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Litanei

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19.02.2005
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Litanei

„She never finds no trouble she tries too hard“
– Loyd Cole, Rattlesnakes

Ich weiß, was du da hinter deiner Tür machst.
Ist sie verschlossen? Oder könnte ich, wenn ich wollte, die Klinke drücken und den Schritt über deine Schwelle machen, um live und in Farbe das zu sehen, was ich spätestens, wenn die Sonne wieder scheint, ohnehin sehen werde? Pfeile und Sterne, bei dir sind es immer Pfeile und Sterne.

Ich weiß, was du da hinter deiner Tür machst. Und obwohl ich dich halten und an meine Brust drücken will, um deinen Rücken gegen die Welt freizuhalten, obwohl ich deine Wut so gut verstehe, hasse ich dich in diesem Moment.
Ich hasse dich, weil du mein Spiegel bist und ich deiner, wie die Klischee-Borderlinerin fühlen wir uns so fürchterlich clever, in dieser einen Sache sind wir beide dem Rest der Welt endlich zumindest diese eine Nasenlänge voraus. Wir wissen Bescheid.
Und wie die erste Borderlinerin Scherben frißt, um von der zweiten mit Glühbirnen überboten zu werden, hast zwar du damit angefangen, aber ich schneide tiefer.

Als du anfingst – im Gegensatz zu mir mit Nadeln, weil die das eine Ding sind, vor dem du wirklich Angst hast, so wie ich vor Klingen –, wußte ich kaum was davon, nur, daß es böse und gemein gegen jeden ist, der einem nahesteht. Und gegen sich selbst.
Ultimativ hilflos.
Ich wollte dir helfen, weil ich dich liebe, und weil ich dich auch damals geliebt habe.
Ich wollte dir helfen, damit du aufhören würdest, der Welt und damit mir die Pfeile und die Sterne zu präsentieren, die du auf dem Oberarm herumträgst. Aber ich brauchte eine Zeit, um zu begreifen, daß du stolz darauf warst, irgendwie. Du trugst sie so stolz, als wären es die Narben eines ehrenhaften Kampfes.
Ich wollte dir helfen, um nicht jedes Mal, das mein Blick den in die Haut geschabten Pfeilen nicht ausweichen konnte, das Gefühl zu haben, daran mit schuldig zu sein, ohne zu wissen, womit ich diese Bestrafung eigentlich verdient haben könnte.
Begreifen tut man es erst, wenn man selbst anfängt.
Ich könnte nicht mehr sagen, warum, nur daß es das erste Mal ein Kugelschreiber war, und ein paar blaugeränderte Löcher in meiner linken Handfläche.

Das bißchen. dachte ich.

Eigentlich bin ich nicht so. dachte ich.

Und natürlich fühlte ich mich soviel besser als du, so subtil, wie ich vorging: nicht die Unterarme, nicht die Schultern, nichts, was andere sehen und wofür sie sich schuldig fühlen könnten.
Wo du stolz auf deine Narben warst, war ich stolz auf mein Verheimlichen.
Oh ja, war ich nicht ach so anders als du? Soviel heroischer: keine Schuldzuweisungen gegen Leute, die es nicht verdient hatten und nichts dafür konnten, alles gut verpackt und noch besser versteckt.
Und natürlich habe ich sie gehaßt, wenn sie nichts gesagt haben, so wie du. Und ich habe sie gehaßt, wenn sie etwas gesagt haben, so wie du.
Was kann man auf eine bestürzte Nachfrage antworten?
„Tschuldigung, ich habs kaputt gemacht.“
Und die ganze Zeit über trug ich meine sorgfältig versteckten Löcher so stolz wie du deine unbedeckten Pfeile.

Aber das bißchen Kugelschreiber war nicht genug, und als nächstes kam die abgebrochene Nagelfeile – nur ein paar Ritzer, natürlich, die paar. Und dann kamen die Messer, und endlich, als das Blut anfing zu quellen und die hektische Suche nach irgendwas zum Stoppen der Blutung losging, das Gefühl, endlich, endlich einen Grund zu haben –

