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Mümmelmänner

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27.06.2007
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Mümmelmänner

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(c) Daniel Krieg

Gestern abend saß ich bei "Schuhmann's" und genehmigte mir einen Martini. Nicht diesen Kinderkram aus der Werbung mit dem Swimmingpool, mit dem Haufen nörgeliger Lackaffen. Die alle so rumhängen, bis eine Bikiniziege anwackelt. Und ihnen das eklige Zuckerzeug, das sie Martini nennt, über die Eiswürfel kippt. Wonach sie besser in den Pool kotzen können.
Was ich meine, ist die korrekte Version (92 % Gordon's Gin, 8 % Noilly Prat, eine Olive, ein Spritzer Öl aus einer geknickten Zitronenschale, und das Ganze - aufgepaßt, Mister Fleming! - gerührt und nicht geschüttelt). Ich denk', jetzt wär' das klargestellt. Und ich kann noch mal von vorne anfangen.
Also: Gestern abend gegen sieben sitz ich so bei "Schuhmann's" und genehmige mir besagten Martini. Viel ist nicht los um diese Zeit, aber wen kratzt das schon. Plötzlich geht die Tür auf, und ein überdimensionales Karnickel betritt den Raum.
Herr im Himmel, denk ich, wenn das nicht mein Freund Harvey ist. In meinem Alter hat man vieles dick. Doch was ich am Dicksten habe, das sind diese blöden Witze. Wo einer in der Bar vor seinem Martini sitzt, und ein Kaninchen betritt den Raum. Oder ein Pferd. Oder ein Skinhead mit rottätowierter Fresse, die wie der Hintern eines Pavians aussieht. Läuft jedenfalls immer auf dasselbe hinaus.
Aber Fehlanzeige. Das Karnickel hockt sich neben mich und bestellt ein Glas Wasser. Und auch 'nen Martini. Der Barkeeper sagt nichts, das Karnickel sagt nichts. Und ich hüte mich natürlich wie der Teufel, den geringsten Ton von mir zu geben. Damit nicht doch noch so ein tödlicher "Kommt ein Karnickel in die Bar"-Witz daraus wird.
Auf einmal schnappt sich das Karnickel das Wasserglas und läßt sein Gebiß hineinplumpsen. Sieh mal einer an, denk ich mir. Kein Karnickel, sondern ein Außerirdischer. Nicht, daß mich das groß gewundert hat. Die meisten Martini-Trinker sind Außerirdische. Und der Rest ist unterirdisch. Weshalb wir ihn hier getrost beiseite lassen können.
"Dieses Klebezeug für die Prothese versaut einem den letzten Geschmack", sagt das Karnickel. "Drei-Phasen-Kukident - daß ich nicht lache."
Der Kerl ist schwer zu verstehen ohne Beißer. Er schiebt sich den Kopfteil seines abartigen Kostüms in den Nacken und süffelt weiter. Ich schätz ihn mal auf Ende fünfzig. So ein bleichgesichtiger Dürrer mit Akne-Narben aus besseren Zeiten, der immer ein bißchen krank aussieht.
"Weißt du, was Scheiße ist?" fragt er. Klar, weiß ich bestens. Sage aber nichts. Die Gefahr mit dem Kaninchenwitz ist noch nicht vom Tisch.
"Scheiße ist", sagt er, "wenn man für Angorama-Unterwäsche als Hase verkleidet durch die Kaufhäuser hoppeln muß. Das ist Scheiße."
"Is' auch nur'n Job", sagt Eric. Eric ist der Barkeeper hier, und ich muß mich ganz schön über ihn wundern. Wer hat den schließlich um seine Meinung gefragt. Aber es kommt noch schlimmer. Denn jetzt sagt dieser falsche Hase zu mir:
"Soll ich dir mal 'nen guten Rat geben? Lass' dich nicht mit siebzehnjährigen Gören ein, das ist mein guter Rat. Und ganz umsonst."
Ich kippe seufzend meinen Martini hinter. Ist immer das gleiche in diesem Laden. Jeder Idiot hockt sich neben dich und quatscht dir mit seinen Weibergeschichten die Ohren zu. Wenn mich einer fragt: Nur Kaninchenwitze sind nervtötender.
"Eigentlich bin ich Mathelehrer", labert der Kerl weiter. "Da ist diese Schülerin. Hockt in der ersten Bank, den Rocksaum hochgerutscht bis zum Nabel. Du verstehst. Die hat angefangen mit dem ganzen Angorama-Quatsch."
"Also noch so'n süßes Häschen", mischt sich Eric ein. "Kannst'e mal sehen, wie klein die Welt ist."
"Du halt dich da raus", sage ich.
"Die wollten unbedingt ein Mädchen für die Kampagne", sagt der Kerl. "Als könnt' irgendeiner erkennen, wer in diesem blöden Kostüm herumhopst. Wie eine Kotztüte geschnitten. Du mußt mit dem Puschelschwanz wackeln und ihren Jingle singen. Willst'e mal sehn?"
Ich schüttle den Kopf, aber es ist schon zu spät. Der Idiot springt auf und läßt seinen Hintern kreisen, daß einem angst und bang wird. Eine miserable Paßform, das muß ich zugeben. Der Puschel hängt nur noch an ein paar Fäden. Und dazu trällert der Knabe irgendwas wie "Hitze, Kälte, Butterbrot, Angorama bringt's ins Lot". Einfach grotesk. Gottlob hockt er sich wieder hin und bestellt noch einen Martini.
"Die läßt mich nur ran, wenn ich sie am Donnerstag und am Freitag bei Karstadt vertrete", sagt er. "Weißt du, was das Schärfste ist? Die treibt's nur mit mir, wenn ich dieses verdammte Ding anhabe. Kannst du dir sowas vorstellen?"
"Wie soll denn das funktionieren?" erkundigt sich Eric.
"Ist ein verdeckter Reißverschluß vorne dran", sage ich. "Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten."
Allmählich habe ich echt die Schnauze voll, daß Eric sich da ständig einmischt. Schwul, daß einem die Tränen kommen. Was hat der schon groß eine Ahnung, wie es so zugeht auf der Welt.
"Ich muß dann mal wieder", sagt der Kerl, schnappt die Prothese und stülpt seine Hasenmaske über. "Langer Donnerstag, ihr wißt schon. Mußt anschreiben, Eric. Das blöde Ding hat natürlich keine Taschen."
"Ich übernehm' das mal", sage ich.
"Ist echt nett", sagt das Karnickel. "Hätt' ich nicht von dir gedacht."
"Nimm's als Loyalität unter uns Hasen", sage ich. "Gibt nicht mehr viele davon, nach allem, was man hört."
Das erste, was ich zu Hause tu, ist, die kackfarbene Angorama-Kombination in den Müll zu schmeißen. Die mir Angela zum Geburtstag geschenkt hat. Damit ich ständig darin rumlaufe. Das gottverdammte Luder.

 

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