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Mahaba ni tongo

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08.10.2006
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Mahaba ni tongo

Mahaba ni tongo​

Wieder eine dieser langweiligen Deutschstunden. Thema: Kabale und Liebe. Bezeichnend.
Sie saß in der ersten Reihe. Schlank, ja zierlich, braun-rote Haare, gut aussehend - sein Traum seit einem Jahr. Ein Grund jeden Tag zu genießen und zugleich zu hassen. Seine Gedanken sind alles andere als frei. Unaufhörlich drehen sie sich um - nennen wir sie Luise. Tag und Nacht. Lassen ihn nicht schlafen, machen ihn zum Gefangenen seiner selbst.
Ob sie weiß, was sie ihm bedeutet? Vielleicht, immerhin umwirbt er sie soweit er sich traut. Doch sie zeigt ihm die kalte Schulter, geht nicht auf ihn ein, tut ihm weh. Ob sie weiß, dass er sie liebt? Bestimmt nicht. Sympathie und wirkliche, die Ozeane überspannende Liebe, sind zwei verschiedene Dinge, findet er. Ob sie weiß, dass er sie nicht vergessen kann? Dass er jeden ihrer Schritte begleiten möchte? Morgens mit ihr aufwachen und abends mit ihr einschlafen möchte?
Gesagt hat er es ihr nicht. Seit Monaten hadert er mit sich selbst. Ist hin und her gerissen, ob er diesen Schritt wagen soll. Wartet auf eine Gelegenheit, sie alleine zu sprechen.
Stattdessen sitzt er daheim und hört Balladen, die seine Seele berühren und alles nur noch schlimmer machen. Seufzend kauert er über einem Blatt Papier. Seine Hand schwebt über das blütenweiße Pergament, während seine Gedanken mal wieder auf Wanderschaft gehen.

Du bist wie ein Sonnenaufgang, nach einer langen, dunklen Nacht.
Wie ein schattiger Baum in der Wüste.
Du bist wie ein Regenschauer, nach einer langen Trockenzeit.
Wie ein rettendes Schiff am Horizont.
Du bist einzigartig.
Du bist mein Schicksal - mein Leben.

Den Tränen nahe knüllt er es zusammen. Sie wird es sowieso niemals lesen. Das Wort Herzschmerz entwickelt mehr und mehr ein Eigenleben, bestimmt sein Leben.
Oft waren sie zusammen aus, doch nie alleine; immer sind Freunde dabei, eine unüberwindbare Barriere zwischen ihm und ihr.
Der Deutschlehrer holt ihn wieder einmal aus seinen Gedanken zurück in den Unterricht. Er kann die gestellte Frage nicht beantworten. Wie sollte er auch! Mühsam versucht er sich den Rest der Stunde auf den Stoff zu konzentrieren. Er stellt fest, dass Ferdinand glücklicher ist als er selbst, denn Ferdinand besitzt seine Luise. Es läutet.
Es regnet vom grauen, mit dicken Regenwolken verhangenen Himmel herab. Sie treffen sich am Kino. Seine Freunde und er. Sie ist auch dabei. Atemberaubend sieht sie aus. Seine Hand umhüllt den Zettel in seiner Hosentasche. Den Zettel, auf dem er versucht hat seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen:

Ich liebe dich,
Denn durch dich fühle ich mich groß,
Denn du lässt die Sterne strahlen.
Nur durch dich kann ich in Farben malen,
Ohne dich wäre mein Leben ein hartes Los.
Dafür liebe ich dich.
Du lässt mich jeden Tag genießen,
Du machst, dass ich fröhlich bin.
Nur du gibst meinem Leben einen Sinn,
Ohne dich wäre ich nicht ich selbst.

Die Vorstellung ist zu Ende. Er hat es nicht geschafft einen Platz neben ihr zu ergattern. Der Film war ihm eigentlich egal. Sie ist dabei, Grund genug mitzugehen. Immer wieder sucht er ihren Blick, diesen Blick der sein Herz rasend macht und wie Schmirgelpapier seine Seele streift. Sie weicht ihm aus, ohne das er es wahrhaben möchte. Liebe macht blind.
Auf dem Rückweg gehen sie ein Stück zusammen. Während ihre Freunde sich verabschieden, schlendern sie zusammen zur nächsten Haltestelle. Viel zu schnell läuft sie neben ihm her. Auf diesen Moment hat er eine halbe Ewigkeit gewartet. Er tastet nach dem Zettel in seiner Hosentasche. Er atmet flach und hektisch. Sie bemerkt es nicht, stumm hält sie den Blick auf den Weg gerichtet. Er öffnet die Lippen, doch die Worte, die er sich im Kopf Tag für Tag zurecht gelegt hatte, erreichen seinen Mund nicht. Er blickt zu Boden. Eine Rose liegt dort. Verdorrt und platt getreten. Er kann den Blick nicht von ihr nehmen. Sie läuft darüber hinweg, tritt mit ihrem Absatz genau auf die Reste der Blüte. Unvermindert schnell geht sie weiter. Er folgt ihr mit eiligen Schritten.
An der Haltestelle fährt der Bus vor. Seine letzte Gelegenheit. Er sieht sie an, schaut zurück zu der Rose - und schweigt. Sie steigt ein, verabschiedet sich mit einem kurzen ‘Tschüss’ und fährt in dem Bus davon.
Gedankenverloren begibt er sich zurück zur Rose. Mit Tränen in den Augen hebt er sie auf und betrachtet das zerfetzte Grün. Er schließt die Augen, hält sie einen Moment geschlossen und öffnet sie wieder.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht macht er sich auf den Heimweg.​

 

