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Lichterlohes Spektakel

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10.05.2001
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Lichterlohes Spektakel

Das war vielleicht ein Spektakel in jener Nacht…
Ein Riesenfeuerwerk! Der absolute Vorgeschmack auf Silvester!
Sogar mit der Reichskristallnacht hatte sie ohne weiteres Schritt halten können, diese Szenerie.

Die sich ständig ausweitende Masse von Schaulustigen bestätigte meine Vorstellungen über den Wichtigkeitsgrad dieses Ereignisses.
Auch wenn es einige gab, die die Notwendigkeit dieser Sache nicht ganz nachvollziehen konnten und Betroffenheit vortäuschten. Sich an die Stirn fassten. Bestürzt die Köpfe schüttelten. Fassungslosigkeit demonstrierten. Diese kleine ungebildete, unwissende Gruppe! Mir konnte keiner so leicht etwas vormachen. Nicht mit dieser theatralischen Vorstellung!

Als die Feuerwehr ankam, war mehr als die Hälfte des Gebäudes schon ausgeräuchert. Die Bewohner des ersten Stockwerkes hatten sich gerade noch keuchend und hustend auf die offene Straße geworfen. Japsend rangen sie nach Luft, in ihren Nachtgewändern. Manche schämten sich nicht einmal, sich in Unterwäsche im Freien unter die Leute zu mischen…
Na ja, immerhin hatten sie Hautschürfungen davongetragen und giftigen Rauch eingeatmet. Minimale Schadensbegrenzung. Man kann eben nicht alles haben.

Die Gutmütigkeit mancher Bürger bleibt für mich auch eines dieser unerklärten Phänomene. Diesen schamlosen Personen in Unterwäsche auch noch Decken und Mäntel umzuhängen! Trost zuzusprechen! Verlogenes Gesindel.
Im Grunde waren die doch genauso erleichtert, wenn nicht gar froh darüber, wie ich es bin! Dass jemand es endlich gewagt hatte, aktiv die ersten Funken umzuschlagen!
Taten statt Worte folgen zu lassen!

Die Feuerwehrleute zeigten wagemutigen Einsatz, das musste der Neid ihnen lassen. Trotz energischem Eingriff konnten auch sie die Prozedur nicht mehr aufhalten. Das Flammeninferno hatte seinen Höhepunkt erreicht. Der Kochtopf sprudelte und die Zutaten sotten allmählich. Der brühwarme Schmarotzer-Auflauf konnte serviert werden – oder noch besser: gleich abgeholt und weggeschafft!
Das Knistern und Knacksen war mit einem Male lauter geworden. Lodernde Flammen gingen im Himmel auf. Die Funken des Feuers schlugen alsbald in die ersten emotionalen Funken in meinem Herzen um. Ich bemerkte kaum, wie eine Träne meine rechte Wange runterkullerte. Eine Träne der inneren Zufriedenheit. Eine Träne der Begeisterung. Eine Träne des Glücks!

Das Dach des Gebäudes stürzte schließlich ein und untergrub die zwei Stockwerke mit den restlichen Aasfressern, für die es kein Entkommen gab, abgesehen von jenen, die sich panisch aus dem offenen Fenster in die Freiheit stürzten. Dabei Hals- und Beinbruch riskierten. Für den Moment unmittelbare Schmerzen und langwierige Verletzungen akzeptierten, lediglich um ihr Parasitenleben fortführen zu können. Wohlwollend in Kauf nahmen, dass diese Lebensfreiheit möglicherweise erhebliche Einschnitte in ihrer Bewegungsfreiheit zur Folge haben könnte. All dies, um nicht die Fackel dieser erlösenden Flammen zu sein; dieser aufopferungswürdigen Volkstat den nötigen Respekt zu zollen!

Erschöpft brachten die mit Ruß bedeckten Feuerwehrleute die letzten durchschmorten Schmarotzer aus den Gebäudetrümmern hinaus. Eine von denen hielt sogar ihr verkohltes Kopftuch noch in der Hand – für ihre Türkenreligion dürfte es ein bisschen spät geworden sein. Ab mit ihr in den deutschen Krankenwagen und dann ins deutsche Krankenhaus. Ekelhafter Gedanke, wenn man sich vorstellt, dass nach dieser Schmeißfliege auch Deutsche im selben Krankenwagen, auf der selben Lehne ins selbe Krankenhaus kommen. Einfach widerlich!

Nichtsdestotrotz lag es da, dieses Parasitennest, in Schutt und Asche.
Ich verstehe die Aufregung einiger Leute nicht. Im Prinzip ist es eigentlich schon schlimm. Ich meine, das mit den Asylanten oder Türken, oder was auch immer das sind. Die haben ja keine Kultur… Deutsch ist wenigstens bekannt für seine Reinheit und so…
Und das Gebäude war sowieso baufällig gewesen und wäre heute oder morgen abgerissen worden, wenn nicht gar von selbst eingestürzt. Die Stadt hatte die Abrisskosten gespart und die Brutstätte dieser Schmarotzer war mehr oder weniger erfolgreich erstickt worden.

