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Möbiusschleifen

sim

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13.04.2003
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Möbiusschleifen

»Es wird Zeit, Frau Mundrach.«
Er soll mich hier verweilen lassen. Dich in meinen Händen, allein mit meiner Erinnerung, die viel zu frisch ist, um sie in der Vergangenheit zu denken.

»Stefan!«
Ich rüttle leicht an deinen Beinen, um dich zu wecken. Hätte ich von draußen die Musik nicht gehört, wäre ich vielleicht nicht einfach so in die Wohnung gegangen. Immerhin habe ich den Schlüssel nur für Notfälle. Ist dies ein Notfall?
Du hast nicht geöffnet, nachdem ich geklingelt habe. Und ich hörte die Musik, die durch deine Tür drang. Sie war nicht so laut, dass du mein Klingeln nicht hättest hören können.
Seit drei Tagen hast du dich nicht gemeldet. Da habe ich mir eben Sorgen gemacht.
Es ist so ordentlich hier. Anscheinend brauchst du mich gar nicht mehr. Ein paar Blumen könnten nicht schaden. Ich werde welche mitbringen, wenn ich dich das nächste Mal besuche.
»Stefan, aufwachen!«
Ich schüttle dich etwas fester an der Schulter. Du siehst so friedlich aus, erst recht, wenn du im Schlaf lächelst. Deinen Schlaf hast du von mir. Wie oft musstest du mich mit aller Gewalt aus den Träumen reißen, um pünktlich zur Schule zu kommen, als du noch ein Kind warst?


Du scheinst getrunken zu haben. Eine leere Flasche Wodka steht neben dem Sofa auf dem Tisch. Vielleicht wolltest du gar nicht einschlafen? Sonst wärest du doch sicher in das teure Bett gegangen, das ich dir zu deinem Umzug geschenkt habe. Lange kannst du ja noch nicht dort auf der Couch liegen. Immerhin läuft die Musik noch.
»Stefan!« Ich werde energischer und lauter. Dabei streichle ich durch dein Haar. Wie lange habe ich deine Wangen nicht mehr berührt. Ob ich es darf? Als du klein warst, mochtest du es, wenn ich dir mit dem Zeigefinger ganz leicht über die Lippen strich. Das war schön. Einmal noch. Vielleicht weckt dich ja die schöne Erinnerung.
Du bist so blass. Du solltest viel öfter an die Sonne gehen. Ich habe doch so einen schönen Garten. Warum nutzt du ihn nicht?

Wie schön war es, als du noch lieber bei mir bleiben wolltest, statt dich mit Freunden im Hof zu treffen. Nie konnte ich dich rausschicken. Egal wie schön das Wetter war. Immer musste ich dich zwingen, mir mal ein paar Stunden Ruhe zu gönnen, in denen ich Zeit für mich hatte. Nie wolltest du von meiner Seite weichen.

»Stefan.« Zärtlich flüstere ich deinen Namen. Mein Zeigefinger spürt keinen Widerstand an deinen Lippen. Warum sind sie so blass, deine Lippen? Fast bläulich? Und warum spüre ich keinen Atem?
Jetzt kreische ich, packe dich fest an beiden Schultern, reiße dich hoch und presse dich wieder auf das Sofa zurück. Die Panik möchte mir etwas einreden, was unmöglich wahr sein kann, aber warum wachst du immer noch nicht auf? Wo ist dein Herz? Kann ich fühlen, ob es noch schlägt? Vielleicht, wenn ich die Hand unter deinen Pulli halte? So wie früher, wenn du Fieber hattest? Du bist so kalt! Du müsstest doch frieren.
»Stefan, wach endlich auf!«
Wo hast du nur dein Telefon? Ich muss unbedingt einen Notarzt anrufen. Welche Nummer war das noch? Warum verwechsle ich immer "eins-eins-null" und "eins-eins-zwei"? Was muss ich wählen, was muss ich sagen?
»Hallo? – Kommen Sie bitte schnell! - Mein Sohn.«
Wie gut, dass sie Geduld mit mir haben, auch wenn ich immer unklarer und ungeduldiger meine Antworten in den Hörer brülle. Wie gut, dass sie mir am anderen Ende Fragen stellen. Fragen sind etwas, an dem ich mich festhalten kann. An ihnen kann ich mich durch die Informationen kämpfen, bis endlich die erlösende Auskunft kommt: »Wir schicken sofort jemanden vorbei.«

Warum sehe ich dich auf Fotos nie lachen? Die Bilder deiner Kindheit scheinen von Wolken überzogen, einem Schatten, der über deinem Mund liegt, und ihn verschließt? Dabei hast du so oft gelacht, dass ich deine gute Laune manchmal nicht ertragen konnte. Du hattest es doch gut bei mir. Ich habe dich so sehr geliebt. Auf alles habe ich deinetwegen verzichtet, am meisten auf das Leben.
Als du dich ankündigtest, mir in die Eingeweide trampeltest und mich allmorgendlich kotzen ließest, habe ich zu rauchen aufgehört. Nur einen Schnaps habe ich mir hin und wieder gegönnt, um die Schmerzen zu lindern, die Übelkeit. Ich habe mich auf dich gefreut.

Wie lange dauert das Lied eigentlich noch? Oder fängt es immer wieder von vorne an?
»Die Fenster sind verdunkelt. Das Telefon ist stumm. Die Klingel hab ich abgestellt, nun bringe ich dich um.«
Habe ich das nicht schon mal gehört?

Wie lange durfte ich dich nicht mehr küssen? Darf ich es jetzt? Darf ich meinen Mund auf deinen pressen, um dir meinen Atem zu leihen, nur so lange, bis du wieder deinen eigenen findest? Deine Lippen empfangen mich, aber die Lungen sind versperrt. Es ist, als ob du ein Ventil geschlossen hast. Wie kann ich es schaffen, es zu öffnen und dir wieder Leben einzuhauchen?

