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Mückenallergie
Mückenallergie
"Autsch“.
„Na, einen Einstich muss ich Ihnen noch verpassen“, es piekst erneut in meinem Unterarm und ich verkneife mir tapfer ein weiteres Autsch.
„So, und nun können Sie draußen wieder Platz nehmen, ich rufe Sie dann in 20 Minuten“.
Ich mache grad einen Allergietest und warte in den Kellergewölben eines uralten Krankenhauses auf meinen Tod.
Meine Unterarminnenseite sieht aus wie ein Streuselkuchen. Ich würde gut und gerne in der in diesem Stadtteil bekannten Drogenszene mit Ware beliefert werden, wenn ich den Ärmel hochkrempelte. Ich sitze hier und warte darauf, dass das gespritzte Wespengift mich endlich darinrafft. Und das soll gefälligst im zugigen Kellerflur auf Höhe des Raumes, indem man mir den Junkieunterarm gespritzt hat, geschehen.
Man möchte nicht gerne Umwege machen. Zwei Türen weiter rauf, da wäre ein schön eingerichteter Warteraum in sanften Farben und gutsortiertem Zeitungsangebot und sogar einer Kaffeemaschine. Da keiner bereit ist, mich dort für den Fall meines frühzeitigen Wespenschocks zu finden, hocke ich hier und betrachte die von der Ärztin auf der Haut aufgemalten Kästchen mit ihren einzelnen Einstichstellen.
In einem Kästchen hat es angefangen zu jucken und es hat sich eine rote Quaddel gebildet.
Na toll.
Dabei fing alles so harmlos an. Nein, nicht harmlos, es hatte alles einen anderen Hintergrund.
Ich reagiere allergisch auf Mücken. Bitte, nicht lachen. Ich meine, ich reagiere wirklich allergisch auf Mücken. Wenn eine zum Beispiel im Knöchelbereich sticht, braucht es rund einen Tag und ich kann nicht mehr laufen, weil mein ganzer Fuß bis zum Bersten angeschwollen ist.
Trotz Eiskühlung ist dann nichts mehr zu retten, alles färbt sich grün und blau und marmoriert sich zu einem ausgewachsenem Hämatom.
„Du musst endlich mal was dagegen tun“, schimpft mein Mann dann mit mir. Er sieht es nicht gerne, wenn ich krank bin. „Geh zum Arzt!“
Ich ging hin.
Meine dramatische Krankengeschichte, wenn eine Mücke zugestochen hatte, brauchte ich nicht zu Ende zu erzählen, denn „es gibt keine Allergie auf Mücken“ bekam ich unmissverständlich zur Antwort.
Gut, schlussfolgerte ich logisch, wenns keine Krankheit gibt, gibt es auch nichts zu behandeln. Weit gefehlt: „es könnte sein, dass Sie aufgrund einer sonstigen Insektenallergie die Bereitschaft haben auch auf Mücken so heftig zu reagieren“ und schon war ich zum Allergietest verhaftet.
Mein Blutbild wies eine feindliche Haltung gegenüber Wespenstichen auf.
Fortan wurde diese Spezies von mir mit argwöhnischen Blicken bedacht. Mein gutes Verhältnis zu Wespen ist dank der Erkenntnisse der Medizin seitdem gestört. Aber irgendeine Wirkung muss eine medizinische Untersuchung ja haben, wenn sie nicht ganz wertlos sein soll.
„Tja“, sagt die Kellerärztin, „Sie werden in Zukunft immer ein sog. Notfallset dabei haben müssen, für den Fall eines Wespenstichs.“ Macht nichts, denke ich, in meiner Handtasche, in der sowieso alles enthalten ist, um auf der Stelle auswandern zu können, ist auch noch Platz für sowas.
„Wenn Sie bitte einen Augenblick warten, ich muss noch Herrn Dr. S., den leitenden Arzt dieser Abteilung hinzubitten, damit er mit Ihnen kurz spricht“, die Kellerärztin setzt weitere Daten in ein Formular.
„Sie meinen, damit er auf seinem Briefkopf diese ärztliche Untersuchung abrechnen darf“, murmele ich und harre der Dinge.
Der schmächtige Weißkittel setzt sich dazu und wird kurz ins Bild gesetzt. „Ahja, eine Wespenallergie, wie heftig war Ihre letzte Reaktion auf den letzten Wespenstich?“ Er guckt gespannt.
„Die war normal und ist fünfzehn Jahre oder länger her“, ich blicke in sein enttäuschtes Gesicht.
Ein Geistesblitz sagt mir, du hast den Insektenallergiefachmann vor dir, frag ihn wegen der Mückenstiche, „ich bin deswegen zum Arzt gegangen, weil ich heftig auf Mückenstiche reagiere“, der Köder ist ausgeworfen.
Sein leichtes Augenzucken sagt mir, dass wir nicht in der gleichen Liga spielen. Der kennt sich nur mit Wespen und Bienen aus. Jetzt ist er in der Zwickmühle, schließlich soll sein Name auf dem Briefkopf der Rechnung stehen.
„Sie sollten sich stets gegen Mücken schützen, indem Sie sich einreiben“, versucht er zu punkten. „Das mache ich, ich laufe immer mit Autan rum“, aber Sie wissen doch, Mücken finden einen überall“, fordere ich ihn heraus.
„Sie müssen sich bekleiden, nachts, wenn die Mücken stechen und über das Bett ein Moskitonetz hängen, das hält sie ab.“
Ein weiser Mann sitzt da vor mir, und ich hole zu einem Schwall von Gegenargumenten aus.
Ich weiß, ich bin nicht fair.
„Das letzte Moskitonetz hat unser Kater Max durch seine ewige Enterei zerfetzt, ich fürchte mit einem neuen wird er sich wieder anlegen.“ Der Weise blickt ratlos durch seine Brillengläser und ich setze nach, „und bekleiden? Bei mir stechen die Mücken sogar durch dicken Jeansstoff.“
Wo bin ich hier, schießt mir durch den Kopf, beim Häkelbüdelklub?
Doch nun habe ich den Aufgeweckten auf eine Idee gebracht und seine Augen leuchten. „Das kann ich nicht bestätigen, dass Mücken durch Stoff durchstechen, ich hatte letztens am See einen Kaschmirpullover an, da hat keine einzige durchgestochen.“
Sein Blick verrät mir, dass er die Lösung gegen Mückenstiche grad gefunden hat.
Er verabschiedet sich, noch bevor ich ihn fragen kann, ob die Krankenkasse mir einen Kaschmirpullover bezahlen wird, wenn er mir das Rezept dazu ausstellt.