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Mütterhöhle und Löwe

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10.09.2016
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Mütterhöhle und Löwe

Siebenundzwanzig Jahre nach meiner Geburt erfuhr ich vom Tod meines Vaters. Von einem Polizeibeamten, der an der Tür klingelte.
„Wir müssen mit Ihnen reden.“
Keine Ahnung, was die wollen, dachte ich, und versteckte Graspflanze und Laptop vorsichtshalber. Illegales Streaming war immer noch strafbar, oder?
„Es geht um Ihren Vater.“
Natürlich vermutete ich etwas Heftiges. Erst einmal war ich froh, dass sie nur deswegen hier waren.
„Ich hab kein Verhältnis zu ihm gehabt“, sagte ich. Wahrscheinlich hatte ich mehr als eine Vermutung.
„In Ordnung.“ Der Beamte wirkte erleichtert.

Zwei Jahre nach meiner Geburt wurde ich in die Mütterhöhle gelegt. Nackt und so laut schreiend, dass sich mit Sicherheit jemand um mich kümmerte. Meistens meine Mütter. Meine Mutter, wenn sie von den Arbeiten kam, und ihre Arbeitskollegin und beste Freundin, wann immer sie gebraucht wurde. Jane und Rita.

Vier Jahre nach meiner Geburt bekam ich einen neuen Papa. Einen Fahrradfahrbeibringer, Mitdirfußballspieler, Dichaufdieschulternnehmer. Ein echter Papa. Nicht immer einfach, aber liebevoll. Als ich ihn zum ersten Mal sah (weil aus einem Date von Jane mehr geworden war), nahm ich seine Hand und sagte: „Wir sind jetzt beste Freunde.“

Vierzehn Jahre nach meiner Geburt glättete ich mir vor dem Badezimmerspiegel die Haare, während mein Papa die verschlossene Tür mit einer Stecknadel zu öffnen versuchte. Sicher schrien wir uns ein bisschen an und dann nahm ich das Pausenbrot, das er mir geschmiert hatte.

Zwölf Jahre nach meiner Geburt kam ich mit einem blauen Auge und Spucke auf dem Pulli aus der Schule, Rita holte mich ab. Sie schwor, den Jungen zu töten und ich sagte: „Nur über meine Leiche.“ Oder so etwas in der Art. Jedenfalls fuhren wir zum Reiten nach Brandenburg. Islandponys. Selbstwertbildende Maßnahme. Funktionierte ganz okay. Abends Gokartfahren in Spandau. Später legte sich Jane zu mir ins Bett, Papa schlief. Ich war vom Pferd gefallen. Blaues Auge. Rita war immer auf meiner Seite. Ob sie wollte oder nicht.

Sieben Jahre nach meiner Geburt war ich ziemlich schlecht drauf. Ich fand es bescheuert, dass ich eine kleine Schwester bekommen sollte. Keine Lust, meine Eltern mit irgendwem zu teilen. Als Papa Jane ins Krankenhaus fuhr, passte Rita auf mich auf.

Siebenundzwanzig Jahre nach meiner Geburt erklärte mir meine nicht mehr kleine Schwester den Begriff ‚Intersektionalität‘. Ich fing an, mich mit meinen Vorstellungen von Männlichkeit auseinanderzusetzen und hinterfragte meine 90er-Jahre-American-Pie-Sozialisierung, sortierte einige Bücher und Filme aus, kaufte andere. Viel änderte sich nicht. Aber ein bisschen nachdenklicher wurde ich schon. Kleiner Bruder, große Schwester.

Ein paar Tage oder Wochen früher oder später klingelte der Beamte an der Tür.
„In einem Hotel in Delhi gefunden.“
„Wow“, sagte ich. „Wie gesagt, ich kannte ihn nicht.“
„Haben Sie Kontakt zu Ihrer Tante väterlicherseits?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Sie haben die Möglichkeit, seine Rückführung zu beantragen.“
„Rückführung?“, fragte ich.

Jane riet mir, das Erbe auszuschlagen. Ich ging zum Notar und unterschrieb, dass ich das wahrscheinlich mit Schulden belastete Erbe meines leiblichen Vaters ausschlug.

Zwanzig Jahre nach meiner Geburt ging ich mit meinem Papa wandern. Eifel. Auf einer Bank, auf einer Bergspitze, fragte er mich: „Was hältst du davon, wenn ich dich adoptiere?“ Ich glaube, wir beide weinten, jedenfalls waren wir ziemlich glücklich.

Einunddreißig Jahre nach meiner Geburt denke ich über die Mütterhöhle und einen Löwen nach. Glücklich, wer Menschen um sich hat, die ihn lieben.