Zwar keine deutsche Präzisionsarbeit, aber dennoch ein ehrwürdiges Ergebnis.

 

Hallo Hendek!

Schön, wieder einmal was von Dir zu lesen. :)
Mich hat nicht gestört, daß von Anfang an klar war, um was es geht. Es gibt Themen, bei denen geht es nicht um Spannung oder Rätselraten - außerdem wolltest Du glaub ich auf etwas ganz anderes hinaus, als bloß den typischen Nazi vorzuführen, schließlich "kennen" wir den alle.

Eine von denen hielt sogar ihr verkohltes Kopftuch noch in der Hand – für ihre Türkenreligion dürfte es bisschen spät geworden sein.
Ich glaube, Du willst mit Deiner Geschichte aufzeigen, daß die Ausländerfeindlichkeit durch das Kopftuchurteil neue Nahrung bekommen hat, sich Nazis dadurch in ihrem Tun bestätigt (und unterstützt) fühlen...
- Wenn ich mit meiner Deutung richtig liege, gefällt mir die Geschichte gut. :)

"auf die offene Straße geworfen"
- gibt es eine geschlossene Straße?

"für ihre Türkenreligion dürfte es bisschen spät geworden sein."
- dürfte es ein bisschen spät

"Ich meine, dass mit den Asylanten oder Türken, oder was auch immer das sind."
- das


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Wie Häferl schon richtig bemerkt hat, ging es mir bei dem Text nicht ums Rätselraten bzw. einen Überraschungseffekt, noch weniger darum, einen "Nazi" als solchen darzustellen.

Der Vergleich zwischen Silvesterfeuerwerk und Reichskristallnacht hinkt, wie ich finde. Feuerwerk ist bunt und "weiter oben", auch, wenn Du von Vorgeschmack redest.
Hatte nicht bemerkt, dass man den Absatz in sich als Vergleich auffassen kann. Sollte eigentlich keiner werden, sondern nur eine Aneinanderreihung von Assoziationen. Habe mal versucht, den nicht bestehenden Zusammenhang zu verdeutlichen.
Bei der Pointe frage ich mich auch, ob es die überhaupt gibt bzw. geben sollte.


Allerdings muss ich auch Häferl etwas enttäuschen, denn an das Kopftuchurteil und seine potentiellen Folgen habe ich nicht mal im entferntesten Sinne gedacht, zumindest nicht bei der Anfertigung dieses Textes. Wobei es mich schon überrascht und nachdenklich gemacht hat, was man alles herauslesen kann. Nichtsdestotrotz kann dieser Interpretationsansatz schwebend wirksam sein, sofern er die erforderliche Unterstützung erhält im Text.

Wenn ich mit meiner Deutung richtig liege, gefällt mir die Geschichte gut.
Ansonsten nicht?


Danke euch beiden für die Kommentare!

 

Ansonsten nicht?
So hab ich das nicht gemeint. ;)
Aber wenn meine Interpretation Deine Intention nicht trifft: Was war dann Dein Ziel mit dieser Geschichte, oder was macht sie zu etwas Besonderem? Sowas schreibt man ja eher selten als Stilübung, also wolltest Du doch sicher etwas erreichen damit. Und ich trau Dir schon mehr zu, als einen Nazi (wie auch immer er sich im Speziellen bezeichnet) darzustellen bzw. seine Gedanken, während anderer Heim in die Luft fliegt... Ich habs nur noch nicht gefunden, was dahinter steckt. - Aber da meine Interpretation sicher auch zur Geschichte paßt, gefällt sie mir auf jeden Fall - was sich allerdings noch steigern könnte, würde ich Deine Intention kennen... :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Na ja, Häferl, meine Intention exakt festlegen; wüsste momentan nicht so genau, ob ich das könnte, wie ich es mir vorgestellt habe.
Tatsache allerdings ist, dass der ganze Text auf einem Zitat basiert, das ich auch in den Text eingefügt habe. Anders ausgedrückt habe ich versucht, die möglichen Vor- und Abschlussgedanken des Erzählers, von dem auch dieses Zitat stammt, im realitätsgetreuen Kontext wiederzugeben. Vielleicht ist "Zitat" auch der falsche Ausdruck dafür, war schließlich keine Persönlichkeit, die jene Worte von sich gab.
Eben eine Denkweise, die in einer Nachrichten-Dokumentation zum Ausdruck kam.

 

Hallo nochmal, Hendek!

