb steht ein großer Becher Kaffee vor mir, kaum daß ich sitze. Wenig später erscheint sie mit meinem englischen Frühstück. Hungrig falle ich über die Köstlichkeiten her, aber in Gedanken bin ich schon wieder in meinem bequemen Sessel, sehe mich mit dem nächsten Buch dort sitzen. Ich werde unruhig. Hastig schlinge ich die Reste meines Mahls herunter, stehe auf und verlasse das Café. Zahlen brauche ich nicht, der Verlag, bei dem ich als Lektor arbeite, begleicht am Monatsende alle meine Rechnungen, auch die im Café.
In diesem Abschnitt versuchst du, dem Prot. Leben einzuhauchen. Das schaffst du schon recht gut am Anfang, wo er die Bücher kommentiert. Würde ich streichen.
Ich arbeite dran, antworte ich ihm, wohl wissend, daß mein kleines Wortspiel bei ihm völlig fehl am Platze ist.
Anführungszeichen!
Melde dich, sobald du fertig bist, sagt er noch und legt auf.
Hier auch.
Plötzlich, unvermittelt, ist das Buch Zuende.
hat seltsam auf mich gewirkt. 'zu Ende'? Bin mir hier aber nicht sicher.
Nach ein paar Seiten lege ich es beiseite, nicht etwa, weil es schlecht wäre, sondern weil ich mich nach Abwechslung sehne.
Und deshalb nimmt er ein weiteres Manuskript? (klar, 2x Krimi = langweilig, aber dieser Satz hat auch sonst keine wichtige Funktion. Das machst du öfters. Wenn du noch einige Stellen raus kürzt, ist die Story dichter und intensiver zu lesen.
Die nächste Geschichte, eine psychologische Studie. Mein ersten Eindruck.
'Die nächste Geschichte. Eine psychologische Studie, mein erster Eindruck.

Da du später nicht mehr auf diesen ersten Eindruck eingehst, musst du damit die psychologische Studie meinen. Dann gehören die Zeichen vertauscht.

Gelangweilt arbeite ich mich durch die Seiten, merke dabei nicht, daß die Geschichte unmerklich in mich eindringt.
Das klingt unbeholfen... Versuch das zu beschreiben, nicht nüchtern in Worte zu fassen...
Einsam. Einsam? Ich fühle mich nicht einsam!
Toll!
Unvermittelt Szenenwechsel.
Das erste Mal stört es nicht. Bei den weiteren umso mehr...
Getränk der Götter, denke ich, setze mich wieder hin und lese weiter.
Auch hier gehören Anführungszeichen, oder zumindest Kursivschreibung (<-existiert dieses Wort?) der Gedanken.
Ich will nicht weiterlesen, aber es wie eine Sucht.
Nee. Das geht so nicht. Beschreibe das Unbehagen des Lektors, wie er wissen muss, wie alles ausgeht...
Meine Angst, vorher nur latent vorhanden, bricht langsam durch.
Auch hier. Show, don't tell lautet die Devise...
Sie ist nur eine Bedienung, weiß nichts!
Ist der Lektor auch noch in der Mafia? ;)
Auszug aus dem Polizeibericht:
... verständigte der Paketbote sofort die Polizei. Den eintreffenden Beamten erklärte er, daß er nach seinem Klingeln ein Stöhnen und Poltern gehört hätte. Danach nichts mehr. Die Beamten brachen daraufhin die Tür auf und stießen auf den auf dem Boden liegenden Albert H, der offensichtlich einen Herzinfarkt erlitten hatte. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Die Befragung des Boten ...

Dieser Abschnitt finde ich, wie oben schon erwähnt, schlecht. Lass das Unbehagen, das beklemmende Gefühl andauern... lass das Ende offen.


Alles in allem eine Standardstory, mit einem eher unkreativen Plot (Mann wird wahnsinnig), aber gute Idee mit Lektor und Manuskript. Erfreulich wenige grammatische Fehler, aber noch stark kürzbar.

freundlichst

janovar

 
Zuletzt bearbeitet:

hammayut geschrieben. Wie es sich vermischt er kann sich kaum bewegen, ich kann nur noch umblättern... echt genial!
(kann ein Autor bitte die unteren Beiträge löschen? Da hab ich Mist gebaut.)

 

Hallo cwb,

ich kann mich den meinsten meiner Vorredner anschließen. Die Idee ist nicht sonderlich originell, obwohl man einiges mehr hätte draus machen können, und dann hätte es meines Erachtens durchaus eine sehr spannende, unterhaltsame Geschichte werden können. Der Anfang, finde ich, schwächelt am Meisten, mit der Zeit war ich dann eher im Geschehen drin. Am besten gefiel mir die Grenzüberschreitung zwischen Realität und Fiktion, obwohl diese nur in Ansätzen gelungen ist. So richtig mitfiebern konnte ich jedoch bis zum Ende nicht. Las das Geschehen eher passiv, als Beobachter, und nicht als jemand, der sich mitten im Geschehen befindet.
Als "Horrorgeschichte" würde ich sie nicht bezeichnen, dafür war sie mir nicht "horrend" genug. Vielleicht eher Dark Fantasy. ;) Den Titel finde ich in Ordnung, obwohl ich mir darunter etwas anderes vorgestellt hatte. Gibt evtl. noch treffsicherere.
Sprachlich hebt sich die Geschichte nicht von anderen hervor, liest sich jedoch flüssig.

Viele Grüße
Michael :)

 

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