 

Also @Carlo Zwei,

jetzt bin ich irgendwie frustriert. Gleich reingekommen in den Text, ging gut los, weiter und weiter, hin und her gesprungen in der Zeit? Fand ich okay, dann Ende. Zack und aus. Dabei war ich so gut drin und hätte noch viele Abschnitte lesen können. Mir war nicht langweilig. Jeder Abschnitt fast wie ne eigene Geschichte und die Sprache hat sie von den anderen abgegrenzt, sie kämpften quasi um die Aufmerksamkeit.

Mann, ich WOLLTE weiterlesen. Immer, wenn etwas schön ist, dauert es nicht lang genug. :D
Aber war es mir am Ende wirklich zu kurz? Ja, ich denke, ja, war es. Ich hab das Gefühl, einen 400-Seiten-Roman in zwei Minuten gelesen zu haben. Wollte mehr, viel mehr erfahren ... oder ist das eine Zusammenfassung eines gerade geschriebenen Epos?

Also sprachlich, da bin ich voll zufrieden. Du hast deinen Weg auf dem du schreiben kannst. Ich würde gerne mal nen Roman von dir lesen. Glücklich, wer Bücher hat, die ihm Freude bereiten.

Trotz der Kürze, viel Würze.

Griasle
Morphin

 

Lieber @Morphin ,

erstens: Danke für deine Rückmeldung :D hat mich sehr gefreut, dich unter der Story zu lesen.

zweitens: Die rostigen Knochen müssen nach dem Ref erst mal wieder bewegt werden. Gut, Dezember hab ich eine Story geschrieben, aber sonst lange lange nix. Leider auch keinen Roman, auch wenn es gut tut, einen potenziellen Leser zu haben.

drittens: ich habe es echt oft versucht, tue mich aber ganz schwer mit dem Romanschreiben und finde es regelmäßig witzig(er für mich, vielleicht bin ich auch einfach faul), viel mit wenig Worten zu erzählen. Vielleicht eine Macke, müssen andere sagen.
Ich sehe momentan eher so einen Erzählband mit Bezügen von Texten zueinander. Aber Roman, hmm.

Danke dir noch mal. Dir geht es hoffentlich gut soweit!
Ganz liebe Grüße
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Carlo Zwei

Siebenundzwanzig Jahre nach meiner Geburt erfuhr ich vom Tod meines Vaters durch einen Polizeibeamten, der an der Tür klingelte.
Hier würde ich mir überlegen, ob das mit dem Tod des Vaters gleich so prominent im ersten Satz erwähnt werden muss, die Bullen könnten ja einfach erstmal klingeln und sagen: Wir müssen mit Ihnen reden. Es geht um ihren Vater. Was passiert ist, wird später eh klar, aber hier die Gedanken und die Spannung des Lesers vielleicht noch bisschen in der Schwebe halten.

Keine Ahnung, was die wollen, dachte ich, und versteckte unsere WG-Graspflanze und meinen Laptop vorsichtshalber.
Das macht er/sie, nachdem die Beamten geklingelt haben bzw. während sie draussen vor der Tür warten? Das wirkt irgendwie verdammt abgeklärt, so kommt er/sie mir ansonsten nicht unbedingt vor. 'Keine Ahnung, was die wollen, dachte ich' wirkt auf mich so, als wäre er/sie die Ruhe selbst. Es ist auch ein sehr spezifisches Detail in dem Sinne, das sowas im restlichen Text nicht mehr vorkommt. Ausserdem empfinde ich es als redundant bzw. wenig aussagekräftig: In welcher Studenten-WG wird heutzutage schon nicht gekifft und illegal Filme gestreamt? Auch der Ausdruck: WG-Graspflanze. Sagt man das? Sagt man nicht eher einfach, 'ich habe das Gras versteckt', auch wenn's sich dabei um die Pflanze handelt?

Natürlich vermutete ich etwas Heftiges. Erst einmal war ich froh, dass sie nur deswegen hier waren.
Gefällt mir. Die beiden Sätze sagen viel aus.

Nicht immer leichter, aber liebevoller Papa.
Er war nicht immer leicht? Was soll das bedeuten? Das ist mir zu unspezifisch. Und vielleicht noch: Wann oder durch was wurde denn diese Leichtigkeit gestört?

„Wir sind jetzt beste Freunde, okay?“
Das sagt er/sie ja mit vier Jahren. Kann man in diesem Alter schon so konkret seinen Gefühlen Ausdruck verleihen, die in Worte fassen? Keine Ahnung, vielleicht unterschätze ich ihn oder Kinder im Allgemeinen, aber es hat mich erstaunt.