Jetzt hab ich natürlich alles noch einmal gelesen und mich gefragt, welcher Satz oder Absatz wohl der ist, den Du in der Dokumentation gehört hast. Aber ich komm natürlich nicht drauf, denn ich bekomme bei jeder Aussage bei der Vorstellung, es sei die reale, eine Gänsehaut. Es klingt jede Aussage für sich so unwahrscheinlich, daß sie es gerade deshalb sein könnte. Und es rechtfertigt jede dieser Stellen ein Zuschreiben des Rests...

Was das mit dem Kopftuch betrifft, bin ich immer noch der Meinung: Wenn es auch nicht so hintergründig beabsichtigt war, hast Du es recht gut eingebaut - vielleicht war Dir Dein Unterbewußtsein bloß einen Schritt voraus. ;)

Eins ist mir noch aufgefallen:

"die sich von Panik getrieben aus offenem Fenster in die Freiheit stürzten"
- aus dem offenen Fenster (oder den offenen Fenstern)
- ich finde das irgendwie recht lang, kürzer wäre "die sich in Panik aus dem offenen Fenster...", dann wiederholt sich aber "in", noch anders: "die sich panisch aus dem offenen Fenster..."

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Häferl schrieb:
Es klingt jede Aussage für sich so unwahrscheinlich, daß sie es gerade deshalb sein könnte. Und es rechtfertigt jede dieser Stellen ein Zuschreiben des Rests...
Wenn auch der Text noch nicht so ganz meinen Vorstellungen entspricht, kann ich mit dieser Behauptung bzw. Feststellung schon einiges anfangen.
Ich sehe deswegen auch keinen Sinn, jene Stelle weiterhin zu verbergen:
Im Prinzip ist es eigentlich schon schlimm. Ich meine, das mit den Asylanten oder Türken, oder was auch immer das sind. Die haben ja keine Kultur… Deutsch ist wenigstens bekannt für seine Reinheit und so…
Den Anfang der Sendung hatte ich zwar verpaßt, aber diese Stelle, die ich mitgekriegt habe, war Anlass genug für den Versuch, die potentiell fortführenden Gedankengänge des Erzählers zu konzipieren.

Die Kopftuchsache war von der Interpretationsmöglichkeit her nach wie vor nicht so beabsichtigt gewesen, nehme ich natürlich trotzdem wohlwollend an als Denkansatz für einen weiteren Text.


Danke nochmals für die intensivere Beschäftigung mit der Geschichte, Häferl!

 

Hallo Hendek,

deine Geschichte hat mir im Großen und Ganzen gefallen. Die Sicht des gaffenden Täters hast du sehr gut dargestellt und du verzichtest, übrigens sehr zum Wohle deiner Geschichte, auf übermäßige Ausschmückung des Brandes. Aber auch mir gefällt der Vergleich zu Beginn nicht wirklich. Den würde ich wirklich komplett streichen. Vielleicht hättest du auch noch ein wenig mehr auf deinen Prot eingehen können. Warum sieht er das Ganze so? In dieser Form ist es eine Darstellung von Schwarz und Weiß, wenn du weißt was ich meine.

Eine Sache noch:

Das Dach des Gebäudes stürzte schließlich ein und untergrub die zwei Stockwerke mit den restlichen Aasfressern, für die es kein Entkommen gab
- untergrub?


Grüße...
morti

 

Erfreulich, dass es dir gelungen ist, das Unnötige selbst heruaszufiltern und deine Gedanken auf das Wesentliche zu richten, morti.
Es ging eben nur um die Beobachtungen und Empfindungen des Erzählers.
Ich wollte mich auf das Zitat aus der Nachrichtensendung konzentrieren und dabei versuchen, eine konsequente Linie beizubehalten - die Empfindungen während und nach dem Brand. Deswegen halte ich eine tiefere Analyse der Gedanken des Erzählers auch für eine Ausschmückung - gleiche Gefahr wie bei einer eventuell detaillierteren Beschreibung des Brandes.
Die Stelle mit der Reichskristallnacht, die macht mich heute auch nicht mehr so glücklich, ebenso wie der Schlusssatz, vielleicht sollte ich die beiden Sätze umformulieren oder gar tatsächlich streichen.
untergrub = Präteritum von untergraben?

Schade, dass ich dich nicht mit einem Knall überraschen konnte, kraM, hatte ja schließlich andere Flausen im Kopf.
Trotzdem schön, dass dir die Schreibweise zugesagt hat, spricht schließlich für eine - zumindest für dich gelungene - Konsequenz in der Struktur.

Interessant finde ich doch, dass die Mehrheit der Leser den Erzähler einen "Nazi" geschimpft und ihn gleichzeitig als den (aktiven) Täter herausgelesen hat.

 

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