Ich weiß, was du da hinter deiner Tür machst. Ich weiß, daß du auf dem Fußboden sitzt, den Blick auf der Nadel, die du immer dabei hast, und ich weiß, was du denkst.
Wo dieses Mal?
Ich weiß es, und ich werde nicht die Klinke drücken und über die Schwelle treten, um zu versuchen, den Schaden zu begrenzen.
Ich sitze auf meinem Teppich und starre auf meinen linken Unterarm. Als er anrief, um mir zu sagen, er hätte die Schnauze voll, wußte ich selbst nicht, was ich machen würde, aber da lagen die Scherben vom Wechselrahmen, und ich griff danach. Sie lagen so nahe. Das Schneiden tut nicht weh, aber wenn das Blut soweit gestillt ist, um erkennen zu können, daß ich dieses Mal vielleicht doch zu tief geschnitten haben könnte – sieht das nicht fast nach Knochen aus? – kommt die Panik. Hab ichs jetzt endgültig kaputtgemacht?
Das Abheilen tut weh, und die Scham, mit dem Verband in der Gegend herum zu laufen, die bedauernden Blicke der Leute. Und die blöden Lügen, „Das? Hab mich verbrannt. Zigarette? Nee, bin an den Kamin gestoßen.“
Was sonst gibt es zu sagen?

Du und ich, wir fühlen uns so verdammt clever, dieses eine Mal keine Rede von Hilflosigkeit, oh ja, sind wir nicht überlegen?
Kein normaler Mensch, der sich so leicht über seinen Körper hinwegsetzen kann, wie wir. Vor diesem Schmerz haben wir keine Angst mehr.
Das Schneiden tut nicht weh, aber es muß tief genug sein. Erst, wenn das Blut tropft, wird es besser. Ich sitze auf meinem Teppich, und starre auf das Taschentuch, daß sich mit Rot vollsaugt. Der erste Griff nach dem Schneiden gilt den Taschentüchern, der zweite einem Lappen. Sobald es fließt, setzt das ein, worauf wir warten:

Jetzt habe ich endlich einen Grund.
Jetzt habe ich endlich einen Grund, mich so zu fühlen, wie ich mich fühle.
Jetzt habe ich endlich wirklich Mist gebaut.

Das Problem ist nicht, daß wir nicht wüßten, was wir hier machen.
Wie du weiß ich genau, was ich tue.
Meine letzten Worte zu ihm an anderen Ende der Leitung waren: „Ich hab es gewußt. Mich kann man nicht lieben.“

Und du sitzt hinter deiner Tür und wartest darauf, daß dich jemand rettet, so wie ich hinter meiner sitze.
Aber an diesem Ort sind wir wirklich allein. Wie du weiß ich genau, daß ich dich nicht retten kann, und du nicht mich. Selbst, wenn wir es noch immer wollten.
Wir sind süchtig, und wir sind zu klug, um nicht zu wissen, daß der erste Schritt zum Trockenwerden der Wille ist.
Es ist so einfach, wir müssen es nur wollen.

Wirklich schlimm ist nicht das, was wir tun, sondern daß wir so verdammt genau wissen, was wir tun -- und es trotzdem tun.

 

Hallo,
ich hoffe, hier ist mein Text nicht völlig falsch, ich hab hin und her überlegt, ob er a) überhaupt paßt (ist ja eher kurze Prosa), und er b) wirklich unter „Gesellschaftliches“ gehört.
Für Rückmeldungen bin ich folglich dankbar. ;)
Lieben Gruß,
Ghost

 

Hi

Ich fürchte, ich bin keine grosse Hilfe... finde nichts zu kritteln und kann nur sagen, dass ich den Text wirklich gut finde. Mir gefällt das absolut Unsentimentale daran. Jegliche Weinerlichkeit fehlt. Genau dadurch packst du mich. Von Anfang bis Ende. Zum Kritisieren musst du jemand Anderen finden, ich bin die Falsche.

Korrigier doch einfach noch die Nagelfeile (da hat sich ein p eingeschlichen).

Übrigens: eine tolle Website hast du!

KT

 

Hallo Ghost

Tja, über die Rubrik bin ich mir auch nicht so ganz sicher. Aber ich glaube, hier ist sie nicht wirklich verkehrt, da das Thema ja doch in der „Gesellschaft“ häufig vorkommt.

Wir wissen bescheid
- Bin mir nicht ganz sicher, aber schreibt man Bescheid nicht grundsätzlich Groß?

abgebrochene Nagelpfeile
- Da ist dir ein „p“ zu viel reingerutscht.

das Gefühl, endlich, endlich einen Grund zu haben
- Einen Grund für was? Bisher kam in der Geschichte nur rüber, dass der/die Prot. sich selbst verletzt. Es ist bis hier absolut nicht ersichtlicht, WAS für ein Grund das sein soll.