Nein, so darf ich nicht denken. Du lebst. Du atmest nur nicht. Wenn die Ärzte kommen, werden sie es schon schaffen, aus deinem Lächeln wieder ein Lachen zu zaubern, so hell und klar, wie ich es aus deinen Kindertagen kenne. Wo bleiben sie nur?

»Sie hat dich viel geprügelt. Du gabst es ihr zurück. Du tötetest die Greisin mit rhetorischem Geschick.«
Ist es die Musik in einer Endlosschleife gefangen?

Hast du eine Vorstellung, wie es ist, wenn die Mutter einen nicht liebt? Meine hat mich nicht geliebt. Sie hat mich geschlagen und erniedrigt. Ich habe dich nie geschlagen. Das wollte ich dir nicht antun. Ich weiß, wie weh das tut. Du solltest es gut haben bei mir. Du solltest mir vertrauen, mich als Freundin sehen, der du alles erzählen könntest. Immer hättest du zu mir kommen können. Warum musstest du dich betrinken?

Vielleicht wachst du auf, wenn ich auf deine Brust drücke? Wie fest kann ich drücken? Ich will dir doch nicht weh tun. Aber du schläfst so fest. So fest habe ich nie geschlafen.

»Wie lange siehst du schon diesen blöden Film?« Die Geräusche aus deinem Fernseher holen mich aus dem Schlaf. Es ist Sonntag. Ein schöner Tag. Die Sonne steht so hoch über meinem Fenster, dass es schon Mittag sein muss. »Warum hast du mich nicht geweckt, als du aufgestanden bist?«
»Mama. Steh bitte auf.« Deine Bitte kam wie immer zu spät.
»Dir ist es egal, ob ich aufwache. Wenn es dir so egal ist, dann brauche ich auch nie wieder aufzuwachen. Du genießt die Zeit ohne mich. Wahrscheinlich ist es eine Erholung für dich.«
»Mama, steh bitte auf!« Wie hilflos deine Versuche waren. Hättest du nicht einmal morgens zu mir ins Bett kommen können, wie Kinder, die ihre Mütter lieben? Mich mit Küssen wecken? Hättest du nicht Frühstück für mich machen können und mich mit dem Duft von Kaffee wecken, wie die Kinder im Werbefernsehen?

Du solltest doch anders werden. Nicht, wie die Männer, die mich verlassen haben wie dein Vater, als er von meiner Schwangerschaft erfuhr. Du solltest Rücksicht lernen. War das so schwer? Nicht einmal meine Tränen konnten dich zu liebevoller Zärtlichkeit erziehen. Warum warst du bloß so sehr Mann? Schon als kleiner Junge? Was habe ich falsch gemacht? Warum konnte ich dir nicht beibringen, wie man seine Mutter achtet? Ich wollte doch nur, dass du es bei deiner Frau später auch können würdest.

Endlich. Wo waren die Sirenen? Habe ich sie durch die Musik nicht gehört? Aber die Türglocke ist laut. Sie kann man nicht überhören, schon gar nicht, wenn man ungeduldig auf die Erlösung wartet.
»Kommen Sie rein!«, fordere ich die Männer auf. Die Sorge steckt mir im Hals und läuft mein Gesicht herunter. Ich schaue sie kaum an. Ich wende mich gleich ab, um ihnen den Weg zu weisen.
Es sind so viele Geräte im Koffer, so viele Werkzeuge der Hoffnung, die sie bei sich tragen. Die könnten sie doch wenigstens benutzen, anstatt sich wortlos über dich zu beugen und deine Augenlider zu öffnen. Spüren sie die Vorwürfe in meinen Blicken nicht? Merken sie nicht, wie misstrauisch ich ihnen über die Schulter schaue? Wie schaffen sie es, aufzustehen, ohne etwas versucht zu haben und mir ins Gesicht zu schauen, während sie mir routiniert mitteilen: »Es tut uns Leid. Wir können nichts mehr tun.«
Was heißt das? Sie können nichts mehr tun? Sie können dich doch nicht so einfach aufgeben? Meinen Stefan doch nicht.
»Dürfen wir mal telefonieren?«

»Muss ich wirklich zu Manuel gehen?« Die Sonne schien, wir hatten deinen Tag im Schwimmbad verbracht. Ich wollte ein bisschen in Ruhe lesen oder fernsehen. Ich wollte einen Cognac trinken und mich erholen.
»Manuel ist dein Freund, Stefan. Und Freundschaften muss man pflegen.« Nie hattest du ein Gespür dafür, wie anstrengend diese Tage waren.
»Ich bin aber erschöpft. Ich mag jetzt nicht mehr zu Manuel gehen.« Hast du jemals gefragt, wie es mir geht?
»Du hast es ihm gestern versprochen. Wenn du deine Verabredungen nicht einhältst, bist du kein Freund, sondern ein Arschloch! Also gehe jetzt zu Manuel!«

Liegt es daran, dass du auf den Kinderbildern nie lachst? Dass ich dir zeigen wollte, dass Freunde wichtig sind? Dich manchmal aus Liebe zu dir mit sanfter Gewalt von mir trennen musste? Ich habe deine Liebe zu mir genossen. Weißt du das nicht? Hast du dich deshalb so sehr betrunken?

Ich kann nicht einmal mehr mit dem Kopf nicken. Wie bekomme ich es hin, ihnen wortlos das Telefon zu geben?
»Schrei nur Mutter. Niemand kann dich hören.«
Wie schalte ich diese verdammte Musik aus? Ich habe diese Anlage doch schon nicht begriffen, als sie noch in deinem Kinderzimmer stand.
»Mund auf, Mutter. Niemand wird uns stören.«

Wo bleiben die Schreie, die wir in unserer Brust vergraben, die nie den Weg nach draußen finden, sondern nur in uns selber widerhallen? Müssten sie uns nicht immer mehr füllen, bis wir schließlich platzen? Wie viel Wut ertrage ich?

