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Letzte Ausfahrt
Gemächlich fließt der Verkehr auf der A3. Peter hält mit einer Hand das Lenkrad, mit der anderen fummelt er umständlich eine Zigarette aus dem Päckchen, findet auf dem Beifahrersitz das Feuerzeug, zündet sie an und öffnet das Seitenfenster. Heftig wirbelt der Fahrtwind ins Innere. Peter fährt die Scheibe ein Stück nach oben. Nun strömt der Wind nur noch leise. Gut so.
Der Tag lief nicht besonders gut. Schon morgens gab es Ärger in der Firma. Der Chef hatte ihn im Streit um Belanglosigkeiten mit einem gewissen „Michael Kohlhaas“ verglichen. Das sollte wohl ein Schimpfname sein, Name eines radikalen Gewerkschaftlers vielleicht. Dabei hatte Peter nur auf seinem Recht bestanden. Nach diesem Streit wartete er den Rest des Tages vergeblich auf eine Entschuldigung des Chefs.
Peter schäumt vor Wut, als er daran denkt, schüttelt dann die ärgerlichen Gedanken ab, konzentriert sich auf den Verkehr. Viel los ist heute nicht, findet er. Ein paar Lastwagen auf der rechten Spur; Opas mit Hut, die hinterher zockeln. Wie jetzt gerade. Peter setzt den Blinker, gibt ein wenig Gas und fährt mühelos vorbei.
Zurück auf die rechte Spur. Nach zwei Minuten fast das Gleiche. Diesmal sind es mehrere Laster, die sich ein Elefanten-Rennen liefern. Peter schert aus, hält sich hinter dem Überholenden.
Im Rückspiegel tauchen Lichter auf: Aggressive Schnauze, provozierende LED-Leuchten. Garantiert ein Audi. Schnell kommt er näher. Peter ärgert sich ein wenig darüber, überholt weiter. Gerade als er sich rechts einordnen will, kommen von hinten kurze Lichtblitze.
Ein Drängler also. Dem wird er es zeigen! Peter gibt Gas, bleibt stur auf der Überholspur. Hundertfünfzig, hundertsechzig. Nochmal Lichthupe; der Audi zuckt nach links, nach rechts. Peter beschleunigt auf einhundertachtzig.
Der andere gibt auf, bleibt dicht hinter ihm. Gerade als Peter wieder nach rechts will, erneut die Lichtblitze. Nun ist Peter doch entrüstet. Er beschleunigt und fährt schneller. Mal sehen, wer stärker ist. Kleine Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn; der Mund staubtrocken, als ob er eine Handvoll Mehl gegessen hätte.
Endlich die Baustelle. Nur sechzig erlaubt. Erleichtert bremst Peter ab. Mit neunzig Kilometern fährt er auf dem schmalen linken Streifen. Betonplatten begrenzen die Fahrbahn. Immer wieder leichtes Korrigieren. Spurhalten. Nur ja nicht irgendwo anschlagen. Unendlich lange zieht sich die Baustelle. Zum Glück immer mal ein Mini-Stau. Zehn Sekunden ausruhen, Atem schöpfen. Herzklopfen beruhigen. Blick in den Rückspiegel. Ist der Audi noch da? Drohend bejahen die LED-Lampen dies. Dann weiter.
Nach der Baustelle wieder Beschleunigung, es wird zu schnell. Peters Hände schwitzen, glitschen übers Lenkrad. Er bekommt Angst, hofft auf mehr Verkehr, damit er abbremsen muss. Zum Glück immer wieder ein dämlicher Kerl im Kleinwagen, der stur links fährt. Bremsen, Fluchen, Lichtzeichen, Seufzer der Erleichterung - alles im Sekundentakt. Dann nochmals längere Strecken zum Rasen.
Gott sei Dank nur noch ein Stück, bald kann er rausfahren. Mit fast zweihundert schert Peter nach rechts aus, hört den Audi vorbeirauschen, erkennt eine Frau am Steuer. Kann es nicht fassen.
Viel zu schnell, zu spät rast er in die Ausfahrt. Blinkende Warnleuchten. Eine Reihe roter Bremslichter vor ihm.
Dort endet ein Stau!