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Licht und Schatten
Navins Schatten-und Sonnenseite
Mod, ein grünhäutiger Pixie, kannte Rhiannon schon lange und wusste wie er war: Klug, aber leichtsinnig und stets damit beschäftigt, Probleme aus dem Weg zu räumen. so wundert es ihn nicht, dass Rhiannon gerade zu davon besessen ist, ihr Land Navin zu vereinen.
Vor nur wenigen Jahren war das Land von zwei Königinnen regiert worden. Der Königin der Schatten, die es Nacht werden ließ, und die Königin des Lichts, die dafür sorgte, dass jeden Tag die Sonne schien. Einige Jahre funktionierte diese Art von Regierung, bis sich die beiden Königinnen so heftig stritten, dass sie das Land Navin in zwei hälften teilten: Das Schattenland wurde von nun an von der Königin der Schatten regiert, die Königin des Lichtes regierte das Land der ewigen Sonne. Zum Trotz ließ es die Königin der Schatten nie Tag werden, die Königin des Lichtes nie Nacht.
Für Mod, der im Land der ewigen Sonne lebte, war es äußerst lästig, jede Nacht die Vorhänge der Fenster zu zuziehen, damit er schlafen konnte. Da er ständig der Sonne ausgesetzt war, hatte er einige duneklgrüne Stellen am Nacken, Armen und Gesicht: Sonnenbrand. Da half auch kein ständiges Eincremen. Von seinem einst so grünen Garten, den er so gehegkt und gepflegt hatte, war nur noch harte, ausgetrocknete Erde übrig geblieben. Es gab kaum noch Wasser, die Sonne hatte schon die meisten Flüsse und Seen ausgetrocknet.
Mod blickte nervös aus dem Fenster. Rhiannon sollte schon längst da sein, er wollte ihm von seinem Plan erzählen. Ob sie ihn erwischt hatten? Rhiannon lebte im Schattenland. Seit dem Streit der Königinnen war es verboten, im Land der größten Feindin Freunde zu besuchen oder dort zu bleiben, aber Rhiannon schreckte das natürlich nicht ab.
Besorgt zog Mod die Vorhänge zu. Er ging in die Küche, kramte im Kühlschrank nach einem Ei und holte eine Pfanne hervor. Immerhin hatte er jetzt genug Zeit, dem Gast eine wenn auch karge Mahlzeit zu zubereiten. Mod musste sparsam sein. Von seinem letzten Gehalt als Feldarbeiter war fast nichts mehr übrig; Wasser war teuer geworden.
Mod seufzte, schaltete den Herd an und wartete, bis die Pfanne heiß wurde. Während er wartete dachte er darüber nach, welchen Plan sich Rhiannon dieses Mal ausgedacht hatte. Die Königinnen mussten aufhören, sich zu streiten, aber Mod konnte sich nicht vorstellen, dass Rhiannon versuchen würde zu schlichten. Aber ihm wollte auch nichts anderes einfallen.
Er hielt seine Hand wenige Zentimeter über der Pfanne um zu prüfen, ob sie nun heiß genug war.
„Ich könnte das Ei genau so gut draußen braten“, grummelte er und schlug das Ei in die Pfanne.
In dem Moment klopfte es . Erleichtert ging Mod zur Tür und öffnete. Draußen stand tatsächlich Rhiannon, mit einem kleinen Mädchen, nicht älter als zehn Jahre. Sie hatte lange blonde Haare, einen schmalen mund und ihre saphierblauen Augen blickten hoffnungsvoll.
„Guten Abend“, grüßte Rhiannon.
Durch die Dunkelheit war er blass geworden. Wegen seiner hellblonden, fast weißen Haare sah er aus wie ein Gespenst mit gelben Schlitzaugen.Sein Pupillen schienen sich um das doppelte vergrößert zu haben seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte, wahrscheinlich, um in der Dunkelheit besser sehen zu können.
„Komm rein!“, flüsterte Mod hastig und winkte ihn hinein, „Wenn dich jemand sieht…“
Rhiannon grinste blöd und ging mit dem Mädchen ins Haus. Er setzte sich lässig auf das mottenzerfressene Sofa und schnüffelte.
