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Liebesspiel
„Ich möchte dich wieder lieben können, wie früher.“
Sie standen in einem großen Raum, der dennoch sehr eng wirkte. Anna und Valnes. Es roch nach Schweiß und Liebe. In diesem Raum befanden sich Tische, Stühle, ein paar kleine Betten und Menschen. Viele Menschen. Alle waren nur aus einem Grund hier: Sie suchten nach der großen Liebe, sei es zu ihrem Partner oder sonst wem.
Rechts von ihnen stand ein Mann, der die ganze Zeit krampfhaft versuchte, sich selbst zu umarmen. An einem Tisch, ganz in der Nähe, saß sich ein Pärchen gegenüber, das gerade um die Position vom nächsten Sex würfelte. Wenn er gewann, würde er oben sein, würde sie gewinnen, könnte sie ihn dominieren. Es war ein Machtkampf, der nicht mehr viel mit Liebe zu tun hatte. Es ging bestenfalls um einen schönen Orgasmus. „Ha, eine sechs. Meine Chancen steigen.“, Sagte der Mann, etwa anfang 40. Seine Frau erwiderte in einem Ton, der einer Domina ähnelte: „Na das werden wir noch sehen!“
Weiter hinten in einem Bett, hatte ein Pärchen anscheinend schon um die Position gespielt. Sie baute sich auf ihm auf und fing an hypnotisierende, rhythmische Bewegungen zu vollführen. Er hatte sichtlich Spaß daran.
Niemand schien sich dafür zu interessieren. Alle waren in ihrer eigenen Welt gefangen. Nur um sich selbst besorgt. Es war ein Ort voller Egoismus.
Anna und Valnes setzten sich an einen Tisch. Valnes nahm ein Paar Würfel in die Hand und lächelte. „Lass uns Würfeln. Um unsere Liebe.“ „Wie um unsere liebe?“ erwiderte Anna. „Na wenn wir unentschieden spielen, bleiben wir zusammen und wenn es einen Gewinner gibt, dann war’s das.“
Stille. Im ganzen Raum. Der Mann der sich selbst umarmen wollte, hielt inne und starrte die beiden an. „Ja seids ihr denn Wahnsinnig?“ sagte er entsetzt.
„Nein, nein“ sagte Valnes voller Eifer. „Dieses hübsche Mädchen hier meinte vor ein paar Stunden, sie sei sich nicht mehr so sicher mit unserer Beziehung. Da dachte ich mir, dieser Ort wäre der beste, um raus zu finden wie es weiter gehen soll.“
Anna schaute ihn entsetzt an und sprang auf: „Aber du kannst doch nicht einfach ein paar lausige Würfel bestimmen lassen, was mit uns passiert!“
„Du lässt mir ja keine andere Wahl.“ entgegnete Valnes. „Ihr Weiber kommt ständig an mit euren Zweifeln. Dabei war doch alles in Ordnung…“
„ …und ihr Männer ignoriert unsere Probleme! Nichts ist in Ordnung“ erwiderte Anna und begann widerwillig zu würfeln. Eine drei.
„Na sieht doch gut aus.“, Sagte Valnes und griff sich die Würfel. Annas Nase fing an zu bluten. Das passierte immer, wenn sie aufgeregt war.
Er würfelte eine vier und war sichtlich enttäuscht darüber. Er wunderte sich jetzt selbst über seinen Einfall, um die Liebe zu würfeln, aber einmal angefangen musste er es beenden. Valnes zeigte noch nie gerne Schwäche.
Anna wischte das Blut aus ihrem Gesicht und würfelte erneut. „Bitte eine fünf… bitte…“ dachte sie sich. Fünf war ihre Glückszahl. Sie würfelte eine neun und fing an zu weinen. Das Blut aus ihrer Nase vermischte sich mit den Tränen und Valnes fand sie genau in diesem Augenblick einfach nur schön. Vielleicht hatte sie recht, vorhin, als sie sagte, dass der Alltag ihnen die Liebe genommen hätte… Vielleicht hätte er ihr wirklich einmal mehr sagen können, dass er sie liebe. Er sagte nichts und nahm die Würfel. Es ging jetzt um alles. Er musste eine hohe Zahl würfeln, um eine Chance zu haben…
So saßen sie sich eine ganze Weile gegenüber und spielten. Die anderen Leute hatten sich schon längst wieder von ihnen abgewandt.
Anna verlor. 49 zu 55. Es war ein spannendes Spiel. Es ging um so viel.
„Tja, das Schicksal will nicht, dass unsere Liebe noch bestehen bleibt.“ Valnes stand auf und wollte gehen. Er hielt es nicht aus. Natürlich wollte er, dass das Spiel unentschieden endet, aber er hatte sich festgelegt. Das Spiel sollte über die Liebe entscheiden und so ist es auch geschehen. Natürlich hatte von anfang an keine reelle Chance bestanden. Ein Würfelspiel endet sehr selten unentschieden, aber er hatte sich festgelegt.
Valnes zeigte noch nie gerne Schwäche.
Anna schaute ihn verzweifelt an, konnte aber nichts sagen und er ging.
Wie versteinert blieb sie noch zwei Stunden sitzen. Sie sah die ganzen Leute um sich herum und weinte.
„Ich wollte ihn doch nur wieder lieben können, wie früher…“