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Leuchtfeuer
Wie in einem Bienenstock wuseln sie um mich herum. Ab heute sind sie wohl nur noch für ihn da. Wieso hat er soviele um Hilfe gebeten, obwohl es doch nur Kleinigkeiten sind, die er mitnimmt? Fast kommt es mir wie ein stummes Ade von ihnen vor, wie sie mich anblicken. Es sind seine Freunde, für mich sind manche Bekannte geworden.
Der einsam Gestrandete auf der kleinen Insel macht sich um nichtige Dinge Gedanken. Mitten im Flur stehe ich auf dem maisgelben Teppich und keiner sieht mein Leuchtfeuer.
Scheppernd fällt die alte Blechdose aus der Küche auf den Boden – was räumen die denn alles ab? Endlich kommen die übrigen Plätzchen, die noch von Weihnachten, in den Müll.
Wir beide mögen kein Anis. Wir beide mochten uns.
Ich will gehen, raus aus – wieder – meiner Wohnung. Raus bis alle draußen sind.
Er hält mich zurück. Nicht seine Hand auf meinem Unterarm tut mir weh, sondern sein Blick.
„Bitte bleib,“ sagt er, „wir haben gestern einfach nicht alles durchgesprochen, was ich zu mir nehmen kann.“ Bitte bleib.
„Mir ist es doch egal, was du mitnimmst.“ Wenn du weg bist, ist doch alles egal.
„Das Bücherregal...ist das okay?“ Nichts ist in Ordnung.
„Ich gehe jetzt, die Schlüssel kannst du ja in den Briefkasten schmeißen.“
Ich kann noch nicht Adieu sagen.
Im Aufzug drängeln sie sich mit Kartons. Ich gehe lieber die Treppe abwärts.
Jeder Versuch, etwas anderes als an den gestrigen Abend zu denken, scheitert. „Damit sich es nicht so lange hinzieht, habe ich gedacht, gleich morgen zu gehen.“ Sie alle wussten es vor mir.
Vor der Haustür sehe ich sie. Sie kommt mir mit einem warmen Lächeln entgegen.
„Das ist jetzt grade blöd hier mit uns zwei, was? Vielleicht werden wir irgendwann Freunde?“
Ich schau sie schräg an. Angriff ist die beste Verteidigung.
Sprachlos gehe ich weiter, denn ich finde keine Worte. Noch nicht.
Wörterbörse: Blechdose – Aufzug – Bücherregal – abwärts - Plätzchen