Wirklich schlimm ist nicht das, was wir tun, sondern daß wir so verdammt genau wissen, was wir tun -- und es trotzdem tun.
- Der letzte Satz gibt da doch noch irgendwie Hoffnung darauf, dass sich was verändern könnte. Ich würde es aber ein wenig anders formulieren. Z.B. etwas in der Richtung wie: „Für uns ist nicht wirklich schlimm was wir tun, sondern dass wir es tun.“

Die Sache mit der Nadel ist mir nicht klar. Hat die sich immerzu tätowiert, oder was?

Hmm... was den Inhalt anbelangt .... wird ja immer so oft geäußert „Schon wieder über Selbstverstümmelung usw.“ Will ich mich jetzt nicht dazu äußern, da du meiner Meinung nach einen eigenen Einblick aus deiner Ansicht gestaltet hast.
Vom Schreibstil her fand ich es ganz gut zum lesen. Hier und da wäre bestimmt noch was zu feilen, aber da mir keine Alternativen dazu einfallen, werde ich mich dezent in Schweigen hüllen.

Gruß
LoC

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo KT,

vielen Dank erstmal für dein Lob *gebauchpinseltfuehl* - freut mich sehr, daß der text bei dir nicht weinerlich oder jämmerlich übergekommen ist – das war meine Hoffnung und mein Ziel! *immer noch freu* (Und *charmed* wg. der HP!)

Hallo Lady of Camster,

vielen Herzlichen auch für deinen Kommentar und deine Kritik! :)

So, los gehts… *händereib*
@ bescheid: Nach der alten Rechtschreibung nicht, oder?
Ups, aber mit der Feile anstelle der Pfeile habt ihr natürlich völlig recht, wird umgehend behoben!

Einen Grund für was?
Was den Grund betrifft, beantwortet die Prot. die Frage weiter unten schließlich in aller Ausführlichkeit, an dieser Stelle möchte ich den Grund – auch der Spannung wegen – noch nicht klären, sondern eher die Frage in den Raum stellen: „Ja nun, was haben die beiden denn eigentlich?“ (Wenn sich dabei schon ein genervter Ton im Denken einstellt, ist das m.E. sogar ganz passend ;)). Aber ich wart mal ab, wenn das noch mehr Leute bemängeln, mach ich mir noch mal Gedanken, versprochen!

Zur Nadel: schade, wenn das nicht rauskommt, ich hatte gehofft, in Kombination mit den Klingen wäre es klar: die eine ritzt mit Messern, die andere mit Nadeln. Mit Nadeln gehts halt nicht so tief (Hinweis „[…] aber ich schneide tiefer“), dafür nimmst du damit mehr Haut mit. Mhm, ich wollte möglichst wenig ins Detail gehen, um eben nicht so ins Holzhammermoralische zu geraten, aber wenn es dann unverständlich bleibt, hab ich natürlich das Ziel verfehlt – ich brüte noch mal drüber, wie ich die Nadeln klarer machen kann!

Der verflixte letzte Satz… Mhm, schwierig, deine Kritik hat natürlich Berechtigung, aber würde ich deinen Vorschlag übernehmen, stünde da nicht mehr das, was ich aussagen wollte… (Bis ich die Erleuchtung hab, bleibts erstmal beim rhetorischen Mittel *hust* der Wiederholung des „tuns“, okay?)

Prima Überleitung übrigens, Holzhammermoral ;) :

wird ja immer so oft geäußert „Schon wieder über Selbstverstümmelung usw.“
*schaem* Jaaa…. So was hatte ich befürchtet, ich bin hier noch nicht so lange unterwegs und bisher ist mir hier noch kein solcher Text begegnet.

Ich möchte zu meiner Verteidigung (sic!) sagen, daß ich nicht eben Freundin reiner „Problemtexte“ bin – eigentlich (Da ist "Das war der Hirbel" dran schuld, also no offense intended!). Aber nachdem ich in letzter Zeit an anderen Stellen recht viele Texte über dieses Thema erwischt habe, und langsam ob all der Anteilnahmeappelle und Betroffenheitsbekundungen ungeduldig wurde (nix gegen Anteilnahme, aber m.E. ist das selten einfach ein Problem, bei dem Mitleid alleine irgendwen weiterbringt, sondern sogar häufig genau das Gegenteil dmit erreicht, nämlich das Weitermachen - „sekundären Krankheitsgewinn“ nennt man das, glaube ich.), hatte ich das dringliche Bedürfnis, mich auch noch zu Wort zu melden. In größenwahnsinniger Stimmung fand ich, ich könnte dem Thema noch ein, zwei Aspektchen abgewinnen, die ich bisher eher nicht gelesen habe. Umso mehr freut mich, wenn es zumindest ein bißchen geglückt ist…