»Soll ich das abstellen?«, fragt mich einer der Männer, während sein Kollege telefoniert.
Jetzt kann ich nicken. Auch hinsetzen kann ich mich jetzt, deine Beine ganz leicht zur Seite schieben, um mir Platz zu schaffen. Ich möchte dich nicht verletzen. Aber ich kann nicht mehr stehen bleiben. Im Stehen kann ich mein Gesicht nicht verbergen, muss gefasst bleiben und zuhören, wie der Arzt die Polizei ruft. Schreien kann ich nicht.
»Der Junge war Ihr Sohn?«
Was heißt, du warst? Du bist es noch. Du wirst immer mein Sohn bleiben.

»Lassen Sie los, Frau Mundrach. Es ist Zeit, Abschied zu nehmen.« Weiß er, wie das ist?
Wie wenig von dir übrig ist. Ein Häuflein Asche ist alles, was ich von dir in den Händen halte.
Urnenbeisetzung. Welch friedliches Wort dafür, dass ich alles, was du mir gelassen hast, unter der Erde verscharren soll. Könnte ich nicht wenigstens diesen Rest von dir behalten und in dein Zimmer neben die Fotos stellen?
Was hast du dir dabei gedacht, Stefan? Mich zuschauen zu lassen, wie sie dich in einem Zinksarg auf die Straße tragen? Hast du einmal darüber nachgedacht, dass du mir das Herz damit brechen könntest?
Warum hast du mich allein gelassen? Warum muss ich mich darum kümmern, deine Beerdigung zu organisieren, deine Wohnung zu kündigen und aufzulösen? Warum muss ich so viele mitleidige Hände entgegen nehmen, die alle nur meinen Schmerz vertiefen? Hättest du daran nicht denken können, bevor du so viel trinkst? Da hattest doch gar keinen Grund dich zu betrinken. Dir ging es doch gut. Du hattest doch mich.
Verzeih mir meine Wut, Stefan. Es war doch ein Unfall. Du hast es bestimmt nicht gewollt. Der Arzt hat bestimmt keine Ahnung. Der behauptet, du hättest dir Tabletten in den Wodka gemischt oder sie mit ihm hinuntergespült. Wie kann er es wagen? Was will er mir einreden? Schuld?

Nie wärest du auf die Idee gekommen, mir solchen Schmerz zuzufügen. Du hast mich doch geliebt. Hast du doch, oder?


Die kursiv gesetzten Textpassagen entstammen dem Lied „Die Fütterung" von Heinz Rudolf Kunze. Die Verlagsrechte der Texte liegen beim Oktave Musikverlag.

 

hi sim

schön, dass du wieder was gepostet hast. ist auch wohldurch durchdacht. ich bin noch nicht ganz durch, aber mitgerissen. sehr schön geschrieben. das nenn ich PAthos!

aber einen hab ich erwischt:

Die Sorge steckt mir ihm Hals und läuft mein Gesicht herunter
im

ich werds noch einmal lesen und ausführlicher schreiben, was ich beim Lesen für Einfälle hatte. aber gefallen tut es mir sehr gut, das wollte ich dir nur schon mal sagen.

 

Hallo Sim,
ich dachte, du würdest mit Kritiken überrannt, aber das kommt anscheinend noch. Nun gut, denn mal ran an die Kritik:

Textkram:

Als du dich ankündigtest, mir auf dem Magen lagst und mich allmorgendlich kotzen ließest, habe ich zu rauchen aufgehört.
Ein Ungeborenes liegt nicht auf dem Magen, sondern drückt von unten die Eingeweide nach oben.

Irgendwo hatte ich beim ersten Lesen noch einen Textfehler entdeckt, aber kann ihn nicht mehr finden; vllt hast du ihn ja schon verbessert.



Zur Geschichte:

Deine Geschichte hat mich ganz seltsam angerührt. SPOILER:
Eine Mutter findet ihren erwachsenen Sohn in dessen Wohnung, nachdem er sich umgebracht hat.

Natürlich habe ich deine Geschichte mit einer bestimmten Erwartungshaltung gelesen; zunächst klang alles nach einem guten Verhältnis zwischen den beiden, aber dem kann man bei dir ja nicht trauen (so wie man bei Rick nach Pointen sucht). Insgesamt scheint hindurch, dass beide ziemlich unglücklich miteinander waren, aber in gegenseitiger Abhängigkeit geblieben sind. Er wohnt bei ihr im Haus, sie hat ihm das Bett geschenkt und scheint für ihn zu putzen.

Ihr Verhalten ist widersprüchlich: sie spricht von Liebe und wollte alles besser machen als ihre eigene Mutter, die sie misshandelt hat, aber es scheint ja durch, dass sie selbst trinkt oder (als der Sohn ein Kind war ) getrunken und ihn manchmal auch vernachlässigt hat. Und dass ihre Liebesfähigkeit darunter leidet.

Merkwürdig unklar ist:

Wie schön war es, als du noch lieber bei mir bleiben wolltest, als dich mit Freunden im Hof zu treffen. Nie konnte ich dich rausschicken. Egal wie schön das Wetter war. Immer musste ich dich zwingen, mir mal ein paar Stunden Ruhe zu gönnen, in denen ich Zeit für mich hatte. Nie wolltest du von meiner Seite weichen.
Doublebind? Sorge um die Mutter?

Es scheint ja eh so eine unheilvolle Mischung zu sein, die die Mutter von sich gibt:

»Ich bin aber erschöpft. Ich mag jetzt nicht mehr zu Manuel gehen.« Hast du jemals gefragt, wie es mir geht?
»Du hast es ihm gestern versprochen. Wenn du deine Verabredungen nicht einhältst, bist du kein Freund, sondern ein Arschloch! Also gehe jetzt zu Manuel!«
Dieses Doublebind schilderst du ja an mehreren Stellen.