Ich war vom Pferd gefallen. Blaues Auge. Rita war immer auf meiner Seite. Ob sie wollte oder nicht.
Gefällt mir, wie Du das hier machst, das mit dem Pferd haben sie ja dem Ziehvater gesagt, als Erklärung für das blaue Auge. Aber eine Frage habe ich dazu: Wieso war Rita auf seiner Seite, ob sie wollte oder nicht? Vielleicht habe ich da was überlesen, dann sorry, aber ich schwebe hier etwas in der Luft, wieso sie gezwungen sein sollte, sich immer auf seine, die des Erzählers, der Erzählerins, Seite zu schlagen.

Besser für mich, schlecht für die Gläubiger, egal für den Toten.
Finde ich zuviel Erklärung, diese Gedanken kommen dem Leser doch von selbst, würde ich sagen. Ja, ist jetzt nur ein kurzer Satz, aber bei einer so dichten Erzählung fallen solche Dinge einfach sehr auf, geht für mich in eine ähnliche Richtung wie das mit der Hanfpflanze und dem Streaming. Ohne diesen Satz, würde der Abschnitt stärker auf mich wirken.

Ich glaube, ein paar Tränen flossen, jedenfalls waren wir ziemlich glücklich.
Ein schöner Moment, erst elf Jahre her. Kann er/sie sich nicht mehr daran erinnern, ob ihm oder vielleicht auch dem Adoptivvater die Tränen gekommen sind? Das muss doch eine Erinnerung sein, die er/sie hegt und pflegt, oder nicht?

Dann zur Erzählstruktur: Ich sehe den Sinn des Hin- und Herspringens nicht so ganz. Altersabschnitte: 27, 2, 4, 14, 12, 7, 27, 20, 31. Es wirkt etwas willkürlich auf mich. Wieso nicht chronologisch, wieso dieses Sprunghafte? Der/die ErzählerIn wirkt gefestigt auf mich, jedenfalls nicht so, als müsste er/sie gewisse Lebensabschnitte verdrängen, er/sie erzählt ja auch mit einer gewissen Klarheit, das Durcheinanderwürfeln der Zeitabschnitte wirkt auf mich deshalb, als wäre es nur ein Trick, der lediglich dazu dient, eine gewisse Komplexität vorzutäuschen oder zu bestätigen, anstatt diese zu vertiefen. Versteh mich nicht falsch, da steckt schon viel drin in dem Text, es werden mir ja die ersten einunddreissig Lebensjahre dieses Menschen erzählt, offenbar ist er/sie intersexuell, hat zuerst die zwei Mütter, dann kommt ein Vater dazu, das alles auf sehr kurzer Distanz, das muss man schon erstmal so hinkriegen, aber dieses Layering hätte es für mich nicht gebraucht oder ich habe zumindest nicht verstanden, was es dem Text hinzufügen soll.

Zu guter Letzt: Ist das Wort

Mütterhöhle
eine Eigenkreation?

Ja, gerne gelesen, kurz, viel drin, hat mir alles in Allem ganz gut gefallen.

Grüsse,
d-m

 

Moin Carlo,

Schulstress überstanden?,
"Deine" Familie scheint ein weites und vor allem ergiebiges Feld zu sein, aber den ersten Satz

Siebenundzwanzig Jahre nach meiner Geburt erfuhr ich vom Tod meines Vaters durch einen Polizeibeamten, der an der Tür klingelte
empfehl ich, ein wenig umzustellen.

Warum? Weil der eine oder die andere denken könnte, nicht nur die Nachricht, sondern auch der Tod könnte „durch“ einen Polizisten … der dann auch noch persönlich vorbeikommt …

Die einfachste Möglichkeit wäre eine schlichte Umstellung

„Siebenundzwanzig Jahre nach meiner Geburt erfuhr ich durch einen Polizeibeamten, der an der Tür klingelte, vom Tod meines Vaters.“

„Wir müssen mit Ihnen reden.“
...
„Es geht um ihren Vater.“
Kommste selber drauf ...

Meine Mutter, wenn sie von den Arbeiten kam[,] und ihre Arbeitskollegin und beste Freundin, wann immer sie gebraucht wurde. Jane und Rita.

Sie schwor, den Jungen zu töten und ich sagte: „Nur über meine Leiche“.