Danke nochmal euch beiden und
Alles Liebe,
Ghost

Edit: @ Nadeln: jetzt hab ichs endlich verstanden, glaub ich: das Problem waren die Pfeile und Sterne, die dich an Tattoos denken liessen... Hab mich nochmal drangesetzt.

 

Hallo Ghost,

ich habe hier im Forum schon mehrere Geschichten über Boarderline gelesen und ich muss sagen, dass mich keine so bewegt hat wie deine. Ich habe eigentlich nichts zu kritisieren.
Deine Geschichte ist ganz anders, als die anderen, die ich kenne. Viele sind ein anklagen, sind weinerlich: Deine Geschichte ist weder das eine noch das andere und stellte stellt die Dinge so dar, wie sie sind (mit dem was man erreichen möchte, was man wirklich erreicht, wie man sich fühlt etc.).

Hat mir ausgesprochen gut gefallen.

LG
Bella

 

Hmm, ja, ist schon Prosa, aber irgendwo als Variante der Kurzgeschichte. Und auch in Gesellschaft ist es nicht ganz fehl am Platze. :)

Flüssig geschrieben, stimmig und in sich schlüssig. Einzig der Titel gefällt mir nicht, er wirkt wie eine Präventionsmaßnahme einem Klischeevorwurf gegenüber und sagt soweit gar nichts über den Text aus.

An deiner Stelle würde ich nochmal einiges kürzen, gerade dann, wenn du dich wiederholst (was dir oft passiert ist). Versuch mal, nur das zu behalten, was für die Geschichte und den Plot wichtig ist und den Leser weiterführt.

Alles in allem hast du einen guten Text geschrieben, der zu Recht empfohlen wurde, aber hundertprozentig perfekt ist er noch nicht. Und meinem persönlichen Geschmack fehlt ein bisschen mehr Handlung.

Grüße,
Anea

 

aber würde ich deinen Vorschlag übernehmen, stünde da nicht mehr das, was ich aussagen wollte… (Bis ich die Erleuchtung hab, bleibts erstmal beim rhetorischen Mittel *hust* der Wiederholung des „tuns“, okay?)
Ich wollte ja nur ein Beispiel geben mit meinem Satz, damit du weißt wie ich es in etwas meinen.
Im Übrigen stört mich das doppelte "tun" in diesem Fall gar nicht.

 

Hallo,

ich war mal so frei, habe in den Empfehlungsthread geschaut und bin Aneas Empfehlung nachgekommen. Und ich wurde mit einer sehr respektablen Geschichte belohnt.

Zwei Figuren leiden unter dem Boarderline-Syndrom. Mir schwant, mit diesem Begriff wird eigentlich eine ganze Gruppe von Syndromen bezeichnet, zu welcher die Selbstverstümmelung lediglich dazugehört. Ist das so?
Laienpsychologisch wie ich bin, zugegeben habe ich mich aus populärwissenschaftlichen Quellen bzgl. Erziehungsproblematik kundig gemacht, denke ich über die Herkunft von solchen Anomalien Folgendes: Wenn man in der Kindheit zuwenig Liebe erfahren hat und nie so richtig wusste warum (also auch keine tatbezogenen Strafen erlitten hat u.a.), kann das dazu führen, dass man sich diesen Grund zwangsartig selbst beschaffen muss: So verwundet, kann ich verstehen, warum ich nicht geliebt werde.
In deiner Geschichte arbeitest du das regelrecht zu einem Konkurrenzkampf aus: Wer ist ärmer dran, wer hat Liebe weniger verdient. Und du kontrastierst es sogar durch verschiedene Strategien, das stolze Herausstellen des einen gegen das geheimnistuerische Schatzbewahren des anderen. Ambivalent dazu entwickeln deine Protagonisten (eigentlich Pro- und Antagonist) jedoch, aller Hassgefühle zum Trotz, ein gewisses Mitgefühl und Verbundenheit füreinander, schließlich haben beide dasselbe Leid.