Es ist so traurig, dass die Prot es gut meint und doch in alten Mustern verfangen ist! So muss der Sohn gleich von Geburt an eine schwere Hypothek mit sich tragen:

Du solltest doch anders werden. Nicht, wie die Männer, die mich verlassen haben, wie dein Vater, als er von meiner Schwangerschaft erfuhr.
Geschickt ist, dass du mit dieser Beschreibung gleich die Antwort dazu gibst:
Was habe ich falsch gemacht? Warum konnte ich dir nicht beibringen, wie man seine Mutter achtet?
(Die Frage stelle ich mir auch immer wieder, aber leider ist da kein Geschichtenerzähler, der mir die Antwort suggeriert. ;) )

Wo bleiben die Schreie, die wir in unserer Brust vergraben, die nie den Weg nach draußen finden, sondern nur in uns selber widerhallen? Müssten sie uns nicht immer mehr füllen, bis wir schließlich platzen? Wie viel Wut ertrage ich?
Diese Stelle hat mich sehr angerührt, und ich frage mich das auch oft. Bei mir ist es allerdings mehr Leid als Wut. Da es hier so eine seltsame Mischung ist, werde ich mir meine eigenen Gefühle aber noch mal genauer angucken.

Du hast das ganze "Möbiusschleifen" genannt, also ein Band, dass "nicht richtig zusammen passt" (meine laienhafte Definition) als Bild benutzt. Das passt natürlich toll.

Ja, Sim, eine gute Geschichte! Du hast vieles indirekt erzählt, ohne explizit zu urteilen. Ich bin ziemlich traurig und aufgewühlt.

Gruß, Elisha

 

Hi Aris,

danke für die kurze Rückmeldung. Diese Fehlerbiester übersehe ich irgendwie oft. Wahrscheinlich, weil ich zu gut weiß, was da stehen soll und es entsprechend lese.
Schön, dass der erste Eindruck bei dir ein guter ist.

Hi Elisha,

das mit dem Magen war eigentlich eher auf die Sorgen bezogen, aber ich ändere oder ergänze es noch.

Stefan wohnt nicht mehr im Haus der Mutter. Sie hat nur einen Schlüssel für seine Wohnung.

Die Beziehung ist aber schon sehr verknotet.
Doublebind ist da ein gutes Stichwort, was dir einfiel. Und das veranstalten wir ja nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Hilflosigkeit und Unwissen.Dafür fand ich dieses in sich verdrehte Band ohne Ende tatsächlich ein gutes Bild, denn auch mit dem Tod Stefans ist die Verstrickung nicht erledigt. Aber man kann so ein Band zerschneiden.

Schön, dass die Geschichte dir gefallen hat.

Lieben Gruß und vielen Dank euch beiden, sim

 

Hallo sim,

für deine Geschichte hast du einen schwierigen Blickwinkel gewählt, der sich im Verlauf der Handlung meistens als Vorteil und kurzzeitig mal als (kleiner) Nachteil erweist.

Vorteilhaft ist der Blickwinkel, wenn du die (entlarvenden) Gedanken der Mutter schilderst, die sich wie ein Spinnennetz immer dichter um den Sohn weben und die ohne weitere Erklärungen ERKLÄREN! Das ist die besondere Stärke der Geschichte und da wird man sehr intensiv angesprochen. Es war mir stellenweise unangenehm, diese fremden Gedanken in meinem Kopf, so tief hast du mich da reingezogen,

Ein wenig nachteilig habe ich den Blickwinkel in manchen Passagen empfunden, in denen du (zwangsläufig) Handlung in die Gedanken transportieren musst. Z. B. „Ich kreische“. Oder wenn du von Panik sprichst, dir aber keine wirkliche Kopflosigkeit in der Textführung erlaubst – und auch nicht erlauben darfst. Das ist nicht gravierend gewesen, hat mich aber so ein wenig aus dem Rhythmus gebracht.

Auf der anderen Seite habe ich beim zweiten Lesen gedacht, dass es vielleicht genau richtig ist, weil die Prot an diesen Stellen auch aus dem Rhythmus kommt, in ihren Gedanken. Echt schwer zu sagen, ob es wirklich ein Nachteil ist. Aber insgesamt, wie gesagt, eher unerheblich bei dieser guten und ungewöhnlich erzählten Geschichte.

Was mich besonders beeindruckt hat: Du hältst eine erstaunlich subtile Balance. Du übertreibst den Charakter der Frau nicht, was ganz sicher verlockend und auch naheliegend gewesen wäre (so eine Art Norman-Bates-Mutter). Sie reißerischer zu machen, erdrückender, übermächtiger. Du nimmst dich da unglaublich zurück, was der Figur eine viel stärkere und reale Präsenz verleiht.

Kleinigkeiten, die mir auffielen:

„Wie schön war es, als du noch lieber bei mir bleiben wolltest, als dich mit Freunden im Hof zu treffen.“

Vorschlag: „statt dich mit Freunden ...

Die Begriffe „Kotzen“ und „Arschloch“ passen irgendwie nicht zu der sonstigen Ausdrucksweise der Frau.

Ansonsten: Gebannt gelesen.

Grüße von Rick

 

Hi Rick,

schwierig, könnte ich mir vorstellen, ist der Blickwinkel für den Leser vor allem vom Aufbau der Assoziationen.
Durch ihn stammen auch diese etwas ruckartig transportierten Tätigkeiten. Die Mutter steht ja am Grab ihres Sohnes und wird von den Gedanken gejagt, recht unstrukturiert, aber ich hoffe, strukturiert genug, dem Inhalt folgen zu können. Aus dieser Anlage heraus habe ich die Handlungensbeschreibungen tatsächlich ein bisschen in den Kopf reduziert. Mir schien das konsequent. Hast du aber gut beobachtet. Genau der zweite Effekt, den du beschrieben hast, war dabei von mir beabsichtigt. Die Frau brauchte Stellen, an denen sie selbst aus dem Rhythmus kommt.
Schön, dass du die Balance als gehalten ansiehst. Ich wollte die Frau nicht vorführen. Sie belügt sich sicherlich selbst, verschließt die Augen und gewinnt keinen Zugang zu sich. Aber mehr wäre mir übermäßig denunzierend erschienen.
Über Kotzen und Arschloch muss ich noch mal nachdenken. Mir erschien gerade der Kontrast sehr passend, weil er in die Kontrolliertheit kleine Ausreißer setzt.
Über die Fehler mache ich mich morgen mal in einer Schreibpause her. Produziere ja gerade auf Hochtouren. :)

Schön, dass ich dich bannen konnte.