„Haben sie Kontakt zu ihrer Tante väterlicherseits.“

In Bälde im weiteren Felde

Friedel

 

Hallo @deserted-monkey ,

vielen, vielen Dank für deine zwei Kommentare! Das weiß ich zu schätzen, schreibe noch am Kommentar zu deiner Story. Mittlerweile denke ich, dass es, wie auch @Morphin geschrieben hat, einfach ein viel zu geringer Umfang ist für den Impact, den das hat. Insofern will ich auch auf die ungeordnete Reihenfolge, in der das erzählt ist, eingehen. Ich denke, hier würde sich bei einem größeren Umfang viel besser noch ein guter Bogen anbieten, den das hier nicht hat. Den ersten Satz habe ich etwas umgestellt. Er fällt aber immer noch mit der Tür ins Haus. Ich denke, das ist es schon wert. Ich verstehe deinen Punkt, es kommt mir aber Jacke wie Hose vor, ob ich das Pulver für den Effekt am Anfang oder am Ende verschieße. Das eine weckt Neugier, das andere setzt am Ende bzw. später einen Knall. Die Formulierung "leichter Papa" ist ja schon auch pointiert wackelig. Man weiß was gemeint ist und könnte das als Stimme der Figur leicht durchwinken und hat dann halt auch einen Erzähler, der die Illusion des nicht-Literarischen verstärkt. Andererseits ist die Formulierung schon auch ziemlich arg schief. Habe ich jetzt aus gutem Anstand geändert :D
An den zwei weiteren Stellen, die du ansprichst grüble ich noch. Da stelle ich sicher noch was um. Und das mit dem Layering, was du zuletzt ansprichst, geht für mich, obwohl anderer Ansatz, wie gesagt, in die Richtung von dem, was Morphin schrieb. Da gebe ich euch schon recht und hätte auch Lust, dass noch ein bisschen auszuschreiben und diesem Kunstgriff dann durch einen geeigneten Bogen auch gerechter zu werden.

Danke noch mal für deine wertvollen Hinweise!
Liebe Grüße
Carlo


----


Jetzt zu dir, guter @Friedrichard (Friedl)
zu deiner Story möchte ich auch noch kommen, die sah ich mitten in der Prüfungszeit und da muss ich also rückwirkend ran.

Danke, dass du Flusen aufgelesen hast. Der Text ist mit heißer Nadel gestrickt, weil ich jetzt einfach ein Zeitfenster hatte und sehr viel Lust. Danke, dass du mir da etwas weitergeholfen hast!! Wie immer. Alle Punkte übernommen.

Auch dir die besten Grüße
Carlo

 

Moin @Carlo Zwei,

schön direkt mit einer Story von dir wieder einzusteigen in die Wortkriegerwelt. Ich finde, dass du einen schönen Rhythmus erzeugst, hab das gerne gelesen, aber mir war das zu dicht, an einigen Stellen auch etwas überhastet. Du gehst ja selbst in den Kommentaren darauf ein, dass du zu viel in zu wenig Text gepackt hast und das sehe ich ähnlich. Ich hätte da gerne mehr von gelesen, einfach umfangreicher, geht mir da ähnlich wie @Morphin.

Hier noch einige Details:

Siebenundzwanzig Jahre nach meiner Geburt erfuhr ich vom Tod meines Vaters. Von einem Polizeibeamten, der an der Tür klingelte.
Ich finde das einen interessanten ersten Satz, hat für mich Neugier geweckt und ich wollte wissen, wie es weitergeht.

„Wir müssen mit Ihnen reden.“
Keine Ahnung, was die wollen, dachte ich, und versteckte Graspflanze und Laptop vorsichtshalber.
Das habe ich nicht verstanden: Wie kann er denn wissen, dass die Polizei bei ihm klingeln wird? Oder klingeln sie, er lässt sie warten, versteckt seine Sachen, und kommt dann wieder zur Tür? Habe den chronologischen Ablauf nicht greifen können.

Zwölf Jahre nach meiner Geburt kam ich mit einem blauen Auge und Spucke auf dem Pulli aus der Schule, Rita holte mich ab. Sie schwor, den Jungen zu töten und ich sagte: „Nur über meine Leiche.“ Oder so etwas in der Art. Jedenfalls fuhren wir zum Reiten nach Brandenburg. Islandponys. Selbstwertbildende Maßnahme. Funktionierte ganz okay. Abends Gokartfahren in Spandau. Später legte sich Jane zu mir ins Bett, Papa schlief. Ich war vom Pferd gefallen. Blaues Auge. Rita war immer auf meiner Seite. Ob sie wollte oder nicht.
Ich finde, dass diese Stelle gut einen Flow zeigt, wie wenn ein Musiker improvisiert. Erst das blaue Auge aus der Schule, dann geht es zu den Islandponys, dann Gokartfahren und später wieder das Motiv des blauen Auges. Ich lese so etwas gerne.