So habe ich die Geschichte verstanden und so finde ich sie in puncto Inhalt und Umsetzung gut. Stilistisch und sprachlich ist sie weitgehend gut, einige Makel habe ich mal aufgeführt...

Das bißchen. Dachte ich.

Eigentlich bin ich nicht so. Dachte ich.


Und natürlich fühlte ich mich soviel besser als du, so subtil, wie ich vorging: nicht die Unterarme, nicht die Schultern, nichts, was andere sehen und wofür sie sich schuldig fühlen könnten.
Irgendwie stutze ich, weil mir das unvollständig vorkommt. Nach "wie ich vorging:" erwarte ich eigentlich einen Vollsatz, einer bloße Ergänzung fehlt hier der Bezug.

Das Schneiden tut nicht weh, aber wenn das Blut soweit gestillt ist, um erkennen zu können, daß ich dieses Mal vielleicht doch zu tief geschnitten haben könnte – sieht das nicht fast nach Knochen aus? – kommt die Panik. Hab ichs jetzt endgültig kaputtgemacht?
Das deute ich als Hinweis darauf, dass auch das Boarderline-Syndrom hier letztlich der Wunsch nach Liebe, einfacher (und übrigens nicht sexueller) Liebe verschlüsselt. Die Panik entsteht aus der Befürchtung, dass der Bogen reißt und nun wirklich alles zu spät ist, als dass man noch geliebt werden könnte. So sehe jdfs. ich das.

Du und ich, wir fühlen uns so verdammt clever, dieses eine Mal ist keine Rede von Hilflosigkeit, oh ja, sind wir nicht überlegen?
Vielleicht war die Ellipse Absicht, mich zumindest hat sie gestört.

Wirklich schlimm ist nicht das, was wir tun, sondern daß wir so verdammt genau wissen, was wir tun -- und es trotzdem tun.
Wortwiederholung tun - tun.
Außerdem ist der Satz nicht nur stilistisch verbesserungswürdig, sondern sogar unvollständig. Wozu kann man trotzdem erweitern, trotz was denn? So kann ich das nicht auflösen, weil auch hier ein Bezug fehlt. Weiters offenbart sich eine andere Schwäche, wenn wir uns das Prinzip der gegenseitigen Ersetzbarkeit von UND-Operanden zunutze machen und den Satz etwas umarrangieren: sondern daß wir so verdammt genau wissen, [?] es trotzdem tun. Da fehlt ein warum nach und, Satzteiler "--" hin oder her. Wenn du das Ergebnis nicht das aussagt, was es aussagen soll, dann würde ich den Satz generell überdenken. Ich würde überhaupt schreiben: Wirklich schlimm ist nicht das, was wir tun, sondern dass wir verdammt genau wissen, was wir tun – und nicht davon lassen.

Soweit gern gelesen.
FLoH.

 
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bin Aneas Empfehlung nachgekommen
hehe - vita wars...

 

Hallo Bella,

Dankeschön, wirklich! Ich bin wirklich erleichtert zu lesen, daß ich damit (d)einen Ton hab treffen können. Ist ja schon ein schwieriges Thema, auf allen Leveln, eben auch dem Ausgelutschheitslevel, und ich bin ganz gerührt! :)


Hallo Anea,

Schön, daß du meine ‚Geschichte’ gelesen hast!

@Titel: Ich hab festgestellt, daß der die Gemüter echt spaltet. Eine andere Überlegung war, daß die beiden sich in diesem Klischee bewegen, aber dadurch, daß sie es zumindest so klar benennen können, was Wahres draus wird – insofern stand für mich persönlich schon mehr als eine Präventionsmaßnahme dahinter (obwohl ich mich ganz frei davon wohl nicht machen kann ;) ). Wenn du (oder jemand sonst) bessere Ideen zum Titel haben solltest, immer her damit! ;) Bis dato hab ich aber noch nichts zufriedenstellendes gefunden…

An deiner Stelle würde ich nochmal einiges kürzen, gerade dann, wenn du dich wiederholst (was dir oft passiert ist).
Die Wiederholungen waren schon bewußt eingesetzt (beim Schreiben kam es mir fast vor wie eine Litanei). Aber wenn das so sehr daneben gegangen sein sollte, und falls du Lust hast, würde ich mich über Hinweis auf die für dich am schwer verdaulichsten Stellen freuen.
Alles in allem hast du einen guten Text geschrieben, der zu Recht empfohlen wurde, aber hundertprozentig perfekt ist er noch nicht. Und meinem persönlichen Geschmack fehlt ein bisschen mehr Handlung.
Dankeschön (hab die Empfehlung erst jetzt gesehen und bin völlig gerührt – Danke, vita!)! Nee, perfekt ist er sicher nicht, ich bin überrascht, daß er überhaupt ankam! *huepf* Was die handlung betrifft, hast du natürlich einen Punkt. Aber wie oben geschrieben, dieses eine Mal mußte es sein. Vielleicht bau ich ihn ja mal in eine Geschichte ein.