Lieben Gruß und vielen Dank, sim

 

hallo sim. :)

Das ist die besondere Stärke der Geschichte und da wird man sehr intensiv angesprochen. Es war mir stellenweise unangenehm, diese fremden Gedanken in meinem Kopf, so tief hast du mich da reingezogen,
Die Mutter steht ja am Grab ihres Sohnes und wird von den Gedanken gejagt, recht unstrukturiert, aber ich hoffe, strukturiert genug, dem Inhalt folgen zu können. Aus dieser Anlage heraus habe ich die Handlungensbeschreibungen tatsächlich ein bisschen in den Kopf reduziert. Mir schien das konsequent.
mir ging es wie Rick, man fühlt sich in einem fremden Kopf. Es ist auf jeden Fall strukturiert genug, vor allem, weil der Inhalt ja nicht wirklich komplex, sondern recht vorhersagbar (sorry) ist . Was komplex ist, ist das Seelenleben und die Beziehung der beiden, und das ist durch diese Art zu erzählen wunderbar herausgearbeitet. Die beiden angesprochenen Worte haben mE einen geradezu wunderbaren Kontrast zu den sonstigen alles-war-doch-so-wunderschön-stellen.
Du hast nicht geöffnet, nachdem ich geklingelt habe. Und ich hörte die Musik, die durch deine Tür drang. Sie war nicht so laut, dass du mein Klingeln nicht hättest hören können.
Seit drei Tagen hast du dich nicht gemeldet. Da habe ich mir eben Sorgen gemacht.
Es ist so ordentlich hier. Anscheinend brauchst du mich gar nicht mehr. Ein paar Blumen könnten nicht schaden. Ich werde welche mitbringen, wenn ich dich das nächste Mal besuche.
den Einstieg halte ich für sehr gelungen. Hier ist mir zwar recht klar gewesen, worauf es sich rausläuft, aber es zeigt sich schon in diesem Ministück mehr Charakterisierung der Mutter als bei anderen Autoren auf 3 Seiten!

Als du klein warst, mochtest du es, wenn ich dir mit dem Zeigefinger ganz leicht über die Lippen strich. Das war schön. Einmal noch. Vielleicht weckt dich ja die schöne Erinnerung.
Du bist so blass. Du solltest viel öfter an die Sonne gehen. Ich habe doch so einen schönen Garten. Warum nutzt du ihn nicht?
ebenfalls eine sehr gelungene Stelle. Die schöne Erinnerung nochmal wiederbeleben und gleichzeitig die irre Sorge und Bestimmung über den Sohn ..
Auf alles habe ich deinetwegen verzichtet, am meisten auf das Leben.
mit seinem Tod hat er es ihr wiedergegeben. Aber sie wird es nicht leben.
Wie lange durfte ich dich nicht mehr küssen? Darf ich es jetzt? Darf ich meinen Mund auf deinen pressen, um dir meinen Atem zu leihen, nur so lange, bis du wieder deinen eigenen findest? Deine Lippen empfangen mich, aber die Lungen sind versperrt. Es ist, als ob du ein Ventil geschlossen hast. Wie kann ich es schaffen, es zu öffnen und dir wieder Leben einzuhauchen?
an dieser Stelle fällt es mir besonders auf. Die Fragen sind ein wunderbares Stilmittel. Sie vermitteln leichte Unsicherheit, Erstaunen, Ungläubigkeit. Aber Du hast es für meinen Geschmack an einigen Stellen zu übertrieben eingesetzt. Wenn es einen Riesengarten gibt, in dem die Rosen wie Gras wuchern, sind sie nichts besonders mehr, sondern stachlige Ungetüme. Hier haben mich die Fragen angefangen zu nerven.
Du solltest es gut haben bei mir.
guter Vorsatz mit dem sie ihn erdrückt hat.
»Dir ist es egal, ob ich aufwache. Wenn es dir so egal ist, dann brauche ich auch nie wieder aufzuwachen. Du genießt die Zeit ohne mich. Wahrscheinlich ist es eine Erholung für dich.«
»Mama, steh bitte auf!« Wie hilflos deine Versuche waren. Hättest du nicht einmal morgens zu mir ins Bett kommen können, wie Kinder, die ihre Mütter lieben? Mich mit Küssen wecken? Hättest du nicht Frühstück für mich machen können und mich mit dem Duft von Kaffee wecken, wie die Kinder im Werbefernsehen?
sie wollte die Wunschmutter für ein Wunschkind sein. Das ist das traurigste an der ganzen Geschichte. Dass das alles aus falschverstandener/missverstandener Liebe passiert ist.
Liegt es daran, dass du auf den Kinderbildern nie lachst? Dass ich dir zeigen wollte, dass Freunde wichtig sind? Dich manchmal aus Liebe zu dir mit sanfter Gewalt von mir trennen musste? Ich habe deine Liebe zu mir genossen. Weißt du das nicht? Hast du dich deshalb so sehr betrunken?
hier ebenfalls zu viele Fragen für meinen Geschmack.
Was hast du dir dabei gedacht, Stefan? Mich zuschauen zu lassen, wie sie dich in einem Zinksarg auf die Straße tragen? Hast du einmal darüber nachgedacht, dass du mir das Herz damit brechen könntest?
hier wird klar, wie wenig diese missverstandene Liebe mit der wirklichen zu tun hat ... obwohl die Mutter aus ihrer Rolle nicht ausbrechen kann. :(

Gut geschrieben, eine tolle Charakterisierung der Mutter und der Mutter-Sohn-Beziehung, mir aber insgesamt zu simpel in der Handlung.

liebe Grüße
Anne

 

Hallo sim.

ich noch mal. Hab noch mal über die beiden "Kraftausdrücke" nachgedacht und siehe da ich bin zu der selben Erkenntnis gekommen, wie du sie auch noch einmal in deiner Antwort erklärt hast.

