Liebe und Dämon
Da saß ich wieder an meinem Schreibtisch und blickte in die Leere. Die feuchtwarme Abendluft zog durch das Fenster und füllte den ganzen Raum. Mechanisch zog ich wieder einmal an meiner Zigarette. Und dieses Gefühl, das schon vergessen schien, holte mich wieder ein. Ich merkte, wie es durch meinen Körper ging, unaufhaltsam, unwiderstehlich seinen Weg bahnend. Die Zigarette glimmte immer noch in meiner Hand. Der Rauch stieg auf und zeichnete Figuren. Wie damals. Genauso wie damals. Tanzende Figuren, die fast wahnsinnig meinen Geist benebelten, ihn in den Bann des Unfaßbaren zogen. Das leise Ticken der Wanduhr ging durch den Raum, pulsierend floß es in meine Venen. Der selbe Rhythmus von Zeit und Leben. War dies schon ein Traum, wieder dieser dämonische Traum? Eine Auflehnung bäumte sich in mir auf. Ein leiser Hilferuf. Ein verzweifelter Akt der Befreiung. Ich wußte aber nur zu gut, daß es zu spät war. Jede Bemühung sich von diesem Gefühl loszureißen würde mich tiefer hineinziehen.
Da sah ich es wieder. Ein Dämon oder ein Engel. Zufällige Bilder, tolle Bewegungen, erschaffen in einer fremden Dimension. Flehende Blicke, die mich hypnotisierten. Diese sanfte Stimme, dieser Duft. Diese wohlgeformten kühlen Hände, die sich an meine Wangen legten. Nun sah ich ihr Gesicht sie sah in meine Augen. Mein Atem stockte. Diese Augen, diese vor Leidenschaft glühenden Augen. Dieser Körper, dessen Schatten, dessen Wogen mich zu einer fassungslos gewordenen Statue verwandelte. Ihr dunkles Haar legte sich sanft über ihre Schultern und glitt über ihre Brüste. Sie beugte sich vor als wolle sie mir etwas ins Ohr flüstern.
Die Uhr tickte nicht mehr. Mein Blut pulsierte nicht mehr. Sie zog ihre Kreise um mich und ihr Duft der Leidenschaft breitete sich im Zimmer aus. Ich schloß meine Augen um ihr zu entkommen. Aber dasselbe Bild tat sich wieder vor mir auf. Wieder kein Entrinnen, wieder kein Ausweg. Es tat mir tief in der Seele weh. Erst lächelte sie noch, dann kam sie näher. Und noch ein Schritt näher. Jetzt sah ich sie im vollen Licht. Zart zierlich zitternd vor Angst. Sie nahm meine Hand. Ich konnte jetzt ihren warmen Atem spüren. Ich zog ihn tief in mich hinein. Mein Herz blutete. Sie schlug ihre Augen auf und eine Träne, leuchtend wie ein Diamant kullerte über ihre fahlen Wangen über ihre seidenen Lippen. Ich hielt ihre Hände fest in meinen, ganz fest. Meine Augen waren zusammengepreßt. Ich atmete wieder. Feurig war der Atem dieser Welt. Ich schluchzte ein paar mal und brach in Tränen aus. Mein ganzer Körper zitterte. Nun wußte ich, daß wenn ich meine Augen öffnen würde, sie wieder in ihrer eigenen Welt wäre. Also hielt ich meine Augen fest geschlossen und wagte nicht sie zu öffnen.
Über meinen Schreibtisch gebückt, verzweifelt, ohnmächtig, saß ich nun wieder da. Die Wanduhr tickte wieder, als wollte sie sagen: "Es ist alles vorbei." Nichts hatte sich verändert. Meine Zigarette war erloschen und der kalte Rauch lag im Zimmer. Er hatte diesen betäubend süßen Duft verdrängt. Nun lehnte ich mich zurück, hinter mir knackte zermürbend die Stuhllehne, was durch all meine Glieder fuhr. Mir war klar, daß ich nicht mehr träumte. Ich wußte, irgendwann würde sie mich wieder besuchen. Ich wußte nicht, ob dieser Gedanke mir Trost oder Qual bereitete. Aber eines wußte ich. Wenn sie noch mal kommen würde, dann würde ich mit ihr gehen.