So viel erst einmal zu meinem Leseeindruck.

Beste Grüße
MRG

 

Hey Carlo,

von mir auch nur ein kurzes Feedback. Habe das gern gelesen, mich am Ende jedoch gefragt: Wozu? Was will er mir denn jetzt erzählen? Dass nichtleibliche Väter manchmal die besseren sind? Dass zwei Mütter mehr als eine ist? Dass Patchwork funktionieren kann? Aber das weiß ich doch schon. Hmm. Weiß nicht. Mutterhöhle finde ich übrigens ein ziemlich doofes Wort. Schon, weil es so naht an Hölle ist, Du aber aufs Gegenteil abzielst.
Was die Struktur des Springens betrifft, hat mich nicht gestört. Ist hier ja auch so ein Ort, Dinge auszupropieren, von daher bin ich absolut fein damit. Einen tieferen Sinn, im Sinne als stilistisches Mittel, hats aber auch nicht und insofern auch hier: Wozu?
Kurz: Habe mich unterhalten, hätte auch noch mehr davon gelesen, aber mir fehlt hier des Puddels Kern. Oder ich bin zu blind dafür, was ja auch sein kann.

Liebe Grüße und Willkommen zu Hause :D
Fliege

 

Schulstress überstanden?,

gar nicht drauf eingegangen. Ja. Wirklich! Es ist wesentlich stressärmer seitdem und ich lasse es mir ein bisschen gut gehen :-) Schule und Personen sind weitestgehend top. Kann mich gar nicht beklagen.

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Lieber @MRG

wie schön, von dir zu lesen! Danke für deinen Kommentar und deine für mich wertvolle Einschätzung.

schön direkt mit einer Story von dir wieder einzusteigen in die Wortkriegerwelt.

dafür ein Herz <3

aber mir war das zu dicht, an einigen Stellen auch etwas überhastet. Du gehst ja selbst in den Kommentaren darauf ein, dass du zu viel in zu wenig Text gepackt hast und das sehe ich ähnlich. Ich hätte da gerne mehr von gelesen, einfach umfangreicher

Ja, das sehe ich auch so. Ich frage mich noch, was ich damit mache – ob ich's wirklich ausschreibe (wahrscheinlich) – und wenn ja, wie – oder ob ich es verwerfen muss, weil die Anlage schlecht ist (das ist leider ein Erfahrungswert bei überhasteten Texten, sie sind sehr undankbar in der Überarbeitung). Ich glaube, dass ich Ungeduld als Motor zu sehr schätze, als das ich mich jemals endgültig davon trennen könnte. Hier und da einen überhasteten Text habe ich schon vor 5 Jahren geschrieben. Aber der nächste wieder mit mehr Disziplin und Konzentration.

Das habe ich nicht verstanden: Wie kann er denn wissen, dass die Polizei bei ihm klingeln wird? Oder klingeln sie, er lässt sie warten, versteckt seine Sachen, und kommt dann wieder zur Tür? Habe den chronologischen Ablauf nicht greifen können.

Die Stelle schreibe ich noch um. Danke für den Leseeindruck, der ist wertvoll an der Stelle.

Ich finde, dass diese Stelle gut einen Flow zeigt, wie wenn ein Musiker improvisiert. Erst das blaue Auge aus der Schule, dann geht es zu den Islandponys, dann Gokartfahren und später wieder das Motiv des blauen Auges. Ich lese so etwas gerne.

Danke dir. Freut mich, dass dir die Stelle gefällt.

Ich wünsche dir einen gediegenen, angenehmen Abend! Bis ganz bald, MRG!
Carlo


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Nun, liebe @Fliege , zu dir. Ganz vielen Dank für deinen Kommentar. Und vor allem für den (Zurück-)Willkommensgruß :herz: Mit dem Wort 'Zuhause' hast du einen Nerv getroffen!

Ich freue mich auch, dass dein Urteil so wohlwollend ausfällt. Ich habe schon vor MRG gelobt, beim nächsten Mal wieder konzentrierter, konzertierter und disziplinierter vorzugehen. Ich denke, weil euch der Text grundsätzlich gezogen/unterhalten hat (und auch weil er mir etwas bedeutet) wäre er es wert, noch mal etwas ausgeschmückt und erweitert zu werden. Ich habe mit solchen Erweiterungen nur bislang keine guten Erfahrungen gemacht.