Vielen Dank euch beiden fürs Lesen und für Kritik.
Alles Liebe,
Ghost

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo FloH,

danke für deine ausführliche ‚Analyse’, ich bin beeindruckt!

FLoH schrieb:
Und ich wurde mit einer sehr respektablen Geschichte belohnt.
Vielen Dank! :)
Zwei Figuren leiden unter dem Boarderline-Syndrom. Mir schwant, mit diesem Begriff wird eigentlich eine ganze Gruppe von Syndromen bezeichnet, zu welcher die Selbstverstümmelung lediglich dazugehört. Ist das so?
Also, vorweg: Ja, beim Borderline-'Syndrom' kommt Selbstverletzung sehr häufig vor – aber, wie du schon sagt, ist das nur eins von zahlreichen möglichen Symptomen. Mein Text muß nicht notgedrungen von ‚waschechten’ Borderlinern handeln, das Bild am Anfang legt zwar die Fährte, ist aber auch tatsächlich ein Bild und Vergleich. Daß aber das Ritzen Betroffene oft zumindest in die Nähe von Borderline rückt, ist m.E. wahr und paßt.
Laienpsychologisch wie ich bin, zugegeben habe ich mich aus populärwissenschaftlichen Quellen bzgl. Erziehungsproblematik kundig gemacht, denke ich über die Herkunft von solchen Anomalien Folgendes: Wenn man in der Kindheit zuwenig Liebe erfahren hat und nie so richtig wusste warum (also auch keine tatbezogenen Strafen erlitten hat u.a.), kann das dazu führen, dass man sich diesen Grund zwangsartig selbst beschaffen muss: So verwundet, kann ich verstehen, warum ich nicht geliebt werde.
Gegen deine Überlegungen will ich nichts sagen, laienpsychologisch oder nicht, da steckt sicherlich Wahrheit drin, aber soweit zu gehen, mich festzulegen und das genaue „Warum?“ zu bestimmen, wollte ich nicht. Ich denke, daß sich der Problemkomplex schlecht auf eine Formel zusammenkürzen läßt, aber dazu mag sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
In deiner Geschichte arbeitest du das regelrecht zu einem Konkurrenzkampf aus:
Im von dir ausgesprochenen Konkurrenzkampf steckt viel Borderline drin. Das Beispiel mit Scherben und Glühbirnen ist kein Witz oder ausgedacht, und wie bei dieser Art von Selbstverletzung kann auch das Ritzen regelrecht ansteckend wirken.
Ambivalent dazu entwickeln deine Protagonisten (eigentlich Pro- und Antagonist) jedoch, aller Hassgefühle zum Trotz, ein gewisses Mitgefühl und Verbundenheit füreinander, schließlich haben beide dasselbe Leid.
Dankeschön, die Verbundenheit beider war mir wichtig! Ich weiß nicht, ob sie wirklich als Pro- und Antagonist funktionieren, im Prinzip löst die erzählende Person ihre eigene Kategorisierung ja mit dem „wir“, worauf es immer hinausläuft, wieder auf. Ich denke, beide sind eine ArtTäter und Opfer zugleich, für sich selbst und für die/den andere/-n. (ich formulier so doof um männlich/weiblich herum, weil ich mit dem Text nicht all die Jungen ausschliessen will, bei denen viele der „typischen“ Frauenerkrankungen auch immer verschärfter vorkommen).
So habe ich die Geschichte verstanden und so finde ich sie in puncto Inhalt und Umsetzung gut. Stilistisch und sprachlich ist sie weitgehend gut, einige Makel habe ich mal aufgeführt...
Ich hoffe, nach meinen Auführungen gefällt sie dir noch immer inhltlich. ;) So, zu den Makeln: die kleinen ds sind nach der AR okay, ich hätte die Vor-Sätze, wären es keine Gedanken, einfach in Anführungsstrichen geschrieben.
Irgendwie stutze ich, weil mir das unvollständig vorkommt. Nach "wie ich vorging:" erwarte ich eigentlich einen Vollsatz, einer bloße Ergänzung fehlt hier der Bezug.
Mhm, eigentlich war der Bezug das Ritzen, also wie sie dabei vorging. Meinst du, das wird nicht klar genug? Dann setz ichs einfach noch dahinter.
Das deute ich als Hinweis darauf, dass auch das Boarderline-Syndrom hier letztlich der Wunsch nach Liebe, einfacher (und übrigens nicht sexueller) Liebe verschlüsselt. Die Panik entsteht aus der Befürchtung, dass der Bogen reißt und nun wirklich alles zu spät ist, als dass man noch geliebt werden könnte. So sehe jdfs. ich das.
Das trifft es ziemlich gut, finde ich!
Vielleicht war die Ellipse Absicht, mich zumindest hat sie gestört.
Sie war Absicht. ;)
Wortwiederholung tun - tun.
Außerdem ist der Satz nicht nur stilistisch verbesserungswürdig, sondern sogar unvollständig. Wozu kann man trotzdem erweitern, trotz was denn? So kann ich das nicht auflösen, weil auch hier ein Bezug fehlt.
Das wundert mich – der Bezug steht doch direkt davor.
Versteh mich nicht falsch, an diesem vermaledeiten Satz muß ich dringend noch feilen, bei so vielen Kommentaren dazu, mein Herz hängt aber an diesem „trotzdem“. Der Trotz ist mir enorm wichtig.
Zum Umarrangement: *i’mstruckblind!*
sondern daß wir so verdammt genau wissen, [?] es trotzdem tun.
Im ersten Fragezeichen fehlt die genauere Bestimmung mit dem Halbsätzle „was wir tun“.
Mhm, ich geb dir und Lady of Camster natürlich Recht, das Gelbe vom Ei ist es noch nicht ganz, aber wie ich das Problem (inklusive „trotzdem“) auch zu meiner Zufriedenheit behebe, weiß ich noch nicht, laß mir Zeit. ;)