Sie stören. Sie passen nicht. Sie nehmen der Prot die Gradlinigkeit. Knallen dazwischen, wie kleine Ausraster. Wie in manchen Filmen der Irrsinn durch ein zuckendes Auge angedeutet wird, so zuckt es bei ihr kurzzeitig in der mühsam beherrschten und immer leicht wankenden Gedankenwelt. Ich hab's verinnerlicht, das ist GUT gesetzt. Die sollen stören! Genau.

Grüße von Rick

 

Hallo Maus,

ja, eine Suizidgeschichte von mir, wo ich doch oft so sehr darauf schimpfe. ;)
Aber ich fand es in diesem Kontext konsequent und begründet. Sicher ist der Verlauf nicht allzu überraschend und die Handlung eher dünn. Mir kam es tatsächlich eher auf die inneren Vorgänge und die Charakter an.

mit seinem Tod hat er es ihr wiedergegeben. Aber sie wird es nicht leben.
Nein, das wird sie nicht. Der Zins, den Stefan beim Abtragen der Schulden gezahlt hat, war zu hoch.
Wenn es zu viele Fragen sind, muss ich da noch mal drüber. Ich weiß, dass ich das Stilmittel gern übertreibe. Dazu brauche ich aber Zeit. Andererseits halte ich die Fragen in diesem Text für gerechtfertigt. Wenn man einen Menschen verliert, besteht das Leben eigentlich fast nur noch aus Fragen. Fragen nach einem Warum, das nie eine Antwort findet.
In dem Sinne gebe ich dir aber bei der Stelle mit den Küssen als Mund zu Mund Beatmung recht. Da sollte sie eher entschlossen handeln.

Schön, dass die Charakterisierung bei dir so gut angekommen ist.

Hallo Rick,

dir noch einmal vielen Dank für die Rückmeldung.

Lieben Gruß euch Beiden, sim

 

Hallo Sim,

zuerst einmal ein Lob, für den gut gewählten Titel. Er sagt wirklich sehr gut aus, was hier in der Geschichte passiert.

Gut herausgearbeitet fand ich auch die Tatsache, das die Mutter anfangs nicht wahrhaben möchte, dass ihr Sohn tot ist. Dort ensteht ja auch noch der Eindruck, dass die Beiden ein ganz normales Mutter-Sohn-Verhältnis haben.
Erst, als der Tod des Sohnes auch in das Bewusstsein der Mutter rückt, offenbar sich dem Leser der wirkliche Hintergrund.
Ich habe irgendwie auf ein wenig Einsicht der Mutter gehofft, doch die bleibt ja bis zum Schluss aus, sie weigert sich ja sogar zu glauben, dass er sich wirklich umgebracht hat.
Alles was zählt, vom Anfang bis zum Ende, ist nur sie.

Einziges Manko - ein wenig vorhersehbar. Als Leser ist ja sehr schnell klar, dass der Sohn tot ist und das sich das Verhältnis der Beiden als katastrophal entpuppt, ist keine wirkliche Überraschung.

Aber: Sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße, Bella

 

Ein Möbiusband ist nicht nur eine Fläche mit einer einzigen Seite - ein (zweidimensionales) Wesen, das auf dem Band wandert kommt nicht einfach immer wieder an den Anfangspunkt zurück - es vertauscht dabei auch bei dem Durchgang seine Seiten (links wird rechts usw.). Es scheint eine Entwicklung stattzufinden, ein Verstehen, ein Akzeptieren, aber nach kurzer Zeit geht alles wieder von vorne los - ein immerwährender Kreislauf, aus dem es innerhalb der Möbiusschleife kein Entrinnen gibt. Um aus diesem verdrehten Lauf herauszukommen, muss man schon eine weitere Ebene (er)finden. Und das ist für mich die - wenn auch direkt nur durch den Titel ausgesprochene - Quintessenz deiner Geschichte. Ausbrechen aus unserer dreidimensionalen Welt kann erfolgreich nur, wer eine vierte Diemsion entdeckt oder erfährt.

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo Bella,

ja, die Vorhersehbarkeit hatten wir schon. Vielleicht kommt die Einsicht in der Mutter, wenn der Tod nicht mehr so frisch ist. Noch ist der Schmerz so groß, dass alles in seinem Zusammenhang auf Widerstand stößt. Aber vielleicht wird er ja irgendwann die vierte Dimension.
Jedenfalls freut es mich, dass du die Geschichte sehr gern gelesen hast.

Hallo Jobär,

ja, eine Möbiusschleife ist ein in sich verdrehtes Band. Man kann sie nicht einfach auflösen, wie einen Knoten. Mann muss sie zerschneiden, wenn man sie zerstören will. Fälschlicherweise wird auch oft das Zeichen für Unendlich in der Mathematik als Möbiusschleife bezeichnet. Aber selbst das würde bedeuten, dass man selbst einen Schlusspunkt setzen muss.
Das braucht nicht der Tod zu sein, auch, wenn Stefan mit seinem auch der Mutter diese vierte Dimension eröffnet haben könnte.
Kommt dir die Quintessenz in der Geschichte verglichen mit dem Titel zu kurz?

Auch dir vielen Dank fürs Lesen und deinen tiefsinnigen Kommentar.


Lieben Gruß, sim

 

hi sim

ich hatte mich schlau gemacht, was Möbiusschleifen sind. aber es wurde hier jetzt ja schon besprochen, und jetzt kann auch ich die Geschcihte mir dem Titel in verbindung bringen. genial!
mir bleibt nur noch die Frabe, warum du dich für die Mehrzahl entschieden hast, da,wie du eben geschrieben hast, es nur ein Ende geben kann, dann ist die Möbiusschleife wieder ein band. ich sehe in der Handlung keine weitere SChleife. vielleicht sohn und mutter in wechselwirkung.
ich nehme mal, du hast dir dabei schon was gedacht, daher hier mehr eine frage als eine Kritik.

besten Gruß

 

Hallo sim!

Stimmt. Manchmal sollte man Geschichten auch über Themen schreiben, die man ansonsten meidet. Mich hat Deine vorliegende, psychologische Abhandlung tief beeindruckt. Diese Tragödie, ausgelöst durch falsch verstandene Mutterliebe, ist bezeichnend für viele Fälle mit ähnlicher Struktur.

