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"Lieber Gott? Wieso schlägt der Mann dort den kranken Jungen?"
Elisa geht wie jeden Tag frühmorgens um 7 in die erste Messe in der kleinen Kirche auf der Anhöhe des Westerwaldgipfels. Sie liebt diesen täglichen Spaziergang, gibt er ihr doch das Gefühl allein in dieser von Vögeln singenden Welt zu wandeln.
Zur gleichen Zeit in Panchun ist der kleine Mikhu ist auf seinem zehrenden Weg zur Arbeit. Sein täglich Brot. Ja würde er dies hinwerfen müsste er verhungern. So elend, wie diese Menschen von denen sie im Dorf erzählen. Sie erzählen von denen, die im Sande sterben, ohne die Liebe der Ihrigen, weil sie niemals anfingen zu leben.
Elisa kniet vor der Kirche nieder und schickt ein Stoßgebet gen Himmel, sie hat nämlich von dem Sturm dort unten gehört, der die Kinder in den Straßen zu tausenden hinwegrafft. Soll nun der liebe Gott den Kleinen helfen. Ja warum hat der liebe Gott den Sturm überhaupt kommen lassen? Aber auch mit dem lieben Gott muss man Nachsicht haben, hat Elisa gelernt, denn auch er ist hier nicht der Chef. Aber die Frage wer hier wirklich der Chef ist, hat sich Elisa erst gar nicht gestellt.
Mikhu bekommt seine Schüssel Reis vor dem Eingang der Fabrik. 3 Hände von gekochtem Reis müssen einen ganzen Tag für ihn reichen. Da wird genau mitgezählt. Eine Hand zum Frühstück, eine halbe zum Mittagessen eine halbe Hand zum Abendessen, und eine Hand voll für den Jungen im Rollstuhl. Der kriegt nämlich keinen Reis. Kann nicht Arbeiten, kriegt nichts zu essen. Tag für Tag lehnt er in seinem Wägelchen in einer Ecke, während seine Mutter Kohle aus dem Werk schaufelt um ihrem Sohn wenigstens ein bisschen Würde zu schenken, denn verhungern lassen kann sie ihn nicht. Die Augen starr an die Decke gerichtet, Arme und Beine zu bizzaren Formen verrenkt schiebt sie ihn tagtäglich zur Fabrik hinein. Speichel läuft ihm aus dem Mund auf die Brust, und ab und zu, wenn wieder einmal einer dieser Arbeiter vorbeikommt die den Kleinen als Sünde bezeichnen und ihm ins Gesicht spucken, stöhnt er auch leise. Doch wenn Mikhu mit seiner Schüssel Reis kommt freut er sich immer sehr.
Auch diesmal ist es so. Schon bei der Begrüßung wirft es den Jungen vor Freude wild in seinem Wagen hin und her. Sanft nähert sich Mikhu dem bebenden Kopf und öffnet leicht den Mund des kleinen Jungen, träufelt Reis auf dessen Zunge, schließt die schmalen Lippen wieder und wartet bis die Nahrung den Weg in den Magen gefunden hat. Diesmal klappt es nicht. Der Reis quillt wieder rückwärts und mit ihm ein Schwall Speichel. Der Junge wirft seinen Kopf nach hinten und beginnt zu brüllen. Alle schauen erschrocken zu ihm hin. Mikhu ist verzweifelt, er dürfte dass eigentlich gar nicht. Sein Essen an Nichtsnutze verfüttern und die Arbeit warten lassen. Doch es ist seine Frühstückspause. Was diese Gedanken helfen sieht er, denn die Männer kommen schon. Die mit den nackten Oberkörpern, die immer für Ordnung sorgen.
Elisa steigt das Trepplein zur Kirche hoch. Ach was ist das Leben schwer. Wird sie ja doch immer älter, und die Treppen werden auch immer steiler. Sie hält kurz inne, tankt Kraft, und schafft den Aufstieg. Jaa, die armen Kinder. Gleich nächste Woche wird sie wieder 10 Euro spenden.
Mikhu hat Angst. Die Männer kommen immer näher. Er weiß dass sie nichts Gutes wollen. Sie sind jetzt beim Rollstuhl angelangt und packen den Jungen am Kopf, drehen ihn herum und schlagen ihm ins Gesicht. Abrupt verstummen die Schreie, - der magere Körper sinkt widerstandslos zur Seite. Die Männer haben den Vorteil erkannt und schieben den Jungen davon. Mikhu wird mit Stockhieben wieder zu seiner Arbeit zurückgejagt.
Elisa sitzt nun endlich in der Kirchenbank vorne beim Altar. Ihr Haupt ist voller Ehrfurcht auf das Antlitz Gottes gerichtet. Was sie nicht schon alles in seinem Zeichen getan hat. Bestimmt wird sie in den Himmel kommen. Ja, sie liebt den Allmächtigen, und seine Wundertaten: letzten Winter hat er sie sogar von dieser schrecklichen Grippe kuriert. Ohne seine Hilfe wäre sie bestimmt gestoben. Aber das in den Entwicklungsländern täglich 1000-mal so viele Menschen sterben, und das auch noch unter Gottes Augen hat ihr noch nie zu Denken gegeben. - Denn wo Gott ist, da ist auch die Liebe. - Ja, soll sie doch einmal die Verhungernden in den Straßen fragen. Die werden auch ganz bestimmt ihrer Meinung sein.
Mikhu verdient sich seinen Lohn beim Steine schlichten. Wirklich keine schwere Arbeit für einen 9-jährigen, er muss nur schwere 3-Kilo Blöcke von einem Haufen zu einem anderen Haufen schleppen. Dort werden sie dann zu einer Trennwand für die neue „Cafeteria“ neben dem Werk aufgebaut. Der Chef soll ja auch seine Ruhe beim Mittagspläuschchen haben.
Elisa ist jetzt fertig mit dem Gebet. Sie geht nach Hause, wohlwollend dem Gedanken nachhängend etwas Gutes getan zu haben. Man wird es ihr danken.
Mikhu darf seine Arbeit auch niederlegen. Es wird Mittag. Er geht zum Ausgang, denn er möchte seine Pause an der Luft verbringen, der Kohlestaub würde seine Lungen ja sonst auch angreifen. Und Arbeiten, denkt er, möchte er noch lange, denn wer soll sonst das Geld für die Familie verdienen?
Wie er so dahingeht, sieht er den behinderten Jungen wieder. Man hatte sein Wägelchen jetzt in die Sonne geschoben.
Sein Höschen ist nass und er riecht nach Erbrochenem.
Sein Körper windet sich so stark in Krämpfen, dass das Wägelchen umfällt. – Der Junge fällt mit. Er liegt nun am Beton, dumpf klagend, - das Blut fließt aus seiner Wunde.
Sofort eilt die vom Geschrei des Geplagten alarmierte Mutter herbei. Verzweifelt nimmt sie den Kleinen auf den Arm, versucht den erregten Körper zu sänftigen und die Seele zu beruhigen, doch es ist zu spät. Sein Augenlicht bricht und der Kopf sackt nach hinten.
Nun steht sie hier, die junge Mutter, mit dem Leichnam ihres jüngsten Sohnes auf dem Arm.
Gott hat es gesehen, Gott hat nichts getan, doch Gott liebt uns alle.