Dass nichtleibliche Väter manchmal die besseren sind? Dass zwei Mütter mehr als eine ist? Dass Patchwork funktionieren kann? Aber das weiß ich doch schon. Hmm. Weiß nicht.

ah krass, da merke ich, dass ich im Diskurs, den ich hier anspreche, vielleicht unter den Erwartungen bleibe. Es ist für mich ein Text, der würdigen will, der natürlich auch das Thema Patchwork streift, aber ja schon auch harmlos. Eine Würdigung, ein Innehalten und Dankesagen, so etwas schwebte mir vor. Aber poetologisch scheint es noch etwas zu ruckeln, sehe ich ein.
Dein Argument mit der Mütterhöhle finde ich auch interessant. Da ist schon was dran. Die Hölle kommt ja bestimmt auch etymologisch von der Höhle bzw. umgekehrt. Bislang finde ich ihn trotzdem okay, weil er eben so metaphorisch und dabei positiv als Schutzraum konnotiert wird. Verstehe aber das Argument.
Ich glaube, unterm Strich kommt der Text vielleicht weniger würdigend rüber, als ich ihn gewollt habe.

Nochmal ganz vielen Dank für deinen Kommentar, Fliege! Tut gut, zu wissen, dass es dieses digitale Zuhause gibt :D

Carlo

 

Vier Jahre nach meiner Geburt bekam ich einen neuen Papa. Einen Fahrradfahrbeibringer, Mitdirfußballspieler, Dichaufdieschulternnehmer. Ein echter Papa.
Hallo Carlo Zwei!

Mir gefiel diese Geschichte unheimlich gut. Wäre sie ein Hund, wäre sie vielleicht ein Dackel: ziemlich viel Charakter auf wenig Körpermasse, sozusagen.

Gerade, weil man nur knappe Schlaglichter präsentiert bekommt, die jedoch so viel über das gesamte Leben bis zu Jahr 27 abbilden, packt einen der Lebenslauf der Person so sehr. Es ist eine Menge drin, deshalb verstehe und teile ich die Einschätzung, dass man nach dem Lesen dieser Kurzgeschichte den Eindruck hat, einen tiefgründigen Film auf x8-Geschwindigkeit gesehen zu haben. So gesehen eine krasse Erfahrung, die Sehnsucht nach Mehr auslöst, etwas weniger Tempo, etwas weniger "überladen" oder sagen wir angereichert.

Die Sprünge zwischen den Jahren haben mich auch irritiert, wie bereits von einigen vorgetragen wurde. Chronologisch wäre eine Option gewesen oder eine Parabel vielleicht, jedenfalls das Eintreffen der Polizeibeamten mit der Nachricht, dass der Erzeuger (ist er ein Vater, wenn er diese Rolle nicht einnimmt?) verstorben ist, als Klammer. Aber das Stilmittel ist toll.

Zu guter Letzt habe ich das Zitat nicht umsonst vorangestellt:
Dies ist meine Lieblingsstelle in der Geschichte. Lediglich "Ein richtiger Papa." hätte ich weggelassen, wie sagt man immer? Zeig es, statt es zu schreiben? Mir was nach den drei vorausgehenden Bildern bereits klar "Das ist ein ECHTER Papa" (aka nicht so ein Lappenflugzeug wie der Bro in Dehli), daher "stört" diese nur allzu offensichtliche Konklusion ein bisschen. Du hast beriets ganz klar gemacht, was Sache ist.

VG
C_Edevane

 

Hallo @Carlo Zwei ,

nach dem Lesen der Geschichte fühlte sich das zunächst für mich so herzerwärmend an, im Nachklang entstand aber eine Irritation. Ich weiß nicht, ob das so gewollt ist, du schreibst ja von dem Wunsch zu würdigen und das ist schon gut gelungen, finde ich. Aber das, was mich irritiert, fühlt sich für mich auch interessant an.
Es scheint, dass der abwesende Vater, der offenbar Negatives verkörpert, zu 100% zufriedenstellend von den beiden Müttern und dem neuen Vater ersetzt worden ist. @Fliege fragt ja, ob es das Ziel ist, zu erzählen, dass z.B. Patchwork funktioniert. Und tatsächlich wird das in dem Text so sehr betont, wie wunderbar es funktioniert, dass ich es zunächst glaube, am Ende aber misstrauisch bin und mich frage, wie zuverlässig der Erzähler ist und ob es einen Grund gibt, warum er sich (und seiner Familie?) diese Geschichte so erzählen muss.