„Du machst Spiegelei?“
„Ja.“
„Gib es Mona. Ich habe schon gegessen.“
„Mona?“
Rhiannon deutete mit einem Kopfnicken auf das Mädchen, das schüchtern neben der Tür stand. Mod nickte. Er ging zurück in die Küche, um nach dem E zu sehen. Er suchte nach einem Pfannenwender und drehte es um. Es zischte leise. Dann ging er zurück ins Wohnzimmer. Fragen über fragen brannten auf seiner Zunge wie Feuer.
„Was ist dieses Mädchen, eine Hexe?“
Er zuckte zusammen, als ihm bewusst wurde, dass er über dieses Mädchen redete, als sei sie ein Tier: „Was ist dieses Mädchen…
Mona errötete leicht, sagte aber nichts. Sie starrte stumm ihre Füße an. Rhiannon schien sich nichts draus zu machen.
„Nein, sie ist ein Mensch.“
„Diese ekelhaften Wesen, die die Natur zerstören?“
„Genau“, sagte Rhiannon gelassen, „Genau wie unsere Königinnen.“
„Und die brauchst du für deinen Plan?“
„Nein, nur dieses Mädchen.“
„Ahja.“
Mod war es auf einmal egal, wie er in der Gegenwart dieses Mädchens über ihre Rasse sprach. Er hasste die Menschen, weil sie unhöflich, grob und zerstörerisch waren. Mod stieß das Mädchen so heftig, dass sie hinfiel.
"Mir ist es egal, ob du unsere Königin wirst oder nicht. Für mich werdet ihr immer wiederliche Monster sein, die nur sich selbst im Kopf haben."
Mona blinzelte und stand auf. Sie sagte nichts. Das machte ihn noch wütender und er hätte ihr fast eine orhrfeige gegeben , aber der Geruch nach verbrannten Ei lies Mod wieder in die Küche rennen. Das Ei war etwas angebrannt, aber es war ihm egal. Er legte es auf einen Teller, ging ins Wohnzimmer und gab es dem Mädchen.
„Reicht das oder entspricht es nicht deinen Erwartungen?“, schnauzte er sie an. Seine stimme zitterte ein wenig.
„Hey, reg’ dich ab“, ermahnte ihn Rhiannon, „Wir sind auch nicht besser als die“, er nickte zu Mona herüber, die wieder errötete. „Sieh dir unsere Königinnen an, die zerstören auch unsere Natur, wir machen mit unseren Kriegen genau so viel kaputt wie unsere Königinnen. Wir sind nicht anders.“
Dass Rhiannon so über die Bewohner von Navin redete, machte ihn noch zorniger als er ohnehin schon war. Er holte einmal tief Luft, um ihn nicht anzuschreien. Schließlich war er sein bester Freund.
„Also, wie lautet dein Plan?“
Rhiannon schien erfreut, dass er nachfragte, denn er lächelte knapp und begann zu erklären: „Also, meine Idee ist es, dieses Mädchen zur Königin zu machen. Zur Königin von Navin.“
„WAS?“
„Du hast richtig gehört.“
„Aber…aber warum nicht jemand aus unserem Land? Woher hast du dieses Mädchen überhaupt? Wer sind seine Eltern? Machen sie sich nicht große Sorgen?“
Diese Fragen lagen ihm schon lange auf der Zunge und sprudelten jetzt aus ihm heraus. Rhiannon hob die Hand um ihn zum Schweigen zu bringen.
„Dieses Kind hat keine Eltern, sie ist aus einem Waisenhaus.“
„Na toll.“
„Und ich konnte nicht irgendwen aus Navin nehmen“, fuhr er unbeirrt fort „weil ich für meinen Plan den Stein der sieben Lichter brauche.“
Mod runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Der Stein der…“
„..sieben Lichter. Die Macht über Leben und Tod, Regen und Sonne, Tag und Nacht und der Magie steckt in diesem Stein. Er wurde vor Jahren für Bewohner von Navin unnutzbar gemacht, damit kein anderer als der König oder die Königin Macht hatte. Für Mona gilt dies nicht, sie ist nicht aus Navin.“
Mod dämmerte es langsam, was Rhiannon vorhatte.
Mona, die die ganze Zeit still neben ihnen gestanden hatte, räusperte sich verlegen und murmelte: „Entschuldigung, könnte ich ein Glas Wasser haben?“ Mod und Rhiannon starrten sie eine weile an, weil sie völlig vergessen hatten, dass das Mädchen, worüber sie die ganze Zeit sprachen, neben ihnen stand. Schließlich nickte Mod knapp, ging in die Küche und füllte in ein Glas mit Wasser. Dann ging er zurück und gab Mona das Wasser.