Danke für die Mühe und alles Liebe,
Ghost


Edit: nochmal @ Titel: was haltet ihr von "Litanei"? So wären auch die Wiederholungen als Stilmittel einleuchtender.

 

Hallo Ghost,

ich habe deinen Titel auch in der Anzeige geändert, ich hoffe, das war dir recht.
Den lakonischen Ton finde ich auch gelungen. Mir beschränkt sich der Text allerdings etwas zu sehr uf das Schneiden. Gerade beim Borderline findet ja sehr viel mehr statt. Es müssen schon einige Punkte zusammen kommen, bevor es als Diagnose gestellt wird. Das Misstrauen zum Beispiel fehlt mir etwas. Zwar geht es darum, dass etwas kaputt gemacht wird, aber weniger darum, dass vornehmlich das kaputtgemacht wird, wonach die Sehnsucht steht. Alles was Liebe ist. Das kommt nur einmal zart bei der Trennung des Freundes vor als letzter Vorwurf: "Mich kann man nicht lieben." Der Zwiespalt zwishen viel zu enger Bindung, zwischen fast süchtiger Liebe und Hass, das ganze schwarzweiße Denken fehlt. In soweit bleibt dein Text nur einer über das Schneiden, nicht über Borderline. Da geht er mir nicht tief genug.
Was gut heraus kommt ist die Sucht, der Zwiespalt zwischen Stolz und Scham bei der Entdeckung, die Unausgewogenheit und die Chancenlosigkeit der Umwelt , die nichts mehr richtig machen kann. Denn egal, ob sie sich zu den Trophäen äußert oder es nicht tut. Beides ist für die Schneidenden verkehrt.

Wir wissen bescheid.
Bescheid (groß) auch nach alter RS, soweit ich weiß.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo sim!

Schönen Dank auch für deine Kritik - die Fehler werden umgehend ausgebügelt - danke für den "Bescheid".

Was den "lakonischen Ton" betrifft: Fühle mich ernsthaft gebauchpinselt, lakonisch ist mir vorher noch nie gelungen! :)

Zum Thema "Borderliner" gebe ich dir völlig Recht - guckst du mal nach oben, zu meiner Antwort auf FloHs Post, siehst du, daß ich mich darauf auch nicht festgelegt habe. Das definitive Thema (sic!) ist das Ritzen, ergo konzentriert sich alles auf das Schneiden (Ich hoffe, das rehabiliert meine Sicht etwas... ;)).
Danke für deine glorreiche Beobachtung zur "Sehnsucht" - da war ich bisher völlig blind: Hast Recht, das hängt noch ein bißchen in der Luft.