„In Ordnung.“ Der Beamte wirkte erleichtert.
Da tut eigentlich etwas weh, aber glücklicherweise ist der Held durch seine Bindungslosigkeit zum Vater geschützt und die erste fürsorgliche Vaterfigur taucht im Text schon mit dem Polizisten auf. Auch im weiteren Verlauf geht es viel darum, den Jungen zu beschützen. Irgendwie kommt es mir so vor, als ob es ganz viele Menschen braucht, um den Vater zu kompensieren.
Zwei Jahre nach meiner Geburt wurde ich in die Mütterhöhle gelegt. Nackt und so laut schreiend, dass sich mit Sicherheit jemand um mich kümmerte. Meistens meine Mütter. Meine Mutter, wenn sie von den Arbeiten kam, und ihre Arbeitskollegin und beste Freundin, wann immer sie gebraucht wurde. Jane und Rita.
Es ist das einzige Mal, dass du eine Metapher benutzt, sonst bleibst du konkret. Mütterhöhle fühlt sich für mich auch irgendwie erdrückend an. Auch dachte ich anfangs, es sind mindestens drei Mütter, denn bei "Mütterhöhle" denke ich an eine Gruppe von Müttern. Vielleicht sonst besser : "Meistens meine beiden Mütter. Meine Mutter Jane, wenn sie von den Arbeiten kam und ihre beste Freundin und Arbeitskollegin Rita."
Jane riet mir, das Erbe auszuschlagen. Ich ging zum Notar und unterschrieb, dass ich das wahrscheinlich mit Schulden belastete Erbe meines leiblichen Vaters ausschlug.
Wie leicht das geht, das Erbe des Vaters ausschlagen. Wieder ist es Jane, die ihn da beschützt und berät.
Zwanzig Jahre nach meiner Geburt ging ich mit meinem Papa wandern. Eifel. Auf einer Bank, auf einer Bergspitze, fragte er mich: „Was hältst du davon, wenn ich dich adoptiere?“ Ich glaube, wir beide weinten, jedenfalls waren wir ziemlich glücklich. Einunddreißig Jahre nach meiner Geburt denke ich über die Mütterhöhle und einen Löwen nach. Glücklich, wer Menschen um sich hat, die ihn lieben.
Und wieder habe ich das Gefühl, als ob da im Kontrast zu dem glücklichen Jungen, der leibliche Vater steht, der sich Liebe und Interesse irgendwann einmal verscherzt hat, in den alles Düstere ausgelagert wird. Oder trotz dessen Versagen der Junge glücklich geworden ist. Übrig bleibt viel, viel Liebe und ein bisschen viel Pathos. Ich glaube, es ist gerade der letzte Satz, der mich misstrauisch macht.
Ein paar Tage oder Wochen früher oder später klingelte der Beamte an der Tür.
„In einem Hotel in Delhi gefunden.“
„Wow“, sagte ich. „Wie gesagt, ich kannte ihn nicht.“
„Haben Sie Kontakt zu Ihrer Tante väterlicherseits?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Sie haben die Möglichkeit, seine Rückführung zu beantragen.“
„Rückführung?“, fragte ich.
Dein Protagonist bleibt konsequent desinteressiert. Er hat alles, was er braucht, da ist keine Leerstelle, die ihn treibt.
Nur ich als Leserin bin irgendwie neugierig auf die Tante und frage mich, ob es zumindest das ist, was deinen Protagonisten mit dem Vater verbindet: Beidseitiges Desinteresse.

Interessante Geschichte. Die Zeitsprünge haben mir gefallen. So springt man ja manchmal auch in Erinnerungen.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hey @C_Edevane ,

danke für den schönen Kommentar und herzlich willkommen hierorts. Du scheinst Schreib-/Kommentiererfahrung mitzubringen, so liest es sich, und das ist immer gut. Ich hoffe, du lebst dich ein und findest hier das tolle Forum vor, das es ist.
Und dann noch eine kleine Entschuldigung: Meine letzte Woche war brechend voll und zusätzlich gab es noch eine Feier zu organisieren – unterm Strich war keine (wirklich) freie Minute übrig. Deswegen die späte Antwort ...

Mir gefiel diese Geschichte unheimlich gut. Wäre sie ein Hund, wäre sie vielleicht ein Dackel: ziemlich viel Charakter auf wenig Körpermasse, sozusagen.
So gesehen eine krasse Erfahrung, die Sehnsucht nach Mehr auslöst, etwas weniger Tempo, etwas weniger "überladen" oder sagen wir angereichert.