„Du hast also vor, diesem Mädchen den Stein der sieben Lichter zu geben und damit uneingeschränkte Macht über uns?“ Mod konnte nicht glauben, was sein Freund da vorhatte. Ihre Welt würde er in die Hände einer zehnjährigen legen!
„Warum ausgerechnet ein noch so kleines Mädchen?“, fragte Mod.
Rhiannon zog die Schultern hoch. „Die älteren, die in Frage kämen glauben nicht mehr an Magie und würden hier nach nur wenigen Tagen den Verstand verlieren.“
„Verstehe. Und wo kriegen wir jetzt diesen Stein her?“
„Den hab ich schon.“
Rhiannon zog einen dunkelgrünen Stein aus seiner Hosentasche. Er funkelte wie tausend Diamanten und leuchtete fast so hell wie der weiße Mond, dessen Erinnerungen an ihn in Mod immer mehr verblassten.
„Wo…wo hast du ihn her?“, stammelte Mod. Er ahnte nichts Gutes.
„Geklaut.“ Rhiannon grinste. „Hatte so ein adeliger Schleimer.“
Rhiannon grinste noch breiter als Mod ihn fassungslos anstarrte. Er warf den Stein in die Luft, fing ihn wieder auf und steckte ihn wieder weg. Mod war ziemlich unbehaglich zumute.
"Warum ziehst du mich in die Sache hinein? Mach das doch bei dir zu Hause, ohne mich. Ich will damit nichts zu tun haben!"
"Weißt du eigentlich, wie auffällig ich hier bin? Ich habe ein kleines, unmagisches Mädchen bei mir und außerdem sieht man mir sofort an, dass ich aus dem Schattenland bin. Ich bin blass und alle anderen hier haben 'nen hübschen Sonnenbrand. tut mir leid für dich, ich kann nicht zurück!"
Das musste Mod einsehen.
„Also“, begann Rhiannon, „morgen gebe ich Mona den Stein und durch die Kraft ihrer Entscheidung werden die beiden Königinnen sterben und Mona klettert auf den Trohn.“ Er sprach so gelassen über einen Mord durch unbefugte Magie, dass Mod schlecht wurde.
„Will Mona das überhaupt?“ Mod wandte sich dem Mädchen zu, welches auf einmal so aufrichtig und selbstbewusst wirkte, dass er blinzeln musste um sicher zu gehen, dass dort immer noch Mona stand.
„Es gibt nichts, was ich lieber täte.“ Ihre Stimme war entschlossen und kräftig. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie bald viel Macht besitzen würde, der Grund dafür, dass sie jetzt so selbstbewusst und entschlossen war…
Mod musste sich geschlagen geben. Da Rhiannon kriminell war und im ganzen Land verfolgt wurde musste er ihn im Keller verstecken. Das hatte er schon oft getan. Rhiannon geriet dauernd in Schwierigkeiten, weil er mal wieder gestohlen oder irgendwo Scheiben eingeschlagen und Häuserwände bekritzelt hatte. Einmal ist er aus Spaß in eine Wohnung eingebrochen und Rhiannon musste über eine Woche im Keller verbringen!
Er hatte noch eine staubige Matratze gefunden und Rhiannon Kissen und Decke gegeben.
Mona konnte im Gästezimmer übernachten, damit sie für morgen erholt und ausgeschlafen sein würde.
Mod wälzte sich diese Nacht noch unruhig im Bett hin und her. Er wusste, das der ewige Tag und die ewige Nacht ein ende haben mussten. Im Land der ewigen Sonne vertrocknen viele Ernten durch die Sonne, im Schattenland wuchs überhaupt nichts in der Dunkelheit. Nahrung und Wasser wurden knapp, deswegen schien es richtig, die Königinnen zu töten.
Wenn man es aber so sah: sie töteten zwei der höchsten Hexen im ganzen Land, und das auch noch mit einem Stein, den sie eigentlich nicht besitzen sollten.
Als er anfing, sich Sorgen zu machen, mit dem Stein erwischt zu werden, fiel er in einem unruhigen Schlaf.
Am nächsten morgen rüttelte ihn Rhiannon unsanft wach.
„Mona sagt, sie ist bereit.“
Mod blinzelte verschlafen, gähnte herzhaft und nickte schließlich.