Textkram wurde bereits erwähnt, deshalb von mir lediglich Anmerkungen zum Inhalt:

Es ist so ordentlich hier. Anscheinend brauchst du mich gar nicht mehr. Ein paar Blumen könnten nicht schaden. Ich werde welche mitbringen, wenn ich dich das nächste Mal besuche.
Die Mutter möchte aber gebraucht werden. Zur Not wird ungebetene Fürsorge aufgezwungen.

Nie konnte ich dich rausschicken. Egal wie schön das Wetter war. Immer musste ich dich zwingen, mir mal ein paar Stunden Ruhe zu gönnen, in denen ich Zeit für mich hatte.
Aha. Die enge Verbundenheit wurde also manchmal auch als Last empfunden.

Auf alles habe ich deinetwegen verzichtet, am meisten auf das Leben.
Eine deutliche Anklage, die ihm bestimmt nicht nur ein Mal vermittelt wurde.

Meine hat mich nicht geliebt. Sie hat mich geschlagen und erniedrigt. Ich habe dich nie geschlagen. Das wollte ich dir nicht antun.
Sie, das Opfer falscher Erziehung wollte alles besser machen und hat sich dadurch selbst überfordert.

»Dir ist es egal, ob ich aufwache. Wenn es dir so egal ist, dann brauche ich auch nie wieder aufzuwachen. ...
Ohne Kommentar ...

Du solltest doch anders werden.
Die (sicherlich gut gemeinte) Umformung einer Persönlichkeit ist schlussendlich gescheitert. Der Proband konnte dem ständigen Druck nicht Stand halten.

Warum hast du mich allein gelassen?
Wieder eine Anklage, bedingt durch Selbstmitleid.

Was will er mir einreden? Schuld?
Sie weist jegliche Schuldzuweisung weit von sich, da sie sich derselben nicht bewusst ist, oder ein gnädiger Verdrängungsmechanismus eingesetzt hat.

Schlimm. Vorliegende Geschichte ist ein typisches Beispiel für eine zum Scheitern verurteilte Mutter/Kind-Beziehung. Mein Kompliment für die gute Umsetzung!


Lieben Gruß
Antonia

 

Hallo sim,
Der Fokus der Geschichte gibt mir das unheimliche Gefühl, dass das Schicksal eines Menschen schon feststeht bevor er geboren ist.

einen nachdenklichen Gruß, Goldene Dame


PS: Der Einstieg, das Bild mit der Urne in den Händen der Mutter wird mir erst durch den letzten Absatz deutlich. War das von dir so gewollt?

 

Hallo Aris,

Stefan und seine Mutter stehen ja für viele Strukturen, in denen wir über die eigenen Ambivalenzen und Paradoxien stolpern.
Ehrlich gesagt habe ich mich aber nur um des Klang willens für den Plural entschieden. Das Singular hätte einen Artikel gebraucht, den ich nicht wollte.

Hallo Antonia,

Schläge dominieren sehr. Sie verdecken oft die psychischen Hintergründe, verhindern auch bei Frau Mundrach, dass sie genauer auf ihre Mutter und deren Doublebindings schaut. So hat sie gelernt, dass Schläge demütigen und möchte mit ganzem Herzen das Richtige tun. Wenn sie direkten Zugang zu ihren Bedürfnissen findet, muss sie auch ihre Umwelt nicht mehr überfordern.
Es freut mich sehr, dass dich dieses Psychogramm beeindruckt hat.

Hallo Goldene Dame,

in der Tat ein unheimliches Gefühl. Nicht weniger unheimlich ist sicherlich die Überlegung, dass manchmal erst etwas sehr schlimmes passieren muss, damit wir anfangen können, etwas selbst in die Hand zu nehmen.

Der Einstieg mit der Urne in der Hand sollte erst im letzten Absatz deutlich werden. Zwar ist die Geschichte auch so recht wenig überraschend, aber trotzdem wollte ich den Tod nicht schon im ersten Moment schon deutlich machen.

Auch dir vielen Dank.

Euch allen einen lieben Gruß, sim

 

Hi sim,

vom Kunze habe ich die drei ältesten LP's und Die Fütterung war immer ein Lied, bei dem ich dachte, was da wohl alles in seinem Hirn ablief, als er das schrieb und komponierte. Mich hat es schon immer sehr betroffen gemacht.

Dieses Lied so in die Geschichte umzusetzen, ist dir fröstelnd gut gelungen.

Noch ein paar Bemerkungen dazu:


Ich werde welche mitbringen, wenn ich dich das nächste Mal besuche.
Wie schön zweideutig.


An ihnen kann ich mich durch die Informationen kämpfen, bis endlich die erlösende Auskunft kommt: »Wir schicken sofort jemanden vorbei.«

Warum sehe ich dich auf Fotos nie lachen? Die Bilder deiner Kindheit scheinen von Wolken überzogen, einem Schatten, der über deinem Mund liegt, und ihn verschließt?

Bei diesem Abschnittswechsel habe ich etwas Probleme, dass die Hektik, die du davor so schön aufgebaut hast, so abgewürgt wird.


Als du dich ankündigtest, mir auf dem Magen lagst und mich allmorgendlich kotzen ließest, habe ich zu rauchen aufgehört.
Das wurde schon mal angesprochen: Für Frauen, die schon schwanger waren, liest sich das unmöglich.

»Dürfen wir mal telefonieren?«
Das soll ein Sanitäter fragen? Spielt die Geschichte Mitte der 80-er Jahre?

»Schrei nur Mutter. Niemand kann dich hören.«

Hier sind die Befehle für das Kursive nicht vollständig.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hi bernadette,

da habe ich vor lauter Arbeit ganz vergessen, dir zu antworten. Ich hofe, du entschuldigst das.
Genau die drei LPs habe ich auch von ihm, danach ging es bergab. ;)
Leichter wäre es sicherlich gewesen, "Das Ultimatum" in solche Geschichte einzubauen.