Hi S.R.

warum der Titel auf Suaheli ist, leuchtet mir aus der Geschichte heraus wenig ein. Wahrscheinlich war die "Liebe ist/macht blind" zu abgedroschen, wird das aber besser, wenn man es in einer exotischen Sprache nutzt, die ansonsten mit der Geschichte nichts zu tun hat? Ich könnte mir anhand deiner namenlosen Prots natürlich einbilden, einer von ihnen käme aus beispielsweise Somalia, aber dazu fehlt es den Charakteren leider zu sehr an Persönlichkeit.
Ansonsten mag ich das Spannungsfeld zwischen den Beschreibungen und den Gedichten des Prots, denn im Grunde sind diese Gedichte gelogen. Die Angebetete ist für ihn eben weder Sonnenaufgang noch Schatten, Schauer oder Rettung. Dazu müsste sie ihn ja erhören. Sie ist von allem nur die Ahnung, der Wunsch, die Sehnsucht.
Augenfälliger wird es beim zweiten Gedicht. Er liebt sie, aber er fühlt sich durch sie klein, n icht groß, er malt schwarzweiß und sein Leben ist durch sie ein hartes Los. Sie macht, dass er traurig ist, denn sie erhört ihn nicht. Ohne sie wäre er also endlich er selbst.
Am Ende scheint er davon ein bisschen zu ahnen. Die Fantasie ist eben schöner als die Realität und mit der von seiner Angebeteten missachteten Rose in der Hand kann er wieder träumen, sie wäre so, wie er es sich erhofft - und lächeln.
Dieser Kontrast hebt deine Geschichte durchaus über andere Herzschmerzgeschichten hinaus.
Ein Detail:

Sie weicht ihm aus, ohne das er es wahrhaben möchte
ohne dass

Lieben Gruß, sim

 

Hallo S.R.,

Der Protagonist leidet. Er ist ja auch nicht unschuldig an diesem Zustand: Wie soll sie denn wissen, was er fühlt? Wenn jemand über Monate so still in seinem Kämmerchen vor sich hinschmachtet, kann man ihm auch nicht helfen, denke ich da - und kann kein Mitleid mit ihm haben ;). Entsprechend wenig hat mich auch die Geschichte mitgenommen, vielleicht liegt das aber daran, dass ich solche Angsthasen nicht verstehen kann.
Ich mag auch nicht gerne Gedichte in einer KG lesen, denn dann würde ich ein Lyrikforum besuchen, wenn ich das wollte. Aber das ist Geschmackssache.

Was mir noch auffiel:

Mahaba ni tongo
- Liebe macht blind. Aber warum auf swaheli? In der ganzen Geschichte gibt es keine Szene, die das für mich in Verbindung bringt.

Wieder eine dieser langweiligen Deutschstunden. Thema: Kabale und Liebe. Bezeichnend.
Wenn du so anfängst, denke ich, dass ich es mit einem Ich-Erzähler zu tun habe, was sich aber nachher als falsch herausstellt.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht macht er sich auf den Heimweg.
Das verstehe ich nicht.

Lieben Gruß
bernadette

 

Hallo S.R.,

Der Protagonist leidet. Er ist ja auch nicht unschuldig an diesem Zustand: Wie soll sie denn wissen, was er fühlt? Wenn jemand über Monate so still in seinem Kämmerchen vor sich hinschmachtet, kann man ihm auch nicht helfen, denke ich da - und kann kein Mitleid mit ihm haben ;). Entsprechend wenig hat mich auch die Geschichte mitgenommen, vielleicht liegt das aber daran, dass ich solche Angsthasen nicht verstehen kann.
Ich mag auch nicht gerne Gedichte in einer KG lesen, denn dann würde ich ein Lyrikforum besuchen, wenn ich das wollte. Aber das ist Geschmackssache.

Was mir noch auffiel:

Mahaba ni tongo
- Liebe macht blind. Aber warum auf swaheli? In der ganzen Geschichte gibt es keine Szene, die das für mich in Verbindung bringt.

Wieder eine dieser langweiligen Deutschstunden. Thema: Kabale und Liebe. Bezeichnend.
Wenn du so anfängst, denke ich, dass ich es mit einem Ich-Erzähler zu tun habe, was sich aber nachher als falsch herausstellt.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht macht er sich auf den Heimweg.
Das verstehe ich nicht.

Lieben Gruß
bernadette

Edit: sims und meine Kritik haben sich zeitlich überschnitten, deshalb Anmerkungen gleicher Details

 

Hallo.
Erstmal vielen Dank für eure Rückmeldung :)

Zunächst mal zum Titel... die deutsche Variante "Liebe macht blind" war mir in der Tat zu abgenutzt, deshalb bin ich auf diese exotischere Variante umgestiegen, ohne ein inhaltliches Gerüst dafür zu konstruieren. Ich gebe zu, es war wohl nicht besonders gut durchdacht...

Und bernadette, ich denke sim hat den Kern des letzten Satzes gut erläutert. Das Spannungsfeld zwischen Wunschdenken und dem wirklichen Leben, das den Prot umgibt, hält ihn vollends gefangen. Obwohl seine Angebetete über die Rose, dieses Symbol für Liebe, achtlos hinweggeht und ihm an der Stelle vielleicht die Augen geöffnet werden sollten, gelingt es ihm nicht, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Lieber klammert er sich an diese, in der Realität zerfetzte, in seiner Imagination jedoch noch leuchtende Hoffnung und lebt trotz der Ausweglosigkeit glücklich weiter.

Sop, also nochmals vielen Dank fürs Lesen und die Kritik.
Liebe Grüße, S.R. :)

 

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