2Zieh dich an, in fünf minuten will ich dich im Wohnzimmer sehen.“
Auf einmal war Mod hellwach. Als Rhiannon sein Schlafzimmer verlies zog er sich in Windeseile an und flitzte ins Wohnzimmer, wo Rhiannon und Mona schon warteten.
Die Vorhänge waren immer noch zugezogen, damit sie niemand sah. Mona umklammerte bereits den Stein.
Mod bekam Angst. Was, wenn jemand Rhiannon beim Klau des Steines erwischt hatte oder, noch schlimmer, sie jemand belauscht hatte, sei es vor der Tür oder am Fenster…
„Also, Mona“, sagte Rhiannon ernst, „zuerst muss die alle Wesen aus Navin so verzaubern, dass sie sich nicht mehr an die Königinnen erinnern. Das ist sehr wichtig, denn der Tod der Königinnen wird sich schnell herumsprechen und jemand bekommt raus, dass wir den Stein besitzen. Ach ja, und lass sie am besten alle noch dieses Verbot mit dem Stein vergessen, nur zur Sicherheit.“
Mona nickte. Wie am Abend zuvor war sie entschlossen, selbstbewusst und außerdem furchtlos, was Mod nicht von sich behaupten konnte. Rhiannon war todernst, was Mod nicht von ihm kannte.
„Dann“, fuhr er fort, „lässt du die Königinnen sterben und verzauberst die Wesen so, dass sie sich als ihre Königin ansehen.“
„Ja“, sagte Mona mit felsenfester Stimme.
„Aber…“ Mod übermannten Schuldgefühle.
„Kein aber“, sagte Rhiannon entschieden.
„Wir beginnen hier einen Mord zweier Hexen, Königinnen!“
„Wir werden tausende von Morden begehen, wenn wir all diese magischen Wesen in Navin unter Hunger und Durst sterben lassen!“
„Aber wir töten doch nicht, die Königinnen treiben uns alle in den Tod. Wir könnten sie überreden!“
Rhiannon sah Mod finster an.
„Wie viele haben es versucht und sind gescheitert…Wir haben den Schlüssel der Rettung von Navin in der Hand und wir werden ihn benutzen!“
Rhiannon hatte einen Dickkopf, dagegen kam er nicht an. Aber Mod musste sich jetzt eingestehen, dass Rhiannon Recht hatte.
Mona schloss die Augen und drückte den Stein. Die Magie, die um sie herum wirbelte wärmte sie angenehm und brannte nicht wie die unerträgliche heiße Sonne. All ihre Gedanken lösten sich in Luft auf, während Mona den Stein drückte und unablässig vor sich hin murmelte. Sie waren nur noch eine leere Hülle, von Lichtern in regenbogenfarben umgeben…
Mona glitt der Stein aus der Hand und die Lichter verschwanden. Dumpf schlug der Stein auf dem Boden auf. Rhiannon und Mod lagen ohnmächtig neben ihr. Mona hoffte, dass nur die unmittelbare Nähe der Magie ihre ganze Kraft gekostet habe.
Sie hob den Stein auf, der sich ganz warm anfühlte.
Mona stieg über die leblosen Körper und ging zur Tür. Sie würden die Königinnen und das Verbot genau so vergessen wie alle anderen.
Sie öffnete die Tür und erschrak. Hunderte von Wesen, seien es Phönixe, Zwerge, Einhörner, Elfen, Hexen und Zauberer… verneigten sich vor ihr. Schnell erholte sie sich von dem Schreck und befahl mit lauter Stimme: „Bringt mich zum Schloss!“
Sofort drängte sich ein makellos weißes Einhorn nach vorne und einige Zwerge halfen ihr beim Aufsteigen.
„Ihr da!“ sie deutete auf zwei Elfen mit braunen, verfilzten Haaren, „Ihr sorgt für die beiden Elfen in diesem Haus.“
Sie wunderte sich, wie die unterschiedlichsten Kreaturen ihr blind gehorchten, obwohl sie doch kleiner und jünger war als sie. Die Elfen verschwanden im Haus.
Mona konnte es kaum fassen. Ihr gehörte ein ganzes Land jeder tat das, was sie wollte. Aber so gemein wie die Königinnen würde sie nicht sein. Sie drückte den Stein und wünschte sich eine heile Welt, ohne leid und Tod von der sie immer geträumt hatte.