Den Hektikverlust beim Abschnittswechsel schaue ich mir noch mal an und die Stelle mit dem Magen ändere ich auch noch.
Im Moment stecke ich mental zu sehr in einem anderen Projekt, um es gleich zu erledigen.

"Fröstelnd gut gelungen" liest sich prima.

Vielen Dank fürs Lesen und für deinen Kommentar.
Einen lieben Gruß, sim

 

Anfangs wollte ich schon beim zweiten Absatz aufhören, dachte, nun ist auch sim der Versuchung erlegen, Geschichten im vertrauten, aber mir verhaßten Du-Stil zu schreiben. Doch dann habe ich mich überwunden und siehe da: Es hat sich gelohnt. Obwohl gerade am Anfang noch Anderes dagegen steht. Ich meine, was für Teufel hat dich geritten, sim, das so zu schreiben:

»Es wird Zeit, Frau Mundrach.«
Er soll mich hier verweilen lassen. Dich in meinen Händen, allein mit meiner Erinnerung, die viel zu frisch ist, um sie in der Vergangenheit zu denken.

»Stefan!«
Ich rüttle leicht an deinen Beinen, um dich zu wecken. Hätte ich von draußen die Musik nicht gehört, wäre ich vielleicht nicht einfach so in die Wohnung gegangen. Immerhin habe ich den Schlüssel nur für Notfälle. Ist dies ein Notfall?
Du hast nicht geöffnet, nachdem ich geklingelt habe. Und ich hörte die Musik, die durch deine Tür drang. (Semikolon wäre besser) Sie war nicht so laut, dass du mein Klingeln nicht hättest hören können.
Seit drei Tagen hast du dich nicht gemeldet.(Komma wäre besser) Da habe ich mir eben Sorgen gemacht.

Erstmal stört da – wie dann noch öfters - ein schwer zu verkraftender Tempuswechsel, dann wiederholst du die Story mit der gehörten Musik gleich im nächsten Absatz, der daher überflüssig ist und in dem du auch noch logisch Zusammenhängendes zu stark trennst, was noch stärker auch für die letzten beiden zitierten Sätzen gilt. Kurze Sätze, schön und gut, sim, aber das liest sich hier, als ob die Protagonistin jedesmal nach Luft schnappen müßte, weil ihr Atem zu mehr nicht ausreicht, dabei redet sie gar nicht wirklich, sondern nur in Gedanken.

Außerdem löst du das im ersten Absatz Gesagte ziemlich spät auf - das stiftet Verwirrung. In deiner Geschichte ist damit alles beisammen, was in der Grammatik Rang und Namen hat. Ich meine, wenn die Szene am Grab die Gegenwart ist, dann kann sie das mit „Ich rüttle leicht …“ nicht auch sein – es sei denn, die Protagonistin ist schizophren! Ich finde, du hast dieses Problem, das du dir unnötig geschaffen hast und das später noch öfter auftritt, nicht gelöst. Am einfachsten wäre es wohl, mit „Stefan!“ zu beginnen und die Friedhofsszene am Ende so lassen wie sie ist, obwohl ich zugeben muß, daß auch so die Geschichte sehr stimmig ist, ich meine, durch dieses „»Lassen Sie los, Frau Mundrach….“ am Ende ist auch der Anfang samt dem inneren Monologs der Mutter gerechtfertigt - im Nachhinein betrachtet, wohlgemerkt, nachdem alles klar geworden ist. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich meine nicht, daß durch die vielen Tempuswechsel schwer wäre, die einzelnen Szenen richtigen Zeiten im Leben der Protagonistin zuzuordnen, es liest sich nur nicht flüssig wie gewohnt, man muß sich öfter fragen: Nanu, wer denkt und/oder spricht jetzt?

Ansonsten hast du hier ein ausgezeichnetes Bild einer liebenden Mutter gezeichnet, die zwar Bestes will, doch nur Böses schafft. (Ja, Faust ist überall :D ) Es gibt sie oft, diese possessive Mütter, die sich an ihrem Kind – es ist stets das Einzel- oder das jüngste Kind – klammern und nicht loslassen können, selbst wenn dieses Kind schon erwachsen und längst aus dem Haus ist. Und jede hat einen Grund dafür, sonst würde sie es nicht tun, nicht wahr?

Diese Mutter hier überträgt wahrscheinlich die Liebe zu dem abwesenden Vater des Kindes auf das Kind. Sie ist unglücklich, weil der Sohn nicht mehr zu ihr ins Bett kommt, und sie fragt sich, ob sie ihn noch berühren und küssen darf, wie sie ihn früher, als er noch ein Kind war, berührt und geküßt hatte. Da könnte mehr gewesen sein als nur egoistische Liebe einer Mutter, auch das mit seinem Freund Michael, zu dem er nicht gehen will, ist verdächtig, ich frage mich, was hat diese Mutter nicht alles angestellt, um ihr Kind an sich zu binden bzw. ihn nicht wegzulassen.

Allein hinter dieses „Mutter, steh auf!“ bin ich nicht ganz gekommen – ich vermute, daß sie öfters mehr als nur ein Schnaps zu sich genommen hatte und belügt sich in dieser Geschichte nur selbst.

Das begleitende Lied paßt wunderbar: Nur statt die Mutter umzubringen, wie in dem Lied gesagt, bringt sich der Sohn selbst um. Aber das versteht sie nicht und wird es nie verstehen. Sie hatte ihr Leben verpfuscht, weil sie mit zu wenig Liebe erzogen worden ist, und verpfuschte ein anderes, in dem sie ihm zu viel davon gab.

Liebe kann töten - Andere oder nur sich selbst.

Dion

 

Hallo sim!

Es tut mir Leid, dass ich dir nicht allzukreativ etwas zu deiner GEschichte sagen kann. Nur soviel:
Ein wenig simple Handlung, was aber durch sehr gute Charakterisiserung und wunderbar melancholischer Stimmung mehr als nur ausgleichst. Du hast mich mit dieser Geschichte nachdenklich gestimmt und nebenbei noch sehr gut unterhalten.

Gruß,
One

 

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