Das freut mich sehr und der Vergleich ist witzig. Ich denke, das ist die Stärke des Textes – aber zugleich auch ein bisschen eine Dysfunktionalität, weil es dadurch eben auch wie mit doppelter Geschwindigkeit erzählt. Ich muss da immer ein bisschen aufpassen, dass ich den Spagat zum 'allzu hastigen' Schreiben hinbekomme.

Die Sprünge zwischen den Jahren haben mich auch irritiert, wie bereits von einigen vorgetragen wurde. Chronologisch wäre eine Option gewesen

Das wurde zwar vereinzelt gemocht, mehrheitlich aber (wie bei dir auch) infrage gestellt. In einer Überarbeitung würde ich hier auf jeden Fall Anpassungen vornehmen. Danke dir für den Leseeindruck.

Lediglich "Ein richtiger Papa." hätte ich weggelassen, wie sagt man immer?

Schaue ich mir gleich an. Kann die Argumentation gut nachvollziehen. Wenn es sich für mich auch ohne den Satz stimmig liest, kicke ich es raus. (Edit: ich glaube, ich halte daran fest, weil ich die darin enthaltene Abgrenzung zum leiblichen Vater in ihrer Eindeutigkeit mag).

Danke noch mal und viele Grüße!
Carlo

 

Liebe @Chutney ,

noch einmal eine angebrachte Entschuldigung für die Verspätung. Dann aber direkt zum Kommentar: Vielen Dank für diese super spannende Analyse und Bewertung. Richtig toller Kommentar.

am Ende aber misstrauisch bin und mich frage, wie zuverlässig der Erzähler ist und ob es einen Grund gibt, warum er sich (und seiner Familie?) diese Geschichte so erzählen muss.
Da tut eigentlich etwas weh, aber glücklicherweise ist der Held durch seine Bindungslosigkeit zum Vater geschützt und die erste fürsorgliche Vaterfigur taucht im Text schon mit dem Polizisten auf. Auch im weiteren Verlauf geht es viel darum, den Jungen zu beschützen. Irgendwie kommt es mir so vor, als ob es ganz viele Menschen braucht, um den Vater zu kompensieren.
Es scheint, dass der abwesende Vater, der offenbar Negatives verkörpert, zu 100% zufriedenstellend von den beiden Müttern und dem neuen Vater ersetzt worden ist.
Oder trotz dessen Versagen der Junge glücklich geworden ist.
dass ich es zunächst glaube, am Ende aber misstrauisch bin und mich frage, wie zuverlässig der Erzähler ist und ob es einen Grund gibt, warum er sich (und seiner Familie?) diese Geschichte so erzählen muss.
Übrig bleibt viel, viel Liebe und ein bisschen viel Pathos

Ich habe keinen unzuverlässigen Erzähler verbaut. Aber es ist ein Erzähler der behauptet, dass das authentisch ist. Die Erzählhaltung ist für mich insofern unmittelbar und dringlich, als hier ja scheinbar aus erster Hand exemplarisch etwas über die Funktionsweise menschlicher Beziehungen erzählt wird. Also in diesem Fall über Kompensation (sozialer) Vaterschaft und über Patchwork. Klar, der Text behauptet, dass das geht. Aber es ist für mich sehr spannend, dass du an der Version zweifelst. Das heißt, es gibt einen Punkt für dich, an dem du dem Erzähler nicht traust. Und wahrscheinlich deshalb, weil du merkst, dass das, was er erzählt, nicht rational ist. Ich schätze aber, dass das der Fluch der sehr nahen Ich-Perspektive sein könnte. Auch weil es keinen Bruch gibt, der diese Perspektive innerhalb des Textes infrage stellt. Somit bist du streng genommen auf mich als Autoren zurückgeworfen, der entweder so perfide ist, dass er diese Offenheit wünscht (nicht der Fall) oder diese Option einfach nicht gut in Betracht gezogen hat. Wahrscheinlich – das wäre hierzu mein Fazit – wäre der Text besser, wenn er den Bruch mit der Erzählung vom Funktionieren der Patchwork-Familie in Form eines subtil erkennbar unzuverlässigen Erzählers vollziehen würde.

Nur ich als Leserin bin irgendwie neugierig auf die Tante und frage mich, ob es zumindest das ist, was deinen Protagonisten mit dem Vater verbindet: Beidseitiges Desinteresse.

heheh, sehr gute Möglichkeit.

Vielleicht sonst besser : "Meistens meine beiden Mütter. Meine Mutter Jane, wenn sie von den Arbeiten kam und ihre beste Freundin und Arbeitskollegin Rita."

Habe ich geändert

Danke für den sehr schönen Kommentar, Chutney. Und noch einmal Verzeihung für die späte Replik.

LG

 

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