Danke für die Threadnamensänderung!

Alles Liebe,
Ghost

 

Hallo ghostdoesgetdrunk,

Borderline scheint vor allem in der heutigen Zeit für immer mehr Menschen ein Ausweg zu sein, bzw eine Methode den Alltag durch Schmerzen und durch das „Beschäftigtsein“ auszublenden. Die Gedanken deines Prots spiegeln die Situation, in der sich ein solcher Mensch befindet gut wieder. Was mir jedoch fehlt, sind die Hintergründe. Warum haben er und sie angefangen? Du gibst zwar kurz Hinweise, löst es aber nie wirklich auf. In dieser Form, also ein reiner Gedankengang, funktioniert deine Geschichte zwar auch, bietet mir persönlich aber etwas zu wenig. Wäre schön, wenn du noch einiges an story einbauen könntest. Wie gesagt: Muss nicht sein, wäre aber sicherlich lohnenswert.

Eine Anmerkung:

Ich wollte dir helfen, um nicht jedes Mal, das mein Blick den in die Haut geschabten Pfeilen nicht ausweichen konnte, das Gefühl zu haben, daran mit schuldig zu sein, ohne zu wissen, womit ich diese Bestrafung eigentlich verdient haben könnte.
- Der Satz geht doch bestimmt einfacher ;)

Einen lieben Gruß...
morti

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo morti,


schön, daß du meine Geschichte nach all der Zeit nochmal ausgegraben hast, und danke für deine Kritik!

Was die Hintergründe angeht: ich wollte und will sie nicht näher ausführen. Irgend einen Grund hat jeder, und dazu gibts so viele tragische Geschichten und Bücher, daß ich nicht das Gefühl hatte, dem Thema mit ganz genauen Motiven etwas Neues abzugewinnen.
Das hauptsächliche Problem meiner Protagonisten ist (mittlerweile) ja auch vielmehr der Suchtaspekt der ganzen Aktion, und eben den zu zeigen fand ich relevanter.
Du hast natürlich recht, ich könnte eine ganze Geschichte draus machen, aber für dieses Thema fand ich Kurzprosa passender, um eben nicht in eine weitere „Mann, geht's mir schlecht“-Geschichte abzugleiten.
Deshalb werde ich an der Form nichts ändern [Ich hab aber auch schon richtige Geschichten mit Handlung geschrieben, ehrlich! ;) ].

Zur Anmerkung: *argl* Recht hast du! Allerdings weiß ich just noch nicht, wie einfacher, aber ich werds bebrüten!


Vielen Dank nochmal und alles Liebe,
Ghost

edit: Noch eins zu den Gründen. Der wichtigste steht sogar da: Endlich einen Grund dafür zu haben, sich so zu fühlen, wie man sich fühlt. "Das ist alles nur in deinem Kopf", quasi, und nach dem Ritzen "endlich" auch außerhalb des Kopfes, sichtbar also.

***
Eins letztes Generelles noch: ich möchte noch einmal betonen, daß ich hier hier übers Ritzen geschrieben habe – das hängt zwar allzu häufig mit ner Borderline'störung' zusammen, von mir aus auch hier, aber eben nicht notwendig. Mir ist die Unterscheidung so wichtig, weil zu Borderline ja mehr gehört als jemand, der an sich herumschnippelt (und das ist ja schon schlimm genug), und wenn ich Borderline mit Ritzen gleichsetzte, fürchte ich, würde ich dem Komplex dieser 'Störung' nicht gerecht. Daher die Begrenzung...

 

Hi ghostdoesgetdrunk !

Nachdem was ich inzwischen hier so erfahren habe, ist deine Geschichte eigentlich keine, sondern so ein Bericht als innerer Monolog.
Eigentlich wiederholst du dich auch dauernd, fand das weder ergreifend, noch interessant.
Das Borderline-Syndrom, da machst du es dir doch en bissel zu leicht, stellst du zu eindimensional dar (es ist doch ein Syndrom). Und gleich am Anfang wird gewissermaßen gesagt: Hier geht´s um Borderline, einen Aspekt davon geh´ ich jetzt mal durch, nicht gerade eine innovative Behandlung des Themas